VwGH 96/06/0193

VwGH96/06/01933.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des G in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadt Graz vom 1. Juli 1996, Zl. A 17-C-11.246/1995-6, betreffend Widmungsbewilligung bzw. Änderung der Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: D in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs2;
BauO Stmk 1968 §4 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litd;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litb;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litc;
AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs2;
BauO Stmk 1968 §4 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litd;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litb;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom 22. Jänner 1993 wurde dem Mitbeteiligten die Widmung bzw. die Widmungsänderung der Grundstücke Nr. 88/1, 88/2, 90, EZ 63, Nr. 91 und 93, EZ 65, KG G, unter Festsetzung diverser Bebauungsgrundlagen und Auflagen bewilligt. In diesem Bescheid findet sich die vom Beschwerdeführer vor allem bekämpfte Regelung des zulässigen Verwendungszweckes.

Mit Bescheid vom 11. Juli 1995 wurde eine Widmungsänderung insofern bewilligt, als die unter Punkt 8. der Widmungsbewilligung festgelegten Baugrenzlinien geändert wurden.

Den gegen die beiden genannten erstinstanzlichen Bescheide erhobenen Berufungen des Beschwerdeführers wurde keine Folge gegeben und die Bescheide der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen wird in dieser Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer dem erstinstanzlichen Verfahren nicht beigezogen worden sei. Er habe als übergangene Partei von der Möglichkeit, die Zustellung des Bescheides unter Hinweis auf seine Parteistellung zu begehren, Gebrauch gemacht. Der erstinstanzliche Bescheid sei dem Vertreter des Beschwerdeführers am 26. April 1996 zugestellt worden. Das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers unterliege somit nicht der Präklusion gemäß § 42 AVG und sei von der Berufungsbehörde auf dieses inhaltlich einzugehen. Das Widmungsgrundstück sei gemäß dem Flächenwidmungsplan 1992 der Landeshauptstadt Graz als "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" bzw. als "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet", überlagert mit "Allgemeinem Wohngebiet", ausgenommen Einkaufszentren, ausgewiesen. In der Widmungsbewilligung vom 22. Jänner 1993 werde unter Punkt 11. "Zulässige Bauten (Verwendungszweck)" folgendes festgelegt:

"Westlich der Ausweisungsgrenze:

Alle gemäß § 23 Abs. 5 lit. c des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 idgF in einem "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" zulässigen Nutzungen.

Östlich der Ausweisungsgrenze:

Alle gemäß § 23 Abs. 5 lit. c des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 idgF in einem "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" zulässigen Nutzungen, ausgenommen Einkaufszentren; ab dem ersten Obergeschoß alle gemäß § 23 Abs. 5 lit. b) dieses Gesetzes in einem "Allgemeinen Wohngebiet" zulässigen Nutzungen."

Da die erstinstanzliche Behörde den Verwendungszweck entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen festgelegt habe, sei eine Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechtes des Nachbarn nicht gegeben. Die vom Nachbarn befürchtete Belästigung durch Immissionen, verursacht durch Bauten, die in einem "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" bzw. in einem "Allgemeinen Wohngebiet" zulässig seien, müsse der Ausweisung entsprechend hingenommen werden. Durch die Einhaltung der in den Ausweiskategorien zulässigen Bauten könnten somit keine Immissionen verursacht werden, die das ortsübliche Ausmaß überstiegen und somit eine Beeinträchtigung der Nachbarschaft nach sich ziehen könnten. Immissionen, die nach der Ausweisung im Flächenwidmungsplan von zulässigen Nutzungen ausgingen, seien als ortsüblich anzusehen und komme daher auch keine Vorschreibung von größeren Abständen in Betracht.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere durch die rechtswidrige Anwendung des § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 sowie § 61 Abs. 2 Stmk. Bauordnung in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 23 Abs. 5 lit. b und c Stmk. Raumordnungsgesetz, LGBl. Nr. 127/1974 i.d.F. des Landesgesetzes LGBl. Nr. 39/1986 (im folgenden: ROG), lauten wie folgt:

"(5) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:

  1. a) ...
  2. b) allgemeine Wohngebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können;
  3. c) Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete, das sind Flächen, die vornehmlich für Verwaltungsgebäude, Büro- und Kaufhäuser, Hotels, Theater, Kirchen, Versammlungsräume, Gast- und Vergnügungsstätten u.dgl. bestimmt sind, wobei auch die erforderlichen Wohngebäude und Garagen in entsprechender Verkehrslage sowie Betriebe, die sich der Eigenart des Büro- und Geschäftsgebietes entsprechend einordnen lassen und keine diesem Gebietscharakter widersprechenden Belästigungen verursachen, errichtet werden können;"

Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage betreffend den vorgeschriebenen Verwendungszweck bezieht sich nur auf den Bescheid betreffend die Widmungsbewilligung, weshalb gemäß § 119 Abs. 2 Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 95/1995, für den angefochtenen Bescheid insoweit die Bestimmungen der Stmk. Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der jeweils geltenden Fassung, maßgeblich sind. Gemäß § 4 Abs. 3 Stmk. Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 i.d.F. des Landesgesetzes

LGBl. Nr. 12/1985, kann die Baubehörde größere Abstände als die im Abs. 1 festgelegten festsetzen, wenn der Verwendungszweck von Bauten eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarschaft erwarten läßt. Gemäß § 61 Abs. 2 lit. d Stmk. Bauordnung i.d.F. des Landesgesetzes LGBl. Nr. 14/1989 kann der Nachbar u.a. Einwendungen erheben, wenn sich diese auf Bestimmungen über die Abstände gemäß § 4 und § 53 beziehen. Gemäß § 3 Abs. 1 Stmk. Bauordnung i.d.F. des Landesgesetzes LGBl. Nr. 14/1989 sind die Bestimmungen über die Bauverhandlung gemäß § 61 Stmk. Bauordnung im Rahmen des Verfahrens über das Ansuchen auf Erteilung einer Widmungsbewilligung sinngemäß anzuwenden.

