VwGH 89/11/0056

VwGH89/11/00568.5.1990

N gegen Bundesminister für Landesverteidigung vom 20. Dezember 1988, Zl. 667.708/2-2.5/88, betreffend Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst.

Normen

WehrG 1978 §37 Abs2 litb;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 20. Dezember 1988 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 3. November 1987 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der im Jahre 1965 geborene Beschwerdeführer wurde anläßlich seiner Stellung im Jahre 1983 für tauglich befunden. Mit Bescheid des Militärkommandos Kärnten vom 2. Oktober 1985 wurde ihm auf seinen Antrag gemäß § 37 Abs. 6 lit. a Wehrgesetz 1978 der Antritt des Grundwehrdienstes bis 15. Februar 1987 aufgeschoben, weil er damals Schüler des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums für Berufstätige in Klagenfurt war.

Mit Schreiben vom 19. Februar 1987 beantragte der Beschwerdeführer die "Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst", weil er mit 1. März 1987 die Landwirtschaft seines (im Jahre 1905 geborenen) Großvaters pachte und ab diesem Zeitpunkt den Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr bewirtschaften werde. In weiterer Folge sei er als Hofübernehmer vorgesehen. Seine Großeltern seien aus Alters- und Krankheitsgründen unfähig, die Landwirtschaft selbst zu betreiben.

Am 26. März 1987 schränkte der Beschwerdeführer sein Begehren auf eine "befristete Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst bis 15. Februar 1988" ein. Er nahm zur Kenntnis, daß er seine wirtschaftlichen Belange so zu regeln habe, daß er seiner Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes zum Apriltermin 1988 nachkommen könne. Mit Bescheid des Militärkommandos Kärnten vom 26. März 1987 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes bis 15. Februar 1988 befreit, weil er "derzeit" von der von ihm gepachteten Landwirtschaft "unabkömmlich" sei.

Mit Antrag vom 3. November 1987 begehrte der Beschwerdeführer die unbefristete Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst. Er führte aus, sein Pachtvertrag laufe mit 1. März 1988 aus. Sollte bis dahin die endgültige Regelung der Hofübernahme durch ihn noch nicht erfolgt sein, werde der bestehende Pachtvertrag auf unbestimmte Zeit verlängert. Der Gesundheitszustand seiner Großeltern habe sich verschlechtert. Sein Vater führe ein Bauunternehmen, seine Mutter sei mit einer Fremdenpension und der Haushaltsführung voll ausgelastet. Die Arbeit in der Landwirtschaft und die Pflege der Großeltern fielen daher allein auf ihn.

Mit Bescheid vom 24. Februar 1988 wies das Militärkommando Kärnten den Antrag vom 3. November 1987 ab und führte begründend im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe seit seiner Stellung gewußt, daß er seine Präsenzdienstpflicht erfüllen müsse. Aus der Tatsache, daß er trotzdem einen Pachtvertrag betreffend die Landwirtschaft seines Großvaters abgeschlossen habe, ergebe sich im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die mangelnde besondere Rücksichtswürdigkeit der geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen. Die geltend gemachten familiären Interessen, bedingt durch die Unterstützungsbedürftigkeit der Großeltern, seien deshalb nicht besonders rücksichtswürdig, weil die Großeltern des Beschwerdeführers sieben leibliche Kinder hätten, sodaß sie nicht allein auf die Unterstützung durch den Beschwerdeführer angewiesen seien.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab. Sie stellte fest, daß der Beschwerdeführer die Landwirtschaft seines Großvaters für ein weiteres Jahr (bis 1. März 1989) gepachtet habe, folgte im wesentlichenen den Erwägungen der erstinstanzlichen Behörde und vertrat insbesondere die Auffassung, daß die Unterstützung der Großeltern des Beschwerdeführers während dessen durch die Leistung des Präsenzdienstes bedingten Abwesenheit vor allem durch ihre sechs in unmittelbarer Nähe lebenden Kinder geleistet werden könne. Zu berücksichtigen sei ferner, daß eine vorübergehende Einschränkung der Tierhaltung zumutbar sei.

