VwGH 92/08/0140

VwGH92/08/014012.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der T Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. April 1992, Zl. SV-680/3-1992, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:

Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §113 Abs1;
ASVG §30;
ASVG §357 Abs1;
ASVG §412 Abs1;
ASVG §414;
ASVG §58 Abs2;
AÜG §5 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
ASVG §113 Abs1;
ASVG §30;
ASVG §357 Abs1;
ASVG §412 Abs1;
ASVG §414;
ASVG §58 Abs2;
AÜG §5 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im Bericht über die bei der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 25. Februar 1991 bis 14. März 1991 durchgeführte Beitragsprüfung findet sich nach "Feststellungen des Prüfers" über 609 bzw. 607 der Art nach aufgeschlüsselte Melde- bzw. Beitragsdifferenzen folgende (vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin unterschriebene) "Stellungnahme des Dienstgebers (Bevollmächtigten) zum Prüfungsergebnis":

"1. Ich ersuche, die im Jahr 1988 im erhöhten Ausmaß abgerechneten SV-Beiträge entsprechend der gesetzlichen Bestimmmungen rückzuverrechnen.

2. Die nebenstehenden Differenzen wurden mir im Beisein meines Rechtsanwaltes Dr. Aflenzer zur Kenntnis gebracht, ausführlich besprochen und in dieser Form auch anerkannt.

3. ..."

Mit Bescheid vom 10. April 1991 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß die Beschwerdeführerin Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG und als solche gemäß § 58 Abs. 2 leg. cit. verpflichtet sei, für die in der mitfolgenden Beitragsrechnung (5 Blätter) namentlich angeführten Versicherten und bezeichneten Zeiträume

  1. a) allgemeine Beiträge in Höhe von S 565.148,90,
  2. b) Sonderbeiträge in Höhe von S 45.537,20

    zu entrichten. Der genannten Dienstgeberin würden

    c) Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von S 25.122,-- gemäß § 69 Abs. 1 ASVG rückverrechnet. Die angelasteten und gemäß § 58 Abs. 1 ASVG in Verbindung mit § 22 der Kassensatzung bereits fällig gewordenen Beiträge in Gesamthöhe von

    S 585.564,10 seien binnen elf Tagen an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse einzuzahlen.

    Begründend wird ausgeführt, es sei anläßlich der in der obgenannten Zeit gemäß § 42 Abs. 1 ASVG vorgenommenen Beitragsprüfung festgestellt worden, daß Pflichtversicherte während der in der mitfolgenden Beitragsrechnung angeführten Zeiträume nicht oder unrichtig bzw. mit einem zu geringen Entgelt zur Sozialversicherung gemeldet gewesen seien. Zur Behebung dieser Differenzen seien Sozialversicherungsbeiträge rück- bzw. nachzuverrechnen gewesen, worüber die mitfolgende Beitragsrechnung, die ein Bestandteil des Bescheides sei, im einzelnen Aufschluß gebe. Im folgenden würden die in der Beitragsrechnung ausgewiesenen Differenzen sowie die hiezu maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften im Detail angeführt:

    1. Für die in der Beitragsrechnung unter dem Begründungssymbol "N 12" angeführten Versicherten seien bei der Abrechnung mit der Kasse geringere Entgelte den Beitragsgrundlagen zugeordnet worden als nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen gebührt hätten. Es seien daher allgemeine Beiträge nachzuverrechnen gewesen.

    2. Für die in der Beitragsrechnung unter dem Begründungssymbol "N 27" angeführten Versicherten seien bei der Berechnung des Urlaubs-, Feiertags- und Krankenentgeltes die regelmäßig geleisteten Überstunden sowie diverse Zulagen nicht berücksichtigt worden. Es seien allgemeine Beiträge nachzuverrechnen gewesen. (Dem schließt sich eine auszugsweise Wiedergabe der §§ 6 Urlaubsgesetz, 9 Arbeitsruhegesetz, 3 Entgeltsfortzahlungsgesetz sowie der §§ 2 Abs. 2 des jeweiligen Generalkollektivvertrages über den Begriff des Entgeltes nach § 6 Urlaubsgesetz und § 3 EFZG an).

    3. Für die in der Beitragsrechnung unter dem Begründungssymbol "NS 36" angeführten Versicherten seien bei der Abrechnung mit der Kasse geringere Sonderzahlungen den Beitragsgrundlagen zugeordnet worden als nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen gebührt hätten. Es seien Sonderbeiträge nachzuverrechnen gewesen. (Dem folgt die Wiedergabe des § 49 Abs. 2 ASVG.)

    4. Den in der Beitragsrechnung unter dem Begründungssymbol

    "N 62" angeführten Versicherten seien Trennungsgelder gewährt worden, die über den gebührenden Sätzen gelegen und zur Gänze beitragsfrei belassen worden seien. Es seien allgemeine Beiträge nachzuverrechnen gewesen.

    5. Dem schriftlichen Ersuchen der Beschwerdeführerin um Rückverrechnung der zu Ungebühr entrichteten Beiträge im Jahre 1988 sei im Sinne des § 69 ASVG entsprochen worden.

    Damit sei die Verrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen in der im Spruch des Bescheides angeführten Höhe rechtlich begründet. Der Betrieb, in dem die in der mitfolgenden Beitragsrechnung namentlich genannten Versicherten beschäftigt seien bzw. gewesen seien, werde für Rechnung der Beschwerdeführerin geführt, womit deren Dienstgebereigenschaft gemäß § 35 Abs. 1 ASVG begründet sei.

    Die im Bescheid bezogene Beitragsrechnung enthält (unter Ausklammerung der Positionen, die die Rückverrechnung betreffen) 148 Positionen betreffend 61 namentlich angeführte Dienstnehmer der Beschwerdeführerin und bezieht sich auf Beitragszeiten vom 1. August 1988 bis 28. Februar 1991. Angeführt sind zu jeder Position neben dem Namen des Dienstnehmers der Beitragszeitraum (bezüglich der vorgeschriebenen Sonderbeiträge: 1 Tag), die Beitragstage, unter der Rubrik "Begründung" eines der in der Bescheidbegründung genannten Symbole, die auf der Rückseite erläutert sind, die Beitragsgrundlage, (ebenfalls auf der Rückseite erläuterte) Symbole und Ziffern zur Kennzeichnung der Art der vorgeschriebenen Beiträge und Umlagen sowie der Betrag der vorgeschriebenen allgemeinen bzw. Sonderbeiträge.

    Diesen Bescheid bekämpfte die Beschwerdeführerin aus den Gründen "der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung" und führte dazu aus:

    "a) Unter dem Begründungssymbol "N 12" wurden hinsichtlich einzeln angeführter Dienstnehmer mit der Begründung unterkollektivvertraglicher Entlohnung allgemeine Beiträge nachverrechnet. Aus dem angefochtenen Bescheid samt angeschlossener Beitragsrechnung ist für den Einspruchswerber nicht nachvollziehbar, ob überhaupt bzw. welcher Kollektivvertrag der Beitragsnachverrechnung zugrundegelegt wurde. Der Einspruchswerber hat mit 19.1.1988 das Personalüberlassungsgewerbe angemeldet und war auch nach Inkrafttreten des AÜG mit 1.7.1988 aufgrund der Übergangsbestimmung des § 323a GewO infolge rechtzeitiger Antragstellung auf Konzessionserteilung zur Ausübung des Personalüberlassungsgewerbes befugt. Daneben bestand ab 12.6.1989 mit Gewerbeanmeldung die Befugnis zur Ausübung des Maler- und Anstreicherhandwerkes gem. § 94 Zif. 51 GewO 1973. Da für den Einspruchswerber nicht nachvollziehbar ist, ob bzw. welcher Kollektivvertrag für welchen Dienstnehmer unter dem Begründungssymbol "N 12" herangezogen wurde, ist die Beitragsgrundlage für den Einspruchswerber nicht nachvollziehbar, der angefochtene Bescheid daher mangels Überprüfbarkeit der zugrundegelegten Beitragsgrundlage mangelhaft.

