Normen
B-VG Art65 Abs2 litc;
EMRK Art53;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
B-VG Art65 Abs2 litc;
EMRK Art53;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Aus der vorliegenden Beschwerde, der vorgelegten Ablichtung des Antrages des Beschwerdeführers an die belangte Behörde vom 12. Jänner 1994, sowie der dem Verwaltungsgerichtshof vom Bundesministerium für Justiz übermittelten Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 21. September 1993 betreffend den Beschwerdeführer gegen Österreich sowie des Obersten Gerichtshofes vom 17. Mai 1994, 14 Os 33/94-14, ergibt sich:
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Kreisgericht (jetzt Landesgericht) Korneuburg vom 18. Dezember 1984, 10 Vr 949/82-570, unter anderem des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB für schuldig erkannt und nach den §§ 28 und 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Jahren verurteilt; in einem wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB angeordnet.
Dieses Urteil wurde mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 2. Juli 1986, 9 OS 76/85-27, im Schuldspruch bestätigt, im Strafausspruch jedoch dahin abgeändert, daß der Beschwerdeführer einerseits zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, andererseits der Antrag auf Unterbringung gemäß § 21 Abs. 2 StGB in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher abgewiesen wurde.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte mit Entscheidung vom 21. September 1993, Zl. 29/1992/374/448, fest, daß nach Lage des Falles die persönliche Anwesenheit des Beschwerdeführers beim Gerichtstag über die Berufung im Interesse der Fairneß des Verfahrens geboten gewesen wäre und erblickte in der unterbliebenen Sicherstellung der Anwesenheit des Beschwerdeführers bei der mündlichen Berufungsverhandlung, um ihn solcherart in die Lage zu versetzen, sich "persönlich selbst zu verteidigen", eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 iVm Abs. 3 lit. c der EMRK.
Gestützt auf dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde am 12. Jänner 1994 unter eingehender Darstellung der Sach- und Rechtslage (aus seiner Sicht), die belangte Behörde wolle gemäß Art. 67 Abs. 1 B-VG dem Bundespräsidenten vorschlagen, zur Erfüllung der Verpflichtungen der Republik Österreich aus dem genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 2. Juli 1986 verhängte lebenslange Freiheitsstrafe (im Gnadenwege) in eine solche von 15-jähriger Dauer umzuwandeln (Art. 65 Abs. 2 lit. c B-VG iVm Art. 53 MRK).
Mit der vorliegenden Beschwerde bringt der Beschwerdeführer nach Darstellung des Sachverhaltes zusammenfassend vor, das genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verpflichte die Republik Österreich zur restitutio in integrum. Im Beschwerdefall habe der Oberste Gerichtshof die Konventionsverletzung zu vertreten. Ein zivilrechtlicher Anspruch nach dem Amtshaftungsgesetz scheide daher ebenso aus, wie eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes. Ebenso sei eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen. Zu denken wäre auch an einen Antrag auf Strafmilderung nach § 410 StPO; der Beschwerdeführer habe auch diesen Weg beschritten, sein Antrag sei aber vom Landesgericht Korneuburg mit Beschluß vom 29. November 1993 - unanfechtbar (§ 410 Abs. 3 StPO) - abgewiesen worden. Es verbleibe somit als einzige rechtliche Möglichkeit, um die ihm zugefügte Konventionsverletzung zu beseitigen, die Begnadigung nach Art. 65 Abs. 2 lit. c B-VG (wird jeweils näher ausgeführt; anzumerken ist hiezu, daß der Oberste Gerichtshof zwischenzeitig über Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes mit dem Urteil vom 17. Mai 1994, 14 Os 33/94-14, diesen Beschluß aufgehoben und dem Landesgericht Korneuburg aufgetragen hat, über den Antrag des Beschwerdeführers "neuerlich zu entscheiden bzw. dem Gesetz gemäß zu verfahren"). Auch in anderen, rechtlich vergleichbaren Fällen, habe der Bundesminister für Justiz Gnadenerweise des Bundespräsidenten beantragt. Die gelegentlich gewählte Argumentation, es bestehe "kein Recht auf Gnade" sei im Anlaßfall zumindest irreführend; es gehe nicht darum, ob auf einfach-gesetzlicher Grundlage ein Gnadenersuchen erledigt werden solle, sondern um die Erfüllung einer verfassungsgesetzlichen Verpflichtung, wie sie sich aus Art. 53 MRK ergäbe. Diese Verpflichtung vermittle ihm "einen unmittelbar aus dem Verfassungsrecht als geleiteten Anspruch auf Folgebeseitigung der (vom Europ. Gerichtshof verbindlich) festgestellten Konventionsverletzung", zu dessen Durchsetzung "eben - wie im speziellen Falle - auch ein Rechtsanspruch auf Begnadigung" bestehe. Die Richtigkeit dieser Gesetzesauslegung werde letzlich durch § 7 ABGB bestätigt, der auf "die natürlichen Rechtsgrundsätze" (in der Beschwerde unter Anführungszeichen) verweise (verwiesen wird auf die Entscheidung SZ 47/104). Im Kundmachungspatent zum ABGB werde ausdrücklich auf "die allgemeinen Grundsätze der Gerechtigkeit" (in der Beschwerde unter Anführungszeichen) verwiesen. Es wäre in der Tat im höchsten Maße ungerecht, wollte man - nur weil die innerstaatliche Gesetzgebung keine ausdrückliche Rechtsvorschrift enthalte, welche es ermöglichte, die Folgen einer vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellten Konventionsverletzung zu beseitigen, - in rein formalistischer Betrachtungsweise Antragsrechte dort aberkennen, wo ein gangbarer Weg zur Erreichung dieses Zieles aufgezeigt werde.
Zur entsprechenden Antragstellung an den Bundespräsidenten sei die belangte Behörde (die Bundesregierung) berufen, weil auch eine (allfällige) allgemeine Ermächtigung an den Bundesminister für Justiz eine solche Antragstellung durch die Bundesregierung nicht ausschließe, andererseits aber ein Beschluß der Bundesregierung, womit eine solche Ermächtigung für alle zukünftigen Fälle erteilt werde, wegen ihres generellen Charakters als Rechtsverordnung zu qualifizieren und demnach im Bundesgesetzblatt kundzumachen sei. Eine solche Kundmachung sei nicht erfolgt (wird auch unter Hinweis auf Nachforschungen im Allgemeinen Verwaltungsarchiv näher ausgeführt).
Beantragt wird, der Verwaltungsgerichtshof wolle (nach mündlicher Verhandlung) "in Stattgebung der vorliegenden Beschwerde anstelle der säumigen belangten Behörde gemäß Art. 67 Abs. 1 B-VG iVm Art. 132 1. Satz B-VG und § 42 Abs. 5 letzter Satz VwGG" dem Bundespräsidenten vorschlagen, zur Erfüllung der Verpflichtungen der Republik Österreich aus dem genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die mit dem genannten Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 2. Juli 1986 verhängte lebenslange Freiheitsstrafe gemäß Art. 65 Abs. 2 lit. c B-VG iVm Art. 53 MRK in eine solche von 15-jähriger Dauer umzuwandeln.
Die Beschwerde ist unzulässig:
Gemäß Art. 132 1. Satz B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.
Gemäß § 36 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG der belangten Behörde aufzutragen, innerhalb einer Frist bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt (1. Satz). Wird der Bescheid fristgerecht erlassen, so ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde einzustellen (3. Satz).
Das positive österreichische Recht räumt einem Verurteilten keinen (vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles: mit Säumnisbeschwerde durchsetzbaren Rechts-) Anspruch auf Begnadigung durch den Bundespräsidenten (Art. 65 Abs. 2 lit. c B-VG) ein. Aus dem Hinweis des Beschwerdeführers auf Art. 53 MRK ist diesbezüglich nichts zu gewinnen, weil die sich daraus ergebende (völkerrechtliche) Verpflichtung der Republik Österreich, "sich nach der Entscheidung des Gerichtshofes zu richten" (zitiert nach der deutschen Übersetzung in BGBl. Nr. 210/1958) dem Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Geltendmachung der (behaupteten) Entscheidungspflicht verschafft. Davon ausgehend, liegt kein Ansatz für ein eine Entscheidungspflicht im Säumnisverfahren begründendes Verwaltungsverfahren vor (vgl. im übrigen auch die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1951, Slg. Nr. 2.118/A; vom 24. Feber 1951, Slg. Nr. 1.962/A; vom 16. April 1986, Slg. Nr. 12.110/A; vom 13. Mai 1987, Zl. 87/01/0106, wie auch etwa die Erläuterungen in Foregger-Kodek in MKK StPO5, Seite 540 f ua).
Damit war die vorliegende Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen, wobei insbesondere die Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde dahingestellt bleiben kann.
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