VwGH 90/11/0177

VwGH90/11/01779.10.1990

B gegen Militärkommando Oberösterreich vom 23. Juli 1990, Zl. O/68/10/05/66, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst, und über den damit verbundenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist

Normen

AVG §10 Abs2;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1.) Dem vorliegenden, am 20. September 1990 zur Post gegebenen (und zur hg. Zl. 90/11/0177 protokollierten) Wiedereinsetzungsantrag liegt folgendes Vorbringen des Beschwerdeführers zugrunde:

Der Beschwerdeführer habe Rechtsanwalt Dr. P "Vollmacht und Auftrag erteilt" zur Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen einen bestimmten Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 18. April 1990 (es handelt sich hiebei um die die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes betreffende und zur hg. Zl. 90/11/0120 protokollierte Beschwerde), "womit er auch den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragte". Letzterem Antrag sei mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1990 (Zl. AW 90/11/0055) nicht stattgegeben worden. Der Beschwerdeführer sei dann in der Folge von einem namentlich genannten Bekannten "informiert" worden, "ihm den Einberufungsbefehl so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen". Der Beschwerdeführer habe dann den Einberufungsbefehl "glaublich Ende Juli 1990" erhalten und habe ihn weder dem genannten Bekannten noch Rechtsanwalt Dr. P "unverzüglich nach Zustellung zur Verfügung gestellt". Er führe das einerseits auf seine übermäßig große Arbeitsintensität zurück, die der (von ihm gepachtete) Landwirtschaftsbetrieb erfordere, andererseits auch auf die Tatsache, daß er "ja diese Wehrdienstangelegenheit in besten Händen" von Dr. P "zu haben glaubte und glaube". Anfang September 1990 habe er dann zufällig seinen Bekannten getroffen und ihm berichtet, daß er am 1. Oktober 1990 einrücken müsse. Dieser habe dann von ihm sofort den Einberufungsbefehl verlangt, welchen er ihm ausgefolgt habe. Der Bekannte habe bereits seinerzeit zwischen dem Beschwerdeführer und Dr. P "zwecks Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde" Kontakt hergestellt. Er habe den Bekannten ermächtigt, sämtliche hiefür erforderlichen Unterlagen an den Anwalt auszufolgen. Da er untertags auf Grund seiner Landwirtschaft kaum Zeit finde, nach Linz zu fahren, seien ihm die Hilfs- und Freundschaftsdienste seines Bekannten sehr entgegengekommen. Er habe zuvor seinen Bekannten auch mit der notwendigen Information ausgestattet, die dieser seinerseits an den Anwalt weitergegeben habe. Am 6. September 1990 sei dann der Einberufungsbefehl an seinen Rechtsvertreter gelangt. Die Übergabe dieses Bescheides an seinen Bekannten sei noch innerhalb der Beschwerdefrist erfolgt. Allerdings habe sich der Beschwerdeführer "nicht an seinen ursprünglichen Auftrag, sofort nach Zustellung dieses Bescheides, diesen an ihn auszufolgen", gehalten. Er glaube jedoch, "daß hier, wenn überhaupt, von nur einem minderen Grad des Versehens meinerseits auszugehen ist". Auch seinen Bekannten treffe keinerlei Verschulden, wenn er den Bescheid erst am 6. September 1990 an den Rechtsvertreter ausgefolgt habe, "weil für ihn einerseits seine dienstliche Verhinderung im Zeitpunkt der Ausfolgung des Bescheides an ihn nicht vorhersehbar war u. er andererseits die vertretbare, wenn auch unrichtige, Auffassung vertreten konnte, daß, zumal bereits eine Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung erhoben wurde, nur noch ein unbefristeter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu stellen ist". Auch seinen Rechtsvertreter treffe kein Verschulden, "jedenfalls keines, das mehr als einen minderen Grad des Versehens bedeuten würde", weil er den Regeln der Sorgfalt entsprochen habe und weil "wir uns mit" dem Bekannten einer verläßlichen Person bedient hätten.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf Umstände beruft, die vor dem Zusammentreffen mit seinem Bekannten "Anfang September 1990" (nach dem Inhalt der angeschlossenen eidesstättigen Erklärung dieses Bekannten war dies "anläßlich eines Wochenendbesuches in U vom 1. auf den 2.9.1990") gelegen sind, kommt ihnen im gegebenen Zusammenhang schon deshalb keine rechtliche Bedeutung zu, weil der Beschwerdeführer selbst behauptet, daß die Übergabe des Einberufungsbefehles an seinen Bekannten noch innerhalb der Beschwerdefrist erfolgt sei, und er nicht dargetan hat, daß bei unverzüglicher Weitergabe des Bescheides an den Beschwerdevertreter die Einhaltung der Beschwerdefrist nicht mehr möglich gewesen sei. Die Versäumung der Beschwerdefrist war auch nicht auf ein Verhalten des Beschwerdevertreters, an den der Einberufungsbefehl erst nach Ablauf der Beschwerdefrist gelangt ist und der vorher gar keinen Auftrag erhalten hatte, diesbezüglich für den Beschwerdeführer tätig zu werden, zurückzuführen. Als taugliche Wiedereinsetzungsgründe im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG könnten daher auf dem Boden des Antragsvorbringens von vornherein nur solche Umstände in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Aushändigung des Einberufungsbefehles durch den Beschwerdeführer an seinen Bekannten stehen oder in dessen Sphäre bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingetreten sind.

