VwGH 94/20/0610

VwGH94/20/061024.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der R in A, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Juli 1994, Zl. 4.344.316/1-III/13/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17;
ZustG §21 Abs2;
ZustG §21;
ZustG §4;
ZustG §7;
AVG §56;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §17;
ZustG §21 Abs2;
ZustG §21;
ZustG §4;
ZustG §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Bundesasylamt hatte mit Bescheid vom 7. Dezember 1993 den Asylantrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen Afghanistans, die Mitte August in das Bundesgebiet eingereist ist, gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 1. Juli 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück, weil der erstinstanzliche Bescheid der Beschwerdeführerin am 13. Dezember 1993 durch Hinterlegung zugestellt, die dagegen erhobene Berufung aber erst am 4. Februar 1994, also nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist, eingebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof unter Anwendung des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG erwogen hat:

Von entscheidender Bedeutung für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist die Frage, in welchem Zeitpunkt die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Beschwerdeführerin als rechtswirksam angesehen werden kann. Die Beschwerdeführerin hat in dieser Hinsicht lediglich geltend gemacht, der erstinstanzliche Bescheid sei ihr niemals zugekommen und sie habe von der Abweisung ihres Asylantrages ausschließlich auf Grund der ihren Kindern zugestellten Bescheide betreffend deren Anträge auf Ausdehnung des Asyls Kenntnis erlangt. Die belangte Behörde habe es unterlassen, Nachforschungen darüber anzustellen, ob die Beschwerdeführerin "tatsächlich einen Bescheid erhalten" habe. Insbesondere hätte die belangte Behörde Befragungen der Beschwerdeführerin und des Zustellorganes veranlassen müssen.

Entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck kommenden Ansicht der Beschwerdeführerin kommt es für die Rechtswirksamkeit der Zustellung behördlicher Schriftstücke nicht darauf an, ob das Schriftstück tatsächlich dem Adressaten zugekommen ist. Vielmehr ist hiefür ausschlaggebend, ob die für Zustellvorgänge normierten Vorgangsweisen eingehalten wurden. Nach Ausweis der Verwaltungsakten und den Beschwerdeausführungen ist die Beschwerdeführerin in einer Pension untergebracht. Bei dieser Art der Unterbringung handelt es sich offensichtlich nicht um eine Wohnung, sondern im Sinne des § 4 Zustellgesetz um eine "sonstige Unterkunft", die gemäß dieser Gesetzesstelle als Abgabestelle der Beschwerdeführerin anzusehen ist. Für die Zustellung von behördlichen Schriftstücken an Personen, deren Abgabestelle dem Begriff der "sonstigen Unterkunft" unterzuordnen ist, sehen die §§ 14 (Zustellung an Personen, die einer Anstaltsordnung unterliegen) und 15 (Zustellung an Personen, die Präsenzdienst leisten) leg. cit. lediglich für den dort angeführten Personenkreis von den sonstigen Zustellvorschriften abweichende Bestimmungen vor. Da den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen ist, daß die Beschwerdeführerin einer Anstaltsordnung unterläge, ist die Rechtswirksamkeit der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides anhand der sonstigen Bestimmungen des Zustellgesetzes zu prüfen. Hiebei ergibt sich, daß als "sonstige Unterkunft" im Sinne des § 4 leg. cit. auch z.B. ein Hotelzimmer in Frage kommt (vgl. Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes5, Wien 1991, Rdz.

205) und somit als Abgabestelle gelten kann. Handelt es sich bei der Abgabestelle des Adressaten eines behördlichen Schriftstückes um eine sonstige Unterkunft - etwa in einem Hotel oder dgl. - ist es sohin bei angeordneter Zustellung zu eigenen Handen gemäß § 21 leg. cit. Aufgabe des Zustellorganes, wenn die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden kann, die in dieser Gesetzesstelle vorgesehene Aufforderung wie auch die bei Erfolglosigkeit des zweiten Zustellversuches gemäß § 17 leg. cit. vorgesehene Verständigung über die Hinterlegung des Schriftstückes in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen.

Nach Ausweis der Verwaltungsakten und insbesondere der am 8. Februar 1994 im Rahmen eines über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durchgeführten Verfahrens vorgenommenen Einvernahme des Zustellorganes der Post ist davon auszugehen, daß der Zusteller die Beschwerdeführerin, die nicht behauptet hat, nicht nur vorübergehend abwesend gewesen zu sein, beim ersten Zustellversuch nicht angetroffen und sodann das Ersuchen gemäß § 21 Abs. 2 leg. cit., beim für den nächsten Tag angekündigten Zustellversuch anwesend zu sein, in der Pension bzw. bei deren Inhaber zurückgelassen hat. Ebenso ist davon auszugehen, daß das Zustellorgan mit der Verständigung über die zufolge der Abwesenheit der Beschwerdeführerin auch beim zweiten Zustellversuch gemäß § 17 leg. cit. vorgeschriebene Hinterlegung des Bescheides vorgegangen ist. Aus der Unterbringung der Beschwerdeführerin in einer Pension ergibt sich, daß ein für die Abgabestelle (das Unterkunftszimmer der Beschwerdeführerin) bestimmter Briefkasten nicht in Frage kam. Demzufolge entsprach es dem Gesetz, die gemäß § 21 leg. cit. vorgesehene Aufforderung bzw. die Hinterlegungsanzeige gemäß § 17 leg. cit. an der Abgabestelle zurückzulassen. Dabei konnte das Zustellorgan davon ausgehen, daß seitens der Pensionsinhabung die Aufforderung anwesend zu sein bzw. die Hinterlegungsanzeige der Beschwerdeführerin (ohne unnötige Verzögerung) übergeben würde (vgl. Walter - Mayer, Zustellrecht, Wien 1987, S 100, Anm. 23), sodaß durch die Zurücklassung dieser zustellrechtlichen Urkunden bei der Pensionsinhabung die für das Zustandekommen einer rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllt wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0317). Die belangte Behörde konnte bei diesem Ergebnis somit zu Recht von der rechtswirksamen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 13. Dezember 1993 und somit von der Verspätung der erst am 4. Februar 1994 erhobenen Berufung ausgehen.

Soweit die Beschwerdeführerin im Rahmen der Verfahrensrüge geltend macht, die belangte Behörde habe eine Befragung des Zustellorganes unterlassen, ist diese Behauptung insoweit richtig, als eine solche Einvernahme im der Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren nicht erfolgt ist. Die Einvernahme des Zustellorganes wurde aber im Verfahren über den von der Beschwerdeführerin erhobenen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist vorgenommen, wobei allerdings das Ergebnis dieser Einvernahme nicht dem Parteiengehör unterzogen wurde. Der in der Nichteinbeziehung dieses Verfahrensergebnisses in das der Beschwerde zugrundeliegende Verwaltungsverfahren allenfalls gelegene Verfahrensmangel erweist sich aber als nicht wesentlich, weil die Beschwerdeführerin - obwohl ihr auf Grund des ihren Wiedereinsetzungsantrag abweisenden rechtskräftigen Bescheides des Bundesasylamtes vom 21. März 1994 (zugestellt am 28. März 1994) das Ergebnis der Einvernahme des Zustellorgnes bekannt war - nichts vorgebracht hat, was angesichts der dargestellten Aktenlage darauf hindeuten würde, daß die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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