VwGH 94/20/0672

VwGH94/20/067223.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1. des HK und 2. der ZK, beide in W, beide vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 10. August 1994 und vom 11. August 1994, gleichlautender Zl. 4.293.243/4-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §16 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar türkischer Staatsangehörigkeit und kurdischer Nationalität, das am 26. Dezember 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist, haben die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 19. April 1990, mit denen festgestellt worden war, bei ihnen lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufungen bekämpft. Mit Bescheiden vom 10. und vom 11. August 1994 wies die belangte Behörde die Berufungen jeweils gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Gewährung von Asyl.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, jeweils Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden, wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführer haben bei ihrer Einvernahme am 20. März 1990 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland übereinstimmend angegeben, wegen der politischen Aktivitäten ihrer Verwandten - insbesondere seit der Enthaftung und dem "Untertauchen" des Bruders der Zweitbeschwerdeführerin - immer wieder durch Hausdurchsuchungen und Befragungen nach dem Aufenthalt der Verwandten von der Polizei belästigt worden zu sein. Der Erstbeschwerdeführer brachte darüber hinaus noch vor, er sei von 1976 bis 1979 Mitglied der nach dem Militärputsch 1980 aufgelösten Linkspartei "TDKP" gewesen und habe für diese heimlich Propaganda gemacht, wobei er aber nie von der Polizei erwischt worden sei. Im Jahre 1980 sei er, weil sein Onkel als Funktionär dieser Partei ausgeforscht und gesucht worden sei, 24 Stunden in der Militärkaserne von K. festgehalten und verhört und, weil er das Versteck seines Onkels nicht verraten habe, geschlagen und mit Füßen getreten worden. Hiebei habe er einen Nasenbeinbruch erlitten und sei ihm ein Knorpel am rechten Ohr gebrochen worden.

Weil er seinen Militärdienst verspätet erst im Jahre 1982 abgeleistet habe, habe er 10.000,-- türkische Lira bezahlen müssen. In den Jahren danach habe er laufend Schwierigkeiten mit der Polizei gehabt, indem er immer wieder bezüglich des Aufenthaltsortes seines Schwagers verhört und psychisch unter Druck gesetzt worden sei.

Die Zweitbeschwerdeführerin machte noch geltend, sie sei Sympathisantin der Organisation "Befreiung des Volkes" gewesen und habe für diese Organisation verbotene Flugzettel verteilt. Im Zuge der polizeililchen Nachforschungen nach ihrem Bruder sei sie auch einmal bei der Polizei für vier Stunden festgehalten und verhört, dabei aber nicht geschlagen worden. Nachweise für die Hausdurchsuchungen und Verhöre könne sie nicht erbringen.

In den gegen die erstinstanzlichen Bescheide erhobenen Berufungen bekräftigten die Beschwerdeführer ihre erstinstanzlichen Angaben und führten ergänzend aus, der Bruder der Zweitbeschwerdeführerin sei als Flüchtling anerkannt und halte sich in der Schweiz auf. Die Beschwerdeführer würden alle ihre Familienmitglieder betreffenden Dokumente nachreichen. In der Folge legten die Beschwerdeführer den Bruder der Zweitbeschwerdeführerin betreffende Gerichtsdokumente sowie Briefe von Verwandten der Behörde vor.

Die belangte Behörde hat die angefochtenen Bescheide im wesentlichen gleichlautend damit begründet, daß die Beschwerdeführer keine gegen sie gerichteten Verfolgungshandlungen des Staates hätten dartun können, die auf ihre politische Gesinnung zurückgeführt werden könnten. Diese Beurteilung des Vorbringens der Beschwerdeführer wird durch die vorgelegten Verwaltungsakten bestätigt. So kann diesen Akten nicht entnommen werden, daß die den Beschwerdeführern gegenüber gesetzten Polizeimaßnahmen deswegen erfolgt wären, weil ihnen eine bestimmte, den staatlichen Intentionen nicht entsprechende politische Gesinnung unterstellt worden wäre. Vielmehr erfolgten die ins Treffen geführten Hausdurchsuchungen und Verhöre nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführer ausschließlich im Zuge von polizeilichen Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort von wegen ihrer politischen Tätigkeit gesuchten Verwandten der Beschwerdeführer. Bei dieser Sachlage konnte die belangte Behörde aber zu Recht davon ausgehen, daß den Belästigungen der Beschwerdeführer mangels Zugrundeliegens eines der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) als Verfolgungsgrund angeführten Motive Relevanz für die von den Beschwerdeführern angestrebte Asylgewährung nicht zukam (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982). Auch kommt selbst wiederholten Vorladungen zur Polizei und Befragungen nach dem Aufenthaltsort von Verwandten der ständigen hg. Judikatur zufolge nicht der Charakter von Eingriffen zu, die ihrer Intensität nach als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention qualifiziert werden könnten (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1993, Zl. 92/01/1059). Ebensowenig können Hausdurchsuchungen bzw. polizeiliche Hausbesuche für sich allein als Verfolgungshandlungen im Sinne dieser Gesetzesstelle angesehen werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0216, sowie die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S. 30 f, angeführte Judikatur).

Soweit die Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde auf ihre seinerzeitige Tätigkeit für politische Gruppierungen hinweisen, ist daraus für sie nichts zu gewinnen, weil sie im Rahmen des gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde zu legenden Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht behauptet haben, daß diese Aktivitäten den Behörden bekannt geworden seien. Vielmehr hat der Erstbeschwerdeführer ausdrücklich angegeben, bei seiner Propagandatätigkeit "nicht erwischt" worden zu sein.

Wenn die Beschwerdeführer in Ausführung der Verfahrensrüge vorbringen, die belangte Behörde habe die ihr obliegende Manuduktionspflicht verletzt, so ist ihnen entgegenzuhalten, daß aus § 13 a AVG eine Verpflichtung der Behörden, einen Asylwerber, der - wie die Beschwerdeführer - nur Angaben macht, denen kein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen ist, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte, nicht abgeleitet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1991, Zlen. 92/01/0800-0803).

Zum Vorwurf der Beschwerdeführer, die belangte Behörde wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen der Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da ein Mangel des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und von den Beschwerdeführern in ihren Berufungen auch nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, ihnen das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vorzuhalten, weil dieses ja ausschließlich ihre Befragung beinhaltete, sodaß den Beschwerdeführern nicht bekannte und ihnen daher vorzuhaltende Teile des Ermittlungsverfahrens nicht vorlagen.

Die sich sohin als unbegründet erweisenden Beschwerden waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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