Der Antrag enthält kein näheres Vorbringen über den Inhalt des vom Beschwerdeführer mit seinem Bekannten bei Übergabe des Einberufungsbefehles geführten Gespräches; es ist ihm insbesondere nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer seinen Bekannten beauftragt oder ihn zumindest ersucht hat, umgehend mit dem Beschwerdevertreter zwecks Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Einberufungsbefehl Kontakt aufzunehmen. Es ist daraus vielmehr abzuleiten, daß es der Beschwerdeführer offenbar seinem (als Staatsanwalt juristisch geschulten) Bekannten überließ, die ihm erforderlich erscheinenden Schritte zur Wahrung der rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dessen Einberufung zum Grundwehrdienst zu veranlassen, wozu nötigenfalls auch die Einbringung einer derartigen Beschwerde durch den (bereits sonst mit der wehrrechtlichen Angelegenheit des Beschwerdeführers befaßten) Beschwerdevertreter gehörte. Ein Anhaltspunkt dafür, daß es sich bei dem Bekannten des Beschwerdeführers um keine verläßliche Person gehandelt hat, besteht ebensowenig wie dafür, daß diesem gegenüber eine entsprechende Information über den Zeitpunkt der Zustellung des Einberufungsbefehles (und damit des Beginns der Beschwerdefrist) unterblieben ist.

Nach dem bisher Gesagten hatte aber der Bekannte nicht bloß eine Erklärung des Beschwerdeführers an den Beschwerdevertreter zu überbringen, sondern ihm blieb die völlige Entscheidungsfreiheit über das weitere Vorgehen, sodaß er nicht als Bote anzusehen ist, in welchem Falle dem Beschwerdeführer ein allfälliges Verschulden des Bekannten lediglich dann zuzurechnen wäre, wenn er der ihm zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungspflicht nicht nachgekommen wäre (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1978, Slg. Nr. 9706/A, und vom 29. Mai 1985, Zl. 84/11/0297). Der Bekannte war dazu bevollmächtigt, die rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers wahrzunehmen, und daher insoweit dessen Vertreter. Es findet daher die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise die Beschlüsse vom 11. Juni 1986, Zlen. 86/11/0050, 0051, und vom 13. Juni 1989, Zlen. 89/11/0135, 0136) Anwendung, wonach ein Verschulden des Parteienvertreters (bei dem es sich um keinen Rechtsanwalt handeln muß) einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, für seinen Bekannten sei "seine dienstliche Verhinderung im Zeitpunkt der Ausfolgung des Bescheides an ihn nicht vorhersehbar" gewesen, worunter - entsprechend der schon erwähnten eidesstättigen Erklärung - zu verstehen ist, daß es aus für ihn nicht vorhersehbaren Gründen "aus dienstlichen Ursachen heraus nicht möglich" gewesen sei, "diese Urkunde früher an Dr. P auszufolgen", schließt aber ein solches Verschulden keineswegs aus. Abgesehen davon, daß dieses Vorbringen zu unbestimmt ist, um tatsächlich eine derartige Hinderung annehmen zu können, ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß seinem Bekannten die (auch zumutbare) Möglichkeit offengestanden wäre, sich rechtzeitig mit dem Beschwerdevertreter telefonisch in Verbindung zu setzen und ihm die entsprechenden Informationen zu geben, ohne daß es hiefür der gleichzeitigen Übermittlung des Einberufungsbefehles bedurft hätte. Daß dies unterlassen wurde, stellte keinen minderen Grad des Versehens dar. Wenn darüber hinaus ein bestimmter Rechtsirrtum des Bekannten (auf den nicht näher einzugehen ist) geltend gemacht wird, so übersieht der Beschwerdeführer, daß ein Rechtsirrtum nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten ist, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1989, Zl. 88/11/0199, und die dort angeführte weitere Judikatur).

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben.

2.) Das hat weiters zur Folge, daß die gleichzeitig eingebrachte (zur hg. Zl. 90/11/0180 protokollierte) Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen war, wobei beide Entscheidungen in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat ergangen sind.

Damit erübrigte sich auch eine Entscheidung über den (zur hg. Zl. AW 90/11/0072 protokollierten) Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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