Normen
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
ORF-G §28 Abs6, Abs7, Abs8, Abs9, Abs10
RundfunkgebührenG §2
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
ORF-G §28 Abs6, Abs7, Abs8, Abs9, Abs10
RundfunkgebührenG §2
Spruch:
I. §28 Abs6 bis 10 des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz, ORF-G), BGBl. Nr. 379/1984 (Wv) idF BGBl. I Nr. 83/2001, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
III. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
IV. Das Verfahren zur Prüfung der "Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrats gemäß §28 Abs6 bis 10 ORF-G, BGBl. I Nr. 83/2001 idF BGBl. I Nr. 100/2002, BGBl. I Nr. 97/2004, BGBl. I Nr. 159/2005, BGBl. I Nr. 52/2007, BGBl. I Nr. 102/2007 für die Funktionsperiode 2010-2013" wird eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B786/10 eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundeskommunikationssenates (im Folgenden: BKS) vom 19. April 2010, mit dem eine Beschwerde gegen den Österreichischen Rundfunk (im Folgenden: ORF) wegen Verletzung des ORF-G, soweit sie die Verfassungswidrigkeit der Publikumsratswahl 2010 auf Grund der Wahl der Jugendvertreter durch eine Mehrheit von über 50-jährigen Rundfunkteilnehmern behauptet, zurückgewiesen und die Beschwerde im Übrigen abgewiesen wurde, anhängig.
1.1. Die Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich der Wahl der Jugendvertreter begründet der BKS damit, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei als zur Wahl stehender Kandidat in der Kurie "Konsumenten" durch eine rechtswidrige Wahl des Vertreters für den Bereich "Jugend" unmittelbar geschädigt, nicht geeignet sei, die von §36 Abs1 Z1 lita ORF-G vorausgesetzte Möglichkeit einer Schädigung des Beschwerdeführers selbst darzutun.
1.2. Die Abweisung der Beschwerde in den übrigen Beschwerdepunkten begründet der BKS im Wesentlichen wie folgt: Dem Wortlaut von §28 Abs9 erster Satz ORF-G zufolge obliege die Entscheidung, welches der genannten Verfahren für die Durchführung der Wahl gewählt werde, ausschließlich dem ORF, der dabei vordringlich die Frage der wirtschaftlichen Tragbarkeit zu berücksichtigen habe; der Gesetzgeber habe keinesfalls zwingend ein kumulatives Anbieten mehrerer Abstimmungsverfahren vorgeschrieben. Der Behauptung, durch die "Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrats gemäß §28 Abs6 bis 10 ORF-G, BGBl. I Nr. 83/2001 idF BGBl. I Nr. 100/2002, BGBl. I Nr. 97/2004, BGBl. I Nr. 159/2005, BGBl. I Nr. 52/2007, BGBl. I Nr. 102/2007 für die Funktionsperiode 2010-2013" (im Folgenden: Wahlordnung) seien in gesetzwidriger Weise nichtzahlende Rundfunkteilnehmer von der Wahl ausgeschlossen worden, hielt der BKS entgegen, dass die Wahlberechtigung nach §28 Abs6 ORF-G nicht bloß den bei der GIS Gebühren Info Service GmbH (im Folgenden: GIS) im Sinne des §2 Abs4 des Bundesgesetzes betreffend die Einhebung von Rundfunkgebühren (Rundfunkgebührengesetz - RGG), BGBl. I 159/1999 idF BGBl. I 71/2003 (im Folgenden: RGG), als zahlungspflichtig registrierten Personen, sondern grundsätzlich allen Rundfunkteilnehmern zukomme. Wörtlich führte der BKS aus:
"Als Rundfunkteilnehmer nach §2 RGG (auf den auch §28 Abs6 ORF-G insgesamt und nicht bloß auf dessen Abs1 verweist) gelten daher nur die tatsächlich gemeldeten und im Sinne des §4 Abs3 RGG erfassten Rundfunkteilnehmer. Zurückkommend auf die gegenständliche Beschwerde ist damit aber weder die Vorgehensweise des ORF noch §1 Abs1 der Wahlordnung zu beanstanden, der zutreffend gerade nicht auf die nach dem RGG von der GIS als 'gebührenpflichtig' registrierten Rundfunkteilnehmer abgestellt hat, sondern lediglich eine Erfassung als Rundfunkteilnehmer nach §2 Abs1 RGG voraussetzte."
Im Übrigen könne vor dem BKS im Wege einer Beschwerde ein Verstoß gegen bloß aus dem ORF-G abgeleitete Regeln, wie etwa der Wahlordnung, nicht releviert werden, da Maßstab der Prüfung des konkreten Handelns der Organe des ORF durch den BKS ausschließlich die Vorgaben des ORF-G seien. Die Wahlordnung stelle primär eine interne Handlungsanweisung an die Organe des ORF dar, einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfe es daher nicht; die Wahlordnung enthalte somit keine Verpflichtungen, deren Nichteinhaltung vom BKS als Verletzung des ORF-G im Sinne des §37 Abs1 ORF-G festgestellt werden könne.
2. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §28 Abs6 bis 10 ORF-G sowie ob der Gesetzmäßigkeit der Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrates für die Funktionsperiode 2010-2013 entstanden, welche ihn veranlasst haben, diese Bestimmungen mit Beschluss vom 16. Dezember 2010 von Amts wegen in Prüfung zu ziehen.
II.
Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. §28 des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk, BGBl. 379/1984 (Wv) idF BGBl. I 102/2007 (die hier in Prüfung zu ziehenden Abs6 bis 10 wurden mit der Novelle BGBl. I 83/2001 eingefügt, die nachfolgenden Änderungen ließen diese Bestimmungen unberührt), lautet wie folgt (die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen sind hervorgehoben):
"Publikumsrat
§28. (1) Zur Wahrung der Interessen der Hörer und Seher ist am Sitz des Österreichischen Rundfunks ein Publikumsrat einzurichten, der aus 35 Mitgliedern besteht.
(2) Dem Publikumsrat dürfen nicht angehören:
1. Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zum Österreichischen Rundfunk oder zu einem mit dem Österreichischen Rundfunk im Sinne des §228 Abs3 UGB verbundenen Unternehmens stehen;
2. Personen, die in einem anderen Organ des Österreichischen Rundfunks tätig sind; dieser Ausschlussgrund gilt nicht für die vom Publikumsrat bestellten Mitglieder des Stiftungsrates;
3. Personen, die in einem Arbeits- oder Gesellschaftsverhältnis zu einem sonstigen Medienunternehmen (§1 Abs1 Z6 Mediengesetz) stehen;
4. Mitglieder der Bundesregierung, Staatssekretäre, Mitglieder einer Landesregierung, Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates oder sonst eines allgemeinen Vertretungskörpers, ferner Personen, die Angestellte einer politischen Partei sind oder eine leitende Funktion einer Bundes- oder Landesorganisation einer politischen Partei bekleiden sowie Volksanwälte, der Präsident des Rechnungshofes und Personen, die eine der genannten Funktionen innerhalb der letzten vier Jahre ausgeübt haben;
5. Personen, die in einem Dienstverhältnis zu einem Klub eines allgemeinen Vertretungskörpers stehen sowie parlamentarische Mitarbeiter im Sinne des Parlamentsmitarbeitergesetzes;
6. Personen, die einem Klub eines allgemeinen Vertretungskörpers zur Dienstleistung zugewiesen sind;
7. Angestellte von Rechtsträgern der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit im Bereich der politischen Parteien (§1 PubFG, BGBl. Nr. 369/1984);
8. Mitarbeiter des Kabinetts eines Bundesministers oder Büros eines Staatssekretärs oder eines anderen in den §§5, 6 oder 8 Abs1 des Bezügegesetzes genannten Organs des Bundes oder eines Landes;
9. Bedienstete der Kommunikationsbehörde Austria und Mitglieder des Bundeskommunikationssenates sowie Angestellte der RTR-GmbH.
(3) Der Publikumsrat ist wie folgt zu bestellen:
1. die Wirtschaftskammer Österreich, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, die Bundesarbeitskammer und der Österreichische Gewerkschaftsbund bestellen je ein Mitglied;
2. die Kammern der freien Berufe bestellen gemeinsam ein Mitglied;
3. die römisch-katholische Kirche bestellt ein Mitglied;
4. die evangelische Kirche bestellt ein Mitglied;
5. die Rechtsträger der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit im Bereich der politischen Parteien (BGBl. Nr. 369/1984) bestellen je ein Mitglied;
6. die Akademie der Wissenschaften bestellt ein Mitglied.
(4) Der Bundeskanzler hat für die weiteren Mitglieder Vorschläge von Einrichtungen bzw. Organisationen, die für die nachstehenden Bereiche bzw. Gruppen repräsentativ sind, einzuholen:
die Hochschulen, die Bildung, die Kunst, der Sport, die Jugend, die Schüler, die älteren Menschen, die behinderten Menschen, die Eltern bzw. Familien, die Volksgruppen, die Touristik, die Kraftfahrer, die Konsumenten und der Umweltschutz.
(5) Der Bundeskanzler hat die in Frage kommenden Einrichtungen und Organisationen gemäß Abs4 durch Verlautbarung im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' zur Erstattung von Dreier-Vorschlägen einzuladen und die eingelangten Vorschläge öffentlich bekannt zu machen.
(6) Sechs Mitglieder werden mittels Wahl durch die Rundfunkteilnehmer (§2 Rundfunkgebührengesetz, BGBl. I Nr. 159/1999) nach Maßgabe der folgenden Absätze ermittelt. Wahlberechtigt sind nur natürliche Personen.
(7) Zur Wahl stehen dabei die gemäß Abs5 von den jeweiligen Einrichtungen und Organisationen zu den Bereichen Bildung, Jugend, ältere Menschen, Eltern bzw. Familien, Sport und Konsumenten vorgeschlagenen Personen.
(8) Die Namen und Funktionen der betreffenden Personen sowie die Institution, die den Vorschlag erstattet hat, sind vom Bundeskanzler im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' bekannt zu machen. Gleichzeitig hat der Österreichische Rundfunk durch geeignete Maßnahmen - allenfalls mittels einer Fernsehsendung in einem der Programme nach §3 Abs1 Z2 - die Rundfunkteilnehmer über die zur Wahl stehenden Personen und den Wahlmodus zu informieren.
(9) Der Österreichische Rundfunk hat im Rahmen der technischen Möglichkeiten und der wirtschaftlichen Tragbarkeit dafür Sorge zu tragen, dass jeder Rundfunkteilnehmer durch Stimmabgabe über Telefon, Telefax, Internet oder andere technisch vergleichbare Einrichtungen jeweils sechs Personen (eine für jeden Bereich) aus den zur Wahl stehenden Kandidaten auswählen kann. Dazu hat er eine Frist von einer Woche einzuräumen. Nach dieser Frist eingelangte Stimmen sind nicht zu berücksichtigen. Stichtag für die Feststellung der Wahlberechtigung ist jeweils der dem Beginn der Wahlfrist vorvorangegangene Monatserste. Der Österreichische Rundfunk hat dafür zu sorgen, dass die bei der Stimmabgabe übermittelten Daten zu keinem anderen Zweck als zur Ermittlung und Überprüfung (Feststellung der Identität des Wahlberechtigten) des Wahlergebnisses verwendet werden. Zur Ermittlung und Überprüfung des Wahlergebnisses hat die Gebühreninkasso Service GmbH nur die Daten über die Teilnehmernummern, Vor- und Zunamen und Geburtsdatum der Rundfunkteilnehmer dem Österreichischen Rundfunk zur Verfügung zu stellen. Der Österreichische Rundfunk hat die Rundfunkteilnehmer in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass und inwieweit die bei der Stimmabgabe übermittelten Daten verwendet werden und insbesondere, dass die Stimmabgabe nicht anonym erfolgt. Es ist darauf zu achten, dass eine Person nicht mehr als einmal von ihrem Stimmrecht Gebrauch macht. Ein Stimmrecht kommt einem Rundfunkteilnehmer ungeachtet der Anzahl der von ihm betriebenen Rundfunkempfangseinrichtungen nur einmal zu. Der Österreichische Rundfunk hat überdies alle Vorkehrungen gegen Missbrauch der betreffenden Daten zu treffen. Die übermittelten Daten sind spätestens mit Ablauf von acht Monaten nach dem Ende der Frist zur Stimmabgabe zu löschen.
(10) Nach Ablauf der Frist zur Stimmabgabe ist das Ergebnis der Wahl von einem Notar zu beurkunden und durch den Österreichischen Rundfunk dem Bundeskanzler unverzüglich mitzuteilen. Der Bundeskanzler hat sodann zu den jeweiligen Bereichen jene sechs Personen, die die meisten Stimmen erhalten haben, zu Mitgliedern des Publikumsrates zu bestellen und das Wahlergebnis durch Bekanntmachung im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' zu verlautbaren.
(11) Der Bundeskanzler hat nach Bestellung der Mitglieder gemäß Abs10 siebzehn weitere Mitglieder aus den eingelangten Vorschlägen zu den in Abs4 genannten Bereichen bzw. Gruppen zu bestellen, wobei für jeden Bereich ein Mitglied zu bestellen ist."
2. Die maßgeblichen Vorschriften des Rundfunkgebührengesetzes (RGG), BGBl. I 159/1999 idF BGBl. I 71/2003, lauten:
"Gebührenpflicht, Meldepflicht
§2. (1) Wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des §1 Abs1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), hat Gebühren nach §3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.
(2) Die Gebührenpflicht nach §1 besteht nicht, wenn
1. dem Rundfunkteilnehmer eine Befreiung (§3 Abs5) erteilt wurde oder
2. für den Standort bereits die Gebühren nach §3 entrichtet werden.
Standort ist die Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit bzw. ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einheitlichem Nutzungszweck, wo eine Rundfunkempfangseinrichtung betrieben wird.
(3) Das Entstehen oder die Beendigung der Gebührenpflicht sowie die Änderung des Standorts (Abs2) oder Namens ist vom Rundfunkteilnehmer dem mit der Einbringung der Gebühren betrauten Rechtsträger (§4 Abs1) unverzüglich in der von diesem festgelegten Form zu melden. Die Meldung hat zu umfassen: Namen (insbesondere Vor- und Familiennamen, Firma, Namen juristischer Personen), Geschlecht und Geburtsdatum des Rundfunkteilnehmers, genaue Adresse des Standorts, Datum des Beginns/Endes des Betriebes und die Art der Rundfunkempfangseinrichtungen (Radio und/oder Fernsehen) sowie deren Anzahl, wenn sie für die Gebührenbemessung nach §3 von Bedeutung ist.
(4) Die Entrichtung von Gebühren ist von dem mit deren Einbringung betrauten Rechtsträger (§4 Abs1) zu registrieren; dem Rundfunkteilnehmer ist die Teilnehmernummer mitzuteilen.
(5) Liegt für eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeit keine Meldung (Abs3) vor, so haben jene, die dort ihren Wohnsitz haben oder die Räumlichkeit zu anderen als Wohnzwecken nutzen, dem mit der Einbringung der Gebühren beauftragten Rechtsträger (§4 Abs1) auf dessen Anfrage mitzuteilen, ob sie Rundfunkempfangseinrichtungen an diesem Standort betreiben und zutreffendenfalls alle für die Gebührenbemessung nötigen Angaben zu machen.
[...]
Einbringung der Gebühren
§4. (1) - (2) [...]
(3) Die Gesellschaft hat alle Rundfunkteilnehmer zu erfassen. Zu diesem Zweck haben die Meldebehörden auf Verlangen der Gesellschaft dieser Namen (Vor- und Familiennamen), Geschlecht, Geburtsdatum und Unterkünfte der in ihrem Wirkungsbereich gemeldeten Personen in der dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Form zu übermitteln. Die Gesellschaft darf die übermittelten Daten ausschließlich zum Zweck der Vollziehung dieses Bundesgesetzes verwenden; sie hat dafür Sorge zu tragen, daß die Daten nur im zulässigen Umfang verwendet werden und hat Vorkehrungen gegen Mißbrauch zu treffen. Von den Meldebehörden übermittelte Daten sind längstens mit Ablauf des dem Einlangen folgenden Kalenderjahres zu löschen; nicht zu löschen sind die Daten jener gemeldeten Personen, die trotz Aufforderung die Mitteilung nach §2 Abs5 unterlassen haben.
(4) - (5) [...]"
3. Die Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrats gemäß §28 Abs6 bis 10 ORF-G, BGBl. I Nr. 83/2001 idF BGBl. I Nr. 100/2002, BGBl. I Nr. 97/2004, BGBl. I Nr. 159/2005, BGBl. I Nr. 52/2007, BGBl. I Nr. 102/2007 für die Funktionsperiode 2010-2013 lautet wie folgt:
"Wahlberechtigte
§1. (1) Wahlberechtigt sind alle natürlichen Personen, die am zweiten Monatsersten vor Beginn der Wahlfrist bei der Gebühren Info Service GmbH als Rundfunkteilnehmer/innen gemäß §2 Abs1 Rundfunkgebührengesetz (RGG), BGBl. I Nr. 159/1999 idF BGBl. I Nr. 98/2001 und BGBl. I Nr. 71/2003, erfasst sind.
(2) Rundfunkteilnehmer/innen, die nach den Bestimmungen des RGG für mehrere Standorte gebührenpflichtig sind, sind nur einmal wahlberechtigt.
Wählbare Personen
§2. (1) Wählbar sind die gemäß §28 Abs7 und 8 ORF-G vorgeschlagenen und vom Bundeskanzler im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' bekanntgemachten Personen.
(2) Die wählbaren Personen sind jeweils nur für den Bereich wählbar, für den sie in der Bekanntmachung des Bundeskanzlers im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' genannt sind.
(3) Die wählbaren Personen sind für Zwecke der Stimmabgabe mit einem Code zu kennzeichnen. Wählbare Personen und zugeordnete Codes sind den Wahlberechtigten in geeigneter Form bekanntzumachen.
Wahlfrist
§3. (1) Die Wahlfrist beginnt am 26.1.2010 um 0.00 Uhr und endet am darauffolgenden Montag, dem 1.2.2010, um 24.00 Uhr.
(2) Die Stimme muss innerhalb der Wahlfrist bei der Adresse gemäß §4 Abs2 Z. 4 einlangen. Nach der Wahlfrist eingelangte Stimmen werden nicht berücksichtigt.
Form der Stimmabgabe
§4. (1) Die Stimmabgabe muss in der in Abs2 und 3 geregelten Form erfolgen. In anderer Form abgegebene Stimmen werden nicht berücksichtigt.
(2) Die Stimmabgabe erfordert das Ausfüllen eines Formulars, auf dem folgende Felder für Angaben bzw. Hinweise enthalten sind:
1. Felder für Vornamen, Zuname (einschließlich früherer Namen, die bei der Gebühren Info Service GmbH erfasst sein können), Geburtsdatum und Teilnehmernummer des/der Wahlberechtigten, die zur Überprüfung der Wahlberechtigung ausgefüllt sein müssen;
2. sechs Felder für die Stimmabgabe, die mit der Bezeichnung des Bereichs, für den ein Mitglied des Publikumsrats zu wählen ist, versehen sind und in die der/die Wahlberechtigte die zu wählende Person mittels des Codes (§2 Abs3) eintragen kann;
3. ein Feld für die Bestätigung der Richtigkeit der Angaben durch die Unterschrift des/der Wahlberechtigten;
4. die Adresse, an die das Formular mittels Fax (Abs3) zur Stimmabgabe zu senden ist;
5. der Hinweis, dass die Angaben gemäß Z. 1 dem ORF von der Gebühren Info Service GmbH für die Prüfung der Identität der Wahlberechtigten übermittelt wurden, dass sie für keinen anderen Zweck Verwendung finden und dass die Stimmabgabe nicht anonym erfolgt.
(3) Der/die Wahlberechtigte hat das ausgefüllte Formular innerhalb der Wahlfrist (§3) per Fax an die angegebene Adresse (Abs2 Z. 4) zu übermitteln oder übermitteln zu lassen.
(4) Das Formular (Abs2) ist vom Generaldirektor des ORF festzulegen und den Wahlberechtigten mit den Angaben gemäß Abs2 Z. 1 durch die Gebühren Info Service GmbH zuzusenden sowie durch Abdruck in einer Informationsschrift und Abrufbarkeit im Internet zugänglich zu machen. Darüber hinaus ist das Formular den Wahlberechtigten auf deren telefonische Anforderung zuzusenden.
Ungültige Stimmen
§5. (1) Ungültig sind Stimmen,
1. bei denen Teilnehmernummer, Name und Geburtsdatum unvollständig angegeben sind oder diese Daten von den bei der Gebühren Info Service GmbH registrierten abweichen, wodurch begründete Zweifel an der Identität des/der Wählenden mit dem/der Wahlberechtigten bestehen;
2. die auf keine wählbare Person oder auf mehrere wählbare Personen lauten;
3. die nach einer von demselben/derselben Rundfunkteilnehmer/in bereits abgegebenen gültigen Stimme einlangen oder von denen erwiesen ist, dass sie nicht von Wahlberechtigten stammen;
4. die nicht unterschrieben sind.
(2) Stimmen, die für einzelne Bereiche ungültig sind, behalten für andere Bereiche ihre Gültigkeit.
Auswertung
§6. (1) Die Auswertung erfolgt durch den ORF. Die damit betrauten Personen sind an keine Weisungen und Aufträge als jene der Wahlkommission (§7) gebunden.
(2) Jede eingelangte Stimme ist auf ihre Gültigkeit zu prüfen und zu archivieren. Die gültigen Stimmen sind in der Form auszuwerten, dass ihre Anzahl bezogen auf die für die einzelnen Bereiche wählbaren Personen für das gesamte Bundesgebiet einheitlich festgestellt wird. Sonstige Auswertungen, ausgenommen die Feststellung der Zahl der ungültigen Stimmen, haben zu unterbleiben.
