VwGH 92/14/0102

VwGH92/14/010226.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, in den Beschwerdesachen des S in V, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in V, gegen die Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1980 bis 1984 sowie Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1980 bis 1984, den Beschluß gefaßt:

Normen

B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §52;
VwGG §53;
VwGG §55 Abs1;
VwGG §56;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §52;
VwGG §53;
VwGG §55 Abs1;
VwGG §56;

 

Spruch:

Die Verfahren werden eingestellt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen im Betrag von 6.310 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die belangte Behörde hat innerhalb der ihr verlängerten Frist den Bescheid vom 30. September 1992, 120-3/88, zugestellt am 3. November 1992, erlassen und eine Abschrift dieses Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz VwGG einzustellen.

Die belangte Behörde hat weder einen Fall des § 55 Abs 2 VwGG dargetan, noch läßt sich der Aktenlage entnehmen, daß die Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden der Partei zurückzuführen ist (§ 55 Abs 3 VwGG). Da das Säumnisbeschwerdeverfahren wegen Nachholung des versäumten Bescheides eingestellt wurde, hat der Beschwerdeführer Anspruch auf Ersatz gemäß § 55 Abs 1 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit Art I/A/Z 1 zweiter Fall der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.

Der Beschwerdeführer hatte gegen die Bescheide des Finanzamtes, die auf Grund EINES Prüfungsberichtes unter demselben Datum ergangen sind, hinsichtlich jeden Abgabenjahres, hinsichtlich der beiden Abgabenarten sowie hinsichtlich der Wiederaufnahmen einerseits und der neuerlichen Abgabenfestsetzungen anderseits, jeweils Berufung in einem Schriftsatz einerseits gegen sämtliche Wiederaufnahmebescheide und anderseits gegen sämtliche Sachbescheide erhoben. Hingegen bekämpfte er vor dem Verwaltungsgerichtshof mit inhaltlich im wesentlichen übereinstimmenden 20 Beschwerdeschriftsätzen die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde hinsichtlich jeden Abgabenjahres, und zwar jeweils hinsichtlich der Wiederaufnahmen und hinsichtlich der Abgabenneufestsetzungen, jeweils wieder hinsichtlich jeder Abgabenart und jeden Abgabenjahres getrennt

(20 Säumnisbeschwerden).

Es stellt sich daher die Frage, ob tatsächlich hinsichtlich jeder Säumnisbeschwerde der pauschalierte Schriftsatzaufwand zusteht:

Das Gesetz enthält in § 52 VwGG eine Vorschrift darüber, wie in Fällen der Verbindung von Rechtschutzbegehren gegen mehrere Verwaltungsakte in einer Beschwerde (einem Beschwerdeschriftsatz) vorzugehen ist, während § 53 VwGG Vorkehrungen für den Fall der Häufung von Rechtschutzbegehren mehrerer Beschwerdeführer gegen ein- und denselben Verwaltungsakt trifft. Da in diesen Bestimmungen von der Anfechtung von Verwaltungsakten die Rede ist, muß davon ausgegangen werden, daß sie sich nicht mit Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerden) befassen. Wegen der Unterschiedlichkeit von Bescheidbeschwerden und Säumnisbeschwerden hält der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften im Säumnisbeschwerdeverfahren für unzulässig. Aus den §§ 52, 53 VwGG lassen sich auch keine Rückschlüsse zur Lösung des angeschnittenen Problems ziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluß vom 8. September 1977, 788/77, ausgesprochen:

"Da der Beschwerdeführer nur EINE Säumnisbeschwerde erhoben hat, konnte seinem Antrag auf Zuerkennung des doppelten Schriftsatzaufwandes nicht entsprochen werden. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß in der Beschwerde die Verletzung der Pflicht zur Erlassung von zwei Sachentscheidungen geltend gemacht worden war."

Aus dieser Entscheidung läßt sich nicht der Schluß ziehen, daß bei Erhebung mehrerer Säumnisbeschwerden unter allen Umständen mehrfach der Pauschbetrag als Schriftsatzaufwand zusteht.

In seinen Beschlüssen vom 27. Februar 1992, 91/17/0201 bis 91/17/0207, hat der Verwaltungsgerichtshof, der in jeder der Säumnisbeschwerdesachen jeweils den Pauschbetrag der Verordnung als Schriftsatzaufwand zuerkannte, ausgeführt:

"Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Umstand, daß die Beschwerdeführerin den erstinstanzlichen Bescheid mit neun getrennten Berufungen angefochten hat. Gleichgültig, ob man die Absprüche der Abgabenbehörde erster Instanz über Vergnügungssteuer, Verspätungs- und Säumniszuschlag jeweils für die Monate Juni, Juli und August 1990 als voneinander trennbar ansehen wollte oder nicht und ob daher die Erhebung getrennter Berufungen zulässig war oder nicht, ist doch die belangte Behörde hinsichtlich jeder einzelnen dieser Berufungen, die sie auch nicht etwa zurückgewiesen hat, säumig geworden. Es gebührt daher der Beschwerdeführerin in jedem einzelnen Beschwerdefall der gesetzliche Aufwandersatz."

