VwGH 93/18/0114

VwGH93/18/01149.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Jänner 1993, Zl. UVS-04/22/00414/92, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens wegen Übertretung des KJBG (mitbeteiligte Partei: K in Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AZG §26 Abs1;
KJBG 1987 §26 Abs1 Z5;
VStG §22;
VStG §5 Abs2;
AZG §26 Abs1;
KJBG 1987 §26 Abs1 Z5;
VStG §22;
VStG §5 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 20. August 1992 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als Arbeitgeber in der Zeit vom 1. März 1992 bis 14. Mai 1992 in seinem näher bezeichneten Betrieb in Wien für zwei namentlich genannte, bei ihm beschäftigte Jugendliche keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt und dadurch zwei Übertretungen des § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG begangen. Über ihn wurden zwei Geldstrafen in der Höhe von je S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je zwei Tage) verhängt.

2. Mit Bescheid vom 13. Jänner 1993 gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) der Berufung des Mitbeteiligten Folge, indem er das erstinstanzliche Straferkenntnis behob und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einstellte.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte habe nicht in Abrede gestellt, daß die von ihm hinsichtlich der beiden genannten Jugendlichen geführten Arbeitszeitaufzeichnungen insofern nicht dem Gesetz entsprochen hätten, als darin nicht die von den Jugendlichen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden explizit ausgewiesen seien. Das Vorliegen des objektiven Tatbestandes hinsichtlich der dem Mitbeteiligten zur Last liegenden Verwaltungsübertretungen sei demnach als erwiesen anzunehmen.

Der Mitbeteiligte habe jedoch glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung des § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG kein Verschulden treffe. Er sei hinsichtlich der von den genannten Jugendlichen geleisteten Arbeitszeit davon ausgegangen, daß diese stets der Normalarbeitszeit entspreche, und habe deshalb die Normalarbeitszeit in den genannten Aufzeichnungen ausgewiesen. Der Mitbeteiligte sei der Auffassung gewesen, daß er den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe, weil er sich auf Grund der weiten Verbreitung der von ihm hiezu verwendeten Formulare in der Friseurbranche darauf verlassen habe, daß diese Formulare den gesetzlichen Anforderungen entsprächen. Eine Sorglosigkeit des Mitbeteiligten sei nicht anzunehmen, weil von den genannten Jugendlichen ohnehin keine Überstunden hätten geleistet werden dürfen, sodaß die in den Aufzeichnungen ausgewiesenen Normalarbeitszeiten mit den von den Jugendlichen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden identisch seien.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gemäß § 9 Abs. 2 ArbIG 1974.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt. Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

II.

1. Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG hat das in jedem Betrieb, in dem Jugendliche beschäftigt sind, zu führende Verzeichnis Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung (§ 26 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes) zu enthalten.

Nach § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz haben die Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz müssen die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden (hinsichtlich der Dauer und der zeitlichen Lagerung) so beschaffen sein, daß dadurch eine Überwachung der Einhaltung der im Arbeitszeitgesetz geregelten Angelegenheiten, z.B. also auch jener über die Ruhepausen und die Ruhezeiten, möglich ist (siehe dazu unter anderem die Erkenntnisse vom 24. Juli 1991, Zl. 91/19/0146, und vom 30. Juli 1992, Zl. 90/19/0457, mwN). Dieselben Überlegungen gelten auch für die gemäß § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG zu führenden Aufzeichnungen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. November 1992, Zl. 91/19/0004, und vom 4. Februar 1993, Zl. 91/19/0093).

3. Aufzeichnungen, die diesen Anforderungen entsprechen, wurden vom Mitbeteiligten nicht geführt. Die von ihm im Verwaltungsstrafverfahren vorgelegten Anwesenheitskarten enthalten keine Aufzeichnungen über den Beginn und das Ende der tatsächlichen Arbeitszeit sowie die zeitliche Lagerung der Ruhepausen und entsprechen schon deshalb nach dem zuvor Gesagten nicht § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG. Es bedarf daher keiner näheren Auseinandersetzung mit der im angefochtenen Bescheid geäußerten - mit den Denkgesetzen nicht vereinbaren - Auffassung, daß deshalb, weil die beiden Jugendlichen keine Überstunden hätten leisten dürfen, die in den Aufzeichnungen des Mitbeteiligten genannten Normalarbeitszeiten mit den von den Jugendlichen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden identisch seien.

4. Die Auffassung der belangten Behörde, der Mitbeteiligte habe im Hinblick auf die weite Verbreitung der von ihm verwendeten Formulare der Meinung sein dürfen, daß er seiner Aufzeichnungspflicht entspreche, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Die vorgelegten Formulare enthalten keinerlei Hinweis, daß mit ihrer Verwendung der Aufzeichnungspflicht im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG bzw. des § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz entsprochen werde. Sie enthalten ferner keinerlei Hinweis auf amtlichen Ursprung oder amtliche Genehmigung. Der Mitbeteiligte hat sich auch nicht auf eine diesbezügliche Auskunft eines zuständigen behördlichen Organs berufen. Ein allfälliger Rechtsirrtum des Mitbeteiligten über den Inhalt der von ihm zu führenden Aufzeichnungen kann daher nicht als entschuldbarer Rechtsirrtum angesehen werden (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, unter E. Nr. 50-52 zu § 5 Abs. 2 VStG zitierte hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat insoweit die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Für das fortzusetzende Verfahren wird die belangte Behörde zu beachten haben, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Fehlen von Aufzeichnungen hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer nur eine Übertretung des § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz vorliegt (vgl. das Erkenntnis vom 17. März 1988, Zl. 88/08/0087, mwN). Dieselben Erwägungen haben auch für die Übertretung des § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG zu gelten, wenn die dort genannten Aufzeichnungen hinsichtlich mehrerer Jugendlicher nicht geführt werden.

Da im erstinstanzlichen Straferkenntnis das Ende der Tatzeit offenbar irrtümlich mit 14. Mai 1992 (statt richtig 14. April 1992) angegeben wurde, wird die belangte Behörde gleichfalls zu beachten haben.

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