VwGH 94/09/0018

VwGH94/09/001827.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der D-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 6. Dezember 1993, Zl. IIc/6702 B - AIS 11811/SCHE, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4b idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4b idF 1990/450;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 22. April 1993 beim Arbeitsamt Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft in Wien den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen A.C. als Chauffeur mit einer monatlichen Bruttoentlohnung von S 15.500,--.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 10. Mai 1993 gemäß § 4 Abs. 6 iVm § 4 Abs. 1 AuslBG ab. Aufgrund der Ergebnisse des "Ermittlungsverfahrens" sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Lieferwagenlenker Arbeitssuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen. Es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin das Fehlen jeglicher Ermittlungen, u.a. auch zur Frage einer Überschreitung der Landeshöchstzahl, geltend. Es sei auch mehrmals versucht worden, beim Arbeitsamt geeignete Ersatzkräfte zu bekommen, es sei jedoch keine der vorgemerkten Personen bereit gewesen, die Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin anzutreten. Überdies sei A.C. Gesellschafter der Beschwerdeführerin, weshalb es sowohl im privaten als auch im öffentlichen Interesse liege, daß er für die Beschwerdeführerin auch arbeite.

Im Berufungsverfahren wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben des Arbeitsamtes vom 2. Juni 1993 aufgefordert, bekanntzugeben, ob sie die Zuweisung von Ersatzkräften wünsche oder nicht. Das betreffende Formular wurde aktenkundig aus Anlaß einer persönlichen Vorsprache des Geschäftsführers am 14. Juni 1993 dahin korrigiert, daß die Zuweisung von Ersatzkräften gewünscht werde. Auch wurde am 11. Juni 1993 dem Arbeitsamt ein schriftlicher Vermittlungsauftrag erteilt. Das Anforderungsprofil wurde von der Beschwerdeführerin am 14. Juni 1993 dahin ergänzt, daß der benötigte Chauffeur auch türkische Sprachkenntnisse aufweisen müsse. Wie den vorgelegten Akten ferner zu entnehmen ist, langte am 17. Juni 1993 beim Arbeitsamt ein vom Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin gezeichnetes Formular vom 16. Juni 1993 ein, wonach keine anderen Kräfte anstelle des beantragten Ausländers gewünscht würden. Außerdem hat der Geschäftsführer, wie einem Aktenvermerk zu entnehmen ist, in einer persönlichen Vorsprache am 24. Juni 1993 die "Einstellung des Ersatzkraftverfahrens" gewünscht. Über bis dahin vorgenommene Versuche, der Beschwerdeführerin Ersatzkräfte zu vermitteln, ist den Akten anhand eines von der Beschwerdeführerin unterzeichneten Vordrucks sowie eines Aktenvermerkes zu entnehmen, daß in der Zeit vom 22. Juni bis zum 24. Juni 1993 der Beschwerdeführerin sechs Bewerber, darunter ein Sami S, zugewiesen worden sind, und daß die Beschwerdeführerin "im eigentlichen Sinne" keine Ersatzkräfte wünsche, sondern nur an A.C. interessiert sei, weshalb das Ersatzkraftstellungsverfahren abgeschlossen worden sei. Betreffend den genannten Sami S hat die Beschwerdeführerin am 22. Juni 1993 ohne Angabe der Gründe, warum es zu dessen Einstellung nicht gekommen war, nur mitgeteilt, daß "keine weiteren Vorstellungen erwünscht" seien.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 13. Oktober 1993 wurde die Beschwerdeführerin dann noch aufgefordert, iS des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG die Berechtigung des A.C. zum Aufenthalt im Bundesgebiet nachzuweisen. Im Akt findet sich dazu eine Kopie aus dem Reisepaß des A.C., wonach diesem eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit vom 1. September 1993 bis zum 30. März 1994, "Zweck: selbständig erwerbstätig" erteilt worden ist.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 1993 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1, Abs. 3 Z. 7 und Abs. 6 AuslBG "in der derzeit geltenden Fassung" keine Folge gegeben. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird neben einer Darstellung der Rechtslage zu § 4 Abs. 1 AuslBG ausgeführt, durch die schriftliche Erklärung vom 16. Juni 1993 und durch die Willenserklärung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin vom 24. Juni 1993 liege eindeutig eine Ablehnung der Ersatzkraftstellung vor; anerkennenswerte, diese Ablehnung sachlich rechtfertigende Gründe seien jedoch nicht vorgebracht worden. Die belangte Behörde habe daher schlüssig annehmen müssen, daß die Beschwerdeführerin die Einstellung einer vom Arbeitsamt vermittelten Ersatzkraft von vornherein nicht in Betracht ziehe und dem beantragten Ausländer bei der Besetzung der Stelle den Vorzug einräume. Konkrete Zuweisungen von Bewerbern, die nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Antragstellers erfolgen könnten, hätten demnach zu unterbleiben gehabt. Durch ihr Desinteresse an einer Ersatzkraftstellung habe sich die Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung zur Verfügung stehender Ersatzkräfte zu überzeugen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die offene Stelle mit einer nach § 4b AuslBG begünstigt zu vermittelnden Arbeitskraft hätte besetzt werden können, was nicht von vornherein als offenkundig aussichtslos betrachtet werden könne. Zu § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG stellte die belangte Behörde fest, anläßlich der Vorlage des Reisepasses des A.C. sei festgestellt worden, daß dieser nur über eine Aufenthaltsberechtigung für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit verfüge. Dieser Verwendungszweck decke aber nicht die gesetzliche Möglichkeit für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte unselbständige Erwerbstätigkeit als Chauffeur. Zu § 4 Abs. 6 AuslBG wurde festgestellt, daß die Landeshöchstzahl für Wien mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales für 1993 mit 97.000 festgesetzt worden sei, daß diese Landeshöchstzahl aber laut der offiziellen Statistik des Bundesministers für Arbeit und Soziales seit Beginn des Kalenderjahres weit überschritten sei. Ob Gründe vorgelegen seien, die im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung gerechtfertigt hätten, sei jedoch nicht weiter zu prüfen gewesen, weil durch die Ablehnung vorhandener Ersatzkräfte bereits die Erteilungsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AuslBG nicht gegeben gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid im Spruch auf § 4 Abs. 1, Abs. 3 Z. 7 und Abs. 6 AuslBG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß BGBl. Nr. 475/1992) gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe rechtfertigt die Abweisung der Beschwerde.

Eingangs ist noch zum Hinweis des Beschwerdeführers auf seine Stellung als Gesellschafter der Beschwerdeführerin darauf zu verweisen, daß auch ein Minderheitsgesellschafter, der nicht über eine sogenannte "Sperrminorität" verfügt, als Arbeitnehmer der betreffenden Gesellschaft m.b.H. eine Beschäftigungsbewilligung benötigt (vgl. dazu das dieselbe Beschwerdeführerin betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1993, 92/09/0289, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein oder eine Arbeitserlaubnis besitzt. Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG im allgemeinen zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, 92/09/0179, u. v.a.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. April 1993, 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer in der Reihenfolge nach § 4b AuslBG zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, 87/09/0012, und vom 25. November 1987, 87/09/0164, u.v.a.).

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht von der Annahme ausgegangen, die Beschwerdeführerin lehne die Stellung von Ersatzkräften grundlos ab. Die Beschwerdeführerin hat zwar am 14. Juni 1993 erklärt, in Korrektur des von ihr ausgefüllten Formulars des Arbeitsamtes vom 2. Juni 1993 Ersatzkräfte zu wünschen, und sie hat diesen Wunsch auch durch Erteilung eines Vermittlungsauftrages bekräftigt. Bereits am 16. Juni 1993 hat der Vertreter der Beschwerdeführerin jedoch eine gegenteilige schriftliche Erklärung abgegeben, am 22. Juni 1993 hat die Beschwerdeführerin erklärt, keine weiteren Vorstellungen zu wünschen, und am 24. Juni 1993 hat der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin unbestritten erneut kundgetan, daß die Vermittlung (weiterer) Ersatzkräfte nicht gewünscht werde. Da die Beschwerdeführerin eine Begründung dafür, warum plötzlich Ersatzkräfte nicht mehr gewünscht würden, schuldig geblieben ist, konnte die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin an Ersatzkräften desinteressiert war, bevor noch feststand, daß aus dem vorhandenen Ersatzkräftepotential keine für die offene Stelle geeignete und gewillte Kraft gestellt werden könne. Ein derartiger vorzeitiger und unbegründeter Abbruch eines bereits begonnenen Ersatzkraftstellungsverfahrens stellt im Ergebnis eine unbegründete Ablehnung von Ersatzkräften dar, welche im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur eine weitere Prüfung entbehrlich macht, ob für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder bevorzugt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht.

Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Bestätigung der Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin erweist sich daher bereits aus dem Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 AuslBG als gesetzgemäß, sodaß eine Auseinandersetzung mit den weiteren Versagungsgründen nach § 4 Abs. 3 Z. 7 und nach § 4 Abs. 6 AuslBG im Beschwerdefall entfallen konnte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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