VwGH 91/10/0118

VwGH91/10/011811.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in 1010 Wien, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 8. Februar 1991, Zl. 8.1 G 8/90, betreffend Erteilung einer Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: G jun. in S), zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 8. Februar 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg dem mitbeteiligten Waldeigentümer gemäß den §§ 17 bis 19 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 (im folgenden: ForstG), die Bewilligung, Waldboden des Grundstückes Nr. nnn/1, KG. G, im Ausmaß von ca. 0,3 ha zum Zweck der Agrarstrukturverbesserung zu roden. Zum Ausgleich des Verlustes der Waldfläche sei, entsprechend dem Angebot des Mitbeteiligten und der Vereinbarung vom 20. Dezember 1990, die Aufforstung auf einer bestimmten Liegenschaft des R im Ausmaß von 0,32 ha, die bereits durchgeführt und behördlich genehmigt worden sei, als Wald zu belassen und bis zur Sicherung der Kultur zu pflegen.

In der Begründung dieses Bescheides wird zunächst das forsttechnische Gutachten des Amtssachverständigen wiedergegeben. Darin heißt es:

"Die von der Rodung betroffene Fläche betrifft den mittleren Grundstücksteil des Waldgrundstückes Nr. nnn/1 KG. G im Ausmaß von ca. 0,3 ha.

Für den gesamten Südteil des W. Grundstückes Nr. nnn/1 KG. G wurde dem damaligen Eigentümer - der Gemeinde Stainztal - eine bis 31.12.1990 geltende befristete Rodungsbewilligung zum Zweck von Materialentnahmen erteilt (GZ.: 8.1 St 5/1984 vom 31.1.1985). Dieser Abbau wurde durchgeführt und das Grundstück an Herrn G verkauft. Mit einer Planie könnte nunmehr dieses Grundstück wieder in eine Form gebracht werden, welche auch eine landwirtschaftliche Nutzung - eben auf dem o.a. Teil - ermöglichen würde. Der Südteil wurde bereits aufgeforstet (ca. 800 m2). Durch die Lage der verbleibenden Bestände, sowie durch deren Aufbau (Altholz aus Ki, Fi, Eiche, Weißbuche) sind negative forstl. Auswirkungen im Hinblick auf Schnee, Wind und Sonne auszuschließen (und wurde auch in den letzten 6 Jahren seit Beginn der befristeten Rodung nichts festgestellt).

Unter Berücksichtigung der o.a. Gründe einerseits, als auch zur Erhaltung dieses ldw. Betriebes im Grenzland wird unter folgender Auflage ein positives forsttechnisches Gutachten abgegeben."

Es folgt die in den Bescheid aufgenommene Ersatzaufforstungsmaßnahme.

Der landwirtschaftliche Amtssachverständige habe folgende fachtechnische Äußerung abgegeben:

"Der Antragsteller bewirtschaftet eine ihm gehörige Liegenschaft im Gesamtausmaß von 0,7375 ha, wovon 0,6301 ha auf Wald entfallen.

Auf Grund der durchgeführten örtlichen Erhebung am 10.1.1991 konnte festgestellt werden, daß die Rodung des im Lageplan rot dargestellten Teiles des Gst. Nr. nnn/1 KG. G im Ausmaß von ca. 0,3000 ha insoweit nicht im öffentlichen Interesse gelegen erscheint, als durch sie keine Verbesserung der Agrarstruktur erzielt werden kann.

Bei der örtlichen Erhebung wurde vom Antragsteller erklärt, daß er Eigentümer eines Betriebes im Ausmaß von 4,3200 ha, wovon 0,8966 ha auf Wald entfallen, sei. Die Rodungsfläche ist eben bis sehr steil und liegt unmittelbar anschließend an die Hofstelle (Wirtschaftsgebäude). Auf der zu rodenden Fläche soll in weiterer Folge ein Wohnhaus errichtet werden.

Die Rodung bedeutet eine Durchschneidung eines geschlossenen Waldkörpers und kann daher eine Agrarstrukturverbesserung nicht bestätigt werden. Für die Schaffung von Bauland wäre, um das öffentliche Interesse nachzuweisen, ein Gutachten der Raumordnung einzuholen.

Vom landwirtschaftlichen Standpunkt kann in der gegenständlichen Maßnahme keine wie immer geartete Agrarstrukturverbesserung erblickt werden."

Der Bewilligungswerber selbst habe angegeben, er beabsichtige, die derzeit relativ steilen und eine Absturzgefahr darstellenden Höhenunterschiede auszugleichen. Um eine Durchschneidung des geschlossenen Waldkörpers zu verhindern, möchte er die Freiflächen wieder aufforsten. Lediglich auf der unmittelbar an die Hofstelle anschließenden ebenen Fläche im Ausmaß von ca. 2000 m2 wolle er von einer Wiederaufforstung Abstand nehmen und um Widmungsänderung ansuchen, da er als Hoferbe die Wirtschaft weiter betreiben wolle und ihm für die erforderliche Errichtung eines Eigenheimes keines seiner Grundstücke als Bauland zur Verfügung stehe.

Unter der Überschrift "Rechtliche Beurteilung und Beweiwürdigung" heißt es sodann im angefochtenen Bescheid weiter, die beantragte Rodung sei deshalb im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen, weil durch die Planierung des Grundstückes eine Erleichterung in der Bewirtschaftung eintrete und durch die Rodung ein Verlust an Waldfläche nicht erfolge, da eine Ersatzaufforstungsfläche zur Verfügung stehe. Die Bedingungen und Auflagen seien im Interesse der Walderhaltung erforderlich. Im übrigen verweise die Behörde auf die fachlich einwandfreie Befundung und schlüssige Begutachtung durch den forsttechnischen Amtssachverständigen, dessen Überlegungen sie sich nicht zu entziehen vermöge.

1.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Gemäß § 17 Abs. 3 ForstG sind öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.

2.2. Im vorliegenden Fall bekämpft der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft den rechtskräftigen Bescheid einer Behörde erster Instanz, mit welchem dem Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung einer Rodungsbewilligung vollinhaltlich Rechnung getragen und über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten nicht abgesprochen wurde. Ungeachtet dessen wäre es der belangten Behörde nicht gemäß § 58 Abs. 2 AVG freigestanden, von einer Begründung ihres Bescheides Abstand zu nehmen. Denn § 19 Abs. 11 ForstG in der Fassung BGBl. Nr. 576/1987 enthält für Rodungsbewilligungen eine hievon abweichende besondere Verfahrensvorschrift, in der auch für den Fall, daß dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird, die Begründungspflicht angeordnet wird.

Tatsächlich hat die belangte Behörde alle diese wesentlichen Entscheidungsgrundlagen in den angefochtenen Bescheid selbst aufgenommen. Sie hat die Ermittlungsergebnisse wiedergegeben und sodann unter dem Gesichtspunkt der "rechtlichen Beurteilung und Beweiswürdigung" ausgeführt, die beantragte Rodung sei deshalb im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen, weil durch die Planierung eine Erleichterung in der Bewirtschaftung eintrete und eine Ersatzaufforstung zur Verfügung stehe. Im übrigen verweise die Behörde auf das Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen. Damit wird die zum Zweck der Agrarstrukturverbesserung erteilte Rodungsbewilligung begründet. Diese Erwägungen sind vom Verwaltungsgerichtshof dahingehend zu überprüfen, ob die Sachverhaltsannahmen schlüssig aus den wiedergegebenen Ermittlungsergebnissen folgen und ob sie rechtlich den Spruch des Bescheides zu tragen vermögen. Dies ist nicht der Fall.

2.2.1. Zu Recht weist nämlich der beschwerdeführende Bundesminister daraufhin, daß sich der landwirtschaftliche Amtssachverständige gegen die Annahme eines öffentlichen Interesses an der Rodung ausgesprochen habe und zum Ergebnis gelangt sei, daß durch die angestrebte Rodung keine Verbesserung der Agrarstruktur erzielt werden könne. Die Planierung des Grundstückes zur allfälligen landwirtschaftlichen Nutzung und anschließenden Baulandbeschaffung, mangels anderer im Eigentum des Rodungswerbers befindlicher Baugründe, erscheine nicht als Vorhaben im öffentlichen Interesse der Agrarstrukturverbesserung. Mit diesem Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (bzw. in den Entscheidungsgrundlagen desselben), dessen Spruch sie ausschließlich auf das Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen gestützt hat, in keiner Weise abwägend auseinandergesetzt. Auch kann der Verwaltungsgerichtshof nicht aus eigenem erkennen, daß die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde bei der gegebenen Beweislage, nämlich dem Vorliegen einander widerstreitender Gutachten, zutreffend wäre. Der Gerichtshof erinnert in diesem Zusammenhang an seine Rechtsprechung, wonach ein in der Agrarstrukturverbesserung begründetes öffentliches Interresse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche dann zu bejahen sei, wenn die Rodung eine Maßnahme darstelle, die für die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung dieses Betriebes oder dem gleichermaßen bedeutsamen Blickwinkel der Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig sei. Nur ein derartiges, Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitswerwägungen ausschließendes Verständnis werde dem Ausnahmecharakter einer Rodungsbewilligung gerecht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 9. Juli 1985, Zl. 85/07/0081, und vom 11. Mai 1987, Zl. 87/10/0043).

2.2.2. Zu Recht wird nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in der Beschwerde weiters geltend gemacht, die Bescheidbegründung, bezogen auf die Feststellung des forsttechnischen Amtssachverständigen, daß die Rodung zur Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes diene, erscheine fachlich nicht ausreichend fundiert, um daraus ein öffentliches Interesse im Sinne der Agrarstrukturverbesserung abzuleiten.

Schließlich erscheint auch die vom Rodungsbewilligungswerber geäußerte Absicht, in der Folge auf der Rodungsfläche ein Wohnhaus zu errichten, nicht unter das öffentliche Interesse einer Agrarstrukturverbesserung subsumierbar. Diesfalls wäre um eine Rodungsbewilligung zu Siedlungszwecken anzusuchen gewesen. Dabei begründet allerdings der Umstand allein, daß jemand die Errichtung eines Wohnhauses beabsichtigt, kein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG, ja selbst wenn die Fläche in einem Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesen wäre, müßte im Rodungsbewilligungsverfahren geprüft werden, welches öffentliche Interesse (das an der Baulandbeschaffung oder jenes an der Walderhaltung) überwiegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1977, Zl. 1663/76 = ZfVB 1977/4/1411).

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof weist schließlich noch darauf hin, daß das Angebot einer Ersatzaufforstung nach der Rechtsprechung für die Prüfung der Berechtigung des Antrages auf Rodungsbewilligung nicht wesentlich ist, da der Frage der Ersatzaufforstung im Hinblick auf § 18 ForstG erst für den Fall der Bewilligung Bedeutung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1985, Zl. 83/07/0205 = ZfVB 1985/5/1711).

2.4. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

2.5. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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