VwGH 85/07/0326

VwGH85/07/032625.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Pinter, über die Beschwerde der Wasserwerksgenossenschaft F in E, vertreten durch Dr. Arnulf Hummer, Rechtsanwalt in Wien I, Maysedergasse 5, gegen die Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 1) 17. Oktober 1985, Zl. 15.626/34-I 5/85, betreffend Nichtstattgebung eines Antrages in einer Wasserrechtssache zu 2) 23. Mai 1985, Zl. 15.626/55-I 5/84, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §8;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §114 Abs2;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §73 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §114 Abs2;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §73 Abs1;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 20.070,-- (zu 1.) S 9.900,--, zu 2.) S 10.170,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat mit Bescheid vom 14. Juli 1971 der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für das Grundwasserwerk Mitterndorfer Senke erteilt (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 20. Oktober 1972, Slg. N. F. Nr. 8301). Im Punkt II lit. c des zuvor genannten Bescheides wurden unter anderem "die notwendigen Maßnahmen zum Ausgleich der Entnahmeauswirkungen auf die Oberflächengewässer im Zusammenflußbereich von Piesting und Fischa" einer gesonderten Detailentscheidung vorbehalten. Die mitbeteiligte Partei hat ein solches Projekt, im folgenden "Detailprojekt C" genannt, ausgearbeitet und zur Bewilligung der belangten Behörde vorgelegt.

Hierüber hat die belangte Behörde mündliche Verhandlungen für den 13. November und 10. Dezember 1984 gemäß § 107 WRG 1959 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 anberaumt, zu denen die Beschwerdeführerin nicht geladen worden ist. Die in der Kundmachung zur mündlichen Verhandlung im November 1984 enthaltene Projektsbeschreibung lautet wie folgt

"Das nunmehrige Projekt behandelt die in Abschnitt B/IV des Hauptbescheides 1971 - Oberflächengewässer Punkt 17 und 21 gestellten Auflagen, soweit sie im Zusammenflußbereich von Fischa und Piesting liegen. Ferner werden wegen des ähnlichen Zusammenhanges zwischen Oberflächen- und Grundwasser im gegenständlichen Projekt für den Absenkbereich auch die Bescheidauflagen B/II - Wasserversorgung Punkt 9 und 10 sowie B/III Landeskultur Punkt 12 behandelt. Für die Beurteilung notwendiger Maßnahmen wurden wie gesagt die vor Konsenserteilung (14. Juli 1971) bereits bestandenen Rechte herangezogen."

Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 1984 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, sie dem Verfahren über dieses Detailprojekt beizuziehen, ihr als Partei in diesem Verfahren Akteneinsicht zu geben und zu allen künftigen Verhandlungen und sonstigen Amtshandlungen einzuladen, ferner die Mitbeteiligte, sofern dies noch nicht geschehen sei, zu veranlassen, im gegenständlichen Detailprojekt auch die Anpassung der Wasserbenutzungsanlagen der Mitglieder der Beschwerdeführerin an die neuen Verhältnisse zu behandeln, das genannte Detailprojekt nicht zu genehmigen, solange es nicht ergänzt und verhandelt sei und schließlich, falls bereits die Bewilligung für das Detailprojekt erteilt worden sei, ihr den Bescheid zuzustellen. Die Beschwerdeführerin begründete im wesentlichen ihre Anträge damit, daß sie durch das Projekt in ihren Wasserbenutzungsrechten an der Fischa beeinträchtigt werde.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Mai 1985 wurde gemäß §§ 10, 100, 114 und 115 WRG 1959 der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für das eingereichte Detailprojekt C erteilt. Dieser Bescheid wurde zunächst der Beschwerdeführerin nicht zugestellt.

In der Folge holte die belangte Behörde eine gutächtliche Stellungnahme ihres Sachverständigen Dris. R. zur Frage der Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin ein. Diese Äußerung wurde der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. Oktober 1985 wurde dem Begehren der Beschwerdeführerin vom 19. Dezember 1984, dem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren über das Detailprojekt C des Grundwasserwerkes Mitterndorfer Senke/III. Wiener Wasserleitung der Stadt Wien beigezogen zu werden, gemäß §§ 100 und 102 WRG 1959 in Verbindung mit § 8 AVG 1950 nicht stattgegeben. In der Begründung dieses Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe die Verfahrensanträge der Beschwerdeführerin neuerlich geprüft, doch abermals - wie vor der Erlassung des Bewilligungsbescheides vom 23. Mai 1985 - gefunden, daß die Beschwerdeführerin in concreto aus folgenden Gründen nicht betroffen erscheine und ihr deshalb auch keine Parteistellung im Sinne des § 102 WRG 1959 und § 8 AVG 1950 zukomme. Im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 1985 werde eingangs ausdrücklich festgehalten, welche Auflagen und Bedingungen des Bescheides ex 1971 durch das Detailprojekt C erfüllt würden. Es handle sich um folgende Bedingungen:

II. Wasserversorgung; Punkt 9 und 10,

III. Landeskultur, Punkt 12,

IV. Oberflächengewässer Punkt 17 und 21.

Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe auf IV. Oberflächengewässer Punkt 17 und 19 hingewiesen. Der Punkt 19 der Bedingungen der Auflagen werde durch das Detailprojekt C nicht berührt und sei einem eigenen Detailprojekt vorbehalten. Es erübrige sich daher, diesen Punkt näher zu behandeln. Bezüglich des Punktes 17 der Bedingungen und Auflagen sei folgendes festzustellen: Im Punkt 17 des Bescheides ex 1971 werde der mitbeteiligten Partei aufgetragen, in einem Detailprojekt die Beeinflussung der Gewässer im Zusammenfluß der Piesting und Fischa (auch Deltabereich genannt) darzustellen und konkrete Abhilfemaßnahmen zu projektieren, wie die berührten derzeitigen Nutzungen den neuen Verhältnissen angepaßt werden könnten. Im Schriftsatz vom 19. Dezember 1984 fehle jedoch die für das gegenständliche Projekt ganz wesentliche Ortsbeschreibung "im Zusammenfluß der Piesting und Fischa", womit indes der Anschein erweckt werde, als wären bei der Erfüllung der Auflagen/Bedingungen Punkt 17 alle durch die Verminderung der Wasserführung der Oberflächengewässer berührten derzeitigen Nutzungen zu behandeln. In dem durch den Bescheid erfaßten Bereich (Deltabereich) bestehe aber nach den von der Mitbeteiligten eingereichten Projektsunterlagen nur eine einzige, Alfred R. gehörige Anlage zur Nutzung der fließenden Welle zum Zwecke der Erzeugung von elektrischer Energie. Diese Anlage werde im Detailprojekt C angeführt und gleichzeitig darauf hingewiesen, daß hinsichtlich dieser Anlage beim Landeshauptmann von Niederösterreich ein diesbezügliches Enteignungs- und Entschädigungsverfahren laufe. Der Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 1985 führe auf Seite 10 diesen Umstand an. Zusammenfassend lasse sich somit folgendes feststellen: Durch das Detailprojekt C würden bestimmte Auflagen und Bedingungen des Bewilligungsbescheides ex 1971 in einem begrenzten Bereich (Deltabereich) behandelt. In diesem Bereich fände sich nur ein einziges Wasserrecht für die Nutzung der fließenden Welle für die Energieerzeugung. Für dieses Wasserrecht laufe ein wasserrechtliches Entschädigungsverfahren. Aus rechtlicher Sicht und auch von seiten der Wasserwirtschaft sei daher weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit gegeben gewesen, weitere Auswirkungen der Beeinflussung der Oberflächengewässer im Zusammenhang mit deren energetischen Nutzung zu behandeln. Zu der vorerwähnten Mühle des Alfred R. sei noch zu bemerken, diese Mühle befinde sich im Untersuchungsgebiet des Detailprojektes C, doch sei diese Angelegenheit ohnehin in das - nunmehr im Devolutionswege - bei der belangten Behörde anhängige Entschädigungsverfahren einbezogen worden. Im übrigen sei Alfred R. in der am 10. Dezember 1984 stattgefundenen Verhandlung ohne Abgabe einer Stellungnahme anwesend gewesen, woraus sich dessen Zustimmung zum Detailprojekt C entnehmen lasse.

Gleichzeitig mit der Zustellung dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin auch der Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 1985 zugestellt.

Die Beschwerdeführerin erhob am 29. November 1985 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 17. Oktober 1985 (hg. Zl. 85/07/0326) und am 3. Dezember 1985 gegen den Bewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 23. Mai 1985 (hg. Zl. 85/07/0328) Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach den gleichlautenden Beschwerdeausführungen in folgenden Rechten verletzt: in ihren rechtmäßig geübten Wassernutzungen, in ihrem subjektivöffentlichen Recht darauf, daß gemäß § 105 WRG 1959 kein schädlicher Einfluß auf den Lauf natürlicher Gewässer herbeigeführt werde und daß die Beschaffenheit des Wassers nicht nachteilig beeinflußt werde, in ihrem Recht auf gesetzmäßige Auslegung und Anwendung der §§ 12 und 13 WRG 1959, in ihrem Recht auf Rechtskraftwirkung des Bescheides der belangten Behörde vom 14. Juli 1971, aus welchem ihr Rechte erwachsen seien, in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Wasserrechtsverfahren, insbesondere darauf, daß sie an einem Verfahren über Wasserrechte, welche ihre auf Grund bestehender Rechte rechtmäßig geübten Wassernutzungen beeinträchtigen, als Partei teilnehmen könne und schließlich dementsprechend in ihrem Recht darauf, daß das Detailprojekt C der mitbeteiligten Partei nur bewilligt werde, wenn es nach Inhalt und Umfang der Auflage 17 des Bescheides der belangten Behörde vom 14. Juli 1971 entspreche.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenschriften erstattet. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete Gegenschriften.

