VwGH 94/09/0220

VwGH94/09/022017.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der R in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 19. Mai 1994, Zl. UVS 303.8-9+11/94-5, betreffend Zurückweisung einer Berufung und Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs5 idF 1990/357 ;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs4;
AVG §72 Abs1;
AVG §72 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §46 Abs4;
AVG §63 Abs5 idF 1990/357 ;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs4;
AVG §72 Abs1;
AVG §72 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §46 Abs4;

 

Spruch:

Der Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Das Straferkenntnis des Magistrates Graz (Mag.) vom 5. Jänner 1994, mit welchem die Beschwerdeführerin wegen dreier Übertretungen gegen das AuslBG zu drei Geldstrafen zu je S 120.000,-- verurteilt worden war, wurde der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Vertreters am 12. Jänner 1994 zugestellt.

Am 31. März 1994 brachte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsanwalt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, verbunden mit einer Berufung gegen den Bescheid vom 5. Jänner 1994 ein, den sie damit begründete, daß ihr dieser Bescheid infolge eines Versehens ihres damaligen Vertreters nicht rechtzeitig vorgelegt worden sei. Sie habe von dem Straferkenntnis erst aus Anlaß der Zustellung einer Aufforderung zur Zahlung des Strafbetrages am 17. März 1994 Kenntnis erlangt. Ihren Wiedereinsetzungs- und Berufungsschriftsatz adressierte die Beschwerdeführerin an den Mag. Der Mag. legte diese Eingabe der belangten Behörde zur Entscheidung vor, die mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. Mai 1994 1.) den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG als unbegründet abwies und

2.) gemäß § 66 Abs. 4 und § 63 Abs. 5 AVG iVm § 24 VStG die Berufung vom 31. März 1994 als verspätet zurückwies. Begründend führte die belangte Behörde zur Wiedereinsetzung im wesentlichen aus, den Vertreter der Beschwerdeführerin habe an der Versäumung der Berufungsfrist ein nicht nur minderer Grad des Verschuldens getroffen. Ausgehend von der ordnungsgemäßen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 12. Jänner 1994 sei die Berufung der Beschwerdeführerin als verspätet zurückzuweisen.

Gegen beide Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 (wiederverlautbart mit Kundmachung BGBl. Nr. 51/1991) ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat.

Nach § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24. Juni 1994, G 20-23/94-6, die Wortfolge, "oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat" im ersten Satz des § 63 Abs. 5 AVG in der bereits genannten Fassung als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 1995 in Kraft tritt (vgl. die Kundmachung BGBl. Nr. 686/1994). § 63 Abs. 5 AVG war im Beschwerdefall daher noch in der angeführten Fassung anzuwenden.

Die Beschwerdeführerin hat die Berufung bei der Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, unbestritten allerdings verspätet, eingebracht. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nach § 71 Abs. 4 AVG war aber durch das ausgeübte Wahlrecht für die Einbringung der Berufung nach § 63 Abs. 5 AVG schon festgelegt. Zuständig zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag war demnach die Behörde, bei der die Berufung eingebracht wurde, im vorliegenden Beschwerdefall somit die Behörde erster Instanz und nicht die belangte als jene Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hatte (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1992, Zl. 91/09/0215, und vom 27. September 1994, Zl. 93/17/0104; ferner Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 624, und Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, S. 139 f).

Da die belangte Behörde dies in Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Bescheides verkannt hat, war dieser insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Anders verhält es sich mit Spruchpunkt 2.) des angefochtenen Bescheides, denn zur Zurückweisung der Berufung als verspätet war gemäß § 66 Abs. 4 AVG die belangte Behörde zuständig. Dieser Zurückweisungsbescheid war auch rechtmäßig, weil zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt war; wird die Wiedereinsetzung später bewilligt, dann tritt der Zurückweisungsbescheid nach § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1993, Zl. 92/04/0280, vom 22. Juni 1993, Zl. 93/07/0016, und vom 26. Juni 1990, Zl. 89/05/0235, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2.) des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 50 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft S 120,-- an zu viel verzeichneten Stempelgebühren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte