VfGH G14/07 ua

VfGHG14/07 ua14.6.2007

Kein Verstoß gegen das Recht auf persönliche Freiheit durch eine Bestimmung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 über die Ermächtigung zur Anordnung der Schubhaft aufgrund begründeter Annahme der Zurückweisung des Asylantrags bzw des Antrags eines Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs; Prognoseentscheidung der Fremdenpolizeibehörde als Teil des schwebenden Ausweisungsverfahrens; Entziehung der persönlichen Freiheit zur Sicherung einer Ausweisung zulässig

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EMRK Art5 Abs1 litf
AsylG 2005 §5, §10, §19, §27, §29, §44, §45
FremdenpolizeiG 2005 §39, §76 Abs2 Z4
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z7
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EMRK Art5 Abs1 litf
AsylG 2005 §5, §10, §19, §27, §29, §44, §45
FremdenpolizeiG 2005 §39, §76 Abs2 Z4
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z7

 

Spruch:

I. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes wird abgewiesen.

II. Der Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark wird zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Verwaltungsgerichtshof und der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (im Folgenden: UVS) haben aus Anlass der bei ihnen anhängigen Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof die auf Art140 B-VG gestützten Anträge gestellt, in §76 Abs2 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), BGBl. