VwGH 94/11/0059

VwGH94/11/005921.10.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des R in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen 1) den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 16. Dezember 1993, Zl. 724.638/3-2.5/92, betreffend Feststellung des Wegfalles von Befreiungsgründen (hg. Zl. 94/11/0059), und 2) den Bescheid des Militärkommandos Salzburg vom 4. Februar 1994, Zl. S/64/02/05/07, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst (hg. Zl. 94/11/0092), zu Recht erkannt:

Normen

WehrG 1990 §36a Abs1 Z2 idF 1992/690;
WehrG 1990 §36a Abs4 idF 1992/690;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2 idF 1992/690;
WehrG 1990 §36a Abs4 idF 1992/690;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1964 geborene Beschwerdeführer war mit Bescheid des Militärkommandos Salzburg vom 8. Juni 1983 gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes aus besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen wegen Unentbehrlichkeit als Arbeitskraft im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb (Minderung der Erwerbsfähigkeit des Stiefvaters von 60 %, der Mutter von 30 %) befreit worden. Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 16. Dezember 1993 wurde festgestellt, daß der genannte Bescheid des Militärkommandos Salzburg vom 8. Juni 1983 seine Wirksamkeit verloren habe, weil die Unentbehrlichkeit des Beschwerdeführers als einzige familieneigene Arbeitskraft nicht mehr gegeben sei. Die belangte Behörde führte zur Begründung im wesentlichen aus, daß sich die Verhältnisse in bezug auf 1983 in der Weise geändert hätten, daß die Schwestern des Beschwerdeführers F (geboren 1970) und M (geboren 1971) als Landarbeiterinnen am elterlichen Hof wohnen und somit als weitere Arbeitskräfte zur Verfügung stünden. Sie seien bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Landesstelle Salzburg, versichert und "derzeit ohne Beruf" (gemeint ohne Nebenbeschäftigung). Im Gegensatz dazu sei zur Zeit der Bescheiderlassung am 8. Juni 1983 der Beschwerdeführer die einzige voll einsetzbare Arbeitskraft im Betrieb gewesen, sodaß der genannte Befreiungsgrund nunmehr weggefallen sei.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid des Militärkommandos Salzburg vom 4. Februar 1994 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 35 des Wehrgesetzes 1990 zur Ableistung des Grundwehrdienstes ab 5. April 1994 einberufen.

In seinen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerden beantragt der Beschwerdeführer, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangten Behörden haben die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihren Gegenschriften beantragt, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hierüber erwogen:

1. Zur Beschwerde Zl. 94/11/0059:

Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 idF. BGBl. Nr. 690/1992 sind Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Präsendienstpflicht zu befreien, WENN UND SOLANGE dies besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Nach dem Inhalt des (nach der damaligen Rechtslage auf § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 gestützten) Befreiungsbescheides ging die Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer als einzige voll einsetzbare Arbeitskraft in der elterlichen Landwirtschaft unentbehrlich sei. Nach den damals von der Behörde gepflogenen Erhebungen bediente der Beschwerdeführer selbst die landwirtschaftlichen Maschinen, er allein besaß die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und F, außerdem wohnten außer dem Beschwerdeführer, seiner Mutter und seinem Stiefvater noch drei Schwestern, geboren 1970, 1971 und 1973, im gemeinsamen Haushalt.

Der Bundesminister für Landesverteidigung stützt seine Annahme, die seinerzeitigen Befreiungsgründe seien weggefallen, darauf, daß der Beschwerdeführer im Jahre 1983 die einzige voll einsetzbare Arbeitskraft im Betrieb gewesen sei, die Geschwister des Beschwerdeführers seien als Arbeitskraft nicht einsetzbar gewesen, weil sie noch schulpflichtig waren. Nunmehr stünden jedoch für den elterlichen Betrieb - der Landwirtschaftsbetrieb stehe nach wie vor im Eigentum der Eltern - die Schwestern F und M zur Verfügung, beide Landarbeiterinnen, wobei beide in der elterlichen Landwirtschaft wohnen und arbeiten.

Der Beschwerdeführer setzt dem entgegen, daß die belangte Behörde die Tatsachen nur mangelhaft festgestellt und nicht beachtet habe, daß die Schwestern des Beschwerdeführers zur Fortführung der Landwirtschaft während seiner Abwesenheit nicht in der Lage seien. Sie seien völlig unerfahren und ungeeignet, weil sie weder "einen Führerschein" besitzen noch "mit irgendwelchen Fahrzeugen fahren können". Es sei daher auch die Versorgung des Betriebes nicht möglich. Auf Grund der Größe und Ertragslage sei es - mangels Finanzierbarkeit - völlig undenkbar, für die Zeit der Abwesenheit des Beschwerdeführers einen Arbeiter mit entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten anzustellen. Nur der Beschwerdeführer selbst sei in der Lage, den Betrieb zu führen und als Lenker von Kraftfahrzeugen für die Versorgung des Betriebes sowie auch der pflegebedürftigen Eltern und der Großmutter zu sorgen.

Der Beschwerdeführer übersieht hiebei jedoch, daß die belangte Behörde - vom Beschwerdeführer unbekämpft - die Feststellung getroffen hat, daß er nunmehr auch die Bewirtschaftung der Landwirtschaft als Pächter übernommen hat. Damit sind seine Interessen an der Befreiung von der Präsenzdienstpflicht infolge der von ihm behaupteten "Unabkömmlichkeit" wirtschaftlicher Natur geworden. Es handelt sich bei den familiären und den wirtschaftlichen Interessen um zwei voneinander getrennt zu beurteilende Umstände, die freilich auch zugleich gegeben sein können. Der Wegfall der für die Befreiung maßgebenden Umstände hätte den Beschwerdeführer zur Meldung nach § 36a Abs. 4 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung BGBl. Nr. 690/1992 verpflichtet und berechtigt die Behörde, daraus bescheidmäßig die Konsequenzen zu ziehen. Sollte sich auf Grund des geänderten Sachverhaltes ein anderes Interesse an einer (weiteren) Befreiung ergeben, ist dies im Verfahren über einen Befreiungsantrag des Beschwerdeführers zu prüfen. Bei Erlassung eines Bescheides, mit dem der Wegfall eines Befreiungsgrundes festgestellt wird, braucht darauf nicht Bedacht genommen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1989, Zl. 89/11/0114, mit weiterem Judikaturhinweis).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

2. Zur Beschwerde Zl. 94/11/0092:

Auch in seiner Beschwerde gegen den Einberufungsbefehl des Militärkommandos Salzburg vom 4. Februar 1994 macht der Beschwerdeführer geltend, daß bei ihm besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen gegeben seien, die eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes rechtfertigen. Damit entbehre auch der Einberufungsbefehl seiner Grundlage.

Daraus ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zlen. 92/11/0250, 0255, mit weiteren Judikaturhinweisen) besteht gegen die Erlassung eines Einberufungsbefehles kein Hindernis, solange über einen Befreiungsantrag nicht zu Gunsten des Wehrpflichtigen entschieden worden ist. Die belangte Behörde hätte daher im gegebenen Zusammenhang nur dann den Einberufungsbefehl nicht erlassen dürfen, wenn der Beschwerdeführer rechtskräftig von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit gewesen wäre. Dieser Umstand war nicht gegeben. Es erübrigt sich somit, hier auf die familiären oder wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers einzugehen.

Auch die Beschwerde gegen den Einberufungsbefehl des Militärkommandos Salzburg erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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