VwGH 92/16/0002

VwGH92/16/000225.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerden

1. der Mag. SP, 2. des Mag. MS, beide in X, beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in X, gegen die Bescheide der FLD für Wien, NÖ und Bgld, je vom 6.11.1991, zu 1. Zl. GA 11/602/1/91 (hg. Zl. 92/16/0002), zu 2. Zl. GA 11-602/91 (hg. Zl. 92/16/0003), je betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs3;
BAO §115 Abs2;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
WFG 1968 §2 Abs1 Z3;
WFG 1968 §2 Abs1 Z9;
WFG 1984 §2 Z3;
WFG 1984 §2 Z7;
AVG §45 Abs3;
BAO §115 Abs2;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
WFG 1968 §2 Abs1 Z3;
WFG 1968 §2 Abs1 Z9;
WFG 1984 §2 Z3;
WFG 1984 §2 Z7;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 2.782,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 10. September 1986 erwarben die Beschwerdeführer je zur Hälfte das Eigentum an einem bestimmten inländischen Grundstück. Für diesen Erwerbsvorgang hatten sie Grunderwerbsteuerbefreiung wegen § 4 Abs. 1 Z. 2 (lit. a) GrEStG 1955 (in der Folge: GrEStG) beantragt.

Mit Bescheid vom 30. Mai 1988 bewilligte der Bürgermeister der Stadtgemeinde X die Errichtung eines Einfamilienhauses aufgrund des vorgelegten Bauplanes und der Baubeschreibung. Aus dem mit der Bezugsklausel versehenen Bauplan ("Der kommissionellen Verhandlung am 9. 5. 1988 zugrunde gelegen Zl IV/2--1072-153-9/87 Hierauf bezieht sich der Bescheid der Stadtgemeide X vom 30. Mai 1988 Der Bürgermeister") ergibt sich folgendes: Man betritt das Haus vom Eingang an der A.-gasse über einen 2,44 m2 großen Windfang und einen 10,90 m2 großen Vorraum; von dort gelangt man über einen Stiegenabgang in das 1,50 m tiefer liegende Erdgeschoß, welches über folgende Räumlichkeiten verfügt: Wohnraum 45,40 m2, Schlafraum 22,40 m2, Kochnische 9,90 m2, Bad 6,04 m2 und WC 0,90 m2, somit insgesamt 84,64 m2. Unmittelbar aus dem Wohnraum - irgendeine Trennung ist aus dem Plan nicht erkennbar - betritt man den Stiegenabgang ins Untergeschoß; dort gelangt man - ebenso ohne jedwede erkennbare Trennung in den als "Atelier" bezeichneten Raum (70,70 m2); im Untergeschoß befinden sich noch ein 5,13 m2 großes Bad und 1,89 m2 großes WC. Der Plan weist insgesamt drei Türen aus, von denen man aus dem Atelier in den Garten gelangt. Eine Möglichkeit, von der Erdgeschoßwohnung direkt in den Garten zu kommen - wofür wegen der Hanglage nur eine Außenstiege in Betracht käme - ist aus dem Plan nicht ersichtlich.

Die Anfrage des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien zwecks Überprüfung der Grunderwerbsteuerbefreiung beantworteten die Beschwerdeführer dahingehend, daß die Wohnnutzfläche 101,28 m2 betrage. Der mit der oben wiedergegebenen Bezugsklausel versehene Einreichplan wurde angeschlossen.

Mit Bescheiden vom 14. Jänner 1991 setzte dieses Finanzamt auf der Basis des Kaufpreises (je S 420.000,--) die Grunderwerbsteuer mit je S 33.600,-- fest. Die Vorschreibung erfolgte gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG wegen Überschreitung des zulässigen Nutzflächenausmaßes von 130 m2 "inklusive GrEStpflichtigen Atelierraum".

In ihrer Berufung führten die Beschwerdeführer unter ausdrücklichem Verweis auf den Bauplan aus, daß die Wohnfläche 87,94 m2, die Fläche des freiberuflich bzw. gewerblich genützten Ateliers aber 77,81 m2 betrage, sodaß das Objekt überwiegend Wohnzwecken diene. Sowohl bei der Wohnung als auch beim Atelier handle es sich um abgeschlossene Teile des Gebäudes; das Atelier verfüge über einen separaten Eingang im Stiegenhaus und sei auch von außen getrennt zu betreten. Schon aufgrund der büromäßigen Ausstattung (Arbeits-/Zeichentische, Büroregale, Aktenablage etc.) und Zweckbestimmung dieses Gebäudeteiles diene das Atelier nicht der Befriedigung des Wohnbedürfnisses. Es sei auch nur für den Wohnteil Wohnbauförderung in Anspruch genommen worden.

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vor. Die belangte Behörde wies die Berufungen ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens als unbegründet ab. Allein aus dem Plan ergebe sich, daß eine Insichgeschlossenheit der einzelnen Gebäudeanteile nicht vorhanden sei. Erdgeschoß samt darüber befindlichem Vorraum (95,54 m2) und Untergeschoß (77,81 m2) seien zusammenzurechnen. Eine allfällige Wohnbauförderung binde die Abgabenbehörde bei Prüfung der Voraussetzungen der Grunderwerbsteuerbefreiung nicht.

Dagegen richten sich die Beschwerden, in welchen - wenn auch ohne Ausführung im einzelnen - Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften, die der Bundesminister für Finanzen unter Anschluß des Verwaltungsaktes vorlegte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beide Beschwerden wegen ihres engen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hierüber erwogen:

Die Beschwerden lassen unbestritten, daß nach der in den angefochtenen Bescheiden und in den Gegenschriften richtig zitierten hg. Rechtsprechung der Arbeitsraum, der sich im Wohnungsverband befindet, auf die Wohnnutzfläche angerechnet werden muß (vgl. Erkenntnisse vom 28. Juni 1989, Zl. 89/16/0095; 21. November 1985, 83/16/0143 mwN). Bekämpft wird vor allem die Tatsachenfeststellung der belangten Behörde, das Atelier sei kein in sich abgeschlossener Gebäudeteil. Die Beschwerden machen geltend, die belangte Behörde wäre bei Durchführung eines vollständigen Ermittlungsverfahrens zu einem anderen Ergebnis gelangt; außerdem hätte sie ihre Ermittlungsergebnisse - allenfalls im Wege einer Berufungsvorentscheidung - den Beschwerdeführern vorhalten müssen.

Es ist zwar richtig, daß in der Berufung diesbezüglich neue Sachbehauptungen aufgestellt wurden. Allerdings verwiesen die Berufungswerber neuerlich auf den schon vorgelegten Bauplan, aus dem ein separater Eingang des Ateliers im Stiegenhaus keineswegs erkannt werden kann. Den Umstand, daß der Garten vom Atelier zu erreichen ist, hat die Behörde berücksichtigt; aus dem vorliegenden Plan ist aber keineswegs erkennbar, daß es einen gesonderten Abgang für den Kundenkreis von der Straße zum Ateliereingang gibt, sondern gelangt auch der Wohnungsbenützer offenkundig über das Atelier in den Garten. Also nicht nur, weil keinerlei Trennung vom Stiegenhaus erkennbar ist, sondern auch, weil der Garten von der Wohnung nur über das Atelier erreichbar ist, erscheint es ausgeschlossen, das Atelier als abgeschlossenen Gebäudeteil anzusehen. Allein diese baulichen Gegebenheiten machen ein Eingehen darauf, wie das Atelier ausgestattet ist, nicht mehr erforderlich.

Die Beschwerde meint, die belangte Behörde stütze sich auf einen Plan, der mit einem Übertragungsfehler des Architekten behaftet sei; in Wirklichkeit seien die Gebäudeteile jeweils für sich abgeschlossen vom Stiegenhaus durch Türen betretbar. Abgesehen davon, daß aus den Berufungsausführungen nur die Behauptung EINES separaten Eingangs des Ateliers vom Stiegenhaus hervorgeht, nunmehr aber von TürEN die Rede ist, stützten sich die Berufungswerber allein auf den vorliegenden Bauplan und machten damals keinen Übertragungsfehler geltend. Diese Sachbehauptung ist eine unzulässige Neuerung, auf die gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nicht Bedacht zu nehmen ist (siehe die bei Dolp - Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seite 252 ff dazu ergangene umfangreiche Judikatur).

Die in der Beschwerde gerügte Verletzung von Verfahrensvorschriften kommt aber auch deshalb nicht in Betracht, weil die in Frage stehende Befreiungsbestimmung dann nicht mehr anwendbar ist, wenn durch die Einreichung der Baupläne die Absicht manifestiert wird, keine Arbeiterwohnstätte zu errichten. Die Absicht, auf einem Grundstück eine Arbeiterwohnstätte zu errichten, ist ein Willensentschluß, der dann zu einer steuerlich erheblichen Tatsache wird, wenn er durch seine Manifestation an die Außenwelt tritt. Da die Beschwerdeführer durch die Einreichung des Bauplanes die Absicht bekundeten, ein Haus mit mehr als 130 m2 Wohnnutzfläche zu errichten, war die belangte Behörde keineswegs verpflichtet, das Haus zu besichtigen, um beurteilen zu können, ob eine Arbeiterwohnstätte errichtet worden ist oder nicht (vgl. Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zl. 89/16/0095).

Eine Verletzung des Gebotes, Beweisergebnisse vorzuhalten, ist schon deshalb nicht gegeben, weil dann, wenn ausschließlich von dem von der antragstellenden Partei selbst vorgelegten Beweismittel ausgegangen wird, das rechtliche Gehör nicht verletzt werden kann. Ein Verstoß gegen derartige Verfahrensgrundsätze liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn ein von der Behörde verwertetes Beweismittel, dessen Gehalt der Partei von der Behörde nicht zur Kenntnis gebracht wurde, von der Partei selbst stammt. Die Würdigung des Beweismittels und die darauf gestützte rechtliche Schlußfolgerung muß der Partei nicht vor der Bescheiderlassung zur Kenntnis gebracht werden (Erkenntnis vom 12. Februar 1986, Zl. 85/11/0025).

Daß die Abgabenbehörde die Wohnnutzfläche nicht mit 101,28 m2 annimmt, erfuhren die Beschwerdeführer durch die erstinstanzlichen Bescheide. Die Möglichkeit, in den Berufungen dem durch Tatsachenvorbringen zu widersprechen, ließen die Beschwerdeführer, die sich wieder auf denselben Plan beriefen, ungenützt.

Welche Tatsachengrundlage die Beschwerde mit dem Hinweis auf die Einheitswertfestsetzung meint, ist nicht erkennbar; den vorgelegten Erklärungskopien kann jedenfalls nicht entnommen werden, daß das Finanzamt Wien Umgebung davon ausgegangen wäre, das Stiegenhaus sei jeweils durch Türen von den übrigen Gebäudeteilen getrennt.

Die vorliegenden Beschwerden waren somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Durch die Entscheidung in der Sache selbst bedarf es keines Eingehens auf die Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

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