VwGH 94/19/0715

VwGH94/19/071521.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Mai 1993, Zl. 4.328.110/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Mai 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, der am 29. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Mai 1992, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 2. Dezember 1991 im wesentlichen vorgebracht, er gehöre in Nigeria keiner politischen Organisation, sondern seit dem Jahre 1970 einer charismatischen Bewegung der römisch-katholischen Kirche an. Als Mitglied dieser Bewegung sei er auch berechtigt, als Prediger aufzutreten. Seit dem Jahre 1990 sei er nur mehr als Prediger in Kano tätig gewesen, wobei er keine Bezahlung erhalten, sondern von den Spenden der Gläubigen gelebt habe. Am 14. Oktober 1991 sei der Besuch eines evangelischen Predigers aus Deutschland erwartet worden, was "die Moslems" erbost habe, weil zuvor viele Moslems von Kano zum Christentum übergetreten seien. Die Moslems hätten deshalb am 14. Oktober 1991 die katholische Kirche in Kano zerstört. Dabei seien auch viele Katholiken getötet worden. Der evangelische Prediger habe ebenso wie der Beschwerdeführer flüchten können. Der Beschwerdeführer habe sich in der Folge nach Benin City begeben. Da "die Moslems" jedoch wie "eine Art Mafia" organisiert seien, habe für den Beschwerdeführer auch hier die Gefahr der Ermordnung bestanden. Er habe sich daher nach einer Woche Aufenthalt in Benin City dazu entschlossen, Nigeria zu verlassen.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hat der Beschwerdeführer im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen bekräftigt und darüberhinaus angegeben, er gehöre seit 1989 einer charismatischen Bewegung innerhalb der nigerianischen christlichen Organisation CAN (Christian Association of Nigeria) an. In den letzten Jahren sei es aufgrund der bekannten Tatsache, daß Nigeria durch eine moslemische Bevölkerungsmehrheit und Regierung dominiert werde, zu vermehrten Ausschreitungen gegenüber der christlichen Glaubensgemeinschaft gekommen. Der bisher blutigste Übergriff habe am 14. Oktober 1991 in Kano anläßlich "einer großen christlichen Kundgebung des deutschen Evangelisten B" stattgefunden. Der Versuch "moslemischer Fundamentalisten", B zu ermorden, sei "zu einem Blutbad ausgeufert". Prediger wie der Beschwerdeführer und Mitorganisatoren dieses Treffens seien besonderer Verfolgung ausgesetzt gewesen, zumal das Ziel der "islamischen Fundamentalisten" darin bestanden habe, diese zu ermorden. Als der Beschwerdeführer in Benin City erkannt habe, daß dieses Ziel "systematisch und organisiert" verfolgt werde, habe er in der Flucht aus Nigeria die einzige Chance gesehen, sein Leben zu retten.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren nicht ergeben habe, daß der Beschwerdeführer "Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes" sei. Der Beschwerdeführer habe nämlich keine "wie auch immer geartete individuell und konkret gegen (seine) Person gerichtete Verfolgungshandlung auch nur behauptet", sondern eine bloße "Allgemeindarstellung der Ereignisse" geboten, die nicht darauf schließen lasse, daß gegen ihn "höchstpersönlich" vorgegangen worden sei. Im übrigen seien die geschilderten Angriffe nicht dem Staat zuzuschreiben, sondern den Anhängern einer anderen Religionsgemeinschaft. Auch habe der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet, den Versuch unternommen zu haben, sich unter den Schutz staatlicher Behörden zu stellen, um vor "moslemischen Angriffen gewahrt zu sein". Daraus ergebe sich, daß der Beschwerdeführer nicht Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe zu gewärtigen gehabt bzw. für den Fall einer etwaigen Rückkehr in seine Heimat zu befürchten hätte.

Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, daß aus seinem Vorbringen eine konkrete Gefährdung seines Lebens eindeutig hervorgehe, zumal die Moslems unter den damals anwesenden Christen wahllos gemordet hätten. Wäre der Beschwerdeführer nicht von der Veranstaltung geflohen, wäre er unweigerlich ermordet worden. Richtig sei zwar, daß die Angriffe nicht dem Staat, sondern den Anhängern einer anderen Religionsgemeinschaft zuzuordnen seien. Es sei aber bekannt, daß die nigerianische Regierung von Moslems, die das Vorgehen moslemischer Fanatiker unterstützten oder zumindest duldeten, dominiert sei. Der Staat müsse sich, da er die Gewalt nicht unterbinde, diese als Verfolgung zurechnen lassen. Die belangte Behörde habe es im übrigen unterlassen, den zur Entscheidung maßgebenden Sachverhalt festzustellen, was sie auch insoferne einräume, als sie die Darstellungen des Beschwerdeführers als "zu allgemein" qualifiziere. Sie habe es weiters unterlassen, dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer die nötigen Anleitungen zur Vornahme "der Verfahrenshandlung" zukommen zu lassen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit darzutun.

Der belangten Behörde ist nämlich darin zuzustimmen, daß nur dann von gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention gesprochen werden könnte, wenn die Übergriffe von staatlichen Stellen seines Heimatlandes ausgegangen oder von diesen zumindest geduldet worden wären (vgl. z.B. das Erkenntis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1057). Daß dies jedoch der Fall gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ebensowenig vorgebracht wie, daß er gegen die Angriffe "der Moslems" bei den staatlichen Behörden vergeblich Schutz gesucht hätte. Soweit er nunmehr erstmals in der Beschwerde behauptete, die staatlichen Stellen seines Heimatlandes wären nicht gewillt, die Übergriffe der "moslemischen Fundamentalisten" hintanzuhalten, unterliegt er damit dem Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG. Der Auffassung der belangten Behörde, den Beschwerdeführer komme Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zu, kann daher schon aus diesem Grunde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Dem Vorwurf, die belangte Behörde habe den maßgebenden Sachverhalt unzureichend ermittelt und ihre Manuduktionspflicht verletzt, ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger

hg. Judikatur im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen ist und es daher dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Eine weitere Ermittlungspflicht im Sinne des § 16 Abs. 1 AsylG 1991 traf die belangte Behörde nicht, zumal hinreichend deutliche Hinweise auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 in Frage kommt, im Vorbringen des Beschwerdeführers nicht enthalten waren. Auch ist es - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - nicht Aufgabe der Behörde nach § 13a AVG, dem Asylwerber Unterweisungen dahin zu erteilen, wie er sein Vorbringen auszuführen habe, damit seinem Antrag allenfalls stattgegeben werden kann (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1992, Zl. 92/01/0592 mit weiteren Judikaturnachweisen). Im übrigen ist nicht ersichtlich, zu welchen - in der Beschwerde nicht näher konkretisierten - Anleitungen die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

Im Hinblick auf diese Entscheidung erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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