    b) Unter dem Begründungssymbol "N 27" wurden hinsichtlich einzelner Dienstnehmer des Einspruchswerbers allgemeine Beiträge nachverrechnet; dies mit der Begründung, daß bei der Berechnung des Urlaubs-, Feiertags- und Krankenentgeltes die regelmäßig geleisteten Überstunden sowie diverse Zulagen nicht berücksichtigt worden seien. Die Nachverrechnung wurde mit umfassenden Rechtsausführungen begründet, die die Gesetzeslage weitestgehend völlig richtig wiedergeben. Dessen ungeachtet ist auch diesbezüglich die Nachverrechnung sowohl dem Grunde wie der Höhe nach für den Einspruchswerber nicht nachvollziehbar, da nicht klar ist, ob bzw. welcher Kollektivvertrag zugrundegelegt wurde. Eine allfällige Beitragspflicht ist primär determiniert vom Entgeltsbegriff des § 49 ASVG. Vergütungen im Sinne des § 49/3 ASVG (insbesondere Zulagen) unterliegen keiner Beitragspflicht, dies weitestgehend nach Maßgabe des jeweils angewendeten Kollektivvertrages oder in Anlehnung an eine allfällige Lohnsteuerpflicht. Auch der Entgeltsbegriff des § 9 ARG (Entgelt für Feiertage) ist primär nach gleichen Grundsätzen determiniert (vgl. § 9/4 leg. cit.). Da aus bloß allgemeinen Rechtsausführungen für den Einspruchswerber nicht ableitbar ist, inwieweit die zur Nachverrechnung herangezogene Beitragsgrundlage den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, ob bzw. welcher Kollektivvertrag zugelegt wurde und welche Beiträge pro Dienstnehmer jeweils anteilig für Urlaubs-, Feiertags- und Krankengeld sowie Zulagen nachverrechnet wurden, ist der angefochtene Bescheid auch in diesem Punkt für den Einspruchswerber völlig unüberprüfbar und daher mangelhaft, sodaß die Nachverrechnung als unbegründet zur Gänze bestritten werden muß.

    c) Gleiches gilt für die in der Beitragsrechnung unter dem Begründungssymbol "NS 36" nachverrechneten Beiträge für Sonderzahlungen. Selbstverständlich unterliegen grundsätzlich Sonderzahlungen gem. § 49/2 ASVG der Beitragspflicht. Aus allgemeinen Rechtsausführungen läßt sich jedoch eine Nachverrechnung schon dem Grunde nach nicht ableiten. Maßgebliche Bemessungsgrundlage ist auch in diesem Fall der Entgeltsbegriff des ASVG und kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden, ob bzw. welche Zahlungen dem "Entgeltsbegriff" subsumiert wurden.

    d) Unter dem Begründungssymbol "N 62" wurden allgemeine Beiträge bezüglich angeblich ausbezahlter Trennungsgelder nachverrechnet. Der angefochtene Bescheid läßt jede Begründung dafür vermissen, auf welcher Rechtsgrundlage die Nachverrechnung basiert. Hiebei wird seitens des Einspruchswerbers darauf verwiesen, daß diese gem. § 49/3 Zif. 1 ASVG nicht dem Entgeltsbegriff des § 49/1 ASVG unterliegen, wobei dies im wesentlichen einerseits von gesetzlichen, kollektivvertraglichen Normen oder Betriebsvereinbarungen abhängt. Von besonderer Bedeutung wäre in diesem Zusammenhang die Klarstellung der Frage, ob bzw. wenn ja welcher Kollektivvertrag dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegt wurde. Die herangezogenen Beitragsgrundlagen sind weder dem Grunde noch der Höhe nach nachvollziehbar und in jedem Fall bei weitem überhöht.

    e) Zusammenfassend hat die Behörde I. Instanz sich im angefochtenen Bescheid zur Begründung lediglich auf allgemeine Rechtsausführungen beschränkt. Dem Bescheid ist nicht zu entnehmen, auf Basis welcher konkreter Rechtsgrundlagen die Nachverrechnung jeweils erfolgt, sodaß auch die einzelnen Beträge nicht nachvollziehbar bzw. überprüfbar sind. Der angefochtene Bescheid leidet daher an einem Begründungsmangel. Überdies sind die herangezogenen Beitragsgrundlagen mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht vereinbar bzw. falsch. Die Nachverrechnung erfolgte daher in jedem Fall zu Unrecht."

    Im Vorlagebericht brachte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zunächst vor, sie habe aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Raschheit des Verfahrens den Vertreter der Beschwerdeführerin telefonisch kontaktiert und sich bereit erklärt, ihm jede einzelne Differenz im Beisein der Kassenprüfer zu erläutern und zu besprechen. Dies sei nach einer Überlegungsfrist abgelehnt worden. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verweise auf die oben wiedergegebene Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Prüfungsergebnis. Es sei ihr daher unverständlich, daß sie nunmehr behaupte, es könnten die Differenzen nicht nachvollzogen werden. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei selbstverständlich bereit, diese Differenzen im folgenden genau darzustellen und durch Rechenbeispiele zu erläutern. Über Aufforderung der belangten Behörde bzw. über Antrag der Beschwerdeführerin sei die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auch weiterhin bereit, die Differenzen im Beisein der Prüfer mündlich zu erläutern. Danach nimmt die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zum Einspruchsvorbringen wie folgt Stellung:

    "a) Kollektivvertragsdifferenzen

    Der Einspruchswerber behauptet, aus dem Kassenbescheid samt angeschlossener Beitragsrechnung sei für den Einspruchswerber weiter nicht nachvollziehbar, ob überhaupt bzw. welcher Kollektivvertrag der Beitragsnachverrechnung zugrunde gelegt worden sei.

    Dazu stellt die Kasse fest:

    Die Kasse hat die Frage der Anwendbarkeit von Kollektivverträgen durch Rückfragen beim Landesarbeitsamt, der Handelskammer, der Gewerbeabteilung des Magistrates Linz und auf Grund eines Schreibens des Rechtsanwaltes der Firma geklärt.

    Vom Juli 1988 bis Mai 1989 übte die Firma allein das Leasinggewerbe aus.

    Gemäß § 10 AÜG wurde der Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes angewendet (Baugewerbe). Für Leasingbetriebe gibt es keinen Kollektivvertrag.

    Ab Juni 1989 übte der Einspruchswerber das Malergewerbe aus. Es wurde daher der Kollektivvertrag für das Malergewerbe angewendet. Gleichzeitig bestand aber daneben eine eigene Betriebsabteilung "Leasing", in der ab 8.7.1990 die bisher im Malergewerbe beschäftigten folgenden Personen als Leasingpersonal beschäftigt wurden: Morawetz Peter, Tezak Franz, Kaiser Erich, Maierhofer Herbert, Schaffer Erwin, Schaffer Johann, Trendler Karl (Niederschrift vom 6.3.1991).

    b) Urlaubs-, Feiertags- und Krankenentgelt

    Die Kasse hat bereits im Bescheid alle maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen dazu zitiert. Der Einspruchswerber bringt dagegen überhaupt nichts vor. Ein allfälliger Kollektivvertrag spielt in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle, weshalb der diesbezügliche Einwand ins Leere geht. Der Hinweis auf § 49 Abs. 3 ASVG ist verfehlt. Zulagen sind jedenfalls bei der Berechnung des Kranken-, Urlaubs- und Feiertagsentgeltes einzubeziehen. Dies ist durch Lehre und Rechtsprechung hinreichend geklärt.

    c) Sonderzahlungen

    Auch hier wird wieder nur eingewendet, daß die Nachverrechnung nicht nachvollziehbar sei.

    d) Trennungsgelder

    Die Kasse darf mit Nachdruck darauf hinweisen, daß sie zunächst in allen jenen Fällen die Trennungsgelder beitragspflichtig nachverrechnet hat, in denen keine Entsendung vorgelegen ist, wo also der Wohn- und der Beschäftigungsort ident waren.

    Außerdem war bei der Beurteilung einer Dienstreise - mangels einer lohngestaltenden Vorschrift - ausschließlich nach § 26 Z. 4 EStG 1988 vorzugehen."

    Danach heißt es nach rechtlichen Ausführungen zu § 26 Z. 4 EStG, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse stelle nur an einigen konkreten Beispielen dar, welche Differenzen im einzelnen aufgetreten seien und wie diese Differenzen den gesetzlichen Vorschriften entsprechend bereinigt worden seien. Die Beschwerdeführerin möge dazu ganz konkret Stellung nehmen und darlegen, was an dieser Nachverrechnung nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen solle. Wie schon erwähnt, sei die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gern bereit, anhand weiterer Rechenbeispiele die Differenzen zu erläutern und gegebenenfalls in einer mündlichen Verhandlung bzw. Besprechung nochmals darzutun. Dem schließen sich einige Berechnungsbeispiele an.

    Dieser Vorlagebericht wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. Februar 1992 "mit der Einladung übermittelt, hiezu binnen vier Wochen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben. Bei fruchtlosem Fristablauf wird nach der Aktenlage entschieden werden". Die Beschwerdeführerin erstattete keine Stellungnahme.

    Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid vollinhaltlich bestätigt. In der Bescheidbegründung heißt es - nach Wiedergabe der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides sowie des Einspruchsvorbringens und nach Zitierung der §§ 44 Abs. 1 Z. 1, 49 Abs. 1 und 2 ASVG - es müsse "den Einspruchsausführungen ... folgendes entgegengehalten werden". Dieses "folgende" deckt sich (mit nichtrelevanten sprachlichen Änderungen) mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Vorlagebericht. Im Anschluß daran meint die belangte Behörde, es erweise sich daher der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die Nachverrechnung sei nicht nachvollziehbar und es sei die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen, als unbegründet. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, daß die dem bekämpften Bescheid angeschlossene Beitragsrechnung einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bilde.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

    Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

    Nach Auffassung der Beschwerdeführerin soll der angefochtene Bescheid zunächst deshalb rechtswidrig sein, weil er von der örtlich unzuständigen Behörde erlassen worden sei. Die Beschwerdeführerin sei nämlich - aktenkundig - im Frühjar 1991 nach Wien übersiedelt. Die Sitzverlegung sei am 2. Mai 1991 beim Handelsgericht Wien eingetragen worden.

    Dieser Einwand ist unbegründet. Gemäß § 414 ASVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes (als Einspruchsbehörde) - in bezug auf unselbständig Erwerbstätige - nach dem für die Versicherung maßgebenden Beschäftigungsort. Darunter ist entsprechend der Legaldefinition in § 30 Abs. 2 ASVG grundsätzlich der Ort zu verstehen, an dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Wird eine Beschäftigung abwechselnd an verschiedenen Orten ausgeübt, aber von einer festen Arbeitsstätte aus, so gilt diese als Beschäftigungsort. Wird eine Beschäftigung ohne feste Arbeitsstätte ausgeübt, so gilt der Wohnsitz des Versicherten als Beschäftigungsort. Für die dem AÜG unterliegenden versicherten Dienstnehmer gilt nach § 5 Abs. 1 Z. 1 dieses Gesetzes als Beschäftigungsort im Sinne des § 30 ASVG bei einem inländischen Überlasser der Standort des Betriebes des Überlassers. In zeitlicher Hinsicht ist dann, wenn sich der Einspruch gegen einen Beitragsbescheid richtet, - entsprechend der Zeitraumbezogenheit von Beitragsbescheiden - der "Beschäftigungsort" im eben genannten Sinn "maßgebend", der in jenem Zeitraum bestand, auf den sich die Beitragsvorschreibung bezieht. Im Beschwerdefall ist dies der Zeitraum vom 1. August 1988 bis 28. Februar 1991. Die danach erfolgte Sitzverlegung der Beschwerdeführerin bewirkte demnach keine örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde.

    Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet die Beschwerdeführerin primär ein, es sei für sie nach wie vor weder der erstinstanzliche noch der angefochtene Bescheid nachvollziehbar, da ihnen nicht zu entnehmen sei, welcher Sachverhalt und welche Rechtsgrundlagen zur Begründung für die nachträglich vorgeschriebenen Beiträge herangezogen worden seien. Aus bloß allgemeinen Rechtsausführungen sei nicht ableitbar, inwieweit die jeweils zur Nachverrechnung herangezogene Beitragsgrundlage den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche und ob bzw. welcher Kollektivvertrag "pro Dienstnehmer" zugrundegelegt worden sei. Die belangte Behörde begnüge sich im wesentlichen damit, zur Begründung des angefochtenen Bescheides den Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse - praktisch wortwörtlich - abzuschreiben. Wenn der Beschwerdeführerin "zwischen den Zeilen vorgehalten" werde, sie beschränke sich in ihren Einwendungen im wesentlichen auf Rechtsausführungen, so werde dabei nicht darauf Bedacht genommen, daß in einem Bescheid zumindest erkennbar sein sollte, auf Grund welchen Sachverhaltes eine Behörde zu rechtlichen Schlußfolgerungen gelange. Andernfalls bleibe ein Bescheid unüberprüfbar. In diesem Sinne leide der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Begründungsmangel.

    Diese Einwände sind im Ergebnis begründet.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/08/0027, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, in Auseinandersetzung mit der Vorjudikatur ausführlich mit dem Ausmaß der Begründungspflicht der Gebietskrankenkasse und der Einspruchsbehörde in Beitragsbescheiden betreffend eine Vielzahl von Dienstverhältnissen und Beitragszeiträumen (unter Berücksichtigung eines vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgten "Anerkenntnisses der Beitragsnachrechnung") befaßt. Unter Bedachtnahme auf die darin entwickelten Grundsätze entspricht die (im wesentlichen den Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse übernehmende) Begründung des angefochtenen Bescheides nicht den Anforderungen, die nach den §§ 58 Abs. 2, 60 und 67 AVG an einen solchen Bescheid zu stellen sind. Denn auch in Verbindung mit der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und der ihm angeschlossenen Beitragsrechnung ergibt sich daraus zwar, daß, ausgehend von einer jeweils bestimmten Beitragsgrundlage, nach Auffassung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und der ihr folgenden belangten Behörde bestimmte Beiträge vorzuschreiben seien; es ist daraus aber nicht erkennbar, welche konkreten tatsächlichen Gegebenheiten dieser (von jener der Beschwerdeführerin abweichenden) Beitragsberechnung im einzelnen zugrundegelegt wurden, geschweige denn, aus welchen Erwägungen die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und die ihr folgende belangte Behörde gerade diese konkreten Tatsachen als erwiesen angenommen haben. Dieser Begründungsmangel hindert aber eine rechtliche Überprüfung des angefochtenen Bescheides in Auseinandersetzung mit den darin angesprochenen allgemeinen rechtlichen Erwägungen.

    Von dieser Begründungspflicht war die belangte Behörde im Hinblick auf das Einspruchsvorbringen der Beschwerdeführerin vorerst weder durch die Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Prüfungsergebnis (in der im übrigen keine Anerkennung der Beitragsnachrechnung, sondern lediglich der im Prüfbericht der Art nach angeführten, ausführlich besprochenen Differenzen "in dieser Form" zu erkennen ist) noch durch die entsprechend den genannten Grundsätzen (mangels Erkennbarkeit der konkreten tatsächlichen Gegebenheiten, auf denen die Beitragsnachrechnung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse beruht) unzureichende Begründung des erstinstanzlichen Bescheides noch schließlich durch die Bereitschaft der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Vorlagebericht, der Beschwerdeführerin "jede einzelne Differenz im Beisein der Kassenprüfer zu erläutern und zu besprechen" bzw. "die Differenzen im Beisein der Prüfer mündlich zu erläutern", enthoben. Die belangte Behörde mußte auch erkennen, daß im Vorlagebericht nicht alle Fragen beantwortet wurden, die die Beschwerdeführerin im Einspruch aufgeworfen hat. Sie durfte daher aus der Unterlassung einer Stellungnahme zu diesem Bericht nicht den Schluß ziehen, es seien damit aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzinteresses der Beschwerdeführerin alle Zweifelsfragen klargestellt. Angesichts der unzureichenden Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, die durch den Vorlagebericht nicht behoben wurde, traf die Beschwerdeführerin aber - nach den Grundsätzen des obgenannten Erkenntnisses - auch nicht die Verpflichtung, von sich aus nach Eruierung der möglichen Ursachen der Divergenzen die Unrichtigkeit des Standpunktes der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bzw. die Richtigkeit des eigenen Standpunktes in bezug auf jede einzelne Position durch konkrete Sachverhaltsbehauptungen und darauf gestützte rechtliche Ausführungen aufzuzeigen. Sie verletzte deshalb durch die Unterlassung einer solchen Stellungnahme zum Vorlagebericht auch nicht eine sie an sich - im Rahmen der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht - treffende Behauptungslast (vgl. dazu näher die Erkenntnisse vom 26. März 1959, Slg. Nr. 5007/A, vom 20. Februar 1979, Slg. Nr. 9771/A, vom 24. Oktober 1980, Zl. 1230/78, vom 12. Oktober 1982, Zl. 82/11/0162, vom 29. November 1988, Zl. 88/11/0015, und vom 20. Mai 1992, Zl. 90/12/0199) mit der allfälligen Konsequenz, daß die belangte Behörde deshalb nicht verpflichtet gewesen wäre, von Amts wegen - unter entsprechender Mitwirkung der Parteien des Verfahrens (vgl. insbesondere das Erkenntnis vom 18. Dezember 1986, Zl. 85/08/0122), etwa in der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Vorlagebericht angebotenen Art - zu ermitteln, ob die von ihr in der Beitragsnachrechnung der jeweiligen Nachverrechnungsposition zugrundegelegte Beitragsgrundlage richtig sei und ob im Falle der Richtigkeit dennoch die vorgeschriebenen Beiträge zur Gänze oder zumindest zum Teil unbegründet seien. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, daß selbst die Verletzung der einer Partei obliegenden Mitwirkungspflicht nur bewirken kann, daß die säumige Partei eine sich daraus allenfalls ergebende unvollständige oder unrichtige Sachverhaltsannahme seitens der belangten Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr geltend machen kann, die belangte Behörde jedoch keineswegs ihrer aus den §§ 60, 67 AVG erwachsenden Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Bescheidbegründung, insbesondere zur Darlegung des nach ihrer Ansicht der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhaltes, enthebt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 24. November 1981, Zlen. 81/11/0009, 0041, vom 9. April 1984, Zl. 81/10/0090, und vom 21. November 1989, Zl. 88/08/0258).

    Da die aufgezeigten Begründungsmängel den Verwaltungsgerichtshof insofern hindern, seiner Rechtskontrollaufgabe gemäß § 41 Abs. 1 VwGG zu entsprechen, als der angefochtene Bescheid keine inhaltliche Überprüfung "aufgrund des von der Behörde angenommenen Sachverhaltes" zuläßt, war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren auf Stempelgebührenersatz war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) abzuweisen.

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