Normen
AVG §13a;
AVG §71 Abs1 Z1;
FrG 1993 §45 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
AVG §13a;
AVG §71 Abs1 Z1;
FrG 1993 §45 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Februar 1993 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, eines mazedonischen Staatsangehörigen, vom 2. Februar 1993 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer noch am selben Tage ausgefolgt und ist in Rechtskraft erwachsen. Am 9. März 1993 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Prozeßhandlung und begründete diesen Antrag im wesentlichen damit, am 4. Februar 1993 sei der Asylantrag abgewiesen und am selben Tage auch von der Bezirkshauptmannschaft Baden die Ausweisung sowie die Schubhaft über ihn verhängt worden. Die Schubhaft sei sofort vollstreckt worden und habe von diesem Tage
(4. Februar 1993) bis zum 23. Februar 1993 gedauert. Die zweiwöchige Berufungsfrist sei daher zur Gänze in die Zeit gefallen, die der Beschwerdeführer in Schubhaft verbracht habe, wo es ihm aus faktischen Gründen nicht möglich gewesen sei, das Rechtsmittel zu erheben. Er habe zwar eine Rechtsmittelbelehrung in serbokroatischer Sprache erhalten, der Bescheid selbst sei aber in deutsch verfaßt worden, wodurch er nicht gewußt habe, was er machen solle. Er habe öfters um eine Beratungsmöglichkeit ersucht, sei aber immer auf später vertröstet worden. Ebenso seien ihm seine "Asylpapiere", die sich während der Schubhaft in einem Depot befunden hätten, nicht ausgehändigt worden. Bis zu seiner Entlassung am 23. Februar 1993 sei seinem Ersuchen um Rechtsbeistand bzw. Rechtsberatung nicht gefolgt worden, sodaß er im Ergebnis nicht in der Lage gewesen sei, das Rechtsmittel der Berufung zu erheben.
Dieser Wiedereinsetzungsantrag wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. April 1993 abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist unter anderem gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Diese Voraussetzungen treffen nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht - im vorliegenden Beschwerdefall zu.
Die belangte Behörde vertrat im wesentlichen die Auffassung, es wäre dem Beschwerdeführer trotz Unkenntnis der deutschen Sprache zuzumuten gewesen, zumindest zum Ausdruck zu bringen, daß er mit der Entscheidung nicht einverstanden gewesen sei und um neuerliche Entscheidung ersuche. Es müsse davon ausgegangen werden, daß den Beschwerdeführer nicht nur ein minderer Grad des Versehens treffe, sondern daß er zumindest grob fahrlässig untätig geblieben sei, zumal er ja gewußt habe, daß die Berufungsfrist zwei Wochen betrage. Das Ersuchen um Rechtsberatung könne im vorliegenden Fall als nicht ausreichend angesehen werden, da der Beschwerdeführer selbst hätte versuchen müssen, eine Berufung einzubringen und zumindest die Frist zu wahren, als seinem Ersuchen nicht entsprochen worden sei. Der Beschwerdeführer hält dem in der Beschwerde entgegen, er verfüge mit Ausnahme seiner serbokroatischen Muttersprache über keine weiteren Sprachkenntnisse und es sei ihm auch kein Dolmetscher beigegeben worden, weshalb ihm die Möglichkeit gefehlt habe, den Bestimmungen des AVG entsprechend zu berufen. Spruch und Rechtsmittelbelehrung des Bescheides seien ihm zwar in seiner Muttersprache zugestellt worden, die Begründung des Bescheides, aus der allein er die Gründe dafür hätte ersehen können, warum seinem Asylansuchen nicht stattgegeben worden sei, seien ihm jedoch unbekannt geblieben, sodaß er gar nicht habe wissen können, worauf er seine Argumentation aufbauen hätte sollen. Selbst in dem Falle, in dem ihm die Gründe für die Ablehnung seines Asylansuchens bekanntgewesen wären, hätten ihm die Rechtskenntnisse gefehlt, ein zweckentsprechendes Rechtsmittel zu erheben. Aber auch in diesem Falle wäre die Erhebung einer Berufung gemäß § 18 Abs. 3 Asylgesetz 1991 nicht möglich gewesen, da er diese in einer Amtssprache der Organisation der Vereinten Nationen einzubringen gehabt hätte, jedoch keiner dieser Amtssprachen kundig sei. Auf die von der belangten Behörde herangezogene Argumentation sei zu entgegnen, daß es nach den Bestimmungen des AVG nicht genüge, lediglich zum Ausdruck zu bringen, daß man mit der Entscheidung nicht einverstanden sei, vielmehr habe das Rechtsmittel auch einen "begründeten Berufungsantrag" zu enthalten. Dies sei ihm aus den dargelegten Gründen nicht möglich gewesen. Insgesamt seien Hinderungsgründe vorgelegen, die in ihrem wechselseitigen Zusammenwirken die Bewilligung der Wiedereinsetzung hätten rechtfertigen können.
Dieser Argumentation kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht verschließen. Es entspricht zwar ständiger Judikatur, daß sowohl mangelnde Deutschkenntnisse als auch mangelnde Rechtskenntnis für sich allein genommen keine Gründe für die Bewilligung der Wiedereinsetzung bilden, doch hätte sich die belangte Behörde mit der Behauptung des Beschwerdeführers im Wiedereinsetzungsantrag, er habe öfter um eine Beratungsmöglichkeit ersucht, sei aber immer "auf später vertröstet" worden, dies bis zu seiner Entlassung am 23. Februar 1993, das heißt bereits bis nach Ablauf der ihm zur Verfügung stehenden Berufungsfrist, auseinanderzusetzen gehabt. Dem Beschwerdeführer ist auch darin beizupflichten, daß die Erhebung einer - einen begründeten Berufungsantrag nicht enthaltenden - Berufung lediglich zur Wahrung der Frist entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht tauglich erscheint, da eine, einen derartigen nicht nach § 13 AVG berichtigungsfähigen Inhaltsmangel enthaltende Berufung nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen wäre. Es muß daher sichergestellt sein, daß ein Asylwerber - auch oder gerade wegen der Einengung seiner Freiheit während der Schubhaft - den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhält, ohne ihm aber ständige Urgenzen zuzumuten (daß Versuche, mit geeigneten Personen Kontakt aufzunehmen, auch grundsätzlich während der Schubhaft zu unternehmen sind, wurde bereits in den hg. Erkenntnissen vom 17. Februar 1993, Zlen. 92/01/1111 und 1112 sowie vom 21. April 1993, Zl. 93/01/0167 ausgesprochen). Nach den Behauptungen in der Beschwerde unternahm der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall mehrfache Versuche einer derartigen Kontaktaufnahme erfolglos.
Da sich die belangte Behörde mit diesem bereits im Wiedereinsetzungsantrag enthaltenen Vorbringen des Beschwerdeführers im aufgezeigten Sinn nicht ausreichend auseinandergesetzt hat, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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