VwGH 94/18/1101

VwGH94/18/110123.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des M in A, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. Oktober 1994, Zl. Fr 1242/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (belangte Behörde) vom 24. Oktober 1994, mit welchem gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 1 und 2 FrG ein bis zum 31. März 2004 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Ybbs am 21. November 1991 wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Amstetten vom 15. November 1993 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z. 2 des Waffengesetzes 1986 (unbefugtes Besitzen einer verbotenen Waffe), der Unterschlagung gemäß § 134 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen rechtskräftig verurteilt worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 2. März 1994 sei dem Beschwerdeführer der Besitz von Waffen und Munition gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1986 verboten worden. Der Beschwerdeführer sei weiters mehrfach verwaltungsbehördlich bestraft worden, nämlich mit Strafverfügung vom 24. Jänner 1986 wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes (wegen seiner sichtvermerksfreien Einreise und der beabsichtigten Arbeitsaufnahme), mit Strafverfügung vom 7. August 1992 wegen Übertretung des § 22 Abs. 1 Z. 7 des Meldegesetzes 1991 zu einer Geldstrafe von S 3.000,--, mit Strafverfügung vom 8. Juni 1993 wegen Übertretung des § 22 Abs. 2 Z. 5 des Meldegesetzes 1991 zu einer Geldstrafe von S 500,--, mit Strafverfügung vom 2. Februar 1993 wegen Übertretung des § 367 Z. 26 der Gewerbeordnung 1973 zu einer Geldstrafe von S 2.400,--, mit Strafverfügung vom 11. Februar 1993 wegen Übertretung des § 367 Z. 2 der Gewerbeordnung 1973 zu einer Geldstrafe von S 3.000,-- und mit Straferkenntnis vom 25. August 1993 wegen Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu einer Geldstrafe von S 5.000,-- . Gegen den Beschwerdeführer sei mehrfach wegen gerichtlich strafbarer Handlungen Anzeige erstattet worden, und zwar wegen eines nicht zurückbezahlten Kredites im Hinblick auf § 146 StGB, am 15. Jänner 1991 wegen des Verdachtes des Betruges, weil der Beschwerdeführer einem türkischen Staatsangehörigen die Vermittlung einer Arbeitsbewilligung und Aufenthaltsberechtigung durch die Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin gegen ein Entgelt in der Höhe von S 70.000,-- versprochen habe, es in der Folge jedoch nicht zur Eheschließung gekommen sei. Der Beschwerdeführer sei weiters am 21. Juli 1994 wegen §§ 83, 107, 201 StGB, weil er in der Zeit von März 1993 bis Mitte Juli 1994 die in diesen Bestimmungen verpönten Delikte gegen seine am 11. Juni 1994 geehelichte und seit 19. August 1994 wieder geschiedene Gattin M gerichtet habe, und schließlich am 22. Juli 1994 wegen einer weiteren Übertretung nach §§ 83 und 125 StGB angezeigt worden.

Im Fall des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG erfüllt, weil er am 21. November 1991 wegen § 88 Abs. 1 StGB und am 15. November 1993 wegen § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig bestraft worden sei; bei diesen Delikten der vorsätzlichen Körperverletzung und der fahrlässigen Körperverletzung handle es sich um solche, die im Sinne des § 71 StGB auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten. Im Fall des Beschwerdeführers sei auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt, weil zwei rechtskräftige Bestrafungen nach dem Meldegesetz 1991 vorlägen. Im Hinblick auf das gesamte Fehlverhalten des Beschwerdeführers sei auch die Annahme gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG berechtigt, daß seine weitere Anwesenheit im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde.

Das Aufenthaltsverbot sei auch im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers gemäß §§ 19 und 20 FrG gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer halte sich seit Juni 1985 im Bundesgebiet auf, hier wohne auch seine geschiedene Gattin mit drei gemeinsamen Kindern, für deren Unterhalt die nunmehr berufstätige ehemalige Ehegattin des Beschwerdeführers aufkomme; ein Kind stehe bereits in einem Lehrverhältnis. Der Beschwerdeführer habe während des Berufungsverfahrens am 11. Juni 1994 eine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen, welche jedoch mittlerweile bereits geschieden sei. Aufgrund dieses Sachverhaltes komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß infolge des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers von einer nicht unerheblichen Integration auszugehen sei und sohin die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch einen relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers darstelle. Seine familiären Verhältnisse seien jedoch dergestalt, daß von keiner erheblichen Beeinträchtigung gesprochen werden könne; einer Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt für seine Kinder könne er auch vom Ausland aus nachkommen. Angesichts der Vielzahl und des nicht unbeträchtlichen Unrechtsgehaltes der ihm zur Last fallenden Rechtsverletzungen komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen gegenüber den Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation unverhältnismäßig schwerer zu werten seien. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, namentlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen dringend geboten. Die bis zum 31. März 2004 festgesetzte Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes wurde damit begründet, daß der Wegfall der Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung zu einem früheren Zeitpunkt nicht als gegeben erscheine.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt wird.

Die belangte Behörde verwies auf die dem Verwaltungsgerichtshof bereits zum Verfahren Zl. 94/18/1091 vorgelegten Verwaltungsakten, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die "grundsätzlichen Voraussetzungen des § 18 Fremdengesetz" nicht vorlägen, da von schwerwiegenden Verstößen nicht gesprochen werden könne.

Diese Auffassung kann der Verwaltungsgerichtshof nicht teilen. Die belangte Behörde hat nämlich zu Recht die beiden vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten gemäß § 88 Abs. 1 StGB (fahrlässige Körperverletzung) und gemäß § 83 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) als solche gewertet, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen; somit ist der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG erfüllt. Auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG war angesichts von zwei gegen den Beschwerdeführer ergangenen Bestrafungen wegen Übertretung des Meldegesetzes 1991 sowie einer des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gegeben.

Ein Rechtsirrtum kann der belangten Behörde auch nicht vorgeworfen werden, wenn sie aus dem den in der Sachverhaltsdarstellung angeführten Verurteilungen und Bestrafungen zugrundeliegenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers den Schluß zog, daß seine weitere Anwesenheit im Bundesgebiet hier die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG gefährde.

Der angefochtene Bescheid erscheint auch im Lichte der §§ 19 und 20 FrG nicht rechtswidrig. Zwar hielt sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits etwa neun Jahre im Bundesgebiet auf, sodaß der angefochtene Bescheid dadurch erheblich in seine privaten Interessen eingreift. Dem Akteninhalt zufolge lebte der Beschwerdeführer seit 14. Februar 1994 wieder mit seiner türkischen Familie im gemeinsamen Haushalt, daher hat er auch nicht unerhebliche familiäre Interessen. Insgesamt kann der Verwaltungsgerichtshof aber angesichts des vom Beschwerdeführer an den Tag gelegten Gesamtverhaltens nicht finden, daß die Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Aufrechterhaltung der Ordnung gemäß § 19 FrG nicht dringend geboten sei und daß vorliegend die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, weshalb der angefochtene Bescheid auch im Hinblick auf § 20 Abs. 1 FrG nicht rechtswidrig ist.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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