VwGH 94/11/0402

VwGH94/11/040221.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 28. Oktober 1994, Zl. 743.154/1-2.7/93, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:

Normen

WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Februar 1993 auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 (WG) abgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG können Wehrpflichtige auf deren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Der Beschwerdeführer begründete sein Befreiungsbegehren mit seiner Unabkömmlichkeit in dem von ihm gepachteten landwirtschaftlichen Betrieb (ca. 10 ha) und im Landwirtschaftsbetrieb seiner Eltern (ca. 65 ha). Nach den Annahmen der belangten Behörde hält der Beschwerdeführer 10 Stiere, die im elterlichen Stall untergebracht sind; der Viehbestand der Eltern umfaßt 38 Rinder, davon 13 Stiere, und 14 Schweine; an Arbeitskräften stehen dem Betrieb die Eltern des Beschwerdeführers voll und er selbst eingeschränkt zur Verfügung. Die belangte Behörde anerkannte im Hinblick darauf das Vorliegen wirtschaftlicher und familiärer Interessen an der Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht, verneinte aber deren besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne des Gesetzes. Der Beschwerdeführer habe durch die Pachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit 1. Jänner 1991 während eines ihm (zur Vorbereitung auf die landwirtschaftliche Meisterprüfung) gewährten Aufschubes seine Harmonisierungspflicht verletzt. In Ansehung des Landwirtschaftsbetriebes seiner Eltern sei wegen der festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit des Vaters von 60 % ein familiäres Interesse an der Befreiung des Beschwerdeführers gegeben. Dessen besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinn des Gesetzes sei jedoch zu verneinen, weil der Vater des Beschwerdeführers erst 1986, als die bevorstehende Präsenzdienstleistung bereits vorhersehbar gewesen sei, mit dem Aufbau des Viehbestandes begonnen habe. Dazu komme, daß zur Unterstützung eines Familienmitgliedes nicht nur der zur Leistung des Präsenzdienstes heranstehende Sohn, sondern die ganze Familie einschließlich der beiden am elterlichen Hof lebenden Brüder des Beschwerdeführers berufen seien. Bei entsprechenden Dispositionen sei seinen Eltern die Aufrechterhaltung ihres Betriebes auch während der präsenzdienstbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers durchaus zumutbar.

Der Beschwerdeführer hält der Annahme der Verletzung der Harmonisierungspflicht durch die Pachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes entgegen, er sei durch die Krankheit und den plötzlichen Tod des Herrn H. im Juni 1991 sowie den Umstand, daß er der einzige zur Übernahme jenes Betriebes in Betracht kommende Bewerber gewesen sei, praktisch zur Pachtung gezwungen gewesen, um damit auch die Chance zu dessen späteren Erwerb erlangen. Der Beschwerdeführer vermag damit nicht die Unhaltbarkeit der bekämpften Annahme der belangten Behörde darzutun. Das Vorbringen zeigt zwar das Motiv für die gegenständliche wirtschaftliche Disposition des Beschwerdeführers auf, es läßt aber nicht erkennen, daß ihm die vorübergehende Abstandnahme von der Pachtung unzumutbar gewesen wäre, zumal er nach seinem Vorbringen ohnedies der einzige dafür in Frage kommende Bewerber war. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, zumindest versucht zu haben, den Grundwehrdienst möglichst bald abzuleisten, um sich sodann ungestört dem Aufbau seiner wirtschaftlichen Existenz widmen zu können. Die Pachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes während eines dem Beschwerdeführer gewährten Aufschubes ohne zwingenden Grund schließt die besondere Rücksichtswürdigkeit des geltend gemachten wirtschaftlichen Interesses im Sinne des Gesetzes aus (vgl. neben den im angefochtenen Bescheid genannten Erkenntnissen insbesondere auch jene vom 30. Jänner 1990, Zl. 89/11/0094, und vom 17. März 1992, Zl. 92/11/0052; vgl. auch das vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einem der belangten Behörde unterlaufenen Schreibfehler als nicht existent bezeichnete Erkenntnis vom 2. Juli 1991, Zl. 90/11/0236).

