VwGH 94/19/1415

VwGH94/19/141524.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des O in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Oktober 1994, Zl. 4.337.674/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, ist am 2. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag den Antrag gestellt, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland am 26. Mai 1992 gab er im wesentlichen an, der Volksgruppe der Ibos und der christlichen Minderheit in seinem Heimatland anzugehören. Dort sei der größte Teil der Bevölkerung Moslems. Die Christen würden von den Moslems verfolgt; so sei am 19. April 1991 sein Bruder und am 5. Dezember 1991 sein Vater von fanatischen Moslems ermordet worden. Beide Morde seien "bei Straßenschlachten zwischen Moslems und Christen verübt" worden. Da der Beschwerdeführer in weiterer Folge um sein Leben Angst gehabt habe, habe er sich entschlossen, sein Heimatland zu verlassen und nach Österreich zu fliehen. Er selbst sei in seinem Heimatland keinen Verfolgungen aus Gründen der Religion ausgesetzt gewesen.

Mit Bescheid vom 3. Juni 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß er Angehöriger des katholischen Glaubenbekenntnisses und in seiner Heimat verfolgt worden sei; die "Moslems" hätten Anzeige bei der Polizei erstattet, daß die Familie des Beschwerdeführers gegen "die Interessen des Landes" arbeite. "Sie" hätten den Beschwerdeführer festgenommen und zusammengeschlagen. Im Gefängnis sei er jeden Tag geprügelt und gezwungen worden, "daß ich meine Religion aufgeben sollte". Einige Tage später sei er entlassen worden, jedoch sei die Polizei wiedergekommen. Er sei damals nicht zu Hause gewesen, weshalb seine Familie "halb tot geprügelt" worden sei, weil sie nicht gewußt hätten, wo er sich aufhalte. Zuletzt sei seinen Eltern gesagt worden, daß "sie" ihn und die ganze christliche Gemeinschaft umbringen würden.

Mit dem Bescheid vom 10. Oktober 1994 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber angesichts der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides erst nach dem 1. Juni 1992 - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf das des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - aufgrund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 1991 nicht zu. Dies führt aber noch nicht zwangsläufig dazu, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt wurde, ist doch die belangte Behörde zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 verneint hat; diese Bestimmung führte aber zu keiner inhaltlichen Änderung gegenüber dem nach § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff. Danach ist Flüchtling nur eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0063).

Zentraler Aspekt des vorliegenden Falles ist der Umstand, daß die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung im Hinblick auf das im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Vorbringen für nicht glaubhaft erachtet hat. Dieser Würdigung kann von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, weil sich zwischen den Behauptungen in der Berufung und den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung (anders als es die Verfahrensrüge in der Beschwerdeschrift darzustellen sucht) in der Tat in bezug auf den Anlaß zur Flucht ein nicht übersehbarer Widerspruch findet, hat doch der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme ausdrücklich angeführt, selbst aus Gründen der Religion keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Gerade eine derartige Verfolgung ist aber Gegenstand seines Berufungsvorbringens. Die Erwähnung einer solchen bereits im erstinstanzlichen Verfahren wäre aber nahe gelegen, hat doch dort der Beschwerdeführer immerhin darauf verwiesen, daß sein Bruder und sein Vater bei religiös motivierten Auseinandersetzungen ums Lebens gekommen seien.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen, und es obliegt dem Asylwerber, alles zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. nur etwa das Erkenntnis vom 8. Juli 1992, Zl. 92/01/0592, mit weiteren Nachweisen). Insoweit der Beschwerde eine Rüge dahingehend zu entnehmen ist, die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer Widersprüche vorhalten und auf ihre Aufklärung dringen müssen, ist er darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde im bezug auf die von ihr gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmende Würdigung der Aussage des Beschwerdeführers als Bescheinigungsmittel nicht gehalten war, vor ihrer Entscheidung dem Beschwerdeführer bekanntzugeben, warum sie seinen Behauptungen keine Bescheinigungskraft zubilligen werde (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0705).

Ausgehend davon, daß die belangte Behörde in schlüssiger Weise das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers für unglaubwürdig erachtete, ist die Sache aber bereits abweisungsreif, da eine konkrete, gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgungshandlung nach den Angaben des Beschwerdeführers nicht als bescheinigt anzusehen ist, seine Flüchtlingseigenschaft daher - wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend festgehalten hat - nicht vorliegt.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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