Normen
AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnF litb;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnF litb;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juni 1994, wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesh, der am 12. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 5. November 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. Jänner 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.
Der Beschwerdeführer gab bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 2. Dezember 1991 im wesentlichen an:
Er sei seit 1985 Angehöriger der "IATO-Partei" gewesen und hätte Versammlungen zu organisieren und abzuhalten und neue Mitglieder zu werben gehabt. Im Dezember 1990 sei der Parteiführer Ershad verhaftet worden. Bei der Neuwahl im Februar 1991 habe seine Partei verloren und die BNP gewonnen. Am 10. Juni 1991 habe seine Partei in Comilla eine Demonstration durchgeführt, wobei die Freilassung des Parteiführers gefordert worden sei. Bei dieser Demonstration seien sowohl von Angehörigen seiner Partei und Angehörigen der BNP je eine Handgranate geworfen worden, wodurch zwei Menschen getötet und viele verletzt worden seien. Er habe die von einem Mitarbeiter seiner Partei erhaltene Handgranate entsichert und in die Leute der BNP geworfen. Er sei dann mit
10 Parteimitgliedern von der Polizei festgenommen worden, sei aber beim Versuch, sie in ein Fahrzeug zu bringen, samt einigen Parteimitgliedern geflüchtet. Er glaube, daß die Polizei wisse, daß er an dem Anschlag direkt beteiligt gewesen sei. Er müsse daher bei einer Festnahme mit einer gerichtlichen Verurteilung und der Todesstrafe wegen Mordes rechnen, wobei er vorher sicher auch mißhandelt worden wäre. Deshalb habe er flüchten müssen.
Die gegen die Entscheidung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich eingebrachte Berufung enthält keine Sachverhaltsdarstellung, sondern lediglich die Bitte um neuerliche Überprüfung.
Die belangte Behörde stützte ihre die Berufung abweisende Entscheidung - anders als die Erstbehörde - darauf, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere die zitierte niederschriftliche Einvernahme, ergeben habe, daß der Beschwerdeführer unter Art. 1 Abschnitt F lit. b der Genfer Flüchtlingskonvention falle, weil ernsthafte Verdachtsgründe dafür vorlägen, daß der Beschwerdeführer, bevor er als Flüchtling in das Gastland zugelassen wurde, ein schweres, nichtpolitisches Verbrechen begangen habe. Der Handgranatenwurf in eine Menschenansammlung beinhalte zumindest das Verbrechen der schweren Körperverletzung sowie des versuchten oder allenfalls sogar des vollendeten Mordes, weshalb gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 Asyl nicht gewährt werde.
Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die Behörde kein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, sondern nur aufgrund der mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift entschieden habe. Zudem seien ihm keine Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorgehalten worden. Durch diese Verletzung sei es dem Beschwerdeführer unmöglich gemacht worden, seine Rechte zu wahren, Mißverständnisse aufzuklären und weitere Beweise anzubieten.
Unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer vor, daß die belangte Behörde in unrichtiger rechtlicher Beurteilung übersehen habe, daß der Beschwerdeführer allenfalls ein POLITISCHES Verbrechen begangen habe. Die politischen Beweggründe seien evident, es habe damit versucht werden sollen, anläßlich der Demonstration die Freilassung des inhaftierten Parteiführers zu erreichen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. aus vielen das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1995, Zlen. 94/20/0672, 0673). Da im Beschwerdefall über die bereits oben wiedergegebenen Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da ein Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer in seinen Berufungen auch nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.
Der Beschwerdeführer hat auch eine Verletzung des Parteiengehörs gerügt, sich aber dabei darauf beschränkt, diesen Mangel aufzuzeigen. Gemäß der ständigen
hg. Rechtsprechung kann aber eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 45 Abs. 3 AVG dann nicht herbeigeführt werden, wenn sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, diesen Mangel aufzuzeigen, ohne jedoch die dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten tatsächlichen Feststellungen zu bekämpfen und ohne darzulegen, was er vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden wäre (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 339, zitierte Rechtsprechung). Es kann daher im konkreten Fall dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde ihre vom erstinstanzlichen Bescheid abweichende rechtliche Beurteilung dem Beschwerdeführer überhaupt hätte zur Kenntnis bringen müssen.
Gemäß Art. 1 Abschnitt F lit. b der Genfer Flüchtlingskonvention sind die Bestimmungen dieses Abkommens auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, daß sie, bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nichtpolitisches Verbrechen begangen haben. Unter einem politischen Delikt ist eine Tat zu verstehen, die sich UNMITTELBAR gegen den Bestand oder die Sicherheit des Staates richtet. Es umfaßt aus objektiver Sicht jene Rechtsgüter, die UNMITTELBAR den Bestand und die Sicherheit des Staates schützen sollen.
Unter gemischt-politischen Delikten sind Zusammenhangstaten zu verstehen, bei denen bestimmte an sich gemeine Straftaten mit einem politischen Delikt in einem äußeren und inneren Zusammenhang stehen. Eine rein äußerliche Verknüpfung reicht jedoch nicht aus. Notwendig ist vielmehr ein bewußtes und gewolltes Verhältnis von Ursache und Wirkung dergestalt, daß die gemeine Straftat als Mittel, Weg oder Deckung für die politische gewollt und tatsächlich begangen wird. Bei Zusammenhangstaten ist danach abzugrenzen, ob noch der politische oder bereits der kriminelle Charakter überwiegt (vgl. zum ganzen Rohrböck, Das Asylgesetz 1991, Seite 128, mit weiteren Nachweisen).
Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers, daß zwar die Demonstration an sich darauf gerichtet war, die Freilassung des inhaftierten Parteiführers Ershad zu erreichen (somit politischen Charakter hatte), daß sich aber der Handgranatenwurf nicht gegen den Staat oder dessen Repräsentanten richtete, sondern gegen Angehörige der konkurrierenden Partei BNP. Diese offenbar eine Gegendemonstration abhaltenden Anhänger der BNP sind weder ident mit dem Staat noch als dessen Repräsentanten anzusehen. Solches wird vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet. Das Motiv des Handgranatenwurfes war sohin nicht unmittelbar gegen Bestand und Sicherheit DES STAATES gerichtet, sondern auf die Abwehr eines Angriffes von Gegendemonstranten bzw. auf einen Angriff von Angehörigen seiner Partei auf die genannten Anhänger der BNP, es hatte also mit dem der Demonstration ursprünglich innewohnenden Zweck des Versuches, die Freilassung des verhafteten Parteiführers zu erreichen, keinen inneren Zusammenhang.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß die Genfer Flüchtlingskonvention für die Anwendung ihres Art. 1 Abschnitt F lit. b legiglich "ernsthafte Gründe für den Verdacht" fordert, jedoch nicht den Nachweis, daß dem Asylwerber ein schweres nichtpolitisches Verbrechen zur Last liegt.
Damit hat die belangte Behörde den Handgranatenwurf mit Verletzungs- und Todesfolgen zu Recht als kriminelles und nicht als politisches Delikt angesehen.
Daß aber ein derartig schwerer Angriff gegen Leib und Leben als schweres Verbrechen einzustufen ist, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden und wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Umfang des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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