(3) Die Auswertung beginnt ab Beginn der Wahlfrist. Über den Stand der Auswertung ist bis zur Feststellung des Wahlergebnisses Stillschweigen zu bewahren.
Wahlkommission
§7. Zur Überwachung des ordnungsgemäßen Ablaufs der Wahl nach dieser Wahlordnung und insbesondere zur Entscheidung über die Gültigkeit von Stimmen wird eine Wahlkommission eingesetzt. Diese besteht aus einem/einer rechtskundigen Vorsitzenden und zwei oder vier weiteren Mitgliedern, die vom Vorsitzenden des Publikumsrats des ORF vor der Wahl bestellt werden. Für jedes Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu bestellen, das im Falle der Verhinderung des Mitglieds an seine Stelle tritt. Die Mitglieder der Wahlkommission sind in Ausübung ihrer Funktion an keine Weisungen und Aufträge gebunden. Alle mit der Durchführung der Wahl befassten Personen haben den Anordnungen der Wahlkommission Folge zu leisten. Die Wahlkommission trifft ihre Entscheidungen in Sitzungen bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder mit einfacher Mehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des/der Vorsitzenden.
Wahlergebnis
§8. (1) Die Wahlkommission (§7) hat eine/n Notar/in zu bestellen, dem/der das Ergebnis der Auswertung zur Beurkundung vorzulegen ist. Ein Datenträger, auf dem alle abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen registriert sind, ist anlässlich der Beurkundung dem/der Notar/in zur Verwahrung zu übergeben.
(2) Das beurkundete Ergebnis der Wahl hat der/die Vorsitzende der Wahlkommission (§7) unverzüglich dem Bundeskanzler mitzuteilen.
Datenschutz
§9. (1) Alle mit der Abwicklung der Wahl befassten Personen sind schriftlich zur Wahrung des Datenschutzes und zur Einhaltung dieser Wahlordnung zu verpflichten. Die für Zwecke der Wahl übermittelten Daten dürfen für keinen anderen Zweck als zur Ermittlung und Überprüfung (Feststellung der Identität der Wahlberechtigten) des Wahlergebnisses verwendet werden. Nach Feststellung des Wahlergebnisses sind alle für die Wahl verwendeten Daten, ausgenommen jene auf dem Datenträger gemäß §8 Abs1, zu löschen.
(2) Der Datenträger gemäß §8 Abs1 ist nach Ablauf von 8 Monaten nach dem Ende der Frist zur Stimmabgabe zu löschen, sofern dort gespeicherte Daten nicht Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits sind."
Die Wahlordnung wurde im Zuge der Übermittlung der Stimmzettel den bei der GIS erfassten Rundfunkteilnehmern zugestellt und im Internet auf der Website des ORF (http://publikumsratswahl.orf.at/rte/upload/pdf/wahlordnung.pdf) veröffentlicht.
III.
1. Der Verfassungsgerichtshof ging im Prüfungsbeschluss vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist, dass sich der BKS bei Erlassung des angefochtenen Bescheides jedenfalls auch auf §28 Abs6 bis 10 ORF-G gestützt hat und dass diese Bestimmung auch vom Verfassungsgerichtshof im Verfahren zu B786/10 anzuwenden sein wird.
1.1. In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die Regelung über die Wahlberechtigten bei der Wahl zum Publikumsrat nicht den Anforderungen des Legalitätsprinzips an die Bestimmtheit von Gesetzen entspreche. Er legte seine Erwägungen im Einzelnen wie folgt dar:
"4.2.1. Das in Art18 Abs1 B-VG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde vorherbestimmt ist. Es ist jedoch verfassungsgesetzlich zulässig, wenn der einfache Gesetzgeber einer Verwaltungsbehörde ein Auswahlermessen einräumt und die Auswahlentscheidung an - die Behörde bindende - Kriterien knüpft (vgl. zB VfSlg. 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002).
Der Gesetzgeber hat - wenn er das Handeln der Organe des ORF regelt - Regelungen zu treffen, die den Anforderungen des Art18 Abs1 und 2 B-VG entsprechen, und zwar auch dann, wenn die Organe im Rahmen der Privatautonomie handeln (vgl. VfSlg. 15.059/1997 mwN).
4.2.2. §28 Abs6 ORF-G umschreibt den Kreis der Wahlberechtigten in Anknüpfung an das RGG mit dem Begriff 'Rundfunkteilnehmer (§2 Rundfunkgebührengesetz, BGBl. I Nr. 159/1999)'. Die verwiesene Regelung des §2 Abs1 RGG enthält in ihrem Abs1 eine Legaldefinition des Rundfunkteilnehmers, der der Gebührenpflicht unterliegt. Abs2 enthält zwei Ausnahmen von der Gebührenpflicht. Abs3 regelt die Meldepflicht, Abs4 sieht die Zuteilung einer Teilnehmernummer vor. Abs5 enthält eine Regelung über Auskunftspflichten für Wohnungen, für die keine Meldung vorliegt. Nach §4 Abs3 RGG wiederum sind 'alle Rundfunkteilnehmer zu erfassen'.
§28 Abs9 ORF-G verpflichtet den ORF sicherzustellen, dass jeder Rundfunkteilnehmer durch näher beschriebene Stimmabgabe aus den zur Wahl stehenden Kandidaten auswählen kann, und enthält eine Regelung über den 'Stichtag für die Feststellung der Wahlberechtigung'.
4.2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat das Bedenken, dass mit diesen Regelungen der Kreis der bei der Wahl zum Publikumsrat Wahlberechtigten in einer Weise umschrieben wird, die nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Gesetzen entsprechen dürfte. Nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes dürfte es insbesondere unklar sein, ob nach dem Gesetz nur jene Rundfunkteilnehmer wahlberechtigt sind, die (von vorneherein) über eine Teilnehmernummer verfügen (wie der ORF meinte) oder unter gewissen Voraussetzungen auch weitere Gruppen von Rundfunkteilnehmern, die im §2 RGG genannt sind (wie die belangte Behörde meinte). Der Verfassungsgerichtshof vermag vorderhand nicht zu erkennen, dass dem Gesetz zu entnehmen wäre, dass bestimmten 'Rundfunkteilnehmern' die Wahlberechtigung nur nach Meldung über den Betrieb einer Rundfunkempfangsanlage an einem Standort, für den bereits Gebühren entrichtet werden (wie etwa Haushaltsangehörigen, Heimbewohnern u.ä.), zukommen würde, ohne dass klar wäre, ob solchen Personen eine eigene Teilnehmernummer zuzuweisen wäre oder die dem Gebühren zahlenden Teilnehmer zugewiesene Nummer ein weiteres Mal zugewiesen werden soll.
4.2.4. Im Rahmen des Gesetzesprüfungsverfahrens wird auch zu prüfen sein, ob die in Prüfung stehenden Regelungen mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes im Einklang stehen und ob sich aus einer gegebenenfalls verfassungskonformen Auslegung der in Prüfung gezogenen gesetzlichen Regelungen Anhaltspunkte für die Bestimmung ihres Inhalts gewinnen lassen."
1.2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Wesentlichen wie folgt entgegentritt:
Die Durchführung der Wahl von sechs Mitgliedern zum Publikumsrat sei eine Tätigkeit des ORF im Rahmen der Privatautonomie, deren Parameter im Gesetz eindeutig festgelegt seien. Der Handlungsspielraum des ORF bei der Durchführung der Wahl sei auf administrative Fragen (wie zB auf die Frage, ob den Wahlberechtigten Teilnehmernummern zugewiesen werden bzw. auf welche Weise diese Zuteilung erfolgt) beschränkt. Insbesondere sei der Kreis der Wahlberechtigten nach den gesetzlichen Vorgaben eindeutig ermittelbar: Nach §28 Abs6 ORF-G iVm §2 RGG sei für die Abgrenzung des Kreises der Wahlberechtigten ausschließlich die Auslegung des Begriffs "Betreiben" einer Rundfunkempfangseinrichtung maßgeblich.
Die Bundesregierung führt dazu wörtlich aus:
"Aus Sicht der Bundesregierung gehört zum Betreiben einer Rundfunkempfangseinrichtung mehr als das bloße 'Ein- und Ausschalten' etwa eines Fernsehgerätes. Um von einem 'Betreiben' auszugehen, muss dazu auch die Möglichkeit hinzutreten, jederzeit über die Nutzung der Rundfunkempfangseinrichtung etwa gegenüber anderen Personen entscheiden zu können bzw. diese auch von der Nutzung auszuschließen. Daher sind beispielsweise in einem Haushalt mit einer Rundfunkempfangseinrichtung Haushaltsangehörige des Rundfunkteilnehmers hinsichtlich ebendieser Rundfunkempfangseinrichtung nicht selbst Rundfunkteilnehmer, sondern lediglich deren Nutzer.
Von dieser Gruppe an Haushaltsangehörigen sind allerdings Haushaltsangehörige eines Rundfunkteilnehmers, die selbst eine weitere Rundfunkempfangseinrichtung im vorgenannten Sinn selbständig betreiben, somit im Sinne des zuvor Gesagten 'Verfügungsberechtigte' über das Gerät sind, zu unterscheiden. Diese sind selbst als Rundfunkteilnehmer anzusehen (...) ."
Dieses Verständnis werde durch die Bestimmung des §36 Abs1 Z1 litb ORF-G, nach der auch "Personen, die mit einem die Rundfunkgebühr entrichtenden oder mit einem von dieser Gebühr befreiten Rundfunkteilnehmer im gemeinsamen Haushalt wohnen", zur Unterstützung einer Beschwerde eines Rundfunkteilnehmers berechtigt seien, untermauert: Dieser Unterscheidung bedürfte es nämlich nicht, wenn ohnehin jeder Haushaltsangehörige eines Rundfunkteilnehmers selbst als Rundfunkteilnehmer anzusehen wäre. Dazu führt die Bundesregierung wörtlich aus:
"Würde der Begriff 'betreiben' in §2 Abs1 RGG in der Weise verstanden, dass bereits bloß das faktische und daher immer nur zu einem konkreten Zeitpunkt feststellbare Benutzen einer Rundfunkempfangseinrichtung den Tatbestand erfüllt, also für die Qualifikation als Rundfunkteilnehmer ausreicht, hätte dies etwa zur Folge, dass die Gebühreninkasso Service GmbH verpflichtet wäre, sämtliche derartige bloße 'Benutzer' von Rundfunkempfangseinrichtungen zu erfassen (vgl. §4 Abs3 RGG). Ein solches, schon auf Grund der permanenten Änderung der 'Benutzer' einer Rundfunkempfangseinrichtung, zwangsläufig zur Unvollziehbarkeit des Gesetzes führendes Verständnis ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen. Der Begriff des Rundfunkteilnehmers im Sinne von §2 Abs1 RGG ist eindeutig ermittelbar, sodass die Anknüpfung daran in §28 Abs6 ORF-G den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt."
Dieser Auslegung stehe auch nicht die Bestimmung des §28 Abs9 ORF-G entgegen, die ausschließlich eine Verpflichtung der GIS zur Datenübermittlung an den ORF normiere. Nach Ansicht der Bundesregierung komme die Wahlberechtigung sämtlichen - nach dem oben dargelegten Verständnis ermittelten - Rundfunkteilnehmern, unabhängig davon, ob diese über eine Teilnehmernummer verfügen, zu.
2. Der Verfassungsgerichtshof ging im Prüfungsbeschluss ferner vorläufig davon aus, dass es sich bei der Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrates für die Funktionsperiode 2010-2013 um eine Rechtsverordnung handle, dass der BKS diese bei Erlassung des im Verfahren zu B786/10 angefochtenen Bescheides anzuwenden gehabt hat und sie daher schon deswegen im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof präjudiziell ist.
2.1. In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof folgende Bedenken: Vorderhand sei nicht erkennbar, dass sich für die Erlassung der Wahlordnung im ORF-G eine gesetzliche Grundlage im Sinne des Art18 Abs2 B-VG finde. Zudem ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Wahlordnung als Rechtsverordnung, deren Inhalt für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen dem ORF und seinen Hörern und Sehern auch Rechtswirkungen für diese entfalte, nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sei und somit auch aus diesem Grund rechtswidrig sei.
2.2. Der ORF und der Generaldirektor des ORF legten den Akt betreffend die Erlassung der Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrates für die Funktionsperiode 2010-2013 vor und erstatteten eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Gesetzwidrigkeit der Wahlordnung im Wesentlichen entgegenhielten, dass es sich bei der Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrates für die Funktionsperiode 2010-2013 vergleichbar den Wahlen eines Vereins um einen privatrechtlichen Rechtsakt handle, zu dessen Erlassung es daher keiner expliziten gesetzlichen Ermächtigung bedürfe.
IV.
Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A.
1. Bedenken gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, dass die Beschwerde, die Anlass zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist und dass sowohl die belangte Behörde als auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des ORF-G anzuwenden hätten, wurden weder vorgebracht noch sind solche beim Verfassungsgerichtshof entstanden. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. Das vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss vorläufig gehegte Bedenken, dass die Regelung über die Wahlberechtigten in §28 Abs6 bis 10 ORF-G nicht den Anforderungen des Legalitätsprinzips an die Bestimmtheit von Gesetzen entspreche, erweist sich als zutreffend.
2.1. Der Gerichtshof hatte insbesondere das Bedenken, dass es unklar sein dürfte, welcher Kreis von Personen aktiv zum Publikumsrat wahlberechtigt ist.
Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Bundesregierung lässt sich jedoch auch bei Ausschöpfung aller zur Ermittlung des Inhalts zur Verfügung stehenden Interpretationsmethoden der Kreis der bei der Wahl zum Publikumsrat Wahlberechtigten nicht hinreichend verlässlich ermitteln. Das diesbezüglich im Prüfungsbeschluss geäußerte Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnte im Rahmen des Gesetzesprüfungsverfahrens nicht zerstreut werden. Insbesondere konnte die Frage nicht geklärt werden, ob nach dem Gesetz nur jene Rundfunkteilnehmer wahlberechtigt sind, die (von vornherein) über eine Teilnehmernummer verfügen, oder unter gewissen Voraussetzungen auch weitere Gruppen von Rundfunkteilnehmern, die im §2 RGG genannt sind. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Bundesregierung in ihrer Äußerung die Auffassung vertritt, dass jene Personen, die eine Rundfunkempfangseinrichtung - im Sinne einer Befugnis, über die Nutzung einer Rundfunkempfangseinrichtung auch durch andere Personen zu entscheiden - betreiben, wahlberechtigt seien.
2.2. Zwar ist der Bundesregierung zuzustimmen, wenn sie der Auffassung des BKS nicht folgt und davon ausgeht, dass dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, dass jeder Haushaltsangehörige eines Rundfunkteilnehmers selbst als Rundfunkteilnehmer anzusehen ist und dass der Begriff "betreiben" in §2 Abs1 RGG nicht bloß auf das faktische und daher immer nur zu einem konkreten Zeitpunkt feststellbare Benutzen einer Rundfunkempfangseinrichtung abstellt; eine solche Auslegung, die die GIS verpflichten würde, sämtliche bloße "Nutzer" von Rundfunkempfangseinrichtungen zu erfassen, würde - worauf die Bundesregierung zutreffend hinweist - die Vollziehung des Gesetzes auf Grund der ständig wechselnden "Nutzer" einer Rundfunkempfangseinrichtung aber unmöglich machen.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag jedoch auch nicht zu erkennen, inwieweit das von der Bundesregierung in ihrer Äußerung dargelegte Verständnis des Begriffs des "Betreibens" einer Rundfunkempfangseinrichtung den Vollzug des Gesetzes ermöglichen soll. Diese Auffassung führt in gleicher Weise zur praktischen Undurchführbarkeit, weil die GIS oder der ORF für jeden Haushalt jene Personen (iSd §4 Abs3 RGG) erfassen müssten, die "jederzeit über die Nutzung der Rundfunkempfangseinrichtung etwa gegenüber anderen Personen entscheiden" können, womit jedenfalls in Mehrpersonenhaushalten eine Ermittlung von Wahlberechtigten zur Publikumsratswahl mit vertretbarem Aufwand nicht möglich wäre.
