VwGH 91/08/0045

VwGH91/08/004512.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Kärntner Gebietskrankenkasse in Klagenfurt, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30. Jänner 1991, Zl. 127.257/1-7/90, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. VS in M, 2. Autohaus B-GmbH in S, beide vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in P,

3. PVA der Angestellten in W 4. AUVA in W), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §357 Abs1;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ASVG §357 Abs1;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 9. Mai 1989 ging bei der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse die von der zweitmitbeteiligten Gesellschaft m.b.H. als Dienstgeber erstattete Anmeldung des Erstmitbeteiligten zur Sozialversicherung ein. Die Anmeldung enthält neben den persönlichen Daten des Erstmitbeteiligten die Erklärung, dieser sei ab 1. Mai 1989 (an fünf Tagen = 38,5 Stunden in der Woche gegen monatlich auszuzahlendes Entgelt) als Geschäftsführer beschäftigt.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse am 11. Oktober 1989 folgenden Bescheid:

"(Der Erstmitbeteiligte) wurde durch (die Zweitmitbeteiligte) als Geschäftsführer per 1. Mai 1989 zur Pflichtversicherung angemeldet.

Gemäß § 410 ASVG in Verbindung mit den §§ 409 und 357 ASVG

ergeht hierüber folgender

Spruch:

(Der Erstmitbeteiligte) unterliegt hinsichtlich seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der (Zweitmitbeteiligten) nicht der Pflichtversicherung in der Vollversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG.

Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG ist die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung ebenfalls nicht gegeben.

Die für den (Erstmitbeteiligten) per 1. Mai 1989 erstattete Anmeldung zur Pflichtversicherung wird daher abgelehnt."

Nach der Begründung des Bescheides ging die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse davon aus, daß der Erstmitbeteiligte Eigentümer der gesamten Stammanteile am S 1 Mio betragenden Stammkapital der Zweitmitbeteiligten sei; einem Stammkapital von S 900.000,-- entsprechende Stammanteile halte er als Treuhänder. Ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG liege nicht vor, da der Erstmitbeteiligte 100 % des Stammkapitals der Zweitmitbeteiligten halte. Die Anmeldung des Erstmitbeteiligten zur Pflichtversicherung per 1. Mai 1989 sei daher abzulehnen gewesen.

In seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vertrat der Erstmitbeteiligte im wesentlichen die Auffassung, er sei als Geschäftsführer im Hinblick darauf, daß er betreffend die von ihm treuhändig gehaltenen Stammanteile von 90 % des Stammkapitals den Treugebern gegenüber weisungsgebunden sei und sein eigenes Stimmrecht nur 10 % des Stammkapitals entspreche, an die Weisungen der Generalversammlung gebunden.

Mit Bescheid vom 18. September 1990 gab der Landeshauptmann dem Einspruch des Erstmitbeteiligten nicht Folge, bestätigte den bekämpften Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse und stellte fest, daß der Erstmitbeteiligte weder der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 ASVG noch der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege. Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen die Auffassung vertreten, es sei "für die Sozialversicherung unerheblich, ob und inwieweit die sogenannten Treuhandverträge innerhalb der gesellschaftsrechtlichen Seite wirken".

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte der Erstmitbeteiligte im wesentlichen seine im Einspruch vorgetragene Auffassung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde "nach § 66 Abs. 4 AVG in Abänderung des ... Bescheides der Bescheid der Gebietskrankenkasse vom 11. Oktober 1989 aufgehoben". In der Begründung des angefochtenen Bescheides vertrat die belangte Behörde unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0119, die Auffassung, es sei im Spruch eines Bescheides, der über die Versicherungspflicht abspreche, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck zu bringen, hinsichtlich welchen Zeitraumes die Behörde absprechen wolle, wobei zumindest der Beginn dieses Zeitraumes im Spruch des Bescheides ausdrücklich genannt sein müsse. Der Spruch des Bescheides der Gebietskrankenkasse entspreche diesen Anforderungen nicht; es hätte ihn daher bereits der Landeshauptmann aufheben müssen.

