VwGH 91/12/0097

VwGH91/12/009724.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der J Gesellschaft m.b.H. in T, vertreten durch Dr. R als alleinzeichnungsberechtigter Geschäftsführer, dieser vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 12. März 1991, Zl. 28 0098/3-V/4/91, betreffend Bewilligung für den Betrieb einer mobilen Sortieranlage gemäß § 14 Sonderabfallgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §74 Abs1 idF 1988/399;
SAG §14 idF 1983/186;
GewO 1973 §74 Abs1 idF 1988/399;
SAG §14 idF 1983/186;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 11. April 1990 suchte die Beschwerdeführerin um Bewilligung für den Erwerb und Betrieb einer mobilen Sortieranlage gemäß § 14 des Sonderabfallgesetzes, BGBl. Nr. 186/1983, beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung an. Obwohl über entsprechendes Ansuchen mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom (23.) November 1990 die mobile Betriebsanlage (Sortieranlage) der Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes als Probebetrieb für die Dauer von sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides genehmigt wurde und am 30. April 1990 eine Augenscheinsverhandlung stattfand, entschied die angerufene Behörde innerhalb der Frist des § 73 AVG nicht, sodaß die Beschwerdeführerin am 10. Dezember 1990 einen Devolutionsantrag an das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie stellte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie den Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin vom 12. Dezember 1990 "im Grunde des § 14 Sonderabfallgesetz zurück". In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach kursorischer Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes im wesentlichen aus, gemäß § 14 Abs. 1 des Sonderabfallgesetzes in der Fassung BGBl. Nr. 256/1989 bedürfe die Errichtung von Anlagen zur Lagerung oder Beseitigung von Sonderabfällen, ausgenommen jener des Bundesheeres und der Heeresverwaltung, einer Bewilligung des Landeshauptmannes, sofern nicht eine Bewilligung (Genehmigung) nach gewerbe-, berg- oder energierechtlichen Bestimmungen erforderlich sei. Gemäß § 44 Abs. 6 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, seien anhängige Genehmigungsverfahren nach den bisherigen Rechtsvorschriften zu beenden. Gemäß § 74 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974 in der derzeit geltenden Fassung, sei unter einer gewerberechtlichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt sei. Gemäß §§ 74 Abs. 2 leg. cit. dürften gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließe das Merkmal der stabilen Einrichtung der Anlage natürlich nicht aus, daß in der Anlage selbst nicht ortsgebundene Einrichtungen, das heißt bewegliche Sachen - wie Stapler, Schweiß- und Schneidegeräte - verwendet würden und erforderliche Vorschreibungen sich selbstverständlich auch auf diese Einrichtungen erstrecken könnten (dazu unrichtig zitiert VwSlg. 9193/A, richtig: VwSlg. 9183/A). Im gegenständlichen Fall werde die mobile Abfallsortieranlage an zwei Betriebsanlagestandorten der Antragstellerin (Deponie im Gemeindegebiet von L, Abfallzwischenlager im Gemeindegebiet von T) eingesetzt. Weiters sei festzuhalten, daß die Anlage nicht an bestimmte Plätze gebracht werde, um dort die vor Ort anfallenden Abfälle zu sortieren, sondern daß von anderen Standorten Abfälle zu den gewerblichen Betriebsanlagen der Antragstellerin (Beschwerdeführerin), in deren Bereich nunmehr auch die mobile Sortieranlage aufgestellt werden solle, verbracht werden sollten. Nach Ansicht des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie wäre daher für die in Rede stehende Anlage eine Genehmigung nach gewerberechtlichen Bestimmungen erforderlich; einer Bewilligung gemäß § 14 Sonderabfallgesetz bedürfe es daher für diese Anlage nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:

Der angefochtene Bescheid lautet auf Zurückweisung des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers "im Grunde des § 14 SAG" und ist in dieser Formulierung zumindest interpretationsbedürftig. Da aber Spruch und Begründung eines Bescheides als Einheit aufzufassen ist und die Begründung des angefochtenen Bescheides eindeutig auch auf die materiell-rechtliche Frage der Genehmigungspflicht nach dem SAG eingeht, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes der Spruch der angefochtenen Entscheidung so zu lesen, als lautete er auf Abweisung des auf Genehmigung der mobilen Sortieranlage nach dem SAG abzielenden Antrages des Beschwerdeführers. Ausgehend davon hatte sich der Verwaltungsgerichtshof auch mit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen materiell-rechtlichen Frage der Genehmigungspflicht zu befassen.

Der Antrag der Beschwerdeführerin im behördlichen Verfahren lautete:

"Wir beabsichtigen den Erwerb und Betrieb einer mobilen Sortieranlage, mit deren Hilfe wir auf den derzeit nur unsortiert auf einer Deponie abgelagerten Gewerbeabfällen zukünftig möglichst viele Wertstoffe gewinnen und so die künftig zu deponierende Menge reduzieren möchten. Anbei übersenden wir ihnen vier Projektsparien und ersuchen um Einleitung eines Bewilligungsverfahrens gemäß § 14 Sonderabfallgesetz BGBl. 186/83."

Nach einem auf dem Antrag enthaltenen undatierten Aktenvermerk wurde dieses Ansuchen von der Beschwerdeführerin dahingehend ergänzt, daß laut Auskunft von Dipl. Ing. O die Anlage vorerst in L stehen solle. Über diesbezügliche Anfrage der belangten Behörde teilte die Beschwerdeführerin darüber hinaus in Ergänzung ihres Antrages mit Schreiben vom 1. Februar 1991 mit, daß die mobile Sortieranlage entgegen ursprünglicher Absicht nunmehr VORERST am Sitz der Beschwerdeführerin in T zum Einsatz kommen und dort die von der Beschwerdeführerin von Industriekunden in Niederösterreich ÜBERNOMMENEN Abfälle vorsortiert würden.

Der Anlage würden somit Gewerbeabfälle, allenfalls auch Sperrmüll zugeführt werden. Gefährliche Abfälle gemäß § 2 Abs. 5 AWG würden nicht sortiert. Da es sich um eine nicht bloß semimobile, sondern um eine mit dem Untergrund nicht dauerhaft verbundene, somit vollmobile Anlage handle, beabsichtige die Beschwerdeführerin, die Anlage zu einem späteren Zeitpunkt AUCH zur Abfallvorsortierung an "ihrer" Deponie im Gemeindegebiet von L zum Einsatz zu bringen. Die Anlage beruhe im wesentlichen auf einem Metallgerüst und sei so konstruiert, daß der Anlagenaufbau bzw. Abbau binnen eines einzigen Tages möglich sei.

Nach dem § 44 Abs. 6 des Bundesgesetzes über die Vermeidung und Behandlung von Abfällen (Abfallwirtschaftsgesetz - AWG), BGBl. Nr. 325/1990, sind anhängige Genehmigungsverfahren nach den bisherigen Rechtsvorschriften zu beenden. Der Antrag auf Genehmigung der mobilen Sortieranlage wurde am 11. April 1990 gestellt (eingelangt bei der Behörde erster Instanz am 12. April 1990), war daher im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AWG (1. Juli 1990) bereits in diesem Sinne anhängig. Auf das vorliegende Ansuchen sind daher nach wie vor die Bestimmungen des Sonderabfallgesetzes 1983 in der zuletzt geltenden Fassung (SAG) anzuwenden.

Der hier relevante § 14 Abs. 1 SAG, BGBl. Nr. 186/1983 in der Fassung BGBl. Nr. 376/1988, sah eine Bewilligungspflicht für Errichtung von Anlagen zur Lagerung oder Beseitigung von Sonderabfällen, ausgenommen jene des Bundesheeres und der Heeresverwaltung, durch den zuständigen Landeshauptmann vor, sofern nicht eine Bewilligung (Genehmigung) nach gewerbe-, berg- oder energierechtlichen Bestimmungen erforderlich war. Aus dieser Subsidiaritätsregelung folgt aber, daß in dem Falle, in dem eine gewerbe-, berg- oder energierechtliche Bewilligung (Genehmigung) erforderlich ist, sich eine Bewilligung nach § 14 SAG erübrigt. Ausschließlich auf diese Subsidiarität stützt sich die Argumentation der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Es ist daher im vorliegenden Fall letztendlich nur die Frage zu prüfen, ob die hier antragsgegenständliche Sortieranlage der Genehmigungspflicht nach § 74 Abs. 1 der Gewerbeordnung oder nach § 14 SAG unterliegt.

§ 74 Abs. 1 Gewerbeordnung 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, lautet:

"Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist."

Das Wesen der "Anlage" liegt daher in der stabilen Einrichtung. Unbestritten ist ferner, daß zwar eine Baulichkeit jedenfalls eine örtlich gebundene Einrichtung darstellt, ihr Bestehen aber nicht zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer örtlich gebundenen Einrichtung ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1986, Zl. 85/04/0081; Schwarzer, Die Genehmigung von Betriebsanlagen, 162 mit weiteren Nachweisen). Fraglich bleibt, nach welchen Gesichtspunkten die Ortsgebundenheit bei Einrichtungen zu beurteilen ist, die keine Bauwerke sind (insbesondere bei sogenannten mobilen Anlagen, die auf Fahrzeugen montiert sind und nur beschränkte Zeit an einem Einsatzort verbleiben). Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 22. November 1978, Zl. 2678/77, Stellung bezogen. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Beschwerdefall hatte den Betrieb einer mobilen Abfallverbrennungsanlage zum Gegenstand. Die damalige Beschwerdeführerin hatte in diesem Verfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Verbrennungsanlage nicht allein im Standort des Gewerbes, sondern auch und vor allem außerhalb des Standortes dort eingesetzt werden solle, wo Abfall anfalle. Die Verbrennungsanlage sei sohin das Betriebsmittel, das entsprechend dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren über Wunsch und Auftrag der Kunden der Beschwerdeführerin auf ständig wechselnden Orten, etwa den Grundstücken der Kunden zur Verbrennung des Abfalles, aufgestellt und daher am Aufstellungsort nur für eine relativ kurze Zeit verwendet werde. Davon ausgehend erachtete der Verwaltungsgerichtshof in diesem Falle schon nach der Art der Tätigkeit alle an den für eine Betriebsanlage gemäß § 74 Abs. 1 Gewerbeordnung geforderten Merkmale als nicht gegeben.

Bereits in seiner Entscheidung vom 21. Mai 1985, Zl. 85/04/0026, VwSlg. 11.771/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß gemäß § 74 Abs. 1 Gewerbeordnung 1973 unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen ist, die der regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Das Merkmal der örtlichen Gebundenheit ist dabei nicht nur dann gegeben, wenn die Einrichtung schon ihrer physischen Natur nach unbeweglich ist, sondern auch dann, wenn die ihrer Natur nach zwar bewegliche Einrichtung nach der Absicht des Gewerbetreibenden ausschließlich oder überwiegend und für längere Zeit an einem bestimmten Standort der Entfaltung der gewerblichen Tätigkeit dienen soll (mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. November 1978, Zl. 2678/77).

Im Hinblick auf diese Rechtslage kann es daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde auf der Grundlage des im behördlichen Verfahren erstatteten Vorbringens davon ausgegangen ist, daß die Anlage nicht nur an bestimmte Plätze gebracht werde, um dort die vor Ort anfallenden Abfälle zu sortieren, sondern daß von anderen Standorten Abfälle zu den gewerblichen Betriebsanlagen der Antragstellerin, in deren Bereich nunmehr auch die mobile Sortieranlage aufgestellt werden soll, verbracht werden sollten, und solcherart von einer "örtlichen Gebundenheit" der Einrichtung und damit von einer Genehmigungspflicht im Sinn des § 74 Abs. 1 Gewerbeordnung ausgegangen ist. Nach der von der Beschwerdeführerin im behördlichen Verfahren selbst angegebenen Zweckbestimmung, nämlich der Verwendung innerhalb der gewerblichen Betriebsanlage der Beschwerdeführerin, wird diese Anlage - sei sie auch in technischer Hinsicht "mobil" - als Teil derselben eingesetzt und unterliegt damit der gewerberechtlichen Bewilligung. Daß die Anlage nicht bloß am Geschäftssitz der Beschwerdeführerin, sondern später auch zur Abfallsortierung an der von der X Sonderabfalldeponie Gesellschaft m.b.H. betriebenen Deponie im Gemeindegebiet von L zum Einsatz kommen werde und darüber hinaus die Beschwerdeführerin erwogen habe, diese Anlage auch an anderen Deponiestandorten, etwa im Rahmen des Konzerns, dem die Beschwerdeführerin als Tochtergesellschaft angehört, zum Einsatz zu bringen bzw. zu vermieten, widerspricht dem Neuerungsverbot gemäß § 41 Abs. 1 VwGG, da diese Ausführungen - entgegen den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen - im behördlichen Verfahren nicht zum Vortrag gekommen sind.

Ausgehend von der im Antrag bzw. dessen Ergänzung enthaltenen Zweckbestimmung der Anlage hat aber auch die belangte Behörde zu Recht die Genehmigungspflicht im Sinne des § 74 Abs. 1 Gewerbeordnung angenommen. Die Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte