VwGH 91/10/0060

VwGH91/10/00606.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des P in I, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen die Erledigung der Tiroler Landesregierung vom 30. November 1990, Zl. U-11.667/6, betreffend Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4 idF 1982/199 ;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
BeglaubigungsV 1925 §4;
VwGG §34 Abs1;
AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4 idF 1982/199 ;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
BeglaubigungsV 1925 §4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis vom 13. Juni 1990 legte der Stadtmagistrat Innsbruck dem Beschwerdeführer die Außerachtlassung eines rechtskräftigen naturschutzbehördlichen Entfernungsauftrages als Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit § 16 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes zur Last und verhängte eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen) sowie eine primäre Freiheitsstrafe von drei Tagen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.2. Mit "Berufungserkenntnis" vom 29. August 1990 wies die Tiroler Landesregierung diese Berufung mit der Maßgabe als unbegründet ab, daß der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz gemäß § 64 VStG auf S 300,-- herabgesetzt werde. Die Urschrift des Bescheides weist den Namen des für die Landesregierung tätig gewordenen Organwalters, nicht aber dessen Unterschrift auf. Der Bescheid wurde der erstinstanzlichen Behörde mit dem Ersuchen um nachweisliche Zustellung übermittelt.

Mit Schreiben vom 22. November 1990 machte die erstinstanzliche Strafbehörde auf einen Fehler im Berufungserkenntnis aufmerksam (Übersehen der primären Freiheitsstrafe von drei Tagen).

Im "Berufungserkenntnis" der Tiroler Landesregierung vom 30. November 1990 wurden im Spruch sowie in der Begründung entsprechende Änderungen vorgenommen. Die Erledigung weist "Für die Landesregierung:" den Namen des Genehmigenden, nicht aber seine Unterschrift auf, ferner eine Paraphe "F.d.R.d.A.". Im Akt befindet sich eine vom Genehmigenden unterfertigte Kanzleiweisung, das Berufungserkenntnis auszubessern und das korrigierte Berufungserkenntnis mit einem Begleitschreiben der erstinstanzlichen Behörde zwecks Zustellung zuzuleiten.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 30. November 1990 wurde das korrigierte Berufungserkenntnis der erstinstanzlichen Behörde mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme und nachweisliche Zustellung und besonderem Dank für die Aufmerksamkeit übermittelt. Das Schreiben ist mit freundlichen Grüßen namens der Landesregierung von dem auf dem Berufungserkenntnis als Genehmigender genannten Organwalter unterschrieben. Mit dem gleichen Ersuchen erging dann an die erstinstanzliche Behörde ein weiteres Schreiben der Tiroler Landesregierung vom 10. Dezember 1990 unter Anschluß einer (weiteren) Ausfertigung des korrigierten Berufungserkenntnisses.

1.3. Gegen diese Erledigung wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und verzeichnete keine Kosten. Die Akten der belangten Behörde sind weder chronologisch geordnet, noch paginiert, noch mit einem Aktenverzeichnis versehen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

2.1. Gemäß dem Übergangsrecht zum AVG 1950 (AVG-Übergangsrecht 1991, Anlage 2 der Wiederverlautbarungskundmachung BGBl. Nr. 51/1991) sind am 1. Jänner 1991 anhängige Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 357/1990 (1. Jänner 1991) geltenden Rechtslage zu Ende zu führen.

Die angefochtene Berufungserledigung wurde dem Beschwerdeführer am 4. Jänner 1991 zugestellt. Auf den Beschwerdefall ist daher das AVG 1950 in der Fassung vor der (am 1. Jänner 1991 in Kraft getretenen) Novelle BGBl. Nr. 357/1990 anzuwenden:

Gemäß § 58 Abs. 3 AVG 1950 gelten auch für die Bescheide die Vorschriften des § 18 Abs. 4. § 18 Abs. 4 AVG 1950 in der Fassung BGBl. Nr. 199/1982 (das ist in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990) lautete:

"Alle schriftlichen Ausfertigungen müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Das Nähere wird durch Verordnung geregelt. Bei telegraphischen, fernschriftlichen oder vervielfältigten Ausfertigungen genügt die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."

2.2. Die angefochtene Berufungserledigung vom

30. November 1990, von der sich zwei Exemplare in den

Verwaltungsakten befinden und im Schriftbild vollständig mit

der der Beschwerde angeschlossenen Ausfertigung übereinstimmen,

weist keine Merkmale einer automationsunterstützt hergestellten

Ausfertigung (DVR-Nummer) auf, sondern ist offenkundig eine

Ablichtung und als solche eine vervielfältigte Ausfertigung im

Sinne des § 18 Abs. 4 vierter Satz AVG 1950 in der Fassung

BGBl. Nr. 199/1982. Eine Beglaubigung durch die Kanzlei war

daher nicht erforderlich. Daher ist es irrelevant, daß die

"Beglaubigung" entgegen der zwingenden Vorschrift des § 4 der

Beglaubigungsverordnung nicht durch eine Unterschrift

dokumentiert wurde, sondern bloß durch eine unleserliche

Paraphe (vgl. zum Begriff der "Unterschrift" etwa die

hg. Entscheidungen vom 3. März 1982, Zl. 81/03/0227

= ZfVB 1983/3/1434, vom 5. Juni 1985, Zl. 84/11/0178

= ZfVB 1986/1/0360, vom 16. Februar 1994, Zl. 93/13/0025, und

vom 13. Oktober 1994, Zl. 93/09/0302).