Der Beschwerdeführer meint, seine - auch von der belangten Behörde angenommenen - wirtschaftlichen Interessen seien besonders rücksichtswürdig. Es sei ihm trotz der befristeten Befreiung nicht möglich gewesen, entsprechende Dispositionen zu treffen. Er habe 1987 seinen Beruf als Angestellter im Bauunternehmen seines Vaters aufgeben müssen, um die Führung der Landwirtschaft seines Großvaters zu übernehmen.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Wehrpflichtige ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten haben, daß ihnen im Falle ihrer Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes keine vorhersehbaren Schwierigkeiten erwachsen (siehe u.a. die Erkenntnisse vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0069, und vom 5. Dezember 1989, Zl. 89/11/0106). Der Beschwerdeführer hat die von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen erst durch den Abschluß des Pachtvertrages geschaffen, weshalb die belangte Behörde mit Recht ihre besondere Rücksichtswürdigkeit verneint hat. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, daß eine tatsächliche Bewirtschaftung des Betriebes ohne Abschluß des Pachtvertrages nicht möglich gewesen wäre - nach dem Akteninhalt waren seine Großeltern schon geraume Zeit vor Abschluß des ersten Pachtvertrages nicht mehr arbeitsfähig - und besondere, überraschend eingetretene Umstände (wie sie in dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1988, Zl. 88/11/0045, zugrunde liegenden Beschwerdefall behauptet worden waren) vorgelegen seien, die die zeitlich vorgezogene Einleitung der beabsichtigten Betriebsübernahme durch den Beschwerdeführer gerechtfertigt hätten. Im Hinblick darauf, daß den geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen die besondere Rücksichtswürdigkeit mangelt, braucht nicht weiter darauf eingegangen zu werden, inwieweit dem Beschwerdeführer eine Einschränkung des Viehbestandes und eine Mitarbeit in der von ihm gepachteten Landwirtschaft während der Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes möglich und zumutbar ist. Soweit der Beschwerdeführer besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen aus der beabsichtigten Hofübergabe abzuleiten versucht, ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich dabei um ein zukünftiges und ungewisses Ereignis handelt, auf das die für die Befreiung erforderlichen Interessen nicht gestützt werden können (vgl. die Erkenntnisse vom 19. April 1988, Zl. 87/11/0102, und vom 20. Dezember 1988, Zlen. 88/11/0175, 0246).

Familiäre Interessen im Sinne des § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 liegen nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren kann. Besonders rücksichtswürdig sind derartige Interessen dann, wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde. Dabei ist zudem zu beachten, daß zur Unterstützung eines Familienmitgliedes nicht nur derjenige, der zur Erfüllung seiner Wehrpflicht herangezogen werden soll, sondern vielmehr die gesamte Familie berufen ist. Es fehlt daher die besondere Rücksichtswürdigkeit familiärer Interessen, wenn anderen, an sich dazu geeigneten Angehörigen des betroffenen Angehörigen des Wehrpflichtigen ein vorübergehender Einsatz ihrer Kräfte und Fähigkeiten zumutbar ist (siehe u.a. die Erkenntnisse vom 28. Juni 1988, Zl. 88/11/ 0040, und vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0069). In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde mit Recht darauf hingewiesen, daß in einer Entfernung von höchstens vier Kilometern vom Hof der Großeltern fünf Söhne und eine Tochter wohnen, ferner mehrere Enkelkinder, die das Pflichtschulalter bereits hinter sich haben. Auch wenn die Söhne berufstätig sind, die Tochter mit ihrer Haushaltsführung beschäftigt ist und die Enkelkinder zum Teil noch in Ausbildung stehen, muß dennoch davon ausgegangen werden, daß dann, wenn alle dafür in Betracht kommenden Personen sich in zumutbarer Weise bemühen, für die Großeltern des Beschwerdeführers jedenfalls soweit gesorgt ist, daß weder deren Gesundheit, noch sonstige lebenswichtige Interessen, die in der Beschwerde nicht näher dargetan werden, durch die präsenzdienstbedingte Abwesenheit des Beschwerdeführers - der im übrigen nicht mit seinen Großeltern, sondern mit seinen Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haushalt lebt - gefährdet sind.

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Äußerung zur Gegenschrift meint, das besondere Gewicht der von ihm dargetanen Gründe ergebe sich bei Bedachtnahme auf das "Kärntner Hofübergabegesetz", kann nicht erkannt werden, welche konkrete Rechtsvorschrift damit gemeint ist. Sofern der Beschwerdeführer mit diesen Ausführungen das Gesetz vom 16. September 1903, wirksam für Kärnten, LGBl. für Kärnten Nr. 33 betreffend die Einführung besonderer Erbteilungsvorschriften für landwirtschaftliche Besitzungen mittlerer Größe (Erbhöfe) meint, ist ihm zu erwidern, daß aus diesem Gesetz für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen ist. Von einem Erbfall war weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Rede, sodaß die in dem genannten Gesetz enthaltenen Erbteilungsvorschriften im Falle des Beschwerdeführers derzeit nicht anzuwenden sind.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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