VwGH 90/17/0013

VwGH90/17/001314.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerden der X-reg GenmbH gegen die Steiermärkische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Getränkeabgabenangelegenheiten, gemäß § 42 Abs. 5 zweiter Satz VwGG zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art140 Abs7;
GdO Stmk 1967 §94 Abs5;
GetränkeabgabeG Stmk 1950 §2 Abs1 idF 1988/085;
GetränkeabgabeGNov Stmk 1988/085 Art2 Abs1;
LAO Stmk 1963 §149 Abs1;
LAO Stmk 1963 §93 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art140 Abs7;
GdO Stmk 1967 §94 Abs5;
GetränkeabgabeG Stmk 1950 §2 Abs1 idF 1988/085;
GetränkeabgabeGNov Stmk 1988/085 Art2 Abs1;
LAO Stmk 1963 §149 Abs1;
LAO Stmk 1963 §93 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Gemäß § 94 Abs. 5 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, idF LGBl. Nr. 14/1976 wird den Vorstellungen der Beschwerdeführerin gegen

1) den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Hohentauern vom 5. Mai 1989, Zl. 920-4/1989, betreffend Getränkeabgaben für Bemessungszeiträume in den Jahren 1984 bis 1987 und Säumniszuschlag (hg. Zl. 90/17/0013),

2) den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leoben vom 1. Juni 1989, Zl. 11 St 1/661-1989, betreffend Getränkeabgaben für den Zeitraum von Jänner bis Dezember 1987 (hg. Zl. 90/17/0014),

3) den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leoben vom 1. Juni 1989, Zl. 11 St 1/660-1989, betreffend Getränkeabgaben für den Zeitraum von Jänner bis Dezember 1986 (hg. Zl. 90/17/0015),

4) den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Pernegg a.d. Mur vom 5. Juni 1989, Zl. 9-941-5/1989, betreffend Getränkeabgaben für Bemessungszeiträume in den Jahren 1983 bis 1987 und Säumniszuschlag (hg. Zl. 90/17/0017),

5) den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde St. Kathrein a. d. Laming vom 11. Mai 1989, Zl. 1066-1/1988, betreffend Getränkeabgaben für Bemessungszeiträume in den Jahren 1984 bis 1987 und Säumniszuschlag (hg. Zl. 90/17/0019),

6) den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Stainz vom 1. Juni 1989, Zl. E 880/88 A 920-4, betreffend Getränkeabgaben für Bemessungszeiträume in den Jahren 1986 und 1987 und Säumniszuschlag (hg. Zl. 90/17/0020),

7) den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Veitsch vom 2. Mai 1989, ohne Geschäftszahl, betreffend Getränkeabgaben für Bemessungszeiträume in den Jahren 1984 bis 1987 und Säumniszuschlag (hg. Zl. 90/17/0021),

8) den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Vordernberg vom 9. Mai 1989, Zl. II-920/4-Ko-1989, betreffend Getränkeabgaben für Bemessungszeiträume in den Jahren 1984 bis 1986 und Säumniszuschlag (hg. Zl. 90/17/0022),

9) den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Deutschlandsberg vom 30. Juni 1989, Zl. 941-4/4/1989/Geh/Rih, betreffend Getränkeabgaben für Bemessungszeiträume in den Jahren 1983 bis 1986 (hg. Zl. 90/17/0053), und

10) den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Kalsdorf bei Graz, vom 12. Juni 1989, Zl. 920/4-1989, betreffend Getränkeabgaben für Bemessungszeiträume in den Jahren 1983 bis 1986 und Säumniszuschlag (hg. Zl. 90/17/0054)

Folge gegeben. Die Angelegenheiten werden zur neuerlichen Entscheidung an die genannten Gemeinden verwiesen.

Das Bundesland Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 114.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren von S 60,-- wird abgewiesen.

Begründung

Mit den im Spruch genannten Berufungsentscheidungen des Gemeinderates der dort angeführten Gemeinden wurden gegenüber der Beschwerdeführerin u.a. jeweils Getränkeabgaben für im einzelnen genannte Bemessungszeiträume festgesetzt. Hiebei stützten sich die Berufungsbehörden auf das Steiermärkische Getränkeabgabegesetz vom 14. März 1950, LGBl. Nr. 23, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 85/1988, und auf die jeweilige Getränkeordnung der Gemeinde sowie auf § 153 Abs. 2 der Stmk. LAO, LGBl. Nr. 153/1963 i.d.g.F. Die Abgabenfestsetzungen erfolgten jeweils unter Hinweis auf die durch die genannte Novelle geänderte Rechtslage sinngemäß mit der Begründung, die Bemessungsgrundlagen der Abgaben seien zu Unrecht um die als "Hüllgut" bezeichneten Warenumschließungen vermindert worden. Außerdem wurden teilweise von den auf die Warenumschließungen entfallenden Getränkeabgaben im Instanzenzug Säumniszuschläge festgesetzt.

Über die jeweils gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung - diese richtete sich bei den im Spruch dieses Erkenntnisses unter den Punkten 2), 3) und 9) angeführten Bescheiden ursprünglich auch gegen die Einbeziehung eines Außerortverbrauches in die Bemessungsgrundlagen der Abgaben - hat die Steiermärkische Landesregierung weder innerhalb von sechs Monaten noch innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof zur Nachholung der versäumten Entscheidung im Säumnisbeschwerdeverfahren gesetzten Frist (oder auch danach) entschieden.

Mit Beschluß vom 15. Februar 1991, A 9 bis 20/91-1, hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, die in den Beschwerdefällen präjudizielle Bestimmung des Art. II Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Mai 1988, mit dem das Getränkeabgabegesetz geändert wird, LGBl. für die Steiermark Nr. 85, als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 7. März 1991, G 76/90-18 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof u.a. den Art. II Abs. 1 des vorhin zitierten Gesetzes vom 17. Mai 1988 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Zwar war eine formelle Einbeziehung der in den gg. Beschwerdefällen gestellten Aufhebungsanträge in das Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich, jedoch hat der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich ausgeführt, daß sich im Hinblick auf den Ausspruch, die aufgehobene Bestimmung sei nicht mehr anzuwenden, die Wirkung der Aufhebung auch auf diese - wie auch auf alle anderen schwebenden - Verfahren erstrecke, weswegen sich eine weitere Erledigung dieser Gesetzesprüfungsanträge erübrige.

Mit zwei Schriftsätzen je vom 17. Mai 1991 hat die Beschwerdeführerin ihre beiden Vorstellungen gegen die im Spruch unter den Punkten 2) und 3) angeführten Bescheide des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leoben insoweit teilweise zurückgezogen, als mit diesen Vorstellungen die Nichtausscheidung der Außerortverkäufe aus der Getränke- und Speiseeisabgabenbemessungsgrundlage durch die eben genannte Behörde bekämpft worden war. Die Vorstellungen wurden jedoch ausdrücklich insoweit aufrecht erhalten, als mit ihnen die Einbeziehung der Verpackungswerte in die Getränke- und Speiseeisabgabenbemessungsgrundlagen bekämpft wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die bereits in seinem Beschluß vom 15. Februar 1991, A 9 bis 20/91-1, zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden - wieder ausgeschieden werden die Beschwerdesachen Zlen. 90/17/0016 und 0055, da in diesen Angelegenheiten noch Verordnungsprüfungen beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

In den Beschwerdefällen steht unbestritten fest, daß die belangte Behörde über die Vorstellungen der Beschwerdeführerin nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat. Die Säumnisbeschwerden sind daher zulässig.

Weiters steht unbestritten fest, daß die belangte Behörde innerhalb der ihr vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 erster Satz VwGG zur Nachholung der versäumten Bescheide jeweils eingeräumten Frist nicht entschieden hat.

Gemäß § 94 Abs. 1 der Gemeindeordnung 1967, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 115, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereiche der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben.

Nach § 94 Abs. 5 der Gemeindeordnung 1967 in der Fassung der Gemeindeordnungsnovelle 1975, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 14/1976, hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

A) ZU DEN WARENUMSCHLIESZUNGEN:

Die Abgabenbehörden der Gemeinden haben ihre Entscheidungen auf die Neufassung des § 2 Abs. 1 des Getränkeabgabegesetzes, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 23/1950 (in der Folge: GetrAbgG), durch das Gesetz LGBl. für die Steiermark Nr. 85/1988 (in der Folge: GetrAbgG-Novelle) sowie auf Art. II Abs. 1 der GetrAbgG-Novelle gestützt. Die Berufungen der Beschwerdeführerin wurden unter Hinweis auf diese derart geänderte Rechtslage - wonach diese Neufassung auch auf anhängige Verfahren anzuwenden ist - abgewiesen.

Angesichts der durch das oben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1991 bereinigten Rechtslage besteht in den vorliegenden Beschwerdefällen keine Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Einbeziehung des Preises für Verpackungen in Form von Einweggebinden in die Getränkeabgabenpflicht, wie dies mit den im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Bescheiden des Gemeinderates in insgesamt zehn Fällen geschehen ist. Da nach der Aktenlage in den betroffenen Gemeinden auch keine mit der bereinigten Gesetzeslage in Widerspruch stehenden Verordnungen erlassen worden sind, entbehren die mit den Vorstellungen der Beschwerdeführerin bekämpften Berufungsentscheidungen hinsichtlich der Einbeziehung von Warenumschließungen in die Bemessungsgrundlagen der Getränkeabgaben für die schon näher genannten Zeiträume einer rechtlichen Grundlage. Gleiches gilt auch hinsichtlich der auf die Annahme, die Beschwerdeführerin sei insoweit bei Entrichtung der Getränkeabgaben säumig gewesen, gestützten Verhängung von Säumniszuschlägen in allen Fällen, in denen solche Nebengebühren festgesetzt worden sind.

B) ZU DEN AUSZERORTVERKÄUFEN:

Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Deutschlandsberg vertritt in seinem unter Punkt 9) des Spruches angeführten Bescheid die Rechtsansicht, daß die von der Beschwerdeführerin im konkreten Fall angebotenen Beweise für einen teilweisen Verbrauch der der Getränkesteuer unterworfenen Getränke außerhalb des Gemeindegebietes nicht ausreichten. Mangels Erbringung des geforderten "ausführlichen Beweises" müsse angenommen werden, daß alle von der Beschwerdeführerin im Gemeindegebiet verkauften Getränke (Speiseeis) auch dort verbraucht worden seien. Eine amtliche Schätzung des Außerortverbrauches wurde nicht vorgenommen.

Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Vorstellung hiezu sinngemäß im wesentlichen aus, die Annahme, daß die von einem Nahversorgungsunternehmen verkauften Getränke (Speiseeis) AUSSCHLIESZLICH von ortsansässigen Käufern verbraucht würden, sei bei einem im vorliegenden Fall gegebenen Verbrauchermarkt in verkehrsgünstiger Lage mit kilometerweiten Einzugsgebieten "denkunmöglich".

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage der Ermittlungspflicht von Gemeindeabgabenbehörden bei einem behaupteten Außerortverbrauch bereits mehrmals auseinandergesetzt (s.z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. März 1990, Zl. 89/17/0152, betreffend eine Beschwerde derselben Beschwerdeführerin wie im vorliegenden Beschwerdefall). Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (vgl. § 43 Abs. 2 VwGG). Das Erkenntnis enthält insbesondere die Aussage, daß sich die Gemeindeabgabenbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es evident ist, daß nicht alle im Gemeindegebiet vom Abgabenpflichtigen verkauften Waren auch im Gemeindegebiet verbraucht wurden, nicht darauf zurückziehen können, daß ihnen eine vom Abgabepflichtigen zur Berechnung des Außerortverbrauches unterbreitete Methode nicht schlüssig erscheint, sondern daß sie vielmehr gehalten sind, auf Grund der sie treffenden amtlichen Ermittlungspflicht, gegebenenfalls im Schätzungsweg unter Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände, die abgabepflichtigen Umsätze zu ermitteln.

Dies hat der Gemeinderat der Stadtgemeinde Deutschlandsberg in seinem in Rede stehenden Bescheid jedoch zu Unrecht unterlassen.

Da sohin die Beschwerdeführerin durch die mit Vorstellung bekämpften Bescheide in ihren Rechten verletzt wurde, hatte der anstelle der säumigen belangten Behörde entscheidende Verwaltungsgerichtshof gemäß § 94 Abs. 5 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 den Vorstellungen der Beschwerdeführerin Folge zu geben und die Angelegenheiten zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinden zu verweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebührenersatz war nur hinsichtlich der zur Beschwerdeführung notwendigen Beschwerdeausfertigungen zuzuerkennen.

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