Normen
AVG §8;
FlVfGG §18;
FlVfGG §37;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs3 idF 1984/018;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs4 litb idF 1984/018;
FlVfLG Tir 1978 §38 idF 1984/018;
FlVfLG Tir 1978 §74 Abs4 idF 1984/018;
AVG §8;
FlVfGG §18;
FlVfGG §37;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs3 idF 1984/018;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs4 litb idF 1984/018;
FlVfLG Tir 1978 §38 idF 1984/018;
FlVfLG Tir 1978 §74 Abs4 idF 1984/018;
Spruch:
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen. Im übrigen wird der angefochtene Bescheid auf Grund der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 25. Mai 1988 verkauften die Ehegatten A und BC die mit ihrer Stammsitzliegenschaft EZ. nn 1 KG. T verbundenen 13/612-Anteile an der Agrargemeinschaft N (in der Folge kurz: AG) an den Obmann der AG, mit dessen Gutsbestand in EZ. nnn/2 KG. X diese Anteile realrechtlich verbunden werden sollten. Mit Eingabe vom 9. Juni 1988 ersuchten die Vertragsteile das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) um Genehmigung dieses Kaufvertrages nach den einschlägigen Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1978, LBGl. Nr. 54/1978 idF gemäß LGBl. Nr. 18/1984 (in der Folge kurz: TFLG):
Die AB holte zu diesem Antrag eine gutächtliche Stellungnahme ein und erteilte dem Vertrag sodann bescheidmäßig durch einen mit 6. September 1988 datierten Stampiglienaufdruck die beantragte Genehmigung.
Nachdem er von dieser Genehmigung durch den entsprechenden Grundbuchsbeschluß Kenntnis erhalten hatte, erhob O im Namen der AG als deren stellvertretender Obmann sowie im eigenen Namen als Mitglied der AG gegen den Genehmigungsbescheid Berufung, weil bei dem Übergang der agrargemeinschaftlichen Mitgliedschaftsrechte die Verwaltungsstatuten der AG nicht eingehalten worden seien.
Diese Berufung wies die belangte Behörde nach Einholung einer Stellungnahme des Käufers mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. März 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm mit § 38 Abs. 3 und 4 und § 74 TFLG als unzulässig zurück. Begründend führte die belangte Behörde dazu im wesentlichen aus, gemäß § 74 TFLG komme Personen außerhalb eines Regulierungs- oder Zusammenlegungsverfahrens nur insoweit Parteistellung zu, als ihnen im TFLG Rechte eingeräumt oder Pflichten auferlegt würden. In einem agrarbehördlichen Verfahren betreffend die Absonderung von Anteilsrechten im Sinne des § 38 Abs. 3 TFLG komme nur den Inhabern der Stammsitzliegenschaften Parteistellung zu, von welchen die Anteilsrechte abgesondert und mit welchen sie verbunden werden sollten. Nur deren Rechtssphäre werde durch den Genehmigungs- bzw. Verweigerungsbescheid der Agrarbehörde berührt. Den übrigen Mitgliedern der Agrargemeinschaft hingegen komme keine Parteistellung zu, weil ihnen nicht gemäß § 74 Abs. 4 TFLG Rechte eingeräumt seien. Der Agrargemeinschaft selbst könne ein Berufungsrecht nur dann zustehen, wenn das Anteilsrecht von einem Nichtmitglied erworben würde und die Agrargemeinschaft diesem Anteilserwerb nicht zustimmte; hiedurch würde die Rechtssphäre der Agrargemeinschaft berührt. Im gegenständlichen Fall würden jedoch die Anteilsrechte an ein Mitglied der AG veräußert. Auch das in § 4 des Verwaltungsstatuts der AG vorgesehene Vorkaufsrecht der AG, und im Falle seiner Nichtausübung der anderen Teilhaber, lege dem Veräußerer von Anteilsrechten nur die zivilrechtliche Verpflichtung auf, diese Anteilsrechte der AG und in eventu den einzelnen Anteilsberechtigten anzubieten. Aus dieser Verpflichtung könne jedoch kein öffentlich-rechtlicher Anspruch des einzelnen Mitgliedes oder der AG abgeleitet werden, der es ermöglichen würde, in einem Verfahren zur Absonderung von Anteilsrechten als Partei aufzutreten. Gegenstand eines solchen Absonderungsverfahrens sei nur die Frage der Entbehrlichkeit eines Anteilsrechtes für eine Stammsitzliegenschaft und die Frage des wirtschaftlichen Bedarfes nach einem solchen Anteilsrecht für die künftige Stammsitzliegenschaft. Bezüglich dieser Fragen stünde jedoch nur den Inhabern dieser beiden Stammsitzliegenschaften ein Mitspracherecht und damit die Parteistellung zu.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Sie machten darin die Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend. Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1989, Zl. B 534/89, wurde jedoch die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde erklärten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, als Parteien am Verwaltungsverfahren teilnehmen zu können; sie haben deshalb beantragt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Zweit-Beschwerdeführer hat die vorliegende Beschwerde sowohl namens der AG, als deren Obmannstellvertreter er unbestrittenermaßen agiert, als auch im eigenen Namen als einzelnes Mitglied der AG erhoben. In dem bei den vorgelegten Akten befindlichen Verwaltungsstatut ist der Obmannstellvertreter als Organ der AG ausdrücklich vorgesehen. Gemäß § 18 dieses Statuts ist es u.a. Aufgabe des Obmannstellvertreters, die AG bei Verhinderung des Obmannes nach außen zu vertreten. Ein solcher Verhinderungsfall liegt im Beschwerdefall vor, weil der Obmann selbst als Käufer der strittigen Anteilsrechte aufgetreten ist und deshalb bei Vertretung seiner eigenen Interessen einerseits und der Interessen der AG andererseits in eine Pflichtenkollision geraten würde. Da der Obmann der AG somit im Streitfall an deren Vertretung verhindert war, ist die Beschwerde der AG (ebenso wie ihre Berufung im Verwaltungsverfahren) nicht etwa deshalb als unzulässig anzusehen, weil sie nicht von dem dafür zuständigen Organ der AG erhoben worden wäre.
