VwGH 91/08/0181

VwGH91/08/01814.7.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der X-Partei in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 21. Oktober 1991, Zl. 124.292/2-7/91, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mP: 1.) M;

2.) OÖ GKK; 3.) PVA Ang; 4.) AUVA), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
AVG §39 Abs2;
ASVG §4 Abs2;
AVG §39 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.370,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Darstellung des Sachverhaltes auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 2. Juli 1991, Zl. 86/08/0155, verwiesen.

Mit dem genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 9. Mai 1986 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:

"Die beschwerdeführende Partei ist mit ihrer Verfahrensrüge gegen die Feststellungen der belangten Behörde in der Frage der Befugnis der Erstmitbeteiligten, sich generell vertreten zu lassen, im Recht.

Die belangte Behörde beschränkt sich nämlich in der Tat darauf, festzustellen, die Erstmitbeteiligte habe sich nicht generell vertreten lassen dürfen, ohne den Dienstgeber vorher von ihrer Verhinderung in Kenntnis zu setzen bzw. seine Zustimmung zu ihrer Vertretung einzuholen; diese Annahmen stützten sich "in erster Linie auf die Aussagen der Herren Z und F sowie das durchaus glaubhafte Vorbringen" der Erstmitbeteiligten. ...

Die Begründung des angefochtenen Bescheides läßt im Beschwerdefall (allerdings) nicht erkennen, auf welche Teile der Aussagen von Z und F sich die belangte Behörde bezieht (bei F dürfte übrigens nicht dessen niederschriftliche Aussage vom 30. April 1984 gemeint sein, sondern wohl seine Stellungnahme vom 26. Juli 1985). Vielmehr sprach der Zeuge Z davon, die Erstmitbeteiligte habe dann, wenn sie sich kurzfristig vertreten habe lassen müssen, vorher ihn angerufen, "bzw. wen sie eben gerade erreichte". Es sei vorgekommen, daß sie für Tage und Wochen nicht gekommen sei. Jedenfalls sei ihre Möglichkeit, sich vertreten zu lassen, und ihre Freizügigkeit in der Arbeitseinteilung so gewesen, daß ein "normaler" Arbeitgeber dergleichen nie geduldet hätte. Es sei nach Ansicht des Zeugen "ein sehr kameradschaftliches Verhältnis, weil ihr Gatte ja auch Gemeinderat und Parteifunktionär war", gewesen. In der Stellungnahme des Landesgeschäftsführers Ernst F vom 26. Juli 1985 heißt es, es sei keineswegs richtig, daß die Erstmitbeteiligte die Arbeitszeit nur nach Rücksprache mit dem Dienstgeber hätte ändern können; sie sei diesbezüglich sehr eigenständig gewesen; von einer Genehmigung der Vertreter durch ihn als Landesgeschäftsführer könne keine Rede sein. Es sei auch nicht so wichtig gewesen, wer die Geschäftsstelle Steyr besetzt gehalten habe, maßgeblich sei vielmehr gewesen, daß sich jemand im Büro aufgehalten habe.

Die Wendung im angefochtenen Bescheid, daß sich die Annahme des Nichtbestehens einer generellen Vertretungsbefugnis in erster Linie auf die Aussagen der beiden genannten Personen stütze, erweist sich daher als aktenwidrig. Diese Wendung kann nämlich sprachlich nicht so verstanden werden, daß sie sich gerade NICHT auf deren Depositionen stützt, sondern daß ausschließlich das Vorbringen der Erstmitbeteiligten als glaubhaft erachtet wird. Aber selbst wenn dies zum Ausdruck hätte gebracht werden sollen, fehlte es an jeglicher Begründung, warum den Aussagen der erstmitbeteiligten Partei mehr Glauben geschenkt werde, als den Aussagen der genannten Personen. Anders als der Landeshauptmann von Oberösterreich, der sich in seinem Bescheid eingehend mit der Glaubwürdikgiet der Zeugen einerseits und der erstmitbeteiligten Partei andererseits unter Einbeziehung ihrer jeweiligen Interessenslage auseinandersetzte, läßt die belangte Behörde eine solche Erörterung völlig vermissen. Der angefochtene Bescheid läßt nicht erkennen, warum die belangte Behörde zu einer anderen Sicht der für und gegen die Glaubwürdigkeit der gemachten Aussagen sprechenden Gesichtspunkte gekommen ist.

Schon durch diesen Begründungsmangel belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem - wesentlichen - Verfahrensmangel, bei dessen Vermeidung sie im Hinblick auf die für die Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses bedeutsame Befugnis, sich generell vertreten lassen zu können, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. ...

In der Beschwerdesache wird auch geltend gemacht, daß die angebliche telefonische Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit von den Zeugen Z und F in Abrede gestellt worden sei, von der belangten Behörde jedoch ohne ausreichende Begründung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt werde. Dies gelte auch für die Führung von Arbeitswochenblättern und die disziplinäre Verantwortlichkeit der Erstmitbeteiligten.

Auch mit diesen Beschwerdeeinwendungen ist die beschwerdeführende Partei im Recht. Zu der Wendung im angefochtenen Bescheid, die Erstmitbeteiligte sei von den genannten Personen regelmäßig zu bestimmten Zeiten angerufen worden, was doch eine gewisse Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit darstelle, "auch wenn dies von den Herren Z und F in Abrede gestellt" werde, gilt das vorhin Gesagte, nämlich daß die belangte Behörde die Umwürdigung der diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse nicht offengelegt und begründet hat. Aus verfahrensökonomischen Gründen fügt der Verwaltungsgerichtshof dem jedoch bei, daß sich die belangte Behörde auch mit den von der Erstmitbeteiligten in ihrer Berufung gegen die Beweiswürdigung der Einspruchsbehörde erhobenen Einwänden im einzelnen wird auseinanderzusetzen haben."

Mit dem vorliegenden angefochten Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Erstmitbeteiligten (neuerlich) Folge und stellte in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich fest, daß die Erstmitbeteiligte aufgrund ihrer Beschäftigung bei der beschwerdeführenden Partei in der Zeit vom 1. Jänner 1975 bis 31. März 1984 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der maßgeblichen Entscheidungsgründe des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1991 nahm die belangte Behörde folgenden Sachverhalt als erwiesen an.

"Frau M erledigte vom 1.1.1975 bis 31.3.1984 in einem Parteilokal der FPÖ, Landesgruppe Oberösterreich, nach Anweisung des Dienstgebers anfallende Büroarbeiten und besorgte den Parteienverkehr. Sie war zur Einhaltung einer Arbeitszeit von Montag bis Freitag von 9.00 bis 12.00 Uhr verpflichtet. Diese Zeit konnte Frau M nicht immer einhalten, da sie Mutter von drei Kindern ist und durch Krankheiten, Probleme in der Schule, u.dgl., verhindert gewesen ist, ihrer Arbeit nachzugehen. In den Oster- und Weihnachtsferien arbeitete Frau M nicht; in den Sommermonaten stand ihr ein Monat Urlaub zu. Während dieser Zeit und bei Verhinderung wurde der Parteienverkehr von Herrn oder Frau Z bzw. Herrn S betreut. Die Zeit, die Frau M durch die Verhinderung, die durch die ihr obliegende Obsorge von drei schulpflichtigen Kindern verursacht wurde, versäumte, holte sie teilweise nachmittags nach. Frau M war zur Führung von Wochenarbeitsblättern verpflichtet, in die sie die Zeit, während der sie im Geschäftslokal anwesend war, einzutragen hatte. Sie erhielt telefonische Kontrollanrufe von Herrn F oder Herrn Z, die aber auch dazu dienten, mit ihr Parteiangelegenheiten zu besprechen. Weisungen bezüglich der Verrichtung der Arbeit erhielt sie von Herrn Z oder Herrn F. Die Kündigung ihr gegenüber wurde von Herrn F ausgesprochen."

Zu ihrer Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, es sei richtig, daß die Erstmitbeteiligte eine Motivation für eine zu ihren Gunsten gefärbte Aussage gehabt habe. Dazu sei allerdings zu bemerken, daß dies auch auf sämtliche Zeugen (durchwegs Funktionäre bzw. dieser Partei Nahestehende) zutreffe, da von der Entscheidung, ob die Erstmitbeteiligte der Versicherungspflicht unterliege, abhänge, ob die beschwerdeführende Partei Sozialversicherungsbeiträge (samt Zuschlag) zu entrichten habe. Die "Parteikameraden" hätten somit ein finanzielles Interesse daran, daß diese Nachzahlung nicht erfolge. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, daß alle Aussagen annähernd von gleicher Gewichtigkeit seien und keine wesentlich glaubwürdiger erscheine. Nach der Niederschrift vom 18. März 1985 beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung sei der Erstmitbeteiligten allerdings auch als Partei die Wahrheitspflicht vorgehalten worden. Es sei nicht anzunehmen, daß die Erstmitbeteiligte als rechtsunkundige Person von der nicht bestehenden Wahrheitspflicht einer Partei und der Sanktionslosigkeit einer eventuellen falschen Angabe gewußt habe. Die Erstmitbeteiligte sei somit zumindest subjektiv unter Wahrheitspflicht gestanden. Diese Tatsache sei zugunsten der Glaubwürdigkeit der Erstmitbeteiligten zu würdigen.

In der weiteren Folge der Begründung heißt es dann wörtlich:

"Bezüglich der Vertretungsbefugnis liegt folgendes vor: die

Aussage des Herrn N vom 25.6.1985 ("Es kam auch vor, daß sie

mich selbst angerufen hat, ob ich ihr nicht das Büro hüten

könne, weil sie keine Zeit habe. Ob sie da Rückfrage bei

Herrn F gehalten hat, weiß ich nicht."), des Herrn S vom

25.6.1985 ("Ich selbst wurde auch (schätzungsweise zwei- bis

dreimal monatlich) teils von Frau M selbst, teils auch von

Herrn F ersucht, Frau M zu vertreten ... ob sie bezüglich

Vertretung Herrn F oder Herrn Z fragen mußte, weiß ich

nicht; ... Zu schulfreien Zeiten war sie praktisch nie da (was

schon wegen der schulpflichtigen Kleinkinder nicht möglich

gewesen wäre). Zu diesen Zeiten war hauptsächlich Herr oder

Frau Z in der Geschäftsstelle."), des Herrn Z vom 25.6.1985

("Vertreten ließ sie sich öfters, insbesondere zu schulfreien

Zeiten .... Wenn sie sich vertreten lassen mußte, rief sie kurz

vorher mich an bzw. wen sie eben gerade erreichte .... Es kam

vor, daß sie für Tage und Wochen nicht kam (....), dann war sie

wieder einmal ein ganzes Monat stets anwesend .... Es kam uns

nicht darauf an, WER im Büro war, sondern daß jemand in der

Geschäftsstelle anwesend war ..... Im Sommer war aber klar

vereinbart, daß sie ein Monat in Urlaub sein sollte."), des Herrn H vom 25.6.1985 ("Zu schulfreien Zeiten war sie so gut wie nie da. Hier wurde sie von Schuldirektor Z vertreten. Zu sonstigen Zeiten wurde sie entweder von anderen Kameraden vertreten oder die Geschäftsstelle war eben überhaupt nicht besetzt."), die Stellungnahme des Landesgeschäftsführers F vom 26.7.1985 ("es war - ..... - auch gar nicht so wesentlich, WER die Geschäftsstelle in Steyr besetzt hielt. Maßgeblich war vielmehr, DAß sich jemand im Büro aufhielt, das Telefon bediente, Auskünfte erteilte und Wünsche von Anrufern weiterleitete bzw. schriftlich (Aktennotizen) festhielt ..... Sicherlich war sie am meisten von allen Steyrer Funktionären im Büro ..... Es darf ja auch nicht vergessen werden, daß damals ein sehr kameradschaftliches Verhältnis innerhalb der Steyrer Ortsgruppe herrschte.") und die Aussage der Frau M vom 18.3.1985 ("Bedingt dadurch, daß die Kinder manchmal krank waren, keine Schule war und dgl., kam es manchmal vor, daß ich später ins Büro kam, früher wegging oder überhaupt nicht kommen konnte, dies aber immer nach vorheriger Besprechung mit Herrn F .... Daß es nur selten vorkam, daß ich der Arbeit wegen der Kinder fernblieb, außer in den Weihnachts- und Osterferien, für welche eine Ersatzkraft für mich einsprang. Was die (seltene) Notwendigkeit einer Vertretung betraf, so konnte ich entweder Herrn F von meiner Abwesenheit verständigen (oder Herrn Z) oder ich machte es mir gleich telefonisch mit einem in Frage kommenden Herrn aus, dies aber erst nach Genehmigung durch Herrn F oder Herrn Z."). Aus diesen Aussagen ergibt sich, daß Frau M sich NICHT GENERELL VERTRETEN LASSEN KONNTE.

Es steht fest, daß sich Frau M in schulfreien Zeiten von Parteikameraden vertreten lassen hat. Da Frau M Mutter von drei schulpflichtigen Kindern war und dies der Freiheitlichen Partei bekannt gewesen ist, wurde bei der Anstellung von Frau M dieser Umstand berücksichtigt. Diese Vereinbarung wurde im weiteren Verfahren nicht in Abrede gestellt. Im Einspruch wird indirekt darauf hingewiesen (vgl. dazu auch u.a. Aussage des Zeugen K vom 25. Juni 1985 beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung). Es wurde vereinbart, daß sie zu bestimmten Zeiten nicht zu arbeiten brauchte (vgl. Aussage der Berufungswerberin bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse am 3.2.1984; diese Aussage wurde unvoreingenommen am Beginn des Verfahrens gemacht, wodurch ihr besondere Beweiskraft zukommt). Dafür spricht auch, daß sie in den SOMMERmonaten einen Monat bezahlten Urlaub machen durfte. Wenn sie durch Krankheit der Kinder und dgl, verhindert gewesen ist, hat sie entweder selbst oder nach Rücksprache dafür gesorgt, daß die Geschäftsstelle besetzt gewesen ist. Die so verlorene Zeit hat sie teilweise eingearbeitet. Dies ergibt sich aus den Aussagen des Herrn N vom 25.6.1985 ("Wenn sie vormittags gar nicht im Büro war, ist es vorgekommen, daß sie nachmittags verschiedene Schreibarbeiten erledigt hat. Meistens war das montags, ...."), des Herrn Z vom 25.6.1985 ("Ihre verlorene Arbeitszeit hatte sie nicht einzuarbeiten. Nur gelegentlich, wenn wir unter Zeitdruck standen, hat sie zu anderen Zeiten als den normalen Bürozeiten geholfen ...") und der von Frau M vom 3.2.1984 ("Nach dem ich meine Kinder zu versorgen hatte, wurde mir eingeräumt, bei Erkrankungen der Kinder (3) die Arbeitszeit in der Regel nach Rücksprache mit dem Dienstgeber abändern zu dürfen.").