Danach ist die Anzahl der erhobenen Berufungen "ohne Bedeutung" und die Trennbarkeit der Entscheidungen erster Instanz sowie die Zulässigkeit getrennter Berufungen gleichgültig. Auch diesem Beschluß läßt sich daher keine grundsätzliche Antwort auf die oben gestellte Frage entnehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber schon vielfach ausgesprochen, daß für die Zuerkennung von Schriftsatzaufwand die Notwendigkeit des Schriftsatzes zur Rechtsdurchsetzung maßgeblich ist (vgl für viele den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Jänner 1991, 90/14/0176). Im Zusammenhang mit der Frage der Notwendigkeit zur Rechtsdurchsetzung und/oder Rechtsverteidigung hat der Verwaltungsgerichtshof aber auch auf den Inhalt des Schriftsatzes Rücksicht genommen, zB im Fall des Erkenntnisses vom 3. Juli 1991, 90/03/0141. Darin wurde der belangten Behörde der Schriftsatzaufwand für ihre Gegenschrift mit der Begründung nicht nach der Anzahl der angefochtenen Bescheide zuerkannt:

"Von der belangten Behörde wurde nur eine Gegenschrift erstattet und wurden mit ihr unter einem die Verwaltungsakten vorgelegt. Sie setzte sich in ihrer Gegenschrift nicht mit den einzelnen in der Beschwerde angefochtenen Bescheiden auseinander, sondern erwiderte das Beschwerdevorbringen zusammenfassend. Es kann ihr daher der Schriftsatz- und Vorlageaufwand nicht entsprechend der Zahl der angefochtenen Bescheide - wie von ihr beantragt - zugesprochen werden."

Grundsätzlich wird das Aufwand(Kosten)ersatzrecht von dem der Prozeßökonomie innewohnenden Prinzip der Sparsamkeit beherrscht. Es soll daher Kostenersatz nur für zur Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung notwendige Prozeßhandlungen zustehen und dies wieder nur im Ausmaß der Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit ist allerdings auch unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit des Vorgehens im Einzelfall zu sehen.

Löst der Gesetzgeber daher einzelne Fragen des Aufwand(Kosten)ersatzrechtes nicht im einzelnen besonders - was hier auf die oben angeschnittene Frage zutrifft -, so hat sich die Entscheidung im Einzelfall an den genannten Grundsätzen zu orientieren.

Im vorliegenden Fall haben alle Säumnisbeschwerden im wesentlichen gleichen Inhalt. Sie machen die Verletzung der Pflicht zur Entscheidung über zwei Berufungen (Wiederaufnahmen einerseits und Sachbescheide anderseits) geltend. Die Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahme ist nach der Bundesabgabenordnung unter anderem davon abhängig, daß die Kenntnis der neuen Umstände eine andere Sachentscheidung herbeigeführt hätte (§ 303 Abs 1 und 4 BAO), und daher sehr eng mit den neuen Sachentscheidungen verbunden. Außerdem gebietet das Gesetz stets die Verbindung der Wiederaufnahme mit der abschließenden Sachentscheidung (§ 307 Abs 1 BAO). Weder das Beschwerdevorbringen noch die sonstige Aktenlage bieten in den Beschwerdefällen Anhaltspunkte dafür, daß die Einbringung von 20 Beschwerdeschriftsätzen zur Durchsetzung der Entscheidungspflicht notwendig oder auch nur zweckmäßig gewesen wäre, dies nicht einmal hinsichtlich der Einbringung getrennter Beschwerdeschriftsätze entsprechend der Anzahl der erhobenen Berufungen (Wiederaufnahmen einerseits und Sachbescheide anderseits).

Es konnte daher nur ein Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand zuerkannt werden. Folglich hätte aber auch die Vorlage von drei Ausfertigungen des Beschwerdeschriftsatzes ebenso genügt wie die einfache Vorlage der zur Glaubhaftmachung des Ablaufes der Entscheidungsfrist notwendigen Urkunden. Nur der hiefür notwendige Stempelgebührenaufwand war daher zuzuerkennen. Das Aufwandersatzmehrbegehren mußte deshalb abgewiesen werden.

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