Sofern der Beschwerdeführer geltend macht, daß im vorliegenden Widmungsverfahren ihm gegenüber als übergangener Partei jedenfalls eine neuerliche Bauverhandlung hätte stattfinden müssen, da für die Frage, welche Belästigungen und/oder Gefährdungen ein bestimmter Verwendungszweck mit sich bringe, die Mitwirkung von Sachverständigen verschiedener Fachrichtungen unerläßlich sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß dem übergangenen Nachbarn gemäß der hg. Judikatur (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 1983, Zl. 83/05/0054, und vom 15. September 1987, Zl. 85/05/0103) kein Rechtsanspruch auf Durchführung einer neuerlichen Verhandlung zusteht. Der übergangene Nachbar kann vielmehr einen Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung bzw. auf Zustellung des Bescheides stellen und nach Zustellung des Bescheides, wenn ihm der Inhalt des Bescheides zur Gänze bekannt ist, sofort Berufung erheben. Eine Verpflichtung der Baubehörde, in diesem Fall das Verfahren neu durchzuführen, kann dem AVG nicht entnommen werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1986, Zl. 85/05/0005).

Auch die vom Beschwerdeführer gerügte Nichtbeiziehung eines medizinischen Sachverständigen stellt im vorliegenden Fall keinen Verfahrensmangel dar, da im Einklang mit der jeweiligen Flächenwidmung westlich bzw. östlich der Ausweisungsgrenze nur jene Bauten für zulässig erklärt wurden, die einerseits der Widmung "Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet" gemäß § 23 Abs. 5 lit. c Stmk. ROG, andererseits ab dem ersten Obergeschoß der Widmung "Allgemeines Wohngebiet" gemäß § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. ROG entsprechen. Eine derart allgemeine Umschreibung des Verwendungszweckes von Bauten im Sinne der gesetzlichen Widmungsbestimmungen auf einem Grundstück ist gemäß der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 96/06/0071) zulässig. Bei einer derart allgemeinen Festsetzung des zulässigen Verwendungszweckes auf einem Grundstück kommen konkrete Feststellungen hinsichtlich der zu erwartenden Belästigungen und/oder Gefährdungen aufgrund des festgesetzten Verwendungszweckes nicht in Betracht.

Es stellt auch keine Rechtswidrigkeit dar, wenn sich aufgrund einer Berufung der übergangenen Partei gegen die Widmungsbewilligung und der bereits erfolgten Änderung der Widmungsbewilligung ergibt, daß die Widmungsänderung vor der Rechtskraft der Widmungsbewilligung erfolgt. Die übergangene Partei kann ihre Rechte sowohl gegen die Widmungsbewilligung als auch gegen den Bescheid betreffend die Änderung der Widmungsbewilligung geltend machen.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, daß gemäß § 4 Abs. 3 Stmk. Bauordnung größere Abstände festgesetzt werden könnten, wenn der Verwendungszweck von Bauten eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarschaft erwarten lasse. Das ortsübliche Ausmaß der Belästigung ergebe sich nach den Erläuternden Bemerkungen zur Stmk. Bauordnung je nach der Umgebung der Örtlichkeit. Bringe aber eine bestimmte Betriebstype üblicherweise eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung mit sich, dann habe die Baubehörde größere Abstände festzulegen, sofern diese Betriebstype überhaupt in der nach dem Flächenwidmungsplan gegebenen Widmungskategorie zulässig ist. Würde man der Argumentation der belangten Behörde folgen, wonach Immissionen, die von nach dem Flächenwidmungsplan zulässigen Nutzungen ausgehen, jedenfalls als ortsüblich anzusehen seien, so wäre die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Stmk. Bauordnung nicht nachvollziehbar.

Auch mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Nach dem allgemein bestimmten, auf den verfahrensgegenständlichen Grundstücken einzuhaltenden Verwendungszweck sind einerseits dem Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet gemäß § 23 Abs. 5 lit. c Stmk. ROG entsprechende Nutzungen (das sind entsprechend dieser Bestimmung Betriebe, die sich der Eigenart des Büro- und Geschäftsgebietes entsprechend einordnen lassen und keine diesem Gebietscharakter widersprechenden Belästigungen verursachen), andererseits dem Allgemeinen Wohngebiet gemäß § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. ROG entsprechende Nutzungen zulässig. Im Allgemeinen Wohngebiet sind danach neben den dort ausdrücklich genannten Betrieben (Gärtnerei, Geschäfte, Gasthäuser) nur solche Betriebe zulässig, die keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen. Sofern die zukünftige konkrete Nutzung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke das Problem aufwerfen sollte, daß zwar ein nach der Flächenwidmung zulässiger Betrieb vorliegt, der aber eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung mit sich bringt (vgl. auch die Anmerkung 13 in Hauer, Steiermärkisches Baurecht2, 59), steht dem Beschwerdeführer im Bauverfahren über das konkrete Bauvorhaben mit einem ganz konkreten Verwendungszweck unter Berufung auf das Nachbarrecht gemäß § 61 Abs. 2 lit. d Stmk. Bauordnung betreffend die Abstände (§§ 4 und 53) die Möglichkeit offen, die Festsetzung größerer Abstände gemäß § 4 Abs. 3 Stmk. Bauordnung geltend zu machen. Durch die vorliegende Widmungs- bzw. Widmungsänderungsbewilligung wird der Beschwerdeführer im Nachbarrecht gemäß § 61 Abs. 2 lit. d Stmk. Bauordnung jedenfalls nicht verletzt.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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