In Ansehung des elterlichen Betriebes hat die belangte Behörde ein wirtschaftliches Interesse des Beschwerdeführers an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht ungeachtet dessen zu Recht verneint, daß er nach seinem Vorbringen damit rechnet, "in wenigen Jahren den Hof zu übernehmen". Dies stellt entgegen seiner Ansicht ein ungewisses in der Zukunft liegendes Ereignis dar, das ein wirtschaftliches Interesse des Beschwerdeführers an seiner Befreiung nicht zu begründen vermag (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Mai 1990, Zl. 89/11/0056, mit weiteren Judikaturhinweisen).

In Ansehung des familiären Interesses bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde verkenne, daß sein Vater "quasi unfreiwillig 1986 mit der Viehwirtschaft begonnen" habe, da ohne diese die Führung eines Vollerwerbsbetriebes undenkbar wäre; eine andere Möglichkeit habe es nicht gegeben. Eine ausreichende Mithilfe seiner beiden außer Haus erwerbstätigen Brüder im elterlichen Betrieb sei nicht möglich. Es sei völlig ungeklärt geblieben, inwiefern die "Morgenstallarbeit und vor allem die gesamte landwirtschaftliche Arbeit unter Tag" von ihnen verrichtet werden könnte.

Auch dieses Vorbringen läßt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erkennen. Es enthält keine konkrete Begründung dafür, warum in dem Jahr, in welchem der Beschwerdeführer erstmals für tauglich befunden wurde (1986), mit dem Aufbau der Viehwirtschaft begonnen werden mußte und weshalb trotz Kenntnis von der bevorstehenden Präsenzdienstleistung des Beschwerdeführers der Viehbestand in einem Ausmaß ausgeweitet wurde, daß die anfallenden Arbeiten im Falle der präsenzdientbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers von seinen Eltern auch mit fallweiser Unterstützung durch seine Brüder nicht bewältigt werden könnten. Die Beschwerde vermag daher die Annahme der belangten Behörde nicht zu erschüttern, die Eltern des Beschwerdeführers hätten beim Auf- und Ausbau des Viehbestandes, mit dem in erster Linie nunmehr die Unabkömmlichkeit des Beschwerdeführers begründet wird, nicht gehörig auf dessen Präsenzdienstpflicht Bedacht genommen. Zu dieser Bedachtnahme sind, wie die belangte Behörde zu Recht betonte, jene Familienmitglieder gehalten, die auf die Unterstützung durch den Wehrpflichtigen angewiesen sind (vgl. das im angefochtenen Bescheid genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0113).

Dazu kommt, daß die Beschwerde die Möglichkeit der Mitarbeit der (im Jahre 1947 geborenen) Mutter des Beschwerdeführers, die als Miteigentümerin so wie der Vater ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Bewirtschaftung des Hofes hat, völlig unerwähnt läßt. Diese Mitarbeit der Mutter kommt jedenfalls dort zum Tragen, wo der Vater des Beschwerdeführers aufgrund seiner beeinträchtigten Gesundheit der Mithilfe einer anderen Person bedarf. Der fallweisen Mithilfe der Brüder des Beschwerdeführers bedarf es somit nur insoweit, als die anfallenden Arbeiten von den Eltern des Beschwerdeführers auch im gemeinsamen Zusammenwirken nicht bewältigt werden können. Es ist daher im Ansatz verfehlt, wenn der Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel darin erblickt, daß nicht geklärt wurde, inwiefern seine Brüder "die Morgenstallarbeit und vor allem die gesamte landwirtschaftliche Arbeit unter Tag" verrichten könnten. Die Beschwerde zeigt auch nicht konkret auf, bei welchen Arbeiten die Eltern des Beschwerdeführers überhaupt auf die Mithilfe der Brüder des Beschwerdeführers bzw. sonstiger Personen angewiesen sind und weshalb insoweit Dispositionen (wie insbesondere eine Verschiebung von Arbeiten in zeitlicher Hinsicht) ausgeschlossen sind, die eine Mithilfe der Brüder des Beschwerdeführers ermöglichen würden. Mangels entsprechenden Vorbringens ist es der Beschwerde nicht gelungen, die Relevanz der von ihr behaupteten Verfahrensmängel darzutun.

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiters angesprochenen Fragen der allfälligen Reduzierung des Viehbestandes und der fallweisen Beschäftigung von Taglöhnern.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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