VwGH 93/01/0868

VwGH93/01/086826.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der M in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Juli 1993, Zl. 4.294.414/2-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, die am 2. März 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 8. Mai 1990, mit dem festgestellt worden war, bei ihr lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 16. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, habe sie bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 10. April 1990 angegeben, in ihrem Heimatland nicht Mitglied der kommunistischen Partei gewesen zu sein, jedoch während der Schulzeit der kommunistischen Jugendorganisation angehört zu haben. Ihre Eltern seien im Vietnamkrieg auf Seiten der Amerikaner gewesen, und sei ihre Mutter, die in einem südvietnamesischen Stab gearbeitet habe, während des Zusammenbruches im Jahre 1975 mitevakuiert worden. Ihre Mutter lebe in den USA, ihr Vater noch in Vietnam. Ab 1975 habe ihre Familie unter dem kommunistischen System zu leiden gehabt. Die Beschwerdeführerin habe auf Grund ihrer Abstammung nach Beendigung ihrer Schulzeit keine Möglichkeit gehabt, eine richtige Arbeit aufzunehmen. 1988 habe sie sich um eine Stelle als Gastarbeiterin in der ehemaligen Tschechoslowakei beworben, wobei ihr die Ausreise erst nach Bezahlung von Bestechungsgeldern möglich gewesen sei. Ihr Arbeitsvertrag wäre 1991 abgelaufen, sodaß sie nach Vietnam hätte zurückkehren müssen, was sie aber wegen allfälliger Repressalien seitens der vietnamesischen Behörden nicht gewollt habe.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin ergänzend ausgeführt, ihre Familie habe der vietnamesischen Republik zugehört. Ihr Vater sei Soldat in der "RVN-Armee" gewesen und ihre Mutter habe als Beamtin der Regierung gearbeitet. Nach der Revolution seien ihre Eltern für ein Jahr in ein Umerziehungslager der kommunistischen vietnamesischen Republik gesperrt worden, hätten nach ihrer Entlassung weder arbeiten noch "irgendwohin gehen" dürfen und seien ständig unter Kontrolle der Regierung gestanden. Sie hätten mehrere erfolglose Fluchtversuche unternommen und lebten ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Beschwerdeführerin habe für die Erlangung eines falschen Passes viel Geld bezahlen müssen und habe beabsichtigt, von der Tschechoslowakei aus in ein freies Land zu flüchten. Im Fall der Rückkehr in ihr Heimatland würde sie wegen der Ausreise mit einem falschen Paß und wegen ihrer Flucht in ein nichtkommunistisches Land ins Gefängnis müssen.

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin entgegengehalten, es erscheine angesichts ihres Vorbringens vor der Behörde erster Instanz, demzufolge sie mit Wissen und Erlaubnis ihres Heimatstaates für drei Jahre als Gastarbeiterin in die ehemalige Tschechoslowakei habe reisen dürfen, und aus dem sich auch nicht ergebe, daß sie in ihrem Heimatland Handlungen begangen habe, aus denen auf eine Verfolgungsabsicht der Behörden geschlossen werden könne, nicht unberechtigt anzunehmen, daß die Behörden ihres Heimatstaates keine Gründe für eine "ernsthafte" Verfolgung der Beschwerdeführerin gehabt hätten. Auch könne begründete Furcht vor Verfolgung nicht aus der Übertretung von Reisebestimmungen abgeleitet werden. Die Beschwerdeführerin hat hiezu die Auffassung vertreten, im Hinblick auf die Verwendung eines gefälschten Passes liege in der Annahme der Ausreise mit Wissen und Willen der Behörden ein innerer Widerspruch. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin die Behauptung, ihr sei die Ausreise nur unter Zuhilfenahme eines gefälschten Passes möglich gewesen, erstmals in der Berufung erhoben hat, weshalb die belangte Behörde entsprechend der aus § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 erfließenden Verpflichtung, ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz zugrunde zu legen, nicht verpflichtet war, Überlegungen über diese Behauptung anzustellen, könnte selbst unter der Annahme, daß die Beschwerdeführerin von einem Ausreiseverbotes betroffen gewesen wäre, daraus allein nicht auf konkret gegen sie gerichtete Verfolgung aus den in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen geschlossen werden.

Die Beschwerdeführerin hat sich auch gegen die Argumentation der belangten Behörde gewendet, mit der sie die ins Treffen geführten Benachteiligungen der Familie der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den mit dem Ende des Vietnamkrieges einhergehenden politischen Änderungen, denen die größten Teil der vietnamesischen Bevölkerung in gleichem Maß ausgesetzt gewesen seien, gesehen und das Vorliegen individueller Verfolgung verneint hat, und geltend gemacht, die Internierung ihrer Eltern in einem Umerziehungslager für ein Jahr stelle ein Mittel der politischen Verfolgung dar. Da die Beschwerdeführerin auch die Internierung ihrer Eltern erst in ihrer Berufung vorgebracht hat, wäre die belangten Behörde nicht verpflichtet gewesen, auf dieses Vorbringen einzugehen. Daß sie sich trotzdem damit auseinandergesetzt hat, belastet den angefochtenen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit. Auch kann dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil sie damit lediglich gegen ihre Angehörigen gesetzte Maßnahmen, nicht aber konkrete gegen sie selbst gerichtete Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 geltend gemacht hat (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0710).

Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Befürchtungen der Beschwerdeführerin, wegen der Übertretung von Reisebestimmungen bzw. sonstiger den Aufenthalt im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden, nicht als für die Gewährung von Asyl ausreichend gewertet hat (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, 1990, S. 32, angeführte Judikatur).

Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Ablehnung des in ihrem Heimatland herrschenden kommunistischen Systems hat die belangte Behörde ebenfalls zu Recht nicht als Umstand angesehen, aus dem auf individuelle Verfolgung der Beschwerdeführerin aus in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründen bzw. auf begründete Furcht vor Verfolgung geschlossen werden könnte, weil die innere Abneigung eines Asylwerbers gegen ein herrschendes System oder gegen die allgemein herrschenden politischen Verhältnisse nicht geeignet ist, Furcht vor Verfolgung objektiv zu begründen (vgl. die bei Steiner, aaO, S. 28, angeführte Judikatur). Daß die Beschwerdeführerin aber etwa diese Abneigung in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Weise zum Ausdruck gebracht hätte, hat sie selbst nicht behauptet.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist aus dem Vorliegen von Widersprüchen zwischen den Angaben eines Asylwerbers vor der Behörde erster Instanz und den Ausführungen in der Berufung allein noch nicht abzuleiten, daß ein offenkundiger Mangel des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, der gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zu dessen Ergänzung oder Wiederholung führen würde, vorliegt. Dies im Beschwerdefall umso weniger, als die Beschwerdeführerin in der Berufung zwar die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides als ungenügend erachtet, einen offenkundigen Mangel des Verfahrens aber nicht behauptet hat.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die belangte Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 im Vorbringen der Beschwerdeführerin vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da - wie aufgezeigt - ein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen ist, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann auf Grund der Fertigung des angefochtenen Bescheid "für den Bundesminister" im Zusammenhang mit dem Kopf des Bescheides "Republik Österreich Bundesministerium für Inneres" kein Zweifel daran bestehen, daß dieser Bescheid dem Bundesminister für Inneres als Asylbehörde letzter Instanz zuzurechnen ist. Der Rüge der Unzuständigkeit der belangten Behörde kommt somit Berechtigung nicht zu.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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