VwGH 91/10/0156

VwGH91/10/015630.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in Wien, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan vom 13. Mai 1991, Zl. 1170/4/1991-III, betreffend Erteilung einer Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: M Z, in H, U), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52 Abs1;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §19 Abs6;
AVG §52 Abs1;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §19 Abs6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beantragte mit Eingabe vom 26. Februar 1991 bei der belangten Behörde die Rodungsbewilligung für eine Waldfläche von ca. 1,00 ha aus den Parzellen nn1 und nn2 der KG U zum Zwecke der Errichtung eines Geheges; gleichzeitig bot sie Ersatzaufforstungsflächen im Ausmaß von 11.866 m2 an.

Die belangte Behörde führte eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Amtssachverständigen für Forsttechnik und eines Amtssachverständigen für Landwirtschaft durch.

Im Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen wird ausgeführt, die Antragstellerin besitze und bewirtschafte den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in U, Gemeinde H, den sie mit einer Gesamtfläche von 28,2 ha vor einigen Jahren von ihrer Mutter übernommen habe. Hievon entfielen 10,7 ha auf landwirtschaftliche Nutzfläche und 17,5 ha auf Wald. Da die Betriebsführerin bei ihrem Gatten in L, Gemeinde E wohne, der dort ebenfalls einen Bergbauernbetrieb besitze und im Vollerwerb bewirtschafte, sei man aus arbeitswirtschaftlicher Sicht bemüht, den Betrieb der Mitbeteiligten extensiver zu bewirtschaften, weil die dortige Hauptarbeitskraft die Mutter der Mitbeteiligten sei. Der Hof, der in ca. 1000 m Seehöhe liege, sei in der X-Zone und daher sei auch ein Großteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche steil. Die landwirtschaftliche Nutzfläche eigne sich gut für den Betriebszweig "Fleischproduktion im Wildgatter", nur wäre dafür Waldfläche als Unterstand notwendig. Es handle sich hiermit um einen landwirtschaftlichen Betriebszweig, dessen Markt noch nicht gesättigt sei und es sei beabsichtigt, in diesem Zusammenhang die Rinderhaltung etwas einzuschränken. Die beabsichtigte Rodung, in deren Zusammenhang als Ausgleich ungünstige landwirtschaftliche Nutzfläche aufgeforstet werden solle, wäre in diesem extrem entsiedlungsgefährdeten Gebiet zum Zwecke der alternativen Tierhaltung bzw. Fleischproduktion aus landwirtschaftlicher Sicht notwendig und daher als Agrarstrukturverbesserung erforderlich.

Der Amtssachverständige für Forsttechnik hielt in seinem Gutachten zur Rodungsfläche fest, auf steilen, mittelgründigen, mäßig frischen, nach Ost exponierten Hängen mittlerer Bonität stockten Fichten, Altholz- sowie Grauerlenbestände. Die Überschirmung liege bei 9/10. Neben der Nutzfunktion wäre die Schutzfunktion mit 2 anzunehmen. Wohlfahrts- und Erholungsfunktion seien zweitrangig. Kriterien, die eine Erklärung zum Schutz- oder Bannwald erfordern würden, seien nicht gegeben. Relevante grundbücherliche Belastungen seien nicht bekannt. Es handle sich um Waldflächen, die dem Forstgesetz unterlägen und gemäß Erlaß Zl. 52.120/02-VG 5/1990 (des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft) für die beabsichtigte außerforstliche Verwendung einer Rodungsbewilligung bedürften. Bereits im vergangenen Jahrzehnt seien die betroffenen Waldflächen Teil eines ausgedehnten Gatters gewesen, welches nunmehr in wesentlich verkleinertem Umfang weiter betrieben werden solle. Nachdem von der Antragstellerin zwei direkt an die Rodefläche angrenzende landwirtschaftliche Grenzertragböden mit einer Fläche von insgesamt 11.000 m2 als Ersatzfläche zur Neuaufforstung vorgesehen seien, würde ein Ausgleich erreicht werden. Die Ersatzflächen seien technisch sowie rechtlich aufforstbar und bestens für die forstliche Bewirtschaftung geeignet. Durch die beabsichtigte außerforstliche Nutzung der beantragten Fläche seien nachteilige Folgen für die verbleibenden angrenzenden Waldflächen nicht zu erwarten. Aus forstfachlichen Überlegungen könne dem Vorhaben unter Einhaltung verschiedener näher bezeichneter Auflagen zugestimmt werden.

Der Vertreter der Marktgemeinde H gab die Erklärung ab, daß das Vorhaben befürwortet werde, da dadurch eine Agrarstrukturverbesserung für den Betrieb der Mitbeteiligten bewirkt werde.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. Mai 1991 wurde der Mitbeteiligten die beantragte Rodungsbewilligung unter Vorschreibung der vom forsttechnischen Amtssachverständigen vorgeschlagenen Auflagen erteilt. In der Begründung wurde zunächst ausgeführt, der Bescheid stütze sich auf die (im Spruch angeführten) gesetzlichen Bestimmungen und das Ergebnis der am 17. April 1991 durchgeführten mündlichen Ortsverhandlung. Daran anschließend wurde das Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen wiedergegeben und am Schluß die Aussage getroffen, auf Grund der vorstehenden Feststellungen erscheine das überwiegende öffentliche Interesse an der Rodung nachgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 170 Abs. 8 des Forstgesetzes 1975 gestützte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde und die Mitbeteiligte haben keine

Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst darauf verwiesen, daß der forsttechnische Amtssachverständige den Wildtiergattererlaß des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom 17. Juli 1990, Zl. 52.120/02-VB 5/90, nicht beachtet habe, weil er den dort vorgeschlagenen Auflagen und Bedingungen für eine Rodungsbewilligung zum Zwecke der Fleischproduktion nicht Rechnung getragen habe; insbesondere sei keine Befristung der Rodungsbewilligung vorgesehen worden.

Dieser Erlaß stellt lediglich eine generelle Weisung (Verwaltungsverordnung) des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft an (funktionell) unterstellte Dienststellen und deren Organwalter dar und bindet nur diese. Er ist daher im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof kein Maßstab, an dem die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu messen ist.

Hingegen ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht, wenn sie bemängelt, daß die in der Begründung des angefochtenen Bescheides vorgenommene rechtliche Beurteilung die vom Forstgesetz 1975 vorgeschriebene Interessenabwägung nicht ausreichend und nachvollziebar erkennen lasse und daß inbesondere keine Feststellungen über die Waldausstattung sowie darüber getroffen worden seien, ob nicht andere Unterstandsmöglichkeiten ohne Inanspruchnahme von Waldboden bestünden oder geschaffen werden könnten - etwa Energieholzflächen oder Baum- bzw. Strauchgruppen, die nicht Wald im Sinn des § 1 des Forstgesetzes seien - bzw. ob das beantragte oder bewilligte Ausmaß der Rodung in diesem Umfang unerläßlich gewesen sei.

Nach § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als solchen der Waldkultur (Rodung) verboten. Die Forstbehörde kann aber zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt. Nach Abs. 3 des Gesetzes können öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet sein. Nach § 17 Abs. 4 hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen; ferner sind unter dieser Voraussetzung die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen. Ein in der Agrarstrukturverbesserung begründetes öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche ist dann zu bejahen, wenn die Rodung eine Maßnahme darstellt, die für die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung dieses Betriebes oder dem gleichermaßen bedeutsamen Blickwinkel der Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1991, Zl. 91/10/0118, und die dort angeführte Vorjudikatur). Im Zuge der von § 17 des Forstgesetzes 1975 vorgeschriebenen Interessenabwägung ist auch zu prüfen, ob für das Vorhaben, um das es geht, die Inanspruchnahme von Waldflächen überhaupt und bejahendenfalls im vollen Umfang erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1978, Zl. 115/77, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Voraussetzung für eine dem Gesetz entsprechende Interessenabwägung sind ausreichende Ermittlungen, welches Ausmaß im konkreten Fall das öffentliche Interesse an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald aufweist und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der Rodungsfläche vorliegt. In dieser Richtung ist aber der ermittelte Sachverhalt im Beschwerdefall mangelhaft. Das Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen behauptet zwar, die beantragte Rodung liege im öffentlichen Interesse an der Agrarstrukturverbesserung, ohne jedoch die Grundlagen für dieses Urteil in ausreichendem Maße erkennen zu lassen. Insbesondere finden sich keinerlei Feststellungen, welche Tiere gehalten werden sollen, welches Ausmaß die Tierhaltung annehmen soll und ob die geplante (maximale) Zahl von Tieren sofort eingestellt werden soll oder ob ein sukzessiver Ausbau des Tierbestandes beabsichtigt ist. Eine solche Feststellung wäre aber nicht nur für das erforderliche Ausmaß der Rodung von Bedeutung und für die Möglichkeit der Schaffung von Unterstandsflächen ohne Inanspruchnahme von Waldboden, sondern lieferte auch eine Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Tierhaltung nach Art und Umfang betriebswirtschaftlich (insbesondere im Hinblick auf die Produktions- und Absatzverhältnisse) sinnvoll ist, sodaß überhaupt von einer Agrarstrukturverbesserung gesprochen werden kann.

Der angefochtene Bescheid leidet aber auch noch an einem anderen wesentlichen Verfahrensmangel.

Nach § 19 Abs. 6 des Forstgesetzes 1975 sind im Rodungsverfahren die Gemeinde, in der die zur Rodung beantragte Fläche liegt, zur Wahrnehmung von örtlichen öffentlichen Interessen und die Behörden, die in diesem Verfahren zur Wahrnehmung sonstiger öffentlicher Interessen berufen sind, zu hören.

Zufolge dieser Bestimmung ist die Forstbehörde verpflichtet, hinsichtlich der zu lösenden Frage der Agrarstrukturverbesserung die in Angelegenheiten der Bodenreform zuständige Agrarbehörde anzuhören und, falls erforderlich, ein Gutachten eines landwirtschaftlichen Sachverständigen einzuholen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1977, Zl. 1192/77 u.a.).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zwar ein Amtssachverständigengutachten eines landwirtschaftlichen Sachverständigen eingeholt; aus dem Akt ist aber nicht zu entnehmen, ob es sich dabei um einen Amtssachverständigen der Agrarbehörde gehandelt hat bzw. daß sein Gutachten die Stellungnahme der Agrarbehörde darstellt. Das Gutachten eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen ersetzt nicht die Stellungnahme der Agrarbehörde, wenn nicht feststeht, daß der Gutachter ermächtigt war, im Namen dieser Behörde zu sprechen.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 und 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitierte wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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