VwGH 90/11/0051

VwGH90/11/005115.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 10. Jänner 1990, Zl. 670.128/6-2.5/89, betreffend Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Berufungsbescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 17. August 1989 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 4. Februar 1988 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 abgewiesen. Daraufhin erhielt der Beschwerdeführer den Einberufungsbefehl des Militärkommandos Oberösterreich vom 2. Oktober 1989 zur Leistung des Grundwehrdienstes ab 2. Jänner 1990. In seinem an das Militärkommando Oberösterreich gerichteten Schreiben vom 16. Oktober 1989 nahm er Bezug auf diesen Einberufungsbefehl, wobei er beanstandete, daß er einberufen worden sei, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 17. August 1989 an den Verwaltungs- bzw. an den Verfassungsgerichtshof offengestanden sei, und daß die Einberufung - entgegen der Begründung in diesem Bescheid - nicht in eine seinem Wohnort nahegelegene Garnison erfolgt sei. Anschließend daran heißt es weiters:

"Zudem teile ich Ihnen mit, daß mir der Termin 2. Jänner 1990 aus wirtschaftlichen Gründen sehr ungelegen kommt, dies vor allem deshalb, weil damit das ganze Frühjahr und der größte Teil des Sommers, in meine Grundwehrdienstzeit fälltÜ Der Termin ist mir aber auch aus familiären Gründen ungelegen, weil, wie ich Ihnen in meinem Schreiben vom 2. Okt. 89 mitteilte, meine Frau unseren zur Zeit fünf Monate alten Sohn stilltÜ Ich bitte Sie daher höflichst von einer Einberufung am 2. Jänner 1990 in die Kaserne Freistadt aus den oben genannten Gründen abzusehen." Das Militärkommando Oberösterreich erblickte darin einen neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes und wies diesen Antrag mit Bescheid vom 7. Dezember 1989 ab. Mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 10. Jänner 1990 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und der Bescheid vom 7. Dezember 1989 bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Vorerst war die Frage zu klären, ob der Inhalt der Eingabe vom 16. Oktober 1989 eine Deutung dahingehend zuläßt, daß der Beschwerdeführer tatsächlich die (neuerliche) Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes beantragt hat und damit nicht nur (u.a. auch aus den von ihm darin geltend gemachten wirtschaftlichen und familiären Gründen) die Behebung des Einberufungsbefehles vom 2. Oktober 1989 erreicht werden sollte. Diese Frage ist zu bejahen, allerdings nicht auf Grund der vom Beschwerdeführer in seiner schriftlichen Äußerung vom 29. November 1990 gebrauchten Argumentation. Der Beschwerdeführer hat zwar bereits in seinem Schreiben vom 2. Oktober 1989 (welches im Schreiben vom 16. Oktober 1989 erwähnt wird) "seine schwierige wirtschaftliche und familiäre Situation" geschildert und in diesem Zusammenhang u.a. darauf hingewiesen, daß er "weiters im Vorjahr beim Gendarmerieposten S in dieser Angelegenheit bekanntgegeben" habe, "daß meine Frau schwanger ist", und "mittlerweile unser Sohn Hans-Georg geb. am 18.4.1989 fünf Monate alt" sei, die belangte Behörde trotz ihrer Feststellung, daß familiäre Interessen vorlägen, "aber gleichzeitig die Fortführung des gegenständlichen Landwirtschaftsbetriebes einer zweifachen und stillenden Mutter zumute". Dies stellte aber nur eine der Begründungen dafür dar, mit der sich der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 17. August 1989, an die auch dieses Schreiben gerichtet war, wandte, indem er einleitend zum Ausdruck brachte, daß "das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens zum Teil unrichtig und in wesentlichen Punkten unvollständig" sei. In diesem Sinne heißt es dort auch abschließend, daß der Beschwerdeführer "nicht in der Lage" sei, diesen Bescheid "zur Kenntnis zu nehmen". Dafür, daß bereits in dieser Eingabe ein neuerlicher Befreiungsantrag, der mit der Eingabe vom 16. Oktober 1989 wiederholt bzw. ergänzt worden wäre, enthalten war, besteht kein Anhaltspunkt. Die belangte Behörde hat daher in ihrem Antwortschreiben vom 16. November 1989, ungeachtet der Weiterleitung des Schreibens vom 2. Oktober 1989 an das Militärkommando Oberösterreich, darin keinen derartigen Antrag gesehen, sondern vielmehr den Beschwerdeführer auf die Rechtswirksamkeit des Bescheides vom 17. August 1989 aufmerksam gemacht, wobei sie ihn abschließend dahin belehrte, daß er "nur die Möglichkeit" habe, "einen neuerlichen Antrag mit entsprechender Begründung beim Militärkommando Oberösterreich einzubringen"; das zwischenzeitige Schreiben vom 16. Oktober 1989 war ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Aber auch der von der belangten Behörde in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 22. November 1990 genannte Umstand, daß der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Oktober 1989 als ein solcher auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gewertet worden sei, "weil gegen einen Einberufungsbefehl weder ein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist noch ein Antragsrecht auf Behebung eines Einberufungsbefehles existiert" und daher "die einzige Möglichkeit die Aufhebung des Einberufungsbefehles zu bewirken, darin bestand, einen Antrag auf (zumindest befristete) Befreiung zu stellen", überzeugt nicht, ergibt sich doch - abgesehen davon, daß der Einberufungsbefehl in der Folge behoben wurde - daraus nicht zwangsläufig, daß auch tatsächlich ein solcher Antrag gestellt worden ist. Die Annahme diesbezüglicher Zweifel wäre aber gerechtfertigt gewesen, weshalb es einer entsprechenden Klärung durch das Militärkommando Oberösterreich bedurft hätte. Dies ist nicht geschehen, doch hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren (trotz mehrmaliger Gelegenheit, zuletzt in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 7. Dezember 1989) nie den Einwand erhoben, einen solchen Antrag gar nicht gestellt zu haben, sondern im Gegenteil - wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme weiters betont hat - im Schreiben vom 27. November 1989, nach Erhalt der Verständigung der Erstbehörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme, betreffend sein "Ansuchen um befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes", bemerkt, daß "das Ergebnis der Beweisaufnahme bzw. die Begründung meines Schreibens vom 16.10.89 zusätzlich zu den für den Bescheid vom 17. August 1989 ermittelten Fakten gesehen werden muß" und