2.4. Im Hinblick darauf, dass §28 Abs9 sechster Satz ORF-G die Verpflichtung der GIS festschreibt, dem ORF zur Ermittlung und Überprüfung des Wahlergebnisses die Daten über Teilnehmernummern, Vor- und Zunamen und Geburtsdaten der Rundfunkteilnehmer zur Verfügung zu stellen, kann auch der Ansicht der Bundesregierung, wonach es auf Grund des dem ORF eingeräumten Handlungsspielraumes "irrelevant" sei, ob im Zusammenhang mit der Publikumsratswahl Teilnehmernummern zugewiesen werden bzw. auf welche Weise eine solche Zuteilung erfolgt, nicht geteilt werden. Vielmehr scheint die Wahlberechtigung nur jenen Personen zuzukommen, die über eine Teilnehmernummer verfügen. Wie bereits im Prüfungsbeschluss dargelegt, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen, dass dem Gesetz - wie vom BKS im angefochtenen Bescheid angenommen - zu entnehmen wäre, dass bestimmten "Rundfunkteilnehmern" die Wahlberechtigung nach Meldung über den Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung an einem Standort, für den bereits Gebühren entrichtet werden (wie etwa Haushaltsangehörigen, Heimbewohnern u.ä.), zukommen würde. Insbesondere enthält das Gesetz keine Bestimmungen dahingehend, ob solchen Personen eine eigene Teilnehmernummer zuzuweisen wäre oder die dem Gebühren zahlenden Teilnehmer zugewiesene Nummer ein weiteres Mal zugewiesen werden soll.
2.5. Der Hinweis der Bundesregierung, dass es sich bei dem ORF-Publikumsrat um keinen allgemeinen Vertretungskörper handelt, sondern vielmehr um ein Repräsentativorgan, das sich zum überwiegenden Teil aus Vertretern repräsentativer Organisationen und nur im untergeordneten Maße aus direkt gewählten Vertretern zusammensetzt, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit von Gesetzen gemäß Art18 B-VG auch auf die gesetzliche Festlegung von Schranken der Privatautonomie des ORF anzuwenden, der Gesetzgeber hat also - für den Fall, dass er das Handeln der Organe des ORF regelt - Bestimmungen zu erlassen, die den Anforderungen des Legalitätsprinzips genügen (vgl. VfSlg. 15.059/1997 mwN).
2.6. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass sich aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz Anhaltspunkte für die Bestimmung des Inhaltes der in Prüfung gezogenen gesetzlichen Regelung ergeben.
B.
1. Die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluss, dass er die Wahlordnung für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrates für die Funktionsperiode 2010-2013 gemäß Art139 B-VG als Rechtsverordnung anzuwenden hat, hat sich als nicht zutreffend erwiesen:
2. Weder der ORF noch eines seiner in Betracht kommenden Organe ist als Verwaltungsbehörde eingerichtet (vgl. VfSlg. 7717/1975). Gleichwohl erscheint die Annahme möglich, dass der Gesetzgeber den ORF im Wege einer Beleihung zur Erlassung einer Verordnung, und damit zur Erlassung eines Hoheitsaktes, zuständig gemacht haben könnte. Anders als bei den in der Äußerung des ORF zum Vergleich herangezogenen Wahlen in Vereinen und den diese regelnden Wahlordnungen ist die Wahl zum Publikumsrat detailliert im Gesetz geregelt (vgl. §28 Abs9 ORF-G) und sieht das Gesetz die Mitwirkung des Bundeskanzlers in zwei Stadien des Wahlverfahrens vor, nämlich bei der Bekanntmachung von Namen und Funktionen der Kandidaten (§28 Abs8 ORF-G) und bei der Verlautbarung des Ergebnisses der Wahl (§28 Abs10 ORF-G). Der Bundeskanzler hat sodann auch die gewählten Kandidaten zu Mitgliedern des Publikumsrates zu bestellen. Die genannten Bekanntmachungen bzw. Verlautbarungen haben im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" zu erfolgen, das zwar nicht nur, aber doch zu einem wesentlichen Teil auch für die Veröffentlichung von Hoheitsakten vorgesehen ist. Überdies spricht die Auffassung sowohl der Bundesregierung als auch des BKS, der zufolge über die Personen mit GIS-Teilnehmernummer hinausgehend weitere Personen als Rundfunkteilnehmer wahlberechtigt und mithin den Regelungen der Wahlordnung unterworfen sein sollen, ohne dass es eines "Teilnehmerverhältnisses" bedarf, für einen Akt heteronomer Rechtserzeugung.
3. Ungeachtet dieser Anhaltspunkte gelangt der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, dass die Wahlordnung keine Verordnung iSd Art139 B-VG ist. Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, wäre Voraussetzung der Qualifikation der Wahlordnung als Rechtsverordnung eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung. Eine solche Ermächtigung enthält das Gesetz nicht. Hätte der Gesetzgeber eine Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung intendiert, so hätte er - im Lichte der zu unterstellenden Absicht verfassungskonformen Vorgehens - im Rahmen einer ausdrücklichen Verordnungsermächtigung zum Erlass einer Wahlordnung ermächtigt. Dadurch, dass er den ORF aber (bloß) verpflichtet hat, für die Stimmabgabe durch alle Rundfunkteilnehmer "Sorge zu tragen", kann ihm nicht die Anordnung unterstellt werden, dass eine Rechtsverordnung zu erlassen ist. Die "Wahlordnung" für die Wahl von sechs Mitgliedern des Publikumsrates ist mithin keine Verordnung iSd Art139 B-VG.
V.
1. Die im Prüfungsbeschluss zum Gesetzesprüfungsverfahren geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend erwiesen. §28 Abs6 bis 10 des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz, ORF-G), BGBl. 379/1984 (Wv) idF BGBl. I 83/2001, ist als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur Kundmachung der Aufhebung ergibt sich aus Art140 Abs5 B-VG, der Ausspruch, dass gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, stützt sich auf Art140 Abs6 B-VG.
2. Diese Entscheidungen konnten gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lita VfGG (vgl. VfSlg. 16.379/2001) einzustellen.
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