Die gegen diesen Bescheid von der Gebietskrankenkasse erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die Dritt- und Viertmitbeteiligte - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Der Erst- und die Zweitmitbeteiligte haben eine gemeinsame Gegenschrift erstattet, in der beantragt wird, der Beschwerde nicht Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des oben erwähnten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0119, war ein Bescheid, mit dem betreffend einen tageweise Beschäftigten "die rückwirkende Anmeldung vom 9. Mai 1985 zur Teilversicherung abgelehnt" worden war. Im erwähnten Erkenntnis hatte der Gerichtshof unter anderem folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 59 AVG hat der Spruch eines Bescheides u.a. die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen; fallbezogen ist somit im Spruch eines Bescheides, der über die Versicherungspflicht (oder eine andere, zeitraumbezogene Angelegenheit) abspricht, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck zu bringen, hinsichtlich welchen Zeitraumes die Behörde absprechen wollte, wobei zumindest der Beginn dieses Zeitraumes im Spruch des Bescheides ausdrücklich genannt sein muß, während sein Ende - in Ermangelung einer ausdrücklichen Bezeichnung im Spruch - mit dem Zeitpunkt der Entscheidung zusammenfällt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1984, Zl. 83/08/0022, u.a.). Dies gilt zufolge der Verweisung des § 357 Abs. 1 ASVG auf § 59 AVG auch im Verfahren vor dem Versicherungsträger und gemäß § 67 AVG auch für das Rechtsmittelverfahren.

Im vorliegenden Fall läßt schon der (eingangs wiedergegebene) Spruch des erstinstanzlichen Bescheides nicht erkennen, über welchen Zeitraum die Beschwerdeführerin absprechen wollte, insbesondere nicht, ob sie die (Teil-)Versicherungspflicht nur für Zeiträume ab der Anmeldung vom 9. Mai 1985 (diesfalls bis zur Bescheiderteilung; vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Februar 1990, Zl. 89/08/0200 mwH), oder auch (oder gar nur?) für Zeiträume davor verneinen wollte. Es ergibt sich aus dem Spruch insbesondere nicht, daß die Beschwerdeführerin (u.a.) über die Teilversicherungspflicht des Zweitmitbeteiligten am Unfallstag abgesprochen hätte.

Diese Fragen lassen sich auch nicht mit Hilfe der Anmeldung klären, auf welche sich der erstinstanzliche Bescheid ausdrücklich bezieht: Diese Anmeldung vom 9. Mai 1985 enthält nämlich zwar u.a. den Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift des Zweitmitbeteiligten sowie die Angabe eines Entgeltbezuges von S 1.500,-- monatlich, aber keine Eintragung in der Spalte "beschäftigt (Datum) vom ... bis". Der bescheidmäßige Abspruch über eine Anmeldung zur Sozialversicherung, die sich auf keinen Zeitraum bezieht, ist - aus den zuvor dargelegten Gründen über die Zeitraumbezogenheit der Frage der Versicherungspflicht - unzulässig. Ein Bescheid, der dennoch einen solchen Abspruch enthält, ist gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe aufzuheben, daß über die Anmeldung des Zweitmitbeteiligten ein meritorisch absprechender Bescheid erst erlassen werden darf, nachdem die Behörde erster Instanz im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG (der gemäß § 357 Abs. 1 ASVG auch im Verfahren vor dem Versicherungsträger anzuwenden ist) geklärt hat, auf welchen Zeitraum sich die Anmeldung bezieht. Die Behörde ist nämlich nach dieser Bestimmung verpflichtet, den Umfang eines Parteienantrages durch Herbeiführung einer entsprechenden Parteierklärung festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1979, Zl. 2665/78, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. März 1959, VfSlg. 3517). Der Rechtsmittelbehörde ist es verwehrt, diese Ergänzung selbst zu veranlassen, da sie - mangels Erkennbarkeit des Verfahrensgegenstandes erster Instanz - außer Stande ist festzustellen, ob und in welchem Umfang ihr eine (durch den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides einerseits und der im Rechtsmittel enthaltenen Anfechtungserklärung andererseits umfänglich bestimmte) "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG vorliegt, die möglicher Gegenstand einer bescheidmäßigen Erledigung durch die Berufungsbehörde sein könnte."

