VwGH 93/10/0030

VwGH93/10/003018.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden des F in Z, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. K in I, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol

  1. 1. (zu Zl. 93/10/0030) vom 15. Jänner 1992, Zl. 1/36-4/1991 und
  2. 2. (zu Zl. 93/10/0031) vom 29. Jänner 1992, Zl. 1/37-5/1991, betreffend Übertretungen des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z13;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z15;
ForstG 1975 §28 Abs2 litc;
ForstG 1975 §37;
StGB §6 Abs1;
StGB §6 Abs2;
VStG §5 Abs1;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z13;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z15;
ForstG 1975 §28 Abs2 litc;
ForstG 1975 §37;
StGB §6 Abs1;
StGB §6 Abs2;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 22.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 7. August 1991 mit einer Kuh auf Gp. 701/1 der KG R auf den Schonungsflächen im Bereich der "X-Alpe" entgegen den Bestimmungen des § 37 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) die Waldweide ausgeübt und habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 leg. cit. begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Primärfreiheitsstrafe in der Dauer von 2 Wochen verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu

hg. Zl. 93/10/0030 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwalungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 24. Juli 1991 um 7.35 Uhr auf der rechtskräftig unter Bann gelegten Gp. 704 der KG R eine Kuh eingeweidet und habe damit der Vorschreibung 1 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft S vom 2. Mai 1985 bzw. des Landeshauptmannes für Tirol vom 15. Juli 1985 zuwidergehandelt und habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 13 iVm § 28 ForstG begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Primärfreiheitsstrafe in der Dauer von 2 Wochen verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu

hg. Zl. 93/10/0031 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

III.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat über sie erwogen:

1. Zur Übertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG:

Der Beschwerdeführer bringt vor, das Verbot der Beweidung von Schonungsflächen im Sinne des § 37 Abs. 3 ForstG sei nur gegeben, wenn die Voraussetzung des § 37 Abs. 4 leg. cit. nicht vorliege. Wenn es sich bei der Schonungsfläche um einen Einforstungswald handle und der Beschwerdeführer darauf ein durch Regulierungsurkunden festgelegtes Weiderecht besitze, sei Strafbarkeit nicht gegeben. Die Behörde habe von Amts wegen die Voraussetzungen der Strafbarkeit zu prüfen. Der bekämpfte Bescheid lasse jegliche Feststellung vermissen, ob es sich um einen Einforstungswald handle und ob dem Beschwerdeführer ein Weiderecht darauf zukomme.

Nach § 37 Abs. 3 ForstG darf in zur Verjüngung bestimmten Waldteilen, in denen das Weidevieh die bereits bestehende oder erst heranzuziehende Verjüngung schädigen könnte (Schonungsflächen), die Waldweide nicht ausgeübt werden. Die Weidetiere sind von den Schonungsflächen fernzuhalten. Auf Antrag des Waldeigentümers oder des Weideberechtigten hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die im § 12 festgelegten Grundsätze den Umfang, die Dauer und die Kennzeichnung der Schonungsflächen durch Bescheid festzulegen.

Nach § 37 Abs. 4 ForstG werden die für Weiderechte in Einforstungswäldern geltenden Bestimmungen der Regulierungsurkunden durch die Regelungen der Abs. 1 und 3 nicht berührt.

Der Beschwerdeführer hat im Laufe des Verwaltungsstrafverfahrens niemals vorgebracht, er sei aufgrund einer Bestimmung in einer Regulierungsurkunde berechtigt, in den in Rede stehenden Schonungsflächen entgegen dem § 37 Abs. 3 ForstG die Waldweide auszuüben. Auch in der Beschwerde wird eine solche Behauptung nicht aufgestellt. Für die belangte Behörde bestand daher kein Anlaß, Ermittlungen in dieser Richtung durchzuführen.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die belangte Behörde sei nicht auf seine Rechtfertigung eingegangen, daß er einen ordnungsgemäßen Zaun um die von ihm zu Recht bewirtschafteten Flächen errichtet habe. Es sei einem Bauern nicht zumutbar, permanent bei seiner Herde zu sein. Es sei ihm gestattet, seine Viehherde durch einen Zaun von Schonungsflächen abzuhalten. Damit sei eine ordnungsgemäße Verwahrung des Viehs gegeben.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht. Das ForstG enthält keine Bestimmungen über das Verschulden bei Verwaltungsübertretungen nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15. Nach § 5 Abs. 1 erster Satz VStG genügt somit zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Das VStG gibt keine Definition der Schuldform Fahrlässigkeit. Zur Auslegung dieses Begriffes kann aber auf die Bestimmungen des StGB zurückgegriffen werden (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 705). Nach § 6 Abs. 1 StGB handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Nach § 6 Abs. 2 leg. cit. handelt fahrlässig auch, wer es für möglich hält, daß er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.

Der Beschwerdeführer hat sich sowohl im Verfahren vor der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz als auch in seiner Berufung damit gerechtfertigt, er habe seine Weidefläche ordnungsgemäß mit einem elektrischen Zaun eingezäunt. Die Kuh sei ihm ausgebrochen, er habe sie aber sofort wieder auf die Weidefläche zurück bzw. in den Stall getrieben. Seitens der Bezirksforstinspektion Y sei ihm ausdrücklich bestätigt worden, daß er selbstverständlich für derartige Fälle nicht zur Verantwortung gezogen werden könne, soweit es sich um Einzelfälle handelte und tatsächlich ein ordentlicher Zaun errichtet worden sei. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides nicht auseinandergesetzt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, da dann, wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers zutrifft, nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß er die Sorgfalt außer Acht gelassen habe, zu der er nach den Umständen verpflichtet und die ihm zuzumuten war. Die Verwahrung von Rindern mittels eines fachgerechten Weidezaunes genügt nämlich im allgemeinen, es sei denn, daß besondere Umstände vorliegen, was z.B. dann der Fall wäre, wenn einem Tier die nötige psychische Schranke vor einem Stromschlag fehlt (vgl. auch Reischauer in Rummel2 II Rz 13 zu § 1320). Der Mangel einer entsprechenden Begründung belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Zeuge M. in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde angegeben hat, seitens des Beschwerdeführers seien keine Anstalten getroffen worden, die Kuh auf den Alpsanger zurückzutreiben; vielmehr sei der Beschwerdeführer mit der Bewirtung von Gästen befaßt gewesen. Zwar befreit das Vorhandensein eines Weidezauns den für die Tiere Verantwortlichen nicht davon, ausgebrochene Tiere so rasch wie möglich wieder von den Schonungsflächen zu entfernen, doch ist im vorliegenden Fall aus dem festgestellten Sachverhalt nicht erkennbar, ob dem Beschwerdeführer aufgefallen sein mußte, daß die Kuh aus der umzäunten Fläche ausgebrochen war.

2. Zur Übertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 13 ForstG:

Der Beschwerdeführer bringt vor, § 28 Abs. 2 ForstG enthalte keine gesetzliche Grundlage für die Verhängung eines Weideverbotes.

§ 28 Abs. 2 lit. c ForstG ermächtigt die Behörde, im Rahmen einer Bannlegung im Bannwald bestehende Nutzungsrechte einzuschränken oder aufzuheben. Diese Bestimmung ermächtigt daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers die Forstbehörde auch zur Verhängung eines Weideverbotes.

Der Beschwerdeführer meint weiters, die belangte Behörde hätte auch zu erheben gehabt, ob er Partei im Bannlegungsverfahren gewesen sei bzw. ob ihm die Bannlegung auf andere Weise zur Kenntnis gebracht worden sei. Das Verfahren sei daher in einem wesentlichen Punkt unvollständig geblieben.

Dieses Vorbringen grenzt an Mutwillen, da sich aus dem im Akt erliegenden Bannlegungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft S vom 2. Mai 1985 und dem Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 15. Juli 1985 ergibt, daß der Bannlegungsbescheid dem Beschwerdeführer zugestellt und von ihm auch - allerdings erfolglos - bekämpft wurde.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde sei nicht auf seine Rechtfertigung eingegangen, daß er einen ordnungsgemäßen Zaun um die von ihm zu Recht bewirtschafteten Flächen errichtet habe.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht. Zur Begründung wird auf die Ausführungen zur Übertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG verwiesen.

Aus den dargelegten Erwägungen erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben waren.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

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