VwGH 93/17/0404

VwGH93/17/040415.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 8. Oktober 1993, Zl. MD-VfR - F 33/93, betreffend Haftung für Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §20;
BAO §201;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
B-VG Art144 Abs1;
LAO Wr 1962 §149 Abs2;
LAO Wr 1962 §18;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §13 Abs3;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §17 Abs1;
BAO §20;
BAO §201;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
B-VG Art144 Abs1;
LAO Wr 1962 §149 Abs2;
LAO Wr 1962 §18;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §13 Abs3;
VergnügungssteuerG Wr 1987 §17 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien vom 21. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer und Liquidator der näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. in Liqu. aufgrund der §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 i.V.m. §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung (WAO) für die in deren Betrieb in der Zeit vom 1. Jänner bis 17. Jänner 1989 (Betriebsende) entstandene Vergnügungssteuerschuld im Betrag von insgesamt S 20.792,-- als Haftpflichtiger zur Zahlung herangezogen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, der Bescheid lege die völlig unbestrittene Tatsache dar, daß er entgegen der im Vergnügungssteuergesetz normierten Verpflichtung die Vergnügungssteuer nicht abgerechnet und auch nicht entrichtet habe. Die objektive Tatseite sei daher ohne Zweifel verwirklicht. Anders verhalte es sich mit der subjektiven Tatseite. Es mangle für die Haftungsbegründung an der subjektiven Schuld des Beschwerdeführers. Einem Kaufmann, der im Vertrauen auf die Rechtsauskunft seiner Standesorganisation, wonach das Wiener Vergnügungssteuergesetz (VGSG) verfassungswidrig und die Vergnügungssteuer demnach nicht zu entrichten sei, gehandelt habe, könne nicht vorsätzliches, schuldhaftes Verhalten angelastet werden. Das Problem der Fahrlässigkeit stelle sich nicht. Wäre im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nämlich hervorgekommen, daß diese Ansicht unrichtig gewesen sei, so könnte man an eine solche Entscheidung Überlegungen knüpfen, ob der Betroffene einer solchen Empfehlung vertrauen habe dürfen und ob er jene Sorgfalt außer Acht gelassen habe, zu der er nach den Umständen des Falles verpflichtet und fähig gewesen wäre. Dieses Problem stelle sich schon deshalb nicht, weil die Auskunft der Standesvertretung richtig und die Einhebung der Vergnügungssteuer nach den Vorschriften des VGSG verfassungswidrig gewesen sei. Im übrigen sei das Verhalten des Beschwerdeführers für die Nichteinbringung der Vergnügungssteuer im konkreten Fall nicht kausal gewesen. Hätte der Beschwerdeführer seiner Erklärungspflicht entsprochen, so wäre die nunmehr vorgeschriebene Vergnügungssteuer noch während des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bemessen worden und damit unter die "Ergreiferprämie" des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes gefallen. Eine Vorschreibung sei überhaupt nur deshalb möglich gewesen, weil die Behörde - aus welchen Gründen auch immer - diese Vergnügungssteuer erst mit erheblicher Verspätung bemessen habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. Oktober 1993 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, daß die im angefochtenen Bescheid angeführte Abgabenforderung tatsächlich bestehe, sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden und stehe aufgrund der Aktenlage fest. Weiters stehe unbestritten fest, daß der Beschwerdeführer einziger Geschäftsführer bzw. Liquidator der Gesellschaft gewesen sei. Nach der Aktenlage stehe auch fest, daß die angeführten Abgabenrückstände bei der Gesellschaft uneinbringlich seien. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Mißachtung der §§ 13 Abs. 3 und 17 Abs. 1 VGSG, wonach der Unternehmer bei täglich oder sonst regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen längstens bis zum 10. des Folgemonats für den unmittelbar vorausgehenden Monat die Steuer zu erklären und zu entrichten habe. Nach § 13 Abs. 3 VGSG haften die Unternehmer (Vermieter) für die Entrichtung der Steuer durch die Steuerpflichtigen. Es sei Aufgabe des Geschäftsführers, nachzuweisen, daß ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, diese Gründe darzutun habe, widrigenfalls angenommen werden könne, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei. Die Ausführungen in der Berufung seien nicht geeignet, ein mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers darzutun. Selbst der Umstand, daß der Beschwerdeführer aus gutem Grund die maßgeblichen Steuervorschriften für verfassungswidrig gehalten habe, berechtige ihn nicht dazu, ein gültiges Gesetz zu mißachten. Der österreichischen Rechtsordnung sei die Auffassung fremd, daß die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes automatisch dessen Unabwendbarkeit zur Folge habe, gelte doch der Grundsatz der "Anlaßfallwirkung". Somit habe der Beschwerdeführer nicht damit rechnen können, daß er die Vergnügungssteuer, die anläßlich der Vermietung von Videofilmen entstanden sei, nicht zu entrichten habe. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer ohnedies nicht behauptet habe, die Vergnügungssteuer nicht vom Mieter eingehoben zu haben. Überdies habe der Beschwerdeführer nichts unternommen, daß die von ihm vertretene Gesellschaft in den Genuß der "Anlaßfallwirkung" gelangt sei. Daß die Unterlassung der rechtzeitigen Bezahlung der Vergnügungssteuer ursächlich für die spätere Uneinbringlichkeit gewesen sei, sei evident, da bei fristgerechter Entrichtung der Rückstand nicht entstanden wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Geschäftsführerhaftung herangezogen worden zu sein.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, mit der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (auch zu dem dem § 7 WAO entsprechenden § 9 BAO) hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, daß die Pflichtverletzung schuldhaft war (Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, Rz 21 zu § 9, samt angeführter Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer stellt nun - wie bereits im Berufungsverfahren - nicht in Abrede, die "objektive Tatseite der Bestimmungen der §§ 7 Abs. 1 WAO bzw. 13 VGSG" verletzt zu haben. Es fehlten aber Anhaltspunkte, die eine Geschäftsführerhaftung zufolge Verwirklichung der subjektiven Tatseite begründen würden. Ein vorsätzliches schuldhaftes Verhalten könne dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden; allenfalls sei ihm ein Schuldausschließungsgrund im Sinne eines nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums zugute zu halten.

Damit zeigt der Beschwerdeführer allerdings eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Bei der ihrem Wesen nach als Ausfallshaftung konzipierten Haftung (nach § 7 WAO) handelt es sich nicht um eine Erfolgshaftung, sondern um eine schadenersatzähnliche Verschuldenshaftung. Die Vertreter sollen herangezogen werden können, weil der Abgabengläubiger seinen Anspruch aus dem Abgabenschuldverhältnis infolge deren schuldhafter Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig einbringen kann; sie sollen dem Abgabengläubiger den Abgabenausfall, damit den Schaden, den sie verschuldet haben, ausgleichen.

Die Unterscheidung nach Vorsatz und (grober oder leichter) Fahrlässigkeit hat im Bereich des § 9 BAO, diese Regelung entspricht § 7 WAO bezüglich der Haftung dem Grunde nach keine Bedeutung, sie kann aber wohl bei Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen sein. Für die Geltendmachung der Haftung genügt somit jedenfalls leichte Fahrlässigkeit.

Der Beschwerdeführer war sich seiner aus den Bestimmungen des Vergnügungssteuergesetzes ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen auf Abgabe von Erklärungen und Entrichtung der Abgaben keineswegs im Unklaren. Wie sich aus seinem Vorbringen ergibt, hat er aber wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen diese Abgabenbestimmungen absichtlich die vergnügungssteuerpflichtigen Entgelte nicht erklärt und nicht entrichtet. Damit kann aber kein Zweifel bestehen, daß er insofern schuldhaft gehandelt hat. War es doch seine volle Absicht, nicht zu erklären und nicht zu entrichten. Daß er von den zuständigen Stellen insofern unrichtig informiert oder ihm unrichtige Rechtsbelehrungen über die Verfahrenslage erteilt worden wären, hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht behauptet. Dabei verkennt der Gerichtshof jedoch nicht, daß der Beschwerdeführer Bestimmungen des Vergnügungssteuergesetzes wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit bekämpfen wollte - womit die GmbH auch durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 1991, G 148-155/90, Slg. Nr. 12689, in einem anderen Anlaßfall Erfolg hatte - und im Falle einer nach Ansicht der Abgabenbehörde vergnügungssteuerkonformen Erklärung und Entrichtung ein bekämpfbarer Abgabenbescheid zunächst nicht zu ergehen hatte. Nach § 149 WAO gilt nämlich, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt und die Abgabenbehörde hat die Abgabe mit Bescheid (nur) dann festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Um zu einem im Instanzenzug bekämpfbaren Bescheid zu kommen, gibt es jedoch bestimmte verfahrensrechtliche Möglichkeiten. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 25. November 1983, G 32/83, und vom 30. November 1982, G 62, 80/81, G 850/82, dargelegt, welcher Verfahrensweg im Falle der Bekämpfung einer Selbstbemessungsabgabe vorgesehen ist. In solchen Fällen (wie im Beschwerdefall) ist es nämlich möglich und einem Beschwerdeführer zumutbar, einen Antrag auf Rückerstattung der vom Abgabepflichtigen im Wege der Selbstbemessung entrichteten Abgabe mit der Begründung zu stellen, die Abgabenentrichtung hätte sich im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes als unrichtig erwiesen. Der aufgrund dieses Antrages zu erlassende Bescheid ist sodann im Instanzenzug und letztlich auch vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbar.

In dem dieser Beschwerde zu Grunde liegenden Fall hat der Beschwerdeführer nicht das gesetzlich vorgesehene Verfahren in Anspruch genommen, sondern jedwede Erklärung und Entrichtung unterlassen. Es wäre seine Sache gewesen - und insofern trifft ihn auch ein Schuldvorwurf - sich über den Verfahrensablauf im Falle einer beabsichtigten Bekämpfung einer Selbstbemessungsabgabe vor dem Verfassungsgerichtshof bei den zuständigen Stellen zu erkundigen und nicht bloß den einfachgesetzlichen Verpflichtungen nicht mehr nachzukommen.

Die Haftungsinanspruchnahme setzt auch eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung muß zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Wäre die Abgabe auch ohne schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters uneinbringlich geworden, so besteht keine Haftung.

Wenn nun in der Beschwerde vorgebracht wird, die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung sei für die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung nicht gegeben, weil bei Beachtung der Verpflichtungen durch den Beschwerdeführer die vorgeschriebene Vergnügungssteuer noch während des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bemessen worden wäre und damit unter die "Ergreiferprämie des Erkenntnisses" gefallen wäre, dann hat der Beschwerdeführer sein eigenes Nichthandeln gemäß der sich aus dem Vergnügungssteuergesetz ergebenden Verpflichtungen jedenfalls als ursächlich dafür angesehen, daß das Verfahren nicht mehr "Anlaßfall" vor dem Verfassungsgerichtshof wurde. Damit hat er - wie auch mit seinem Vorbringen im verwaltungsbehördlichen Verfahren - aber keineswegs das Fehlen der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit dargetan.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in der Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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