Wegen des sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges wurden beide Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die mitbeteiligte Partei die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin deshalb bestreitet, weil sie die Rechte der in ihr vereinigten Wasserberechtigten vertrete, wird auf das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1986, Zl. 84/07/0249, verwiesen.

Die belangte Behörde hat über das Detailprojekt C mündliche Verhandlungen im Sinne des § 114 Abs. 2 WRG 1959 durchgeführt, zu denen sie die Beschwerdeführerin deshalb nicht beigezogen hat, weil diese der Behörde nicht bekanntgegeben worden ist. Die Beschwerdeführerin hat aber während des Verfahrens und noch vor dessen Abschluß vor der belangten Behörde vorgebracht, daß sie durch dieses Detailprojekt in ihren rechtmäßig geübten Wassernutzungen (§ 12 Abs. 2 WRG 1959) an der Fischa verletzt werde und daher als Partei im Sinne des § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 dem Verfahren beizuziehen sei; sie hat weiters auf der Grundlage dieser behaupteten Rechtsverletzungsmöglichkeit die Versagung der angestrebten wasserrechtlichen Bewilligung begehrt. Die belangte Behörde hat über diese Einwendung im Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 1985 nicht entschieden, sondern in einem gesonderten Bescheid vom 17. Oktober 1985 ausgesprochen, daß der Beschwerdeführerin deshalb keine Parteistellung im vorliegenden Verfahren zukomme, weil sie durch das Projekt in ihren Rechten nicht verletzt werde.

Enthält eine dem Gesetz entsprechende Einwendung einen die Hauptfrage betreffenden Parteiantrag, so muß über diesen auf Grund des § 59 Abs. 1 erster Satz AVG 1950 in DEM Bescheid, mit dem die Hauptfrage entschieden wird, abgesprochen werden, weil eine gesonderte Entscheidung über die begehrte wasserrechtliche Bewilligung einerseits und über die dagegen erhobenen Einwendungen andererseits rechtlich nicht möglich ist (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 4. März 1965, Zl. 1452/64).

Da durch die im Detailprojekt C unter anderem vorgesehenen Maßnahmen (Ersatzbrunnen für Feuerlöschzwecke, Überleitung von Piestingwasser in den Schlauchgraben) Rechte der Beschwerdeführerin beeinträchtigt werden können, kann die Parteistellung der Beschwerdeführerin in dem abgewickelten Verwaltungsverfahren nicht zweifelhaft sein. Die belangte Behörde hätte daher die Beschwerdeführerin dem weiteren wasserrechtlichen Verfahren beizuziehen gehabt. Ob eine Beeinträchtigung tatsächlich stattfindet, ist Gegenstand des Verfahrens, berührt jedoch nicht die Parteieigenschaft der Beschwerdeführerin (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 12. September 1963, Slg. N. F. Nr. 6087/A).

Die belangte Behörde hat es zwar nach Erlassung des Bewilligungsbescheides vom 23. Mai 1985 unternommen, auf sachkundiger Basis zu prüfen, ob Rechte der Beschwerdeführerin durch das Detailprojekt C beeinträchtigt werden, der Beschwerdeführerin aber nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen. Dadurch hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Abgesehen davon enthält jene gutächtliche Stellungnahme auch keine konkreten Darlegungen darüber, warum durch die Projektsmaßnahmen selbst keine Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin eintreten könnte. Hingegen kommt der Beschwerdeführerin kein Recht zu, eine umfangmäßige Erweiterung des Projektes dergestalt zu begehren, daß bereits in diesem Detailprojekt C die im Bescheid der belangten Behörde vom 14. Juli 1971 vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen im Bereich der Wasserbenutzungsrechte der Beschwerdeführerin behandelt werden.

Die angefochtenen Bescheide, die eine Einheit bilden, waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Da bereits in der Sache selbst eine Entscheidung getroffen worden ist, erübrigte es sich, über die von der Beschwerdeführerin gestellten Anträge, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zu entscheiden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 25. September 1986

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