Es ist daher die Streitfrage zu lösen, ob und inwieweit in einem Verfahren betreffend die Absonderung von Mitgliedschaftsrechten von einer Stammsitzliegenschaft gemäß § 38 Abs. 3 TFLG zum Zwecke ihres Verkaufes und ihrer Verbindung mit einer anderen Stammsitzliegenschaft neben den Vertragspartnern selbst auch der Agrargemeinschaft bzw. ihren einzelnen Mitgliedern Parteistellung zukommt.
Gemäß § 38 Abs. 3 TFLG darf die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden.
Die Bewilligung nach Abs. 3 ist gemäß § 38 Abs. 4 TFLG zu verweigern, wenn
a) das Anteilsrecht zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes der bisherigen Stammsitzliegenschaft nicht erheblich ist;
b) durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintritt;
c) die Agrargemeinschaft dem Erwerb des Anteilsrechtes durch ein Nichtmitglied nicht zustimmt;
d) der Erwerb des Anteilsrechtes nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes dient, sofern dieser Erwerb nicht durch die Agrargemeinschaft bzw. durch die Gemeinde als Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen Grundbesitzes erfolgt.
§ 38 Abs. 5 TFLG sieht vor, daß Anteilsrechte, die von einer Stammsitzliegenschaft abgesondert werden, nur an Stammsitzliegenschaften innerhalb derselben Katastralgemeinde gebunden werden dürfen, es sei denn, daß eine andere regionale Übung besteht.
Das TFLG regelt in § 74 Abs. 1 bis 3, wer in einzelnen nach diesem Gesetz vorgesehenen Verfahren Parteistellung hat. Unter diesen im Gesetz aufgezählten Verfahren ist allerdings jenes betreffend die agrarbehördliche Genehmigung einer Absonderung von Mitgliedschaftsrechten von einer Stammsitzliegenschaft (§ 38 Abs. 3 TFLG) nicht erwähnt. Für die Parteistellung in einem solchen Verfahren gilt daher die subsidiäre Regel des § 74 Abs. 4 TFLG, wonach "im übrigen" Personen eine Parteistellung nur insoweit zukommt, "als ihnen in diesem Gesetz Rechte eingeräumt und Pflichten auferlegt sind".
Entgegen der von den im Beschwerdefall eingeschrittenen Agrarbehörden vertretenen Auffassung ist der Verwaltungsgerichtshof der Meinung, daß § 74 Abs. 4 TFLG in Verbindung mit § 38 Abs. 4 lit. b TFLG eine Parteistellung der AGRARGEMEINSCHAFT im Verfahren betreffend die agrarbehördliche Genehmigung einer Absonderung von Mitgliedschaftsrechten von der Stammsitzliegenschaft begründet. Es wird in § 38 Abs. 4 lit. b TFLG der Agrargemeinschaft das Recht eingeräumt, dafür Sorge zu tragen, daß durch die Absonderung nicht eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintritt. Eine vergleichbare Bestimmung betreffend die EINZELNEN MITGLIEDER der Agrargemeinschaft ist hingegen dem TFLG nicht zu entnehmen.
Die Beschwerdeführer haben im Verwaltungsverfahren ihre Parteistellung darauf gestützt, daß die Vorschriften des Verwaltungsstatuts der AG bei der Genehmigung des Kaufvertrages nicht beachtet worden seien, insbesondere darauf, daß ihnen gemäß § 4 dieses Statuts im Falle der Absonderung eines Mitgliedschaftsrechtes von einer Stammsitzliegenschaft ein Vorkaufsrecht zukomme. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich in diesem Zusammenhang der Auffassung der Beschwerdeführer nicht anzuschließen, wonach sich der Umfang der Parteistellung gemäß § 74 Abs. 4 TFLG auch nach dem Umfang der Rechte und Pflichten bestimme, die ohne erkennbare Bezugnahme auf die Bestimmungen des TFLG in der Satzung statuiert sind.
Was nun im konkreten Fall das von den beiden Beschwerdeführern genannte Vorkaufsrecht betrifft, ist die Aufnahme einer derartigen Bestimmung in die Satzung jedenfalls nicht im TFLG grundgelegt. Für die AG stellt dieses Vorkaufsrecht allenfalls eine nähere Regelung des in § 38 Abs. 4 lit. b TFLG genannten Rechtes dar; doch hätte, wie gesagt, der AG auch ohne diese Satzungsbestimmung im Verwaltungsverfahren Parteistellung eingeräumt werden müssen. Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers hingegen ist eine dem § 38 Abs. 4 lit. b TFLG vergleichbare Bestimmung in diesem Gesetz nicht enthalten, weshalb ihm auch die Satzungsbestimmung betreffend das Vorkaufsrecht allein keine Parteistellung verleihen konnte.
Während aus diesen Gründen die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war, mußte der angefochtene Bescheid auf Grund der berechtigten Beschwerde der erstbeschwerdeführenden AG gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989. Ein Kostenzuspruch an die erstbeschwerdeführende AG mußte unterbleiben, weil seitens der Beschwerdeführer ein Kostenersatzanspruch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht worden ist.
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