VwGH 91/02/0038

VwGH91/02/003825.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Jänner 1991, Zl. MA 70-10/474/90/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §24 Abs1 lita;
StVO 1960 §29b Abs3;
StVO 1960 §52 Z13b;
StVO 1960 §54 Abs5 litb;
VStG §25 Abs2;
VStG §44a Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §24 Abs1 lita;
StVO 1960 §29b Abs3;
StVO 1960 §52 Z13b;
StVO 1960 §54 Abs5 litb;
VStG §25 Abs2;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Jänner 1991 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 16. Juni 1989 um 14.40 Uhr in Wien 1, Albertinaplatz 3, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug "in einer deutlich beschilderten Halteverbotszone abgestellt" habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach der Aktenlage bestand zur Tatzeit am Tatort ein (verordnetes und entsprechend kundgemachtes) Halte- und Parkverbot gemäß § 52 Z. 13b StVO 1960 mit einer Zusatztafel im Sinne des § 54 Abs. 5 lit. h leg. cit., wonach dieses Verbot nicht für Fahrzeuge gilt, die nach der Bestimmung des § 29b Abs. 3 gekennzeichnet sind. Der Beschwerdeführer macht einen Verstoß der belangten Behörde gegen die Bestimmung des § 44a lit.a VStG (zufolge der Wiederverlautbarung dieses Gesetzes durch das Bundesgesetzblatt Nr. 52/1991 und der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 13. Februar 1991 richtig: § 44a Z. 1 VStG) geltend, weil die Behörde in einem derartigen Fall verpflichtet sei, bereits im Spruch zum Ausdruck zu bringen, "daß nicht nur das (positive) Tatbestandsmerkmal des Haltens oder Parkens im Halteverbotsbereich, sondern auch das (negative) Tatbestandsmerkmal, daß keine Berechtigung gem. § 29b Abs. 3 StVO bestand". Einer ein Verbot einschränkenden Zusatztafel kommt aber - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 7. Dezember 1984, Zl. 84/02/0160, und vom 18. Mai 1988, Zl. 87/02/0207) zutreffend bemerkt - bei Beurteilung der Frage, ob diesem Verbot zuwidergehandelt wurde, in dem Fall Bedeutung zu, daß sich ein Beschuldigter mit der für ihn geltenden, sich aus dieser Zusatztafel ergebenden Ausnahmeregelung verantwortet, sodaß die Anbringung dieser Zusatztafel und ihre von der Behörde angenommene Nichtgeltung für den Beschuldigten nur unter dieser Voraussetzung ein wesentliches Sachverhaltselement darstellt. Das bedeutet, daß dieser Einwand unberechtigt ist, hat doch der Beschwerdeführer nie behauptet, zu dem Personenkreis zu zählen, der von dieser Ausnahmeregelung betroffen ist.

Im übrigen bestreitet der Beschwerdeführer lediglich seine Lenkereigenschaft und damit die Annahme der belangten Behörde, er habe das gegenständliche Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort "abgestellt". Dabei handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung, die nur einer eingeschränkten Kontrolle auf ihre Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof in der Richtung unterliegt, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß das gegenständliche Fahrzeug zur Tatzeit nicht mehr zum Verkehr zugelassen war und eine "ordnungsgemäße Lenkererhebung nicht erfolgt ist, was schon deshalb nicht möglich war, da nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 eine solche beim Zulassungsbesitzer zu erfolgen hat". Sie zog aber daraus, daß "das Kraftfahrzeug bis einige Tage vor der Beanstandung auf den Berufungswerber zugelassen war und ein Dritter als Lenker weder hervorgekommen ist, noch vom Berufungswerber trotz reichlicher Gelegenheit im Verfahren nicht konkret namhaft gemacht worden ist", den Schluß, daß der Beschwerdeführer "für die Abstellung seines Kraftfahrzeuges zur Tatzeit am Tatort verantwortlich ist". Der Beschwerdeführer stellt den aktenkundigen Umstand, daß das gegenständliche Kraftfahrzeug bis zur Aufhebung der Zulassung am 30. Mai 1989 auf ihn zum Verkehr zugelassen war, nicht in Abrede, und er hat sich nie damit verantwortet, danach nicht mehr der rechtmäßige Besitzer des Fahrzeuges gewesen zu sein (und/oder im Sinne des § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 43 Abs. 4 lit. c KFG 1967 das Fahrzeug auf Grund eines Abzahlungsgeschäftes auch nicht mehr im Namen des rechtmäßigen Besitzers innegehabt zu haben); er hat im Gegenteil in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 23. November 1990 das gegenständliche Kraftfahrzeug als "sein Fahrzeug" bezeichnet. Es war daher zwar die Annahme naheliegend, daß der Beschwerdeführer auch noch zur Tatzeit - wie wenn er noch Zulassungsbesitzer gewesen wäre - über das Fahrzeug verfügungsberechtigt war und demnach in erster Linie als dessen Lenker in Betracht kam. Der Beschwerdeführer hat sich aber im Verwaltungsstrafverfahren ausdrücklich damit gerechtfertigt, daß er "zum Vorfallszeitpunkt ortsabwesend" gewesen sei (Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 1. März 1990) bzw. "nur mit Sicherheit sagen" könne, "daß er das Fahrzeug nicht gelenkt hat, weil er sich im genannten Zeitpunkt im Ausland aufgehalten hat" (schriftliche Stellungnahme vom 23. November 1990). Die belangte Behörde ist darauf überhaupt nicht eingegangen, obwohl gemäß § 25 Abs. 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die belastenden. Sie hätte den Beschwerdeführer aufzufordern gehabt, die Behauptung über seinen Auslandsaufenthalt zur Tatzeit im Rahmen der ihm als Beschuldigten obliegenden Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren zu konkretisieren und für die Richtigkeit dieser Behauptung Beweise anzubieten, um gemäß § 37 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt feststellen zu können. Hätte sich dabei herausgestellt, daß der Beschwerdeführer zufolge eines Auslandsaufenthaltes in Ansehung der gegenständlichen Übertretung nicht der Täter sein konnte, wären die von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten, für das Gegenteil sprechenden Umstände ohne Belang.

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs.2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Stempelgebühren lediglich S 270,-- (S 240,-- für die Beschwerde in zweifacher Ausfertigung und S 30,-- für die beigebrachte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zu entrichten waren.

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