"zudem auch die in meinem Schreiben vom 2. Oktober 1989 ......

angeführten Tatsachen bzw. Richtigstellungen zu berücksichtigen wären". Der belangten Behörde kann daher aus diesem Grunde nicht entgegengetreten werden, wenn (auch) sie das (von vornherein nicht eindeutige) Anbringen des Beschwerdeführers vom 16. Oktober 1989 zumindest auch als einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gewertet hat.

Eine Entscheidung über diesen Antrag in der Sache selbst hatte aber zur Voraussetzung, daß ihr nicht die Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG 1950 entgegenstand. Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehen dem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung eines Bescheides Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage) bezwecken, da diese Bestimmung in erster Linie das wiederholte Aufrollen einer bereits entschiedenen Sache verhindern soll, wobei eine Identität der Sache dann vorliegt, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in dem für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1987, Zl. 87/11/0114, und vom 7. November 1989, Zl. 88/11/0275). Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Beschwerdefall, so kann zunächst dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Antrag vom 16. Oktober 1989 (im Gegensatz zu jenem, der mit dem Bescheid vom 17. August 1989 erledigt worden ist) lediglich um einen solchen auf befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes (bis Ende des Sommers 1990) gehandelt hat, weil dies in diesem Falle einen für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblichen Nebenumstand bedeuten würde, zumal durch die vorangegangene gänzliche Abweisung des auf unbefristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes lautenden Antrages bindend feststeht, daß auf Grund der im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides bestehenden Sach- und Rechtslage auch keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen, die eine befristete Befreiung rechtfertigen würden, vorliegen. Da sich in der Zwischenzeit auch die Rechtslage nicht geändert hat, ist demnach ausschlaggebend, ob seit der Erlassung des Bescheides vom 17. August 1989 die Sachlage eine wesentliche Änderung erfahren hat.

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vertreten in ihren bereits genannten Stellungnahmen vom 22. bzw. 29. November 1990 im Ergebnis übereinstimmend die Auffassung, daß als neue Tatsache, auf die die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Bedacht zu nehmen gehabt habe, (ausschließlich) der im Bescheid vom 17. August 1989 unberücksichtigt gebliebene Umstand anzusehen gewesen sei, daß die Gattin des Beschwerdeführers auf Grund der durch die Geburt eines Sohnes am 18. April 1989 nunmehr notwendig gewordenen Betreuung zweier Kleinkinder nicht als volle Arbeitskraft in dem gemeinsam von den Eltern des Beschwerdeführers gepachteten landwirtschaftlichen Betrieb zur Verfügung stehe, sodaß der Beschwerdeführer - wie er behauptet - auch deshalb für dessen Aufrechterhaltung unentbehrlich sei. Dabei wurde aber übersehen, daß der genannte Umstand schon vor der Erlassung des Bescheides vom 17. August 1989 vorlag und daher seit seiner Erlassung keine auf diesen Umstand zurückzuführende Änderung des maßgebenden Sachverhaltes, die auch der Beschwerdeführer gar nicht behauptet hat, eingetreten ist. Daß auf diesen Umstand bei Erlassung des Bescheides vom 17. August 1989 nicht Bedacht genommen worden war, vermag daran nichts zu ändern. Treten während eines Verfahrens über einen Befreiungsantrag neue Umstände ein, von denen sich der Antragsteller Auswirkungen auf den Ausgang des Verfahrens über seinen Befreiungsantrag erhofft, so liegt es an ihm, diese Umstände der Behörde umgehend mitzuteilen, damit sie darauf bei Erlassung des Bescheides Bedacht nehmen kann, wozu sie auch verpflichtet wäre (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1990, Zlen. 90/11/0110, 0111); letzteres gilt auch, wenn sich im Ermittlungsverfahren (auch ohne entsprechendes Vorbringen des Antragstellers) herausstellt, daß solche neuen Umstände gegeben sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1987, Zl. 87/11/0085). Hat die Behörde (dessen ungeachtet oder in Unkenntnis ihres Vorliegens) solche Umstände unberücksichtigt gelassen, so kann die Sache nicht deswegen wieder aufgerollt werden, es sei denn, daß eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 in Betracht kommt. Im vorliegenden Beschwerdefall lag der belangten Behörde bei Erlassung des Bescheides vom 17. August 1989 sogar ein Ermittlungsergebnis in dieser Richtung insofern vor, als es im Erhebungsbericht des Gendarmeriepostenkommandos S vom 15. Jänner 1989, auf den der Beschwerdeführer später im Schreiben vom 2. Oktober 1989 hingewiesen hat, u.a. heißt, daß die Gattin des Beschwerdeführers derzeit wieder schwanger und der voraussichtliche Geburtstermin Ende April 1989 sei. Daß die belangte Behörde diesen Umstand bei Erlassung des Bescheides vom 17. August 1989 außer acht gelassen hat, stellte zwar einen Verfahrensmangel dar, dem aber vom Beschwerdeführer nicht dadurch begegnet werden konnte, daß aus diesem Grunde neuerlich ein Befreiungsantrag gestellt wird. Es wäre vielmehr seine Sache gewesen, bereits gegen diesen Bescheid eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, wobei dann die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels zu beurteilen gewesen wäre. Entgegen der Ansicht beider Parteien kann daher auch nicht von einer wesentlichen Änderung des Sachverhaltes seit Erlassung des Bescheides vom 17. August 1989 ausgegangen werden. Das hat zur Folge, daß die belangte Behörde den Befreiungsantrag des Beschwerdeführers vom 16. Oktober 1989 gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 wegen entschiedener Sache hätte zurückweisen müssen. Dadurch, daß sie darüber meritorisch entschieden hat, wurde aber der Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. November 1989, Zl. 88/11/0275, und die dort angeführte weitere Judikatur).

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, ohne daß noch auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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