VwGH 92/03/0249

VwGH92/03/024915.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. September 1992, Zl. 11-75 Stu 5-92, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10;
StVO 1960 §7 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a Z1;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10;
StVO 1960 §7 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird,

soweit der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 7 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde, einschließlich der sich darauf beziehenden Kostenaussprüche, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes;

soweit der Beschwerdeführer Übertretungen nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52a Z. 10a StVO 1960 und nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde, einschließlich der sich darauf beziehenden Kostenaussprüche, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften

aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 24. September 1992 wurde der Beschwerdeführer - soweit hier noch relevant - schuldig erkannt, er habe am 4. Mai 1990 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws 1) um

22.30 Uhr auf der L 381 im Ortsgebiet Kalsdorf-Großsulz an einem bestimmten Ort die Fahrbahn nicht vorschriftsmäßig weit rechts befahren; 3) um 22.31 Uhr auf der B 67 bei Straßenkilometer 70,4, Gemeindegebiet Werndorf, Bezirk Graz-Umgebung, in südlicher Richtung fahrend, die durch Straßenverkehrszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h erheblich überschritten; 6) um 22.32 Uhr auf der B 67 bei Straßenkilometer 72 bis Straßenkilometer 73, Ortsgebiet Werndorf, Bezirk Graz-Umgebung, in südlicher Richtung fahrend, im Ortsgebiet die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten; 7) um 22.33 Uhr auf der B 67 von Straßenkilometer 73 bis Straßenkilometer 73,3 Ortsgebiet Werndorf, Bezirk Graz-Umgebung, in südlicher Richtung fahrend, die durch Straßenverkehrszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h erheblich überschritten; 8) um 22.33 Uhr die B 67, bei Straßenkilometer 74,2 Ortsgebiet Weitendorf, Bezirk Leibnitz, in südlicher Richtung befahren und dabei die dort befindliche Sperrlinie überfahren; 9) um 22.33 Uhr auf der

B 67, bei Straßenkilometer 74,1, Gemeindegebiet Weitendorf, Bezirk Leibnitz, westlich in die Gemeindestraße Perlmoserstraße eingebogen und dabei die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt, sodaß sich andere Straßenbenützer auf den Vorgang einstellen hätten können;

10) um 22.34 Uhr auf der Perlmoserstraße, Kreuzung B 67 bis zum Haus Weitendorf Nr. 45, Gemeindegebiet Weitendorf, Bezirk Leibnitz fahrend, die durch Straßenverkehrszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten und

11) um 22.34 Uhr auf der Perlmoserstraße, Gemeindegebiet Weitendorf, Bezirk Leibnitz, zum Haus Weitendorf 45 eingebogen und dabei die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung nicht angezeigt, sodaß sich andere Straßenbenützer auf den Vorgang einstellen hätten können. Er habe hiedurch Übertretungen zu

1) nach § 7 Abs. 1 StVO 1960; zu 3) nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52a Z. 10a StVO 1960; zu 6) nach § 20 Abs. 2 StVO 1960; zu 7) nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52a Z. 10a StVO 1960; zu 8) nach § 9 Abs. 1 StVO 1960; zu 9) nach § 11 Abs. 2 StVO 1960; zu 10) nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52a Z. 10a StVO 1960 und zu 11) nach § 11 Abs. 1 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 9.600,-- (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß der Beschwerdeführer zu den Punkten 1) und 11) Geständnisse abgelegt habe. Zu den zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen in den Punkten 3), 6), 7) und

10) sei auszuführen, daß das Nachfahren mit einem Behördenfahrzeug eine der Möglichkeiten zur Feststellung einer Geschwindigkeit darstelle; auf Grund der Ergebnisse des Ortsaugenscheines und der Aussage eines Meldungslegers habe sich ergeben, daß das Befahren der B 67 im Bereich von Kilometer 70 bis 74 mit 130 km/h (das Einhalten dieser Geschwindigkeit war dem Beschwerdeführer schon in der Anzeige zur Last gelegt worden) grundsätzlich möglich, bei Gegenverkehr aber sehr schwierig sei. Dem Beschwerdeführer sei "jedoch nicht vorgeworfen worden, auf der gesamten Streckenlänge eine Geschwindigkeitsübertretung begangen zu haben, sondern nur auf einzelnen kürzeren Streckenlängen, was auch bei starkem Gegenverkehr durchaus möglich ist". Zu den Bestrafungen gemäß Punkt 8) und 9) des angefochtenen Bescheides stützte sich die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung auf die Zeugenaussagen der Meldungsleger.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Übertretung nach § 7 Abs. 1 StVO 1960:

Gemäß dieser gesetzlichen Bestimmung hat der Lenker eines Fahrzeuges so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist. Die Tatumschreibung einer Übertretung nach § 7 Abs. 1 StVO 1960 erfordert einerseits die Konkretisierung, wie weit rechts ein Lenker gefahren ist, und andererseits die konkrete Angabe, wieweit ihm dies zumutbar und möglich war (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, Zl. 90/03/0159, mit weiterem Judikaturhinweis). Der vorliegende Abspruch, daß der Beschwerdeführer die Fahrbahn "nicht vorschriftsmäßig" weit rechts befahren habe, wird diesem Konkretisierungsgebot nicht gerecht, weshalb die belangte Behörde gegen § 44a lit. a VStG verstoßen hat. Daran vermag auch die Aussage des Beschwerdeführers bei seiner ersten Einvernahme am 4. September 1990, daß er die "beschriebene Verwaltungsübertretung" begangen habe, nichts zu verändern.

Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Punkt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Zu den Übertretungen nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 und § 20 Abs. 2 StVO 1960:

Verfehlt ist zunächst die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, daß bei diesen Delikten eine Tateinheit vorliege. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer hier einen Punkt der Anzeige ins Treffen führt, der nicht mehr Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß durch Überschreitungen der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und Überschreitungen einer durch Gebotszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit verschiedene selbständige Delikte gesetzt werden, die auch getrennt zu bestrafen sind (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 91/03/0352). Die zu Punkt 10) des angefochtenen Bescheides genannte Übertretung betrifft im übrigen einen anderen Straßenzug als die B 67.

Mit Recht verweist der Beschwerdeführer jedoch darauf, daß die belangte Behörde den Sachverhalt hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht hinreichend geprüft und dargestellt hat. Wenngleich es - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - auf das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ankommt, ist dennoch zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer insbesondere auch in seiner Berufung zu jedem der die angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitungen betreffenden Punkte ein detailliertes Sachvorbringen, vor allem auch zu den Örtlichkeiten der Fahrtstrecke erstattet und begründet hat, warum unter Bezug auf die Verhältnisse an Ort und Stelle im Hinblick auf den Kurvenverlauf, den herrschenden Gegenverkehr, einen vorhandenen Bahnübergang u.a. die von der Behörde angenommenen Geschwindigkeitsüberschreitungen seiner Auffassung nach nicht möglich waren und schon deshalb von ihm nicht begangen wurden. Hiezu kommt noch, daß anläßlich des Ortsaugenscheines vom 18. Juni 1991 festgestellt wurde, daß das Befahren der B 67 im fraglichen Bereich mit 130 km/h grundsätzlich möglich, bei Gegenverkehr aber sehr schwierig ist und der Meldungsleger bestätigte, daß zum Tatzeitpunkt STARKER Gegenverkehr herrschte. Dennoch hat es die belangte Behörde unterlassen, sich mit den detaillierten Behauptungen in der Berufung konkret auseinanderzusetzen. Es kann daher nicht überprüft werden, auf Grund welcher konkreter Tatsachen die belangte Behörde trotz der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis gelangte, daß er die Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen habe. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Übertretungen nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 und nach § 52a (richtig: § 52 lit. a) Z. 10 lit. a StVO 1960 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Im übrigen (Übertretungen nach § 9 Abs. 1 StVO 1960, § 11 Abs. 2 leg. cit. und § 11 Abs. 1 leg. cit.) versagt die Beschwerde jedoch:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0035) beschränkt sich die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Beweiswürdigung der belangten Behörde auf die Vollständigkeit des ermittelten Sachverhaltes und die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung. Unter dieser Einschränkung hält der angefochtene Bescheid zu den Punkten 8), 9) und 11) stand. Der Beschwerdeführer vermag gegen die Aussagen der Meldungsleger nichts Stichhältiges vorzutragen. Zu Punkt 11) des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde darüber hinaus zutreffend auf das am 4. September 1990 vom Beschwerdeführer abgelegte Geständnis hingewiesen. Insoweit der Beschwerdeführer sich zu Punkt 9) des angefochtenen Bescheides darauf bezieht, daß es hier an einem "Normadressaten" gefehlt habe, ist ihm zu entgegnen, daß auch das Gendarmeriefahrzeug des Meldungslegers zu den "anderen Straßenbenützern" im Sinne des § 11 Abs. 2 StVO 1960 zu rechnen ist. Aus den dargestellten Erwägungen war somit die Beschwerde in Ansehung der Übertretungen nach § 9 Abs. 1 StVO 1960, § 11 Abs. 2 leg. cit. und § 11 Abs. 1 leg. cit. gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren betrifft Stempelgebühren für eine nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde.

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