Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AsylG 1991 §3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AsylG 1991 §3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG wird der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. Juni 1991, Zl. FrA-R 2.566/91, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß Österreich dem Beschwerdeführer gemäß § 3 in Verbindung mit § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 kein Asyl gewährt.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. Juni 1991 wurde auf Grund des Asylantrages des Beschwerdeführers vom 5. Juni 1991 festgestellt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, aus denen sich gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126/1968, in der geltenden Fassung, die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet ableite, beim Beschwerdeführer nicht zuträfen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in der er beantragte, "den angefochtenen Bescheid aufzuheben und mir politisches Asyl zu gewähren", und die der Aktenlage nach am 19. Juni 1991 bei der Erstbehörde eingelangt ist.
Mit der vorliegenden, am 23. März 1992 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht geltend, weil die belangte Behörde über die genannte Berufung noch nicht entschieden habe. Die belangte Behörde hat innerhalb der ihr gesetzten Frist den versäumten Bescheid nicht gemäß § 36 Abs. 2 VwGG nachgeholt, sondern in ihrer Gegenschrift vielmehr den Standpunkt vertreten, daß keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliege, weil mit ihrem Bescheid vom 26. Juni 1991, dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt am 11. Juli 1991, in dieser Angelegenheit bereits eine (abweisliche) Berufungsentscheidung ergangen sei. Der Beschwerdeführer hat dies bestritten.
Auf Grund der vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Ermittlungen kann nicht von einer rechtswirksamen Erlassung eines Berufungsbescheides vom 26. Juni 1991 ausgegangen werden. Diese für den Beschwerdeführer bestimmte Sendung wurde zwar - wie dem betreffenden Rückschein zu entnehmen ist - nach zwei vergeblichen Zustellversuchen am 9. und 10. Juli 1991 an der angegebenen Anschrift "Unterstützungskomitee für pol. verf. Ausländer" in Wien 9, Währingerstraße 59, am 11. Juli 1991 beim Postamt 1094 Wien gemäß § 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 17 Zustellgesetz hinterlegt. Auf Grund der unbedenklichen niederschriftlichen Angaben der bei diesem "Komitee" tätigen Flüchtlingsbetreuerin Dr. Karin König und des Beschwerdeführers steht aber fest, daß der Beschwerdeführer an der angegebenen Anschrift keine Unterkunft hatte und es sich daher hiebei um keine Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG handelte. Da auch kein Fall des § 9 Abs. 1 ZustellG (Bestellung einer natürlichen Person zum Zustellungsbevollmächtigten) vorlag, waren demnach mit der erfolgten Hinterlegung nicht die Rechtswirkungen einer ordnungsgemäßen Zustellung verbunden. Der vorliegende Zustellmangel wurde auch nicht gemäß § 7 ZustellG geheilt, weil die Sendung - wie sich aus den beiden erwähnten Aussagen in Übereinstimmung mit den eingeholten Auskünften des Postamtes 1094 ergibt - vom Beschwerdeführer nicht behoben wurde und ihm daher nicht tatsächlich zugekommen ist. Die belangte Behörde hat in ihrer zuletzt abgegebenen Stellungnahme vom 5. Jänner 1993 erklärt, daß "im Lichte der nunmehr vorliegenden Ermittlungsergebnisse" auch aus ihrer Sicht "Zweifel an der rechtswirksamen Zustellung des Berufungsbescheides" vom 26. Juni 1991 bestünden. Der von ihr erwähnte Umstand, daß der Beschwerdeführer am 23. Juli 1991 (also 12 Tage nach Hinterlegung des "Berufungsbescheides" vom 26. Juni 1991) Berufung erhoben habe, spricht nicht gegen das dargelegte Ermittlungsergebnis, sondern bestätigt es sogar, enthält doch dieser Schriftsatz keinen Bezug auf eine bereits ergangene, dem Beschwerdeführer bekannte Berufungsentscheidung, sondern richtet sich dieses Rechtsmittel ausdrücklich gegen eine (nach Meinung des Beschwerdeführers in seiner Asylangelegenheit offenbar nochmals ergangene) erstinstanzliche Entscheidung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien. Es ist daher die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 6. Juni 1991 auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Am 1. Juni 1992 ist das Asylgesetz 1991 in Kraft getreten, dessen Bestimmungen - sei es auf Grund des § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 oder im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, B 1387, 1542/92 des § 27 leg. cit., was im vorliegenden Beschwerdefall unerörtert bleiben kann - vom Verwaltungsgerichtshof bei Erledigung des vorliegenden Beschwerdefalles anzuwenden sind. Wäre § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 heranzuziehen, wonach am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sind, so läge dieser Fall deshalb vor, weil das Verfahren an diesem Tag (noch) bei der belangten Behörde anhängig war, zumal die ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzte Frist damals noch nicht abgelaufen war und sie den versäumten Bescheid noch hätte nachholen können; daran vermöchte der Umstand, daß nunmehr der Verwaltungsgerichtshof anstelle der belangten Behörde die Berufungsentscheidung zu fällen hat, nichts zu ändern.
Gemäß § 3 Asylgesetz 1991 hat die Asylbehörde einem Asylantrag mit Bescheid stattzugeben, wenn nach diesem Bundesgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling und die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 und 3 ausgeschlossen ist. Gemäß § 1 Z. 1 leg. cit. ist - sofern der Asylwerber nicht staatenlos ist - Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der Beschwerdeführer - ein rumänischer Staatsangehöriger, der am 24. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - wurde am 5. Juni 1991 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (unter Beiziehung eines Dolmetsch) niederschriftlich befragt, wobei er hinsichtlich der Gründe, die ihn zum Verlassen seines Heimatlandes bewogen haben (Punkt 13. der Niederschrift), folgendes angegeben hat: Er sei ständig von Leuten der ehemaligen Securitate verfolgt und beobachtet worden, dies, wie er glaube, "auf Grund meiner damaligen Weigerung nach Bukarest zu fahren und gegen Demonstranten vorzugehen". Man habe auch versucht, ihn am Arbeitsplatz einzuschüchtern. "Wir Bergleute" seien ständig unterdrückt und eher zweitrangig behandelt worden. Er sei auch mit der derzeitigen Regierung nicht einverstanden und sehe in Rumänien keine Chancen für sich. Die Frage, ob er seit der Revolution Probleme mit Behörden gehabt habe (Punkt 10. der Niederschrift), hat der Beschwerdeführer schon vorher dahingehend beantwortet, daß er am 15. Juli 1990 von der Polizei vorgeladen worden sei, weil er sich geweigert habe, nach Bukarest zu fahren und am 13. Juni 1990 gegen dortige Demonstranten vorzugehen. Er sei beschuldigt worden, die anderen Bergbauarbeiter ebenfalls zu diesem Schritt veranlaßt zu haben. Im Mai 1991 habe er wieder eine Ladung erhalten, der er aber nicht Folge geleistet habe. Weiters geht aus der Niederschrift (Punkt 11a.) hervor, daß der Beschwerdeführer Mitglied der "NLP" sei.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid verwies der Beschwerdeführer auf seine Fluchtgründe, die er "im Erstinterview" dargelegt habe und nunmehr "wiederhole". Er sei Mitglied der Nationalliberalen Partei gewesen, die in Opposition zum herrschenden Regime stehe. Von Beruf sei er Bergarbeiter gewesen. Seine Vorgesetzten hätten ihn zwingen wollen, daß er an der großen Demonstration teilnehme, bei der Studenten in Bukarest von Bergarbeitern zusammengeschlagen worden seien. Er habe sich geweigert und versucht, die Bergarbeiter über die Ziele der Studenten aufzuklären und sie von der Teilnahme an der vom Regime organisierten Demonstration abzuhalten. Nach der Demonstration seien einige seiner Kollegen entlassen worden, weil sie sich geweigert hätten, daran teilzunehmen. Er selbst sei nicht entlassen worden, "offenbar weil die Polizei mich nun unter Druck zu setzen suchte, um mich auszuhorchen und allenfalls umzudrehen". Er sei oft verhört, gewarnt, seine politische Tätigkeit "einzustellen", und bedroht worden. Bei einem der letzten Verhöre sei er zusammengeschlagen worden. Schließlich habe man ihm gedroht, ihn umzubringen. Bis dahin habe er seine politische Tätigkeit für die Nationalliberale Partei im Bergwerk fortgesetzt gehabt. Nun aber sei sein Leben in Gefahr gewesen und er daher nach Österreich geflohen.
Im Hinblick darauf, daß der Bundesminister für Inneres (und daher nunmehr an seiner Stelle auf Grund des § 62 Abs. 2 VwGG der Verwaltungsgerichtshof) gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat und keiner der im § 20 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle vorliegt, auf Grund derer eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre, insbesondere das Ermittlungsverfahren erster Instanz nicht offenkundig mangelhaft war, was der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren auch nicht behauptet hat, kann auf sein darüber hinausgehendes Vorbringen in der Berufung nicht Bedacht genommen werden. Nimmt man aber - entsprechend seinen (insoweit in der Berufung wiederholten) Angaben im erstinstanzlichen Verfahren - im wesentlichen als bescheinigt an, daß der Beschwerdeführer als Mitglied der Nationalliberalen Partei in Opposition zum herrschenden Regime in Rumänien gestanden sei, er sich geweigert habe, am 13. Juni 1990 mit anderen Bergarbeitern gegen regimefeindliche Demonstranten in Bukarest vorzugehen, er deshalb von der Polizei am 15. Juli 1990 vorgeladen und hiebei auch beschuldigt worden sei, andere Bergarbeiter ebenfalls davon abgehalten zu haben, und er im Mai 1991 eine neuerliche Vorladung erhalten habe, die er aber nicht befolgt habe, so reicht dies für eine Asylgewährung gemäß § 3 in Verbindung mit § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht aus. Abgesehen davon, daß auf dieser Sachverhaltsgrundlage kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, daß eine allenfalls bereits im Juli 1990 bestehende wohlbegründete Furcht vor Verfolgung bis zu seiner Ausreise angedauert habe (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0216, mit weiteren Judikaturhinweisen), ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß in Vorladungen zur Polizei für sich allein noch keine relevante Verfolgungshandlung erblickt werden kann (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0514). Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend dargetan, daß gegen ihn staatlichen Behörden seines Heimatlandes zuzurechnende Maßnahmen gesetzt worden seien, die eine solche Intensität erreicht hätten, daß ein Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gewesen wäre. Die Hinweise des Beschwerdeführers auf die allgemeine politische Lage in seinem Heimatland waren ebensowenig geeignet, ihm die angestrebte Rechtsstellung zu verschaffen.
Der Berufung des Beschwerdeführers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde konnte von der Bestimmung des § 55 Abs. 3 VwGG nicht Gebrauch gemacht werden, weil nicht gesagt werden kann, daß die Verzögerung der behördlichen Entscheidung ausschließlich auf das Verschulden des Beschwerdeführers zurückzuführen gewesen sei. Richtig ist zwar, daß der Beschwerdeführer in diversen Eingaben die Anschrift des "Unterstützungskomitees für politisch verfolgte Ausländer" als Zustelladresse angeführt hat; es kam aber ungeachtet dessen in diesen Eingaben, so auch in der Berufung, klar zum Ausdruck, daß sich der Beschwerdeführer "derzeit" im Flüchtlingszeltlager in Wien 1, Stephansplatz, befinde, sodaß für die belangte Behörde unschwer zu erkennen gewesen wäre, daß der Beschwerdeführer an der angegebenen Zustelladresse keine Unterkunft hat und damit dort auch keine Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG besteht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)