Dem soeben auszugsweise wiedergegebenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes lag somit ein Sachverhalt zugrunde, in dem bereits der "rückwirkenden", d.h. der Erklärung nach wenigstens offenbar zum Teil vergangene Zeiträume betreffenden Anmeldung die Zeiträume der Beschäftigung nicht (deutlich) zu entnehmen und somit der Umfang des Parteienantrages nicht ausreichend bestimmt war; der Tag der Erstattung einer "rückwirkenden" Anmeldung (im damaligen Beschwerdefall der 9. Mai 1985) ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung. Ebensowenig konnte dem - ohne vorangegangene Klärung des zeitlichen Umfanges des Antrages - im Instanzenzug erlassenen Bescheid entnommen werden, über welche Zeiträume der Beschäftigung damit abgesprochen wurde.

Im Gegensatz dazu war im vorliegenden Fall bereits der am 9. Mai 1989 bei der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse eingegangenen Anmeldung durch den Dienstgeber zu entnehmen, daß der Erstmitbeteiligte ab 1. Mai 1989 beschäftigt war. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hat schon in der dem Spruch ihres Bescheides vorangestellten Beschreibung des Verfahrensgegenstandes auf die "Anmeldung zur Pflichtversicherung als Geschäftsführer per 1. Mai 1989" verwiesen, sodann im Spruch des Bescheides "die für (den Erstmitbeteiligten) per 1. Mai 1989 erstattete Anmeldung zur Pflichtversicherung abgelehnt" und auch in der Begründung ihres Bescheides ausgeführt, die Anmeldung (des Erstmitbeteiligten) zur Pflichtversicherung "per 1. Mai 1989" sei abzulehnen gewesen. Damit hat die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse in einer hinreichend deutlichen Weise über die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten für einen mit dem 1. Mai 1989 beginnenden Zeitraum entschieden. Mangels einer ausdrücklichen Bezeichnung im Bescheid fällt das Ende des Zeitraumes, über den abgesprochen wurde, im vorliegenden Fall mit dem Zeitpunkt der Entscheidung zusammen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1990, Zl. 89/08/0200, und das bereits mehrfach erwähnte Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0119).

Durch den (mit dem bestätigenden Bescheid des Landeshauptmannes rezipierten) Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse wurde somit in hinreichend deutlicher Weise (auch) Beginn und Ende des Zeitraumes festgelegt, auf den sich der Abspruch über die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten bezieht. Auch der von der Zweitmitbeteiligten erstatteten Anmeldung war eindeutig der Beginn der Beschäftigung ab 1. Mai 1989 und somit (mangels eines Hinweises auf eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses) der gesamte zeitliche Umfang des Parteienantrages zu entnehmen. Für ein Vorgehen der belangten Behörde in der im Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0119, aufgezeigten Weise bestand im Beschwerdefall somit kein Anlaß. Der von der belangten Behörde herangezogene Aufhebungsgrund lag daher nicht vor. Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann auch kein sonstiger Grund entnommen werden, der einer Entscheidung in der Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG entgegengestanden wäre.

Die belangte Behörde hat ihren Bescheid somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Wegen Unterschreitung des zur Zeit der Beschwerdeerhebung geltenden Ansatzes für den Schriftsatzaufwand konnten nur die tatsächlich verzeichneten Beträge zuerkannt werden.

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