VwGH 91/19/0288

VwGH91/19/028814.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Juni 1991, Zl. MA 63-B 35/90/Str., betreffend Einstellung eines Strafverfahrens wegen Übertretung des KJBG (mitbeteiligte Partei: B in W), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1152;
AVG §45 Abs2;
KJBG 1987 §17 Abs2;
VwRallg;
ABGB §1152;
AVG §45 Abs2;
KJBG 1987 §17 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Dem Mitbeteiligten wurde vorgeworfen, er habe am 19. August 1989 um 23.35 Uhr dadurch gegen § 17 Abs. 2 KJBG verstoßen, daß er einen am 2. Jänner 1973 geborenen namentlich bezeichneten Jugendlichen in seinem Gasthaus beschäftigt habe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 25. Juni 1991 wurde das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 eingestellt.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, durch die zeugenschaftliche Befragung der Anzeigeleger werde zwar die Serviertätigkeit des Jugendlichen bestätigt, doch stützten sich diese Zeugen zum Beweis für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich auf den Umstand, daß die Beschäftigung des Jugendlichen von zwei weiteren damals anwesenden Personen nicht in Abrede gestellt worden sei. Ein weiterer Beweis hiefür habe seitens des Arbeitsinspektorates nicht erbracht werden können.

Demgegenüber habe der Jugendliche die Angaben des Mitbeteiligten bestätigt, daß er von diesem nicht beschäftigt worden sei, sondern lediglich einem befreundeten Geschäftsführer geholfen habe. Auch eine Anfrage bei der Gebietskrankenkasse habe ergeben, daß der Jugendliche vom Mitbeteiligten nicht beschäftigt worden sei. Aus den Angaben der Anzeigeleger könne nicht entnommen werden, daß der Jugendliche zum Mitbeteiligten in einem Dienstverhältnis gestanden sei. Unter dem "von den Auskunftspersonen" gebrauchten Begriff der "Beschäftigung" sei nicht zwingend ein Dienstverhältnis zu verstehen, "vielmehr kann daraus nur abgeleitet werden, daß sich der Jugendliche mit Erlaubnis des Beschuldigten mit Servierarbeiten beschäftigt hat. Das erklärt auch, warum sich der Beschuldigte um das Alter von Personen, welche offenbar im Wege der Selbstbedienung auch fremde Tische versorgen, nicht gekümmert hat".

Wenn auch die Glaubwürdigkeit aller Aussagen über die Beschäftigung des "inkriminierten Jugendlichen" zweifelhaft erscheinen möge, könne auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht erwiesen werden, daß der Jugendliche im Rahmen eines Dienst-, Lehr- oder sonstigen Ausbildungsverhältnisses im Auftrag des Mitbeteiligten beschäftigt worden sei. Ein solches Rechtsverhältnis könne auch nicht daraus abgeleitet werden, daß der Mitbeteiligte nach der Beanstandung dem Jugendlichen jede Tätigkeit im Betrieb untersagt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gemäß § 9 Abs. 2 ArbIG 1974.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Die von der belangten Behörde gegebene Begründung weist wesentliche Mängel auf, die eine nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes verhindern. Die Ausführungen, aus den Angaben der als Zeugen vernommenen Anzeiger könne nur abgeleitet werden, daß sich der Jugendliche mit Erlaubnis des Mitbeteiligten mit Servierarbeiten beschäftigt habe, was auch erkläre, warum sich der Beschuldigte um das Alter von Personen, "welche offenbar im Wege der Selbstbedienung auch fremde Tische versorgen", nicht gekümmert habe, sind - soweit ihre Bedeutung überhaupt erkennbar ist - mit den aufgenommenen Beweisen nicht in Einklang zu bringen.

Nach dem Schreiben des Arbeitsinspektorates an die erstinstanzliche Behörde vom 11. Dezember 1989 und den damit inhaltlich übereinstimmenden Angaben der als Zeugen vernommenen Anzeigeleger wurde während eines Zeitraumes von ca. 15 Minuten beobachtet, daß der genannte Jugendliche Serviertätigkeiten an zwei bis drei Tischen und Tätigkeiten an der westlichen Schank des Betriebes durchgeführt habe. Der Mitbeteiligte habe in der Folge die Beschäftigung nicht in Abrede gestellt, sich überrascht gezeigt, daß es sich bei der genannten Person um einen Jugendlichen gehandelt habe, und erklärt, es erscheine ihm unmöglich, daß er sich um das Alter aller seiner Arbeitnehmer kümmere.

Diese von den Anzeigelegern beschriebene Verantwortung des Mitbeteiligten ihnen gegenüber kann bei verständiger Würdigung der vom Mitbeteiligten abgegebenen Erklärungen nur so aufgefaßt werden, daß darin die Erfüllung des Tatbestandes in objektiver Hinsicht zugestanden und bloß die Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens bestritten wird.

Der Mitbeteiligte hat zu den im Berufungsverfahren abgelegten Aussagen der Anzeiger keine Stellungnahme abgegeben, obwohl ihm dazu Gelegenheit geboten worden war. Seine im erstinstanzlichen Verfahren abgelegte Aussage, der genannte Jugendliche sei bei ihm nicht beschäftigt und habe seinem Geschäftsführer aus Freundschaft zu diesem geholfen, eine Getränkekiste ins Lager zu bringen, läßt sich mit den Angaben der im Berufungsverfahren vernommenen Anzeiger nicht vereinbaren. Sie steht auch nicht im Einklang mit der Aussage des als Zeugen vernommenen Jugendlichen, er habe einem Freund, der beim Mitbeteiligten beschäftigt sei, bei seiner Arbeit "bei Kleinigkeiten, zum Beispiel Kisten mit Getränken aus dem Lager holen", geholfen. Die Aussage dieses Jugendlichen, der bestreitet, Serviertätigkeiten ausgeübt zu haben, steht auch im Widerspruch zu den Zeugenaussagen der Anzeigeleger.

Mit all diesen Widersprüchen hat sich die belangte Behörde nicht entsprechend auseinandergesetzt und nicht ausgeführt, in welchem Umfang sie welche Aussagen für glaubwürdig bzw. unglaubwürdig hält und welche Erwägungen dafür maßgebend waren. Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift die Beschäftigung des Jugendlichen damit zu erklären versucht, er habe "offenbar im Wege der Selbstbedienung auch fremde Tische versorgt", ist nicht erkennbar, auf welche Beweise sich diese Annahme stützen könnte. Die Tatsache, daß der Jugendliche vom Mitbeteiligten nicht bei der Gebietskrankenkasse angemeldet wurde, spricht nicht gegen die Annahme, daß der Jugendliche zur Tatzeit in einem Dienstverhältnis zum Mitbeteiligten gestanden ist.

2. Wenn die belangte Behörde als erwiesen annehmen sollte, daß der Jugendliche im Gastgewerbebetrieb des Mitbeteiligten mit dessen Billigung Dienstleistungen erbracht hat, wird sie sich mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob nicht dadurch schlüssig ein Dienstvertrag zustande gekommen ist. Zu diesem Ergebnis könnte die belangte Behörde auch dann kommen, wenn keinerlei Vereinbarungen über das Entgelt vorliegen sollten, weil dann im Sinne des § 1152 ABGB ein angemessenes Entgelt als bedungen gälte, für dessen Höhe der Kollektivvertragslohn als Richtschnur herangezogen werden kann (siehe Krejci, in Rummel2, Rz 24 zu § 1152 ABGB).

3. Im Hinblick auf die oben unter Punkt 1 dargelegten Begründungsmängel war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

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