VwGH 86/04/0070

VwGH86/04/007030.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gyenge, über die Beschwerde der AF in A, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, Marktgraben 12, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 25. März 1986, Zl. IIc-486/35, betreffend Entfernungsauftrag nach dem Tiroler Campingplatzgesetz zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z2;
ZustG §7;
AVG §10 Abs2;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 litb;
VwGG §42 Abs2 Z2;
ZustG §7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid von 3. Juni 1983 trug die Bezirkshauptmannschaft NN der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 26 Abs. 3 Tiroler Campingplatzgesetz auf, die Mobilheime (nicht zugelassene Anhänger im Sinne von § 2 lit. e leg. cit.) der im weiteren angeführten Personen, die auf dem Campingplatz "XY" in A zur Aufstellung gelangt seien, innerhalb von vier Wochen, von der Rechtskraft dieses Bescheides an gerechnet, zu entfernen. Dieser Bescheid erging nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens an "1. Frau AF, in A, vertreten durch den Herrn Rechtsanwalt Dr. Ekkehard Erlacher, 6020 Innsbruck, Marktgraben 12 (RSb)". Dementsprechend erfolgte die Zustellung auch nach dem im Verwaltungsakt erliegenden Zustellnachweis an "Frau AF, in A, z.Hd. Herrn Rechtsanwalt Dr. Ekkehard Erlacher", der auch mit Datum 6. Juni 1983 die Übernahme bestätigte.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch den vorangeführten Rechtsanwalt Berufung. In dem Schriftsatz wurde einleitend ausgeführt, "In außen bezeichneter Rechtssache erhebt AF durch ihren ausgewiesenen Vertreter gegen den Bescheid vom 3. Juni 1983 in offener Frist die Berufung. Vorerst wird darauf hingewiesen, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides nicht ordnungsgemäß erfolgte, da diese richtigerweise an AF persönlich und nicht an RA Dr. Ekkehard Erlacher hätte erfolgen müssen."

Über diese Berufung entschied die Tiroler Landesregierung nach mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1984, Zl. 84/04/0012, erfolgter Aufhebung ihres Berufungsbescheides vom 14. Dezember 1983 - mit Ersatzbescheid vom 5. Juli 1984. Dieser Bescheid ist mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1985, Zl. 84/04/0099, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden. Im Zusammenhang damit ist auch auf das im Bescheid überhaupt nicht erörterte Vorbringen der Beschwerdeführerin über die mangelnde ordnungsgemäße Zustellung des erstbehördlichen Bescheides hingewiesen worden, wobei für das fortgesetzte Verfahren in Hinsicht auf das in der Gegenschrift zu dem vorgebrachten Zustellmangel erstattete Vorbringen der belangten Behörde, insbesondere auf die Darlegungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1982, Z1. 82/03/0018, zur Frage der gültigen Vertreterbevollmächtigung aufmerksam gemacht worden ist.

Mit dem nunmehr neuerlich ergangenen Ersatzbescheid vom 25. März 1986 erkannte die Tiroler Landesregierung über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den vorangeführten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft NN vom 3. Juni 1983 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 25 Abs. 3 Tiroler Campingplatzgesetz, LGBl. Nr. 69/1980, dahin, dass der Berufung teilweise Folge gegeben und der Spruch des erstbehördlichen Bescheides insoweit abgeändert werde, als der Beschwerdeführerin nach § 25 Abs. 3 Tiroler Campingplatzgesetz, LGBl. Nr. 69/1980, aufgetragen werde, die im Bescheidspruch im folgenden genannten Mobilheime samt den dazugehörigen Vorbauten (Holzterrassen bzw. Windfang), die auf den im Lageplan des Dipl.-Ing. SR vom 5. Oktober 1983 planlich dargestellten Standplätzen auf dem mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde A vom 19. Juni 1978, Zl. 153/F/78, genehmigten Campingplatz auf Gp. 371, KG. D, stünden, innerhalb der im Erstbescheid angeführten Frist zu entfernen (Punkt I.). Weiters wurde ausgesprochen, dass der Entfernungsauftrag hinsichtlich der übrigen im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Mobilheime, die sich nicht auf dem genehmigten Campingplatz, sondern im Freiland befänden, behoben werde (Punkt II.). Begründend wurde - nach Darstellung der bisherigen Verfahrenslage -

ausgeführt, zum Vorbringen der Beschwerdeführerin über den behaupteten Zustellmangel werde festgestellt, dass der erstinstanzliche Bescheid zu Recht an Rechtsanwalt Dr. Ekkehard Erlacher habe zugestellt werden können, weil dieser als Vertreter der Beschwerdeführerin, durch eine im Akt befindliche schriftliche Vollmacht ausgewiesen gewesen sei und an diesem Vollmachtsverhältnis kein Zweifel bestanden habe. Diese Vollmacht, mit der die Beschwerdeführerin den genannten Rechtsanwalt am 1. September 1980 ermächtigt habe, sie in allen Angelegenheiten vor Verwaltungsbehörden zu vertreten und Zustellungen aller Art anzunehmen, sei vom Vertreter der Beschwerdeführerin im Zuge einer Berufung gegen die Betriebsbewilligung des Bürgermeisters der Gemeinde A vom 11. Juli 1980 gelegt worden. Sowohl in diesem Verfahren als auch in der Folge sei in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem Verfahren abgeführten Verfahren betreffend die Versagung der Betriebsbewilligung, der Sperre des Campingplatzes und der Entfernung von Mobilheimen sei die Beschwerdeführerin vom vorgenannten Rechtsanwalt unmissverständlich vertreten worden und es seien die in diesem Verfahren ergangenen Bescheide auch anstandslos an ihn zugestellt worden. In allen Verfahren sei es im wesentlichen um den Bestand der von der Beschwerdeführerin auf ihrem Campingplatz unerlaubt aufgestellten Mobilheime, also um die gleiche Sache gegangen. Es habe daher auch der verfahrensgegenständliche erstbehördliche Bescheid ohne weitere Vollmacht an den Vertreter der Beschwerdeführerin zugestellt werden können. Im gegenständlichen Verfahren betreffend die Entfernung von Mobilheimen habe zu Recht davon ausgegangen werden können, dass der Rechtsanwalt auch in diesem Verfahren die Beschwerdeführerin unmissverständlich weiterhin vertrete, zumal in der Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid vom Bevollmächtigten selbst ausdrücklich auf das ausgewiesene Bevollmächtigungsverhältnis Bezug genommen worden sei. Im übrigen enthält der Bescheid Begründungsausführungen zum materiellen Bescheidinhalt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Nichtergehen eines meritorisch in der Sache absprechenden Bescheides, insbesondere auf Nichtergehen des bezeichneten Entfernungsauftrages nach den Bestimmungen des Tiroler Campingplatzgesetzes als verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - wie schon in ihren bisherigen Beschwerden - zunächst vor, das gesamte Verfahren sei mangelhaft geblieben, da eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft NN nicht erfolgt sei, da der Bescheid an den - damals im gegenständlichen Verfahren noch nicht ausgewiesenen - Vertreter der Beschwerdeführerin zugestellt worden sei. Auf diesen Umstand sei bereits in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hingewiesen worden. Demnach könne die Behörde auch nicht annehmen, dass die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter das Schriftstück (erstinstanzlicher Bescheid) unbeanstandet angenommen habe. Wenn auch die behängenden Verfahren in einem gewissen inneren Zusammenhang stünden, so hätte die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides dennoch nicht an den nunmehrigen Vertreter der Beschwerdeführerin erfolgen dürfen, da weder diese noch ihr Vertreter etwa unmissverständlich zu erkennen gegeben hätten, dass er zum damaligen Zeitpunkt die Beschwerdeführerin auch im gegenständlichen Verfahren habe vertreten wollen. Die belangte Behörde habe daher richtigerweise nur davon ausgehen dürfen, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin diese erst ab dem Zeitpunkt der Einbringung der Berufung vertreten habe, zumal in der Berufung ausdrücklich darauf hingewiesen sei, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine Vertretung der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt sei. Im übrigen enthält die Beschwerde Darlegungen zu dem von ihr bekämpften inhaltlichen Abspruch des angefochtenen Bescheides.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 8. September 1982, Zl. 82/03/0018, unter Hinweis auf die dort angeführte weitere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt hat, ist die Behörde nicht berechtigt, auch wenn der Gewalthaber in einer Rechtssache eine allgemeine Vollmacht des Machtgebers vorgelegt hat, diesen im Verfahren über andere, bereits schwebende oder erst „später anhängige Rechtsangelegenheiten ebenfalls als durch den einmal ausgewiesenen Gewalthaber vertreten zu behandeln, es sei denn, dass die Partei ihren Willen, sich auch in allen weiteren Rechtssachen eben dieses Vertreters zu bedienen, unmissverständlich zu erkennen gegeben hat. Hingegen reicht die Tatsache allein, dass in der einen Rechtssache eine Vollmacht vorgelegt worden ist, die eine Bevollmächtigung zur Vertretung in allen Angelegenheiten beurkundet, hiezu nicht aus.

Ausgehend davon erweist sich aber auf Grund der in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen die Annahme der belangten Behörde über ein bereits im Zeitpunkt der Zustellung des verfahrensgegenständlichen erstbehördlichen Bescheides ausgewiesenes Vollmachtsverhältnis als rechtswidrig, da insbesondere im Hinblick auf das dargestellte Berufungsvorbringen gegen den erstbehördlichen Bescheid nicht etwa davon ausgegangen werden kann, dass die Beschwerdeführerin im dargestellten Sinn durch ihr Verhalten "unmissverständlich" zum Ausdruck gebracht hätte, bereits in Ansehung der Zustellung des erstbehördlichen Bescheides durch ihren in anderen Verwaltungsverfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten zu sein. Sofern sich aber die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf beruft, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ja selbst auf das bestehende Vollmachtsverhältnis Bezug genommen habe, so ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn ein Rechtsanwalt in einem (späteren) Verfahren auf eine in einem früheren Verfahren ausgewiesene unbeschränkte Vollmacht hinweist, die Behörde zwar von einer Bevollmächtigung in diesem Zeitpunkt auszugehen hat, dass jedoch - abgesehen von der dargestellten Berufungsrüge - allein aus diesem Umstand nicht schon rückwirkend auf das Vorliegen eines Vollmachtsverhältnisses bereits vor dem Zeitpunkt dieses Einschreitens geschlossen werden kann.

Danach wurde aber der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen - auf Grund der von der belangten Behörde getroffenen Zustellverfügung war "Empfänger" des erstbehördlichen Bescheides im Sinne der zustellrechtlichen Vorschriften ausschließlich der zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgewiesene Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin (vgl. hiezu sinngemäß den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1980, Slg. N. F. Nr. 10.327/A), weshalb auch unabhängig von den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen eine Anwendbarkeit der Bestimmung des § 7 Zustellgesetz schon aus diesem Grund nicht in Betracht zu ziehen ist -, was den Mangel der Zuständigkeit der belangten Behörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin zur Folge hatte, da in derartigen Fällen die Zuständigkeit nur so weit reicht, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. hiezu die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. Mai 1968, 1166/67, Slg. N. F. Nr. 7357/A).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 4 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 30. September 1986

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte