VwGH 85/07/0137

VwGH85/07/013715.10.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kratzert, über die Beschwerde des GG in W, vertreten durch Dr. Karl F. Engelhart, Rechtsanwalt in Wien III, Esteplatz 4/11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. März 1985, Zl. 410.751/02-I 4/84, betreffend wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Fischteichanlage (mitbeteiligte Partei: FL in Z, vertreten durch Dr. Franz Withoff, Rechtsanwalt in Zwettl, Landstraße 20, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
WRG 1959 §107 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
WRG 1959 §107 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Mitbeteiligte (in der Folge kurz: MB) ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 745/1, 745/3 und 777 KG. K, auf denen er zwei Fischteiche errichten will.

Der Beschwerdeführer ist als Eigentümer der Grundstücke Nr. 575 und 577 KG. K, auf welchen er einen bereits im Jahre 1968 wasserrechtlich bewilligten Fischteich betreibt, Unterlieger und im Wasserbuch eingetragener Wasserberechtigter an jenem Gerinne, das durch das vom MB geplante Vorhaben berührt wird.

Mit Bescheid vom 5. April 1983 erteilte der Landeshauptmann von Niederösterreich dem MB gemäß den §§ 10, 11, 12, 13, 32, 99, 105, 111 und 113 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung zur Herstellung und zum Betrieb einer Fischteichanlage zur Karpfenproduktion mit zwei Teichen mit je ca. 1.900 m2 bespannter Fläche auf den Grundstücken 745/1, 745/3 und 777 KG. K, deren Speisung aus einem Kleinentwässerungssystem erfolgt, und zur Einleitung der Teichüberwässerung in das entlang der nördlichen Grenze des Areales fließende unbenannte Wiesengerinne nach Maßgabe der Projektbeschreibung und bei Einhaltung zahlreicher im Bescheidspruch angeführter Bedingungen. Gleichzeitig wurden die Anträge des Beschwerdeführers auf Abweisung des Ansuchens des MB abgewiesen.

Dieser Bewilligung und der ihr vorangegangenen Wasserrechtsverhandlung lag ein vom MB bereits gegenüber seiner ursprünglichen Einreichung ausgewechseltes Projekt zu Grunde, wie es im sogenannten "Auswechslungsplan" des MB dokumentiert ist, und wie es im Bescheid des Landeshauptmannes unter Spruchabschnitt A) wie folgt beschrieben wurde:

"Herr FL beabsichtigt auf den in seinem Eigentum befindlichen Grundstücken 745/1, 745/3 und 777 in der Katastralgemeinde K eine Fischteichanlage, bestehend aus zwei Teichen mit einer Gesamtbespannungsfläche von rund 3800 m2 zu errichten.

Bei den genannten Grundstücken handelt es sich um Wiesenflächen, die ein Gefälle Richtung Norden aufweisen. Die Teiche sollen mittels eines Dammes an der Nord-Ost- und Westseite und durch einen ca. 1,0 m tiefgeführten Geländeeinschnitt an der Südseite hergestellt werden, sodaß eine durchschnittliche Wassertiefe von 1,0 m erreicht wird. Im nördlichen Bereich erreichen die Teiche in der Nähe der Mönchsbauwerke eine Maximaltiefe von 1,50 m. Die Speisung der Teiche soll ausschließlich durch die Erfassung der Dränwässer von südlich an die Teichanlage angrenzenden Wiesengrundstücken sichergestellt werden. Das über die Dränagen herangeführte Wasser soll über zwei Sammelstränge, welche jeweils in einen Sammelschacht münden, die Teiche speisen. Diese Sammelschächte werden mit Absperrorganen ausgestattet, welche es ermöglichen, die von diesen Schächten zu den Teichen führenden Leitungen zu schließen und das nicht für die Speisung der Teiche verwendete Wasser über einen weiteren Sammelstrang in das unbenannte Gerinne im westlichen Flächenbereich abzuleiten. Weiters sollen die beiden Teiche mit je einem Mönchsbauwerk (Innenmaße 50 x 60 cm) ausgestattet werden. Der Aufstau soll mittels gespundeten 10 cm breiten Holzbohlen in doppelter Anordnung hergestellt werden. Vor den Holzbohlen soll ein Fischrecht angeordnet werden. Der Mönchsablauf wird aus PVC-Rohren mit einer Lichtbreite von 150 mm hergestellt."

In der Begründung seines Bescheides bezog sich der Landeshauptmann auf die im Verfahren eingeholten Gutachten von Amtssachverständigen, wonach unter Vorschreibung der erforderlichen Auflagen die Bewilligung des Projektes zu erteilen und die dagegen vom wasserbenutzungsberechtigten Unterlieger (Beschwerdeführer) erhobenen Anträge anzuweisen gewesen wären.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf ein von ihm vorgelegtes Privatgutachten im wesentlichen geltend, daß die Wasserzufuhr zu den Teichen des MB mit Rücksicht auf die gegebenen Verhältnisse nicht ausreichend sei, um eine ordnungsgemäße Auffüllung der Teiche und die Aufrechterhaltung eines hinsichtlich Menge und Qualität ausreichenden Wasserstandes zu gewährleisten. Daraus sei unter Bedachtnahme auf die im Privatgutachten aufgezeigten chemischen Probleme mit Sicherheit eine Verschmutzung der unterliegenden Gewässer zu erwarten. Es sei unerfindlich, wie der hydrogeologische Amtssachverständige in seinem Gutachten auf eine Einzugsfläche für die Speisung der vorgesehenen Dränage von 7 bis 10 ha gekommen sei, zumal die Grundstücke des MB südlich der Teiche nur mehr eine Grundfläche von ca. 5000 m2 als Einzugsbereich für das Grundwasser aufwiesen. Das Projekt des MB hätte aber auch deshalb nicht bewilligt werden dürfen, weil ihm die erforderliche Zufahrt zu den geplanten Fischteichen fehle.

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren vorerst ergänzende gutächtliche Stellungnahmen zur Frage der Dotation der projektierten Fischteichanlage des MB ein. Dabei kam der Amtssachverständige aus dem Gebiet der Wasserbautechnik zu dem Ergebnis, daß sich die Einzugsgebietsgrenzen mittels des vorliegenden Kartenmaterials nur abschätzen ließen, weshalb bei den vorgenommenen Berechnungen von Einzugsgebietsgrößen von 5 bzw. 10 ha ausgegangen werde; unter diesen angenommenen Bedingungen reiche die vorhandene Wassermenge aus, die Becken zu füllen und die Verluste (Verdunstung, Versickerung etc.) zu kompensieren.

Nach Auffassung des hydrogeologischen Amtssachverständigen der belangten Behörde stelle sich die Größe des Einzugsgebietes, dessen unterirdischer Abfluß dem Becken der Anlage des MB dienen solle, als eine grundlegende und nicht geklärte Frage dar. Im Projekt des MB sei nur die südlich des geplanten Fischteiches gelegene Dränfläche von etwa 0,5 ha dargestellt, nicht aber das Ausmaß und die Höhenverhältnisse der an diese anschließenden Hangfläche, deren Abfluß das projektierte Dränsystem speise. Das Projekt sei daher diesbezüglich ergänzungsbedürftig.

Zu diesen Gutachten wurde dem Beschwerdeführer und dem MB Parteiengehör gewährt. Außerdem forderte die belangte Behörde den MB zu einer entsprechenden Projektsergänzung auf. Der MB erklärte sich am 31. Jänner 1984 "gerne jederzeit bereit, die geforderten Ergänzungen durch Sachverständige betreffend das Einzugsgebiet oberhalb der Dränage durch einen wasserbautechnischen Amtssachverständigen erforschen und das Gutachten ergänzen zu lassen, damit dann auf Grund dieses Gutachtens das Ausmaß und die Höhenverhältnisse der an diese anschließende Hangfläche, deren Abfluß als projektierte Dränsystem speist, sachlich festgestellt und der Berufungsbehörde mitgeteilt wird". In einer weiteren im Berufungsverfahren erstatteten Eingabe vom 28. Februar 1984 wiederholte der Beschwerdeführer seine Bereitschaft, ein ergänzendes Gutachten zum Nachweis dafür vorzulegen, daß nicht nur 0,5 ha Dränfläche als Einzugsgebiet zu berechnen seien, sondern auch jene Flächen, die diese Einzugsfläche speise.

Den vorgelegten Akten ist zu entnehmen, daß am 30. Mai 1984 ein mit 21. Mai 1984 datierter "Technischer Bericht (Ergänzung des Projektes bezüglich Größe des Einzugsgebietes und Gefälle)" bei der belangten Behörde eingelangt ist, in welchem eine Firma "Lieferbeton Bauunternehmen - Holzbau E-Ges.m.b.H." die Größe und die Gefällsverhältnisse des für die Dotation der Fischteiche des MB mittels Dränagen herangezogenen Einzugsgebietes beschrieben und mit 6,22 ha ermittelt hat.

Diese Eingabe wurde dem hydrogeologischen Amtssachverständigen der belangten Behörde mit dem Ersuchen um ergänzende Stellungnahme übermittelt, welcher dazu am 13. Juni 1984 ausführte:

"In den ho. Stellungnahmen vom 10.10.1983 und 6.12.1983 wurde die Bestimmung der Einzugsgebietsgröße des Projektsgebietes als für die Beurteilung wesentlich angesehen.

Aus der nunmehr vorliegenden Untersuchung ergibt sich eine Einzugsgebietsfläche von 6,22 ha. Nach den von ho. durchgeführten Untersuchungen ergibt sich demnach ein 2,6-facher Gesamtaustausch des Beckeninhaltes pro Jahr bei = 0,22 und ein 1,3-facher Gesamtaustausch des Beckeninhaltes bei extremer Trockenwetterperiode mit einem PSI = 0,1.

Aus fachlicher Sicht bestehen sohin bei projektsgemäßer Durchführung keine Bedenken mehr gegen eine wasserrechtliche Bewilligung der geplanten Anlage."

Hierauf erließ die belangte Behörde ohne Durchführung weiterer Verfahrensschritte den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. März 1985, mit dem sie der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge gab. Begründend legte die belangte Behörde dieser Entscheidung die von ihr eingeholten Gutachten sowie den Umstand zu Grunde, daß sich auf Grund der vom MB ergänzend vorgelegten Unterlagen für dessen Dränsystem ein Einzugsgebiet von 6,22 ha ergebe. Weder das Ermittlungsverfahren erster Instanz noch das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren hätten, unter der Voraussetzung der im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Bedingungen, eine Gefährdung öffentlicher oder privater Interessen im Sinne des § 12 Abs. 1 WRG 1959 ergeben. Daraus folge, daß der Beschwerdeführer in seinen wasserrechtlich geschützten Rechten nicht verletzt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, durch die im Berufungsverfahren vorgelegte Projektsergänzung hinsichtlich der Größe und des Gefälles des für einen ausreichenden Zufluß zu den Fischteichen des MB erforderlichen bzw. vorhandenen Einzugsgebietes sei dessen in erster Instanz verhandeltes und bewilligtes Projekt in einer Weise geändert bzw. neu gestaltet worden, welche gemäß § 107 Abs. 1 WRG 1959 bei sonstiger Nichtigkeit die neuerliche Durchführung einer wasserrechtlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte. Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen, weil die Ermittlung dieses Einzugsgebietes zwar ein nach Auffassung des von der belangten Behörde beigezogenen hydrogeologischen Amtssachverständigen für die Beurteilung des Projektes notwendigerweise zu klärendes Sachverhaltselement darstellte, damit jedoch keine Änderung des vom MB in erster Instanz eingereichten Projektes verbunden war. An dem Dränagesystem, welches bereits Gegenstand der wasserrechtlichen Verhandlung vor dem Landeshauptmann gewesen ist, soll durch die Ermittlung und Darstellung seines Einzugsgebietes technisch überhaupt nichts verändert werden.

Der Beschwerdeführer ist aber mit seinem weiteren in der Beschwerde erhobenen Vorwurf im Recht, daß die belangte Behörde die in der Projektsergänzung vom 21. Mai 1984 enthaltene Tatsachenbehauptung, das Einzugsgebiet der Dränage des MB umfasse 6,22 ha, dem angefochtenen Bescheid als Ermittlungsergebnis zu Grunde gelegt hat, ohne daß dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Kenntnis- und Stellungnahme gegeben worden wäre. Dieses vom hydrogeologischen Amtssachverständigen der belangten Behörde als für die Beurteilung des Projektes des MB grundlegend und wesentlich angesehene Sachverhaltselement wurde vielmehr von eben diesem Amtssachverständigen und in der Folge auch im angefochtenen Bescheid ausschließlich auf Grund der - in der Beschwerde als unrichtig bestrittenen - Behauptung in einer (im übrigen nicht einmal vom MB selbst stammenden) Eingabe und damit in Verletzung des elementaren Verfahrensgrundsatzes der Gewährung von Parteiengehör (§§ 37 und 45 Abs. 3 AVG 1950) festgestellt.

Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen. Da im Beschwerdefall schon nach dem oben Gesagten Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangten Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 15. Oktober 1985

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