European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986080250.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Der Beschwerdeführer ist Mitglied des Vorstandes der A Warenhandel Aktiengesellschaft; nach der Geschäftsverteilung des Vorstandes fallen Dienstnehmerschutzangelegenheiten in sein Ressort.
Mit Straferkenntnis vom 10. Juli 1986 sprach die Bezirkshauptmannschaft Mödling aus, der Beschwerdeführer
"hat als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma
A Warenhandels AG in der Filiale X den Arbeitnehmern
- 1)
RH
- 2) MH und
- 3) EL jeweils am 28. April 1986
- 4)
MÖ
- 5) FL und
- 6) EF am 3. Mai 1986
- 7)
SB
- 8) CR und
- 9) CK jeweils am 28. April und 3. Mai 1986 die gesetzliche Wochenendruhe ab 13 Uhr insofern nicht gewährt, als diese mit Inventurarbeiten bis 15.00 Uhr beschäftigt wurden und hat dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes, BGBl. Nr. 144/1983, begangen.
Gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. wird gegen den Beschuldigten je Arbeitnehmer eine Geldstrafe von 1) bis 6) je S 1.000,-- und
7) bis 9) je S 2.000,--, zusammen S 12.000,-- verhängt.
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 1) bis 6) je 24 Stunden und 7) bis 9) je 48 Stunden, zusammen 12 Tagen."
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
1.2. Mit Bescheid vom 3. November 1986 wurde diese Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, unter unbedingt notwendigen Arbeiten im Sinne des § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes - ARG, die an Samstagen zwischen 13.00 und 15.00 Uhr durchgeführt werden dürfen, könnten in sinnvoller Auslegung nur solche fallen, die eben in unbedingt notwendiger Weise nur in dieser Zeit gemacht werden können.
Jahresabschlußarbeiten (Inventuren) in dieser Zeit vorzunehmen, sei keinesfalls unbedingt notwendig. Auch ein Verschieben der täglichen Abschlußarbeiten, die ansonsten während der normalen Arbeitszeit verrichtet werden könnten, in die Zeit an Samstagen zwischen 13.00 und 15.00 Uhr (zugunsten von Inventurarbeiten), widerspreche dem § 3 Abs. 2 ARG.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht schuldig erkannt und ihretwegen auch nicht bestraft zu werden, verletzt.
1.4. Der Landeshauptmann von Niederösterreich legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Im Verwaltungsakt erliegt ein Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 16. März 1987, mit welchem der angefochtene Bescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 wie folgt berichtigt wurde: "Das Datum 28. April 1986 wird im bekämpften Straferkenntnis durch das Datum 1. März 1986 ersetzt." Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 23. März 1987 zugestellt.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. In der Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, daß sich die Vorhalte der Bezirkshauptmannschaft Mödling auf die Jahresinventur vom 1. März 1986 (Samstag) und die Kontrollinventur vom 3. Mai 1986 (Samstag) bezogen hätten. Das mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Straferkenntnis erster Instanz beziehe sich jedoch auf Verwaltungsübertretungen am Montag, den 28. April 1986 und am Samstag, den 3. Mai 1986. Da der angefochtene Bescheid mit den Vorhalten (teilweise) nicht in Einklang stehe, mangle es an einer entsprechenden Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist.
2.1.2. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Berichtigungsbescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 16. März 1987, dem Beschwerdeführer zugestellt am 23. März 1987, wurde der angefochtene Bescheid dahin gehend berichtigt, daß das "Datum 28. April 1986 ... im bekämpften Straferkenntnis durch das Datum 1. März 1986 ersetzt" wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen, dem Rechtsbestand angehörenden, mit ex-tunc-Wirkung ausgestatteten bescheidmäßigen Ausspruch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
Zwischen den Vorhalten der Bezirkshauptmannschaft, die sich auf den 1. März und den 3. Mai 1986 bezogen, und der im angefochtenen Bescheid umschriebenen Tatzeit besteht somit keine Diskrepanz. Die (hinsichtlich der Tathandlungen vom "28. April 1986") mangels entsprechender Verfolgungshandlung behauptete Verjährung lag somit nicht vor.
2.2.1. In der Beschwerde heißt es weiter, daß § 3 Abs. 2 ARG eine nähere Definition, um welche Abschlußarbeiten es sich handle, nicht enthalte. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus seiner Entstehungsgeschichte lasse sich ableiten, daß die "Abschlußarbeiten" tagesbezogen sein müßten. Inventurarbeiten seien auf das Jahr bezogene Abschlußarbeiten und seien genauso notwendig wie Arbeiten, die sich auf den Tagesabschluß bezögen. Mit beiden Arbeiten werde steuerlichen Verpflichtungen entsprochen und es könne daher nach dem Motiv dieser Ausnahmeregelung keine unterschiedliche Beurteilung geben.
2.2.2. § 3 Abs. 2 ARG lautet:
"Die Wochenendruhe hat für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15 Uhr zu beginnen."
2.2.3. Auslegungsbedürftig ist der Begriff der "unbedingt notwendigen Abschlußarbeiten". Der Inhalt des Begriffes "Abschlußarbeiten", unter den der Beschwerdeführer die Jahres- und Kontrollinventuren subsumieren möchte, erfährt sowohl durch die Einschränkung auf die unbedingte Notwendigkeit als auch durch den Kontext mit den anderen aufgezählten zulässigen Arbeiten eine nähere Bestimmung. Die unbedingte Notwendigkeit bestimmter Arbeiten ist dabei nicht auf ihre Erforderlichkeit schlechthin (etwa aufgrund steuerlicher Vorschriften) zu beziehen, sondern - dem Sinn der vorliegenden Bestimmung über die Wochenendruhe entsprechend - darauf, daß sich die unbedingte Erforderlichkeit aus der Beendigung der entfalteten betrieblichen Tätigkeit an Samstagen herleitet. Die unbedingte Erforderlichkeit in diesem Sinne muß sich zum einen daraus ergeben, daß bestimmte Arbeiten nur in der Zeit zwischen 13.00 und 15.00 Uhr möglich sind, da der Gesetzgeber davon ausgeht, daß die Zeit bis 13.00 Uhr dem betrieblichen Hauptzweck (z. B. Kundenbetrieb) zur Verfügung stehen soll. Oder es muß sich zum anderen um Arbeiten handeln, die sich, wie aus § 10 Abs. 1 Z. 1 ARG ersichtlich ist - der zur Auslegung der Erforderlichkeit heranzuziehen ist, da er zum Teil dieselben Arbeiten betrifft, die nur wegen ihres Umfanges nicht bis 15.00 Uhr abgeschlossen werden können -, während des regelmäßigen Arbeitsablaufes nicht ohne Unterbrechung oder erhebliche Störung ausführen lassen. Im § 10 Abs. 1 Z. 1 ARG sind allerdings nur die Reinigung, Instandhaltung oder Instandsetzung aufgezählt, nicht aber die Abschlußarbeiten des § 3 Abs. 2 ARG. Letztere sind somit begrifflich keine, die in der Regel überhaupt während des regelmäßigen Arbeitsablaufes vorgenommen werden; auch läßt sich erkennen, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß sie umfangsmäßig bis 15.00 Uhr abgeschlossen werden können. Es handelt sich somit um Tagesabschlußarbeiten (unter Berücksichtigung der mit dem Wochenende allenfalls verbundenen vorsorglichen Verrichtungen), Jahresabschlußarbeiten wie eine Inventur können unter dem Begriff der "unbedingt nowendigen Abschlußarbeiten" im Sinne des § 3 Abs. 2 ARG nicht verstanden werden.
Arbeitnehmer, die zu Jahresinventuren und den dazugehörigen Kontrollinventuren herangezogen werden, sind somit diesbezüglich nicht mit unbedingt notwendigen Abschlußarbeiten im Sinne des § 3 Abs. 2 ARG beschäftigt, die ein Hinausschieben des Beginnes der Wochenendruhe rechtfertigen würden.
2.3.1. In der Beschwerde wird schließlich geltend gemacht, daß die Kontrollinventur vom 3. Mai 1986 deswegen erforderlich gewesen sei, weil sich bei der Jahresinventur vom 1. März 1986 ein Manko von 1,34 % ergeben habe. Ein derartiger Abgang erfordere eine genaue wirtschaftliche Kontrolle, die prompt erfolgen müsse, da andernfalls eine Aufklärung nicht mehr möglich sei. Die Kontrollinventur stehe im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Jahresinventur. Die Übertretungen bezüglich der Jahresinventur und der Kontrollinventur stellten daher auf Grund ihres wirtschaftlichen Zusammenhanges eine Einheit dar, die sich in der strafrechtlichen Form des fortgesetzten Deliktes manifestiere.
2.3.2. Nach dem ARG besteht die Zuwiderhandlung in der Beschäftigung des jeweiligen Arbeitnehmers unter Verletzung einer Arbeitsruhe-Vorschrift.
Bei Vorliegen einer einzigen Weisung liegen jedenfalls so viele Delikte vor, wie Arbeitnehmer betroffen sind (zum Arbeitszeitgesetz: vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 1984, Zl. 82/11/0091 = ZfVB 1985/3/901).
Ein fortgesetztes Delikt liegt dann vor, wenn mehrere gesetzwidrige Einzelhandlungen zufolge Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände, des engen zeitlichen Zusammenhanges und des diesbezüglichen Gesamtkonzeptes zur Einheit zusammentreten. Bei Verletzung der Schutzvorschriften des ARG in Ansehung verschiedener Arbeitnehmer liegt ein fortgesetztes Delikt nicht vor (vgl. zum KJBG: hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1984, Zl. 81/11/0081 = ZfVB 1985/3/1110; zum AZG: das vorhin zitierte hg. Erkenntnis vom 21. November 1984, Zl. 82/11/0091 = ZfVB 1985/3/901).
Im Beschwerdefall wurde ausschließlich je eine Straftat in Ansehung verschiedener Arbeitnehmer geahndet, wobei als Straftat bezüglich der Arbeitnehmer 1) bis 3) deren Beschäftigung jeweils am 28. April 1986 (berichtigt: 1. März 1986), bezüglich der weiteren Arbeitnehmer 4) bis 6) deren Beschäftigung jeweils am 3. Mai 1986 und bezüglich der weiteren Arbeitnehmer 7) bis
9) jeweils an beiden Tagen angeführt wurde. Bezüglich aller Arbeitnehmer, auch bezüglich der Arbeitnehmer 7) bis 9), wurde nur je eine Strafe verhängt, wenn auch bezüglich der Arbeitnehmer 7) bis 9) der wiederholte rechtswidrige Angriff auf das geschützte Rechtsgut in der Strafhöhe wegen der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient (§ 19 VStG) - zulässigerweise -, seinen Niederschlag fand. Das Strafausmaß in Ansehung der Punkte 7) bis 9) wurde im übrigen nicht gesondert bekämpft.
Die belangte Behörde ist daher zu Recht von neun verschiedenen selbständigen Straftaten ausgegangen und hat auch nicht gegen das Gebot verstoßen, daß wegen jeder dieser Straftaten nur eine Strafe verhängt werden durfte.
2.4. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 29. Juni 1987
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