2.3. Die Erledigung weist allerdings einen anderen Mangel auf, der es ausschließt, sie als Bescheid zu qualifizieren.

Nach der hier noch anzuwendenden Rechtslage war es nämlich erforderlich, daß die Urschrift der als Bescheid intendierten Erledigung die Unterschrift des Genehmigenden aufweist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur damaligen Rechtslage ist wesentlich, daß die Urschrift eines Bescheides mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen sein muß (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. Dezember 1985, Zl. 85/18/0029 = ZfVB 1986/4/1761, 1853, vom 11. Dezember 1986, Slg. N.F. Nr. 12.333/A = ZfVB 1987/4/1792, und vom 25. April 1988, Zl. 87/18/0124 = ZfVB 1989/1/170). Nach dem eben zitierten Erkenntnis Slg. N.F. Nr. 12.333/A ist die Genehmigung nur durch eine Unterschriftsleistung zulässig und hat der Gesetzgeber keine Anordnung getroffen, daß andere Verhaltensweisen von Behördenorganen - z.B. mündliche oder konkludente Anordnungen an nicht zur Genehmigung berufene Organe, Bescheide auszufertigen - ebenfalls als Genehmigung zu werten wären (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 23. April 1990, Zl. 89/10/0241 = ZfVB 1991/2/767). Auch dann, wenn das Bescheidkonzept nach Herstellung der Reinschrift vernichtet wird und daher kein Geschäftsstück (mehr) vorliegt, das die eigenhändig gesetzte Genehmigung durch den dazu berufenen Organwalter aufweist, liegt ein Nichtbescheid vor (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 88/08/0048 = ZfVB 1990/2/900).

Die in den Verwaltungsakten der Landesregierung erliegende Urschrift weist die Unterschrift des Organwalters, der auf der Erledigung als Genehmigender ("Für die Landesregierung") ausgewiesen ist, nicht auf; vielmehr ist auch das Aktenexemplar (nur) mit der schon erwähnten Paraphe des Kanzleiangestellten ("F.d.R.d.A.") versehen. Die Unterschrift des Genehmigenden auf einem Begleitschreiben der Landesregierung an die "Bezirkshauptmannschaft" Innsbruck, diese möge das korrigierte Berufungserkenntnis nachweislich zustellen, vermag die fehlende Unterschrift auf der Urschrift nicht zu ersetzen. Ebensowenig trifft dies für die Unterschrift auf der Kanzleiweisung vom 30. November 1990 "Berufungserkenntnis bitte ausbessern" zu, zumal daraus der Inhalt der Ausbesserungen auf der Erledigung vom 29. August 1990 - deren Urschrift im übrigen ebenfalls keine Unterschrift des Genehmigenden aufweist - im Akt der Landesregierung nicht erkennbar ist. Vielmehr findet sich in den Akten der erstinstanzlichen Strafbehörde ein Exemplar der Erledigung der Landesregierung vom 29. August mit Bleistiftkorrekturen, welches das der erstinstanzlichen Behörde allenfalls irrtümlich übermittelte Korrekturexemplar sein könnte. Bei dieser Sachlage läßt sich nicht eindeutig erkennen, welcher Text Gegenstand der Willensbildung des Genehmigenden gewesen ist. Der Fall kann daher mit jenem in der Rechtsprechung (nach Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, RdZ 190, bedenklicherweise) tolerierten Fall, daß sich die Unterschrift nicht auf der Urschrift selbst, sondern auf einem Referatsbogen befindet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1981, Slg. N.F. Nr. 10.491/A = ZfVB 1982/5/1942), nicht verglichen werden. Denn auch diese Rechtsprechung setzt voraus, daß eine "beigesetzte" Genehmigung nur dann einer Unterschrift (auf der Urkunde selbst) gleichgehalten werden kann, wenn eine eindeutig klare Zuordnung der Unterschrift zum Inhalt des genehmigten Textes gewährleistet ist und zum Ausdruck kommt, daß die Unterschrift den Akt der Genehmigung des Textes dokumentiert.

Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall nicht erfüllt.

2.4. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die angefochtene Berufungserledigung nicht als Bescheid qualifiziert werden kann und daher keinen tauglichen Beschwerdegegenstand bildet.

Die Beschwerde war daher wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG durch Beschluß in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

2.5. Die belangte Behörde hat auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und für die Aktenvorlage einen Kostenersatz nicht geltend gemacht.

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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