Daß Frau M zur EINHALTUNG DER ARBEITSZEIT verpflichtet gewesen ist, ergibt sich daraus, daß sie unter anderem aufgrund ihrer zeitlichen Unzuverlässigkeit gekündigt worden ist. Im übrigen haben die im Einspruchsbescheid wiedergegebenen Zeugenaussagen den Tenor, daß sie die "lockere" Handhabung der Arbeitszeit der Berufungswerberin nicht gebilligt haben. Diese Mißbilligung widerspricht der behaupteten angeblichen Freizügigkeit der Arbeitserbringung der Berufungswerberin. Als Beweis für diese Einschätzung sei nur auf die Aussage des Zeugen H vor dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. Juni 1991 hingewiesen, wonach die Verspätung um eine halbe bis eine Stunde als "krasser Fall" geschildert wurde. Auch auf die Aussage des Zeugen S am selben Tag vor dieser Behörde, der sich über die mangelnde Pünktlichkeit der Berufungswerberin äußert, widerspricht der behaupteten Bestimmungsfreiheit über die Arbeitszeit. Der Zeuge Z hat vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung am 25. Juni 1985 ausgesagt, daß sie die Zeit, während der das Büro besetzt sein sollte, eher selten eingehalten hat .....Frau Z (seine Ehegattin) gibt anläßlich dieser Einvernahme an, daß ihr Mann über diese Nichteinhaltung verärgert gewesen sei. Herr N wies bei seiner Einvernahme am 25.6.1985 daraufhin, daß es nicht selten vorkam, daß sie die Rahmenzeit von 9-12 Uhr nicht eingehalten hat. Wenn nun die Zeugen einerseits immer wieder die Freizügigkeit der Arbeitszeitgestaltung betonten, andererseits sich über die Nichteinhaltung der Arbeitszeit mißbilligend äußern, so müssen sie sich zumindest eine gewisse Ungereimtheit ihrer Aussagen vorwerfen lassen.

Außerdem ist dazu noch zu bemerken, daß bei Teilzeitbeschäftigten die Bestimmungsfreiheit nicht so eingeschränkt wie bei Vollbeschäftigten ist. Aufgrund der persönlichen Umstände ist Frau M berechtigt gewesen, Beginn und Dauer der Arbeitszeit im Falle der Verhinderung, die durch die Obsorge der Kinder entstanden ist, selbst zu bestimmen.

Daß Frau M zur Führung von Wochenarbeitsblättern verpflichtet gewesen ist und die Einhaltung der Arbeitszeit durch telefonische Anrufe kontrolliert worden ist (siehe dazu unten), ergibt sich aus den Aussagen von Herrn Z ("Ich selbst war durch meine Lehrtätigkeit verhindert, im Büro anwesend zu sein und habe Frau M daher meist telefonisch kontaktiert ..... Dies waren aber keine Kontrollanrufe, sondern Anrufe zwecks Besprechung von Parteiangelegenheiten .....

Arbeitswochenblätter hat es in der Partei zwar gegeben, ich habe aber nie eines unterschrieben, weil es nicht gestimmt hat, was Frau M angegeben hat."), des Herrn N vom 25.6.1985 ("Ich wurde öfters von Herrn F aus Linz angerufen und ersucht, nach dem Verbleib der Frau M zu forschen."), aus der Stellungnahme des Landesgeschäftsführers Ernst F vom 26.7.1985 ("Bei Anrufen aus Linz wurde nicht kontrolliert, ob sie da war, sondern um Parteiangelegenheiten zu besprechen bzw. den Posteinlauf festzustellen.") und aus den Aussagen von Frau M vom 6.4.1984 und vom 18.3.1985 ("Seit ca. vier oder fünf Jahren mußte ich für jede Woche einen Arbeitsplan führen ... in den letzten drei bis vier Jahren erfolgten öfters Kontrollanrufe und zwar um 9.00 Uhr." und "Ich muß betonen, daß ich durchaus verpflichtet war, die genannte Arbeitszeit grundsätzlich einzuhalten und dies auch - insbesondere in der letzten Zeit - kontrolliert wurde.").

Zwar bestritten Herr Rudolf Z und Herr Ernst F, daß es sich um Kontrollanrufe gehandelt habe, aber immerhin führten diese Anrufe dazu, daß Herr Z die Wochenarbeitsblätter nicht unterschrieb. Somit steht fest, daß die Anrufe auch dazu dienten, festzustellen, ob Frau M anwesend ist. Diese Anrufe hatten somit eine Doppelfunktion.

Die Verpflichtung zur Führung von Wochenarbeitsblättern beweist den Kontrollwillen der Geschäftsstelle der FPÖ; die verweigerte Unterschrift gilt für die Behörde als Beweis dafür, daß die Kontrolle tatsächlich ausgeübt wurde und die Verweigerung der Unterschrift als Grundlage bzw. erster Schritt für eine disziplinäre Maßnahme eingeschätzt werden muß. Wenn der Zeuge Z (siehe oben) angibt, es hätte nicht gestimmt, was Frau M angegeben habe so setzt es eine Überprüfung der geleisteten Arbeitszeit voraus. Wenn eine solche Bestätigung über geleistete Arbeitsstunden auch bei Werksvertragsverhältnissen denkbar bzw. üblich ist, so ist dieses Element im Zusammenhang mit dem Gesamtbild, insbesondere aber mit den sonstigen oben dargestellten Aussagen zu sehen.

Die behauptete Ehrenamtlichkeit läßt sich auch mit den oben dargestellten Forderungen nicht vereinbaren.

Die disziplinäre Verantwortlichkeit bestätigte Rudolf Z in seiner Aussage vom 25.6.1985 ("Die Schwierigkeiten mit Frau M - die zum Teil ja auch durch die drei Kinder bedingt waren - haben ja letztlich auch dazu geführt, daß auf die Mitarbeit verzichtet wurde."). Daß nicht früher disziplinäre Maßnahmen getroffen wurden, lag - wie mehrfach ausgesagt - am damals freundschaftlichen Verhältnis unter den Gesinnungsgenossinnen und -genossen. Offensichtlich aus Rücksicht auf diese freundschaftlichen Beziehungen und die Position des Ehegatten konnten oder wollten die Verantwortlichen die Verpflichtung der Frau M, von der sie - wie oben dargelegt - nach Ansicht der Behörde überzeugt waren, nicht durchsetzen.

Die Weisungsgebundenheit bestätigte Herr Z ebenfalls ("Bezüglich ihrer Tätigkeit möchte ich noch bemerken, daß sie einfache Büroarbeiten ausgeführt hat; meist nach Anweisung durch mich oder Herrn F.")."

Aufgrund dieser Erwägungen gelangte die belangte Behörde zur Auffassung, daß die Kriterien für die Bejahung der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit der Erstmitbeteiligten in dem im Spruch genannten Zeitraum vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligten Parteien haben sich am Verfahren nicht

beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird - zusammengefaßt - unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgebracht, die belangte Behörde habe sich wiederum mit den vorliegenden Aussagen nicht eingehend auseinandergesetzt. Sie habe lediglich einige Aussagen auszugsweise angeführt und im Anschluß daran nicht nachvollziehbare unschlüssige Feststellungen getroffen.

Dieses Vorbringen erweist sich im Ergebnis als zutreffend.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid beruft sich die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung auch auf die Aussagen der Zeugen N, S und H. Aus diesen Aussagen sowie der Aussage des Zeugen Z, der Stellungnahme des Landesgeschäftsführers der beschwerdeführenden Partei vom 26. Juli 1985 sowie den Angaben der Erstmitbeteiligten ergebe sich, daß sich diese nicht habe generell vertreten lassen können.

Bezüglich dieser Feststellung kommt jedoch dem Einwand der beschwerdeführenden Partei Berechtigung zu, die belangte Behörde gebe die Aussagen der Zeugen nur auszugsweise wieder, wobei insbesondere jene Passagen fehlten, aus denen sich geradezu das Gegenteil ergebe: So hat etwa der Landesgeschäftsführer der beschwerdeführenden Partei F angegeben, die Erstmitbeteiligte habe die Möglichkeit gehabt, eigenmächtig bei Verhinderung einen Vertreter zu bestimmen. Von einer Genehmigung der Vertreter durch ihn als Landesgeschäftsführer könne keine Rede sein. Es sei auch gar nicht wesentlich gewesen, wer die Geschäftsstelle besetzt gehalten habe. Maßgeblich sei vielmehr gewesen, daß sich jemand im Büro aufgehalten, das Telefon bedient, Auskünfte erteilt und Wünsche von Anrufern weitergeleitet bzw. schriftlich in Form von Aktennotizen festgehalten habe. Natürlich sei auf eine Bürovertretung Wert gelegt worden.

Der Zeuge Z hat erklärt, die Erstmitbeteiligte habe ihn bzw. wen sie eben gerade erreicht habe, kurz vorher angerufen, wenn sie sich hätte kurzfristig vertreten lassen müssen. Zahlenmäßig könne er die An- bzw. Abwesenheit der Erstmitbeteiligten nicht genau angeben, da er darüber keine Aufzeichnungen geführt habe. Es sei vorgekommen, daß sie für Tage und Wochen nicht gekommen sei, insbesondere wenn sie ihre Verwandten in der Steiermark besucht habe. Jedenfalls habe sie ihren Arbeitsablauf ziemlich nach eigenem Gutdünken eingeteilt. Es sei der beschwerdeführenden Partei nicht so sehr darauf angekommen, wer im Büro gewesen sei, sondern daß jemand in der Geschäftsstelle anwesend gewesen sei, der Auskunft hätte geben können. Die Möglichkeit der Erstmitbeteiligten, sich vertreten zu lassen und ihre Freizügigkeit in der Arbeitsgestaltung sei so gewesen, daß ein "normaler" Arbeitgeber dergleichen nie geduldet hätte.

Zu dieser Frage hat auch der Zeuge S erklärt, daß die Erstmitbeteiligte auch ihn persönlich wegen allfälliger Vertretungen angesprochen habe. Habe sie keine Zeit gehabt, so hätte sie eben so lange herumtelefoniert, bis sie jemanden gefunden habe, der für sie eingesprungen sei. Ob sie bezüglich der Vertretung die Zeugen F oder Z hätte fragen müssen, wisse er nicht.

Nach den Aussagen des Zeugen N sei die Erstmitbeteiligte nicht allein wegen der Kinder vom Büro ferngeblieben.

Das Vorhandensein einer GENERELLEN Vertretungsbefugnis kann aus diesen Aussagen allerdings nicht schlüssig abgeleitet aber auch nicht ausgeschlossen werden. Nur eine solche Möglichkeit schließt im übrigen die persönliche Arbeitspflicht und damit das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus, während die Berechtigung, im bloßen Verhinderungsfall einen Vertreter zu bestimmen, allein das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht ausschließt (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 91/08/0128). Weder aus den von der belangten Behörde noch den oben wiedergegebenen Aussagen geht mit der erforderlichen Klarheit hervor, ob sich die Erstmitbeteiligte lediglich fallweise, in ganz bestimmten Situationen, etwa wegen ihrer Kinder, vertreten lassen konnte - was ihrer Versicherungspflicht nicht hinderlich wäre - oder ob ihr dies auch nach ihrem jeweiligen Gutdünken, also generell, möglich gewesen ist. Für die letztere Möglichkeit sprechen etwa die Aussagen der Zeugen F und Z, die betonten, daß es nicht so sehr darauf angekommen sei, wer in der Geschäftsstelle gewesen sei, sondern daß diese überhaupt besetzt gewesen wäre. Auch die Aussagen des Zeugen N könnten in diese Richtung deuten, wonach das Fernbleiben der Erstmitbeteiligten vom Büro nicht allein wegen der Kinder erfolgt sei. Unklar ist auch, ob die von der Erstmitbeteiligten behaupteten Anrufe bei den Zeugen F bzw. Z dazu gedient haben, deren Zustimmung zur Vertretung zu erwirken - wie die Erstmitbeteiligte behauptet -, oder es sich um bloße Vertretungsanzeigen gehandelt hat (vgl. dazu bereits den Hinweis im Erkenntnis vom 2. Juli 1991).

Zu dem Hinweis der belangten Behörde, daß die Erstmitbeteiligte vor dem Landeshauptmann unter Wahrheitserinnerung vernommen worden und daher - subjektiv - unter Wahrheitspflicht gestanden sei, wird bemerkt, daß dies auch auf die Zeugen zutrifft, weshalb allein aus diesem Umstand ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit der Erstmitbeteiligten noch nicht abgeleitet werden kann. Im übrigen ist die belangte Behörde selbst davon ausgegangen, daß alle Aussagen annähernd von gleicher Gewichtigkeit seien und keine als wesentlich glaubwürdiger (als die anderen) erscheine.

Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß sich die belangte Behörde im Hinblick auf ihre Feststellung, daß sich die Erstmitbeteiligte nicht habe generell vertreten lassen können, zu wenig mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung der Mitbeteiligten deren Bestimmungsfreiheit durch diese Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der rechtlichen Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt war. So hat die belangte Behörde etwa ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Erstmitbeteiligten vom Beginn ihrer Tätigkeit bei der beschwerdeführenden Partei ab 1. Jänner 1975 ohne jede weitere Begründung angenommen, obwohl im Akt der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse davon die Rede ist, daß Geldüberweisungen an die Erstmitbeteiligte nachweislich erst ab Dezember 1978 regelmäßig monatlich erfolgt seien. Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist jedoch nur, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit GEGEN ENTGELT beschäftigt wird. Wenn es auch diesbezüglich nicht auf die bloßen Zahlungen ankommt, sondern (sofern die Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erfolgt) der Entgeltanspruch genügt, so hätte die belangte Behörde doch bei der Klärung dieser Abhängigkeit die anfänglich fehlenden Geldüberweisungen berücksichtigen und ihre Ursachen klären müssen. Unberücksichtigt blieb auch der Umstand, daß die Erstmitbeteiligte selbst angegeben hat, sich um ihre Versicherungspflicht nicht gekümmert und die Mitversicherung bei ihrem Ehegatten in Anspruch genommen zu haben, woraus der Schluß gezogen werden könnte, daß die Erstmitbeteiligte für sich selbst nicht in Anspruch genommen habe, in einem Dienstverhältnis zu stehen. Ferner ging die belangte Behörde nicht darauf ein, daß die Erstmitbeteiligte von einer Kontrolle ihrer Tätigkeit nur in den letzten drei bis vier Jahren ihrer Tätigkeit gesprochen hat, während sie selbst das freundschaftliche Verhältnis zu den übrigen "Parteikameraden" zu Beginn ihrer Tätigkeit nicht in Abrede gestellt hat. Die Beschäftigung der Erstmitbeteiligten bei der beschwerdeführenden Partei könnte sich daher im Laufe der Zeit - auch bedingt durch die persönlichen Umstände der Erstmitbeteiligten - so verändert haben, daß erst später jenes Maß an persönlicher Abhängigkeit erreicht wurde, das für das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses erforderlich ist. Damit stünde auch im Einklang, daß die lockere Handhabung der Beschäftigung durch die Erstmitbeteiligte von den "Parteikameraden" zunächst auf Grund des kameradschaftlichen Verhältnisses toleriert, später jedoch von ihnen überwiegend mißbilligt wurde und die Unzuverlässigkeit der Erstmitbeteiligten letztlich auch zur Auflösung ihrer Beschäftigung geführt hat.

Der angefochtene Bescheid leidet daher an Verfahrensfehlern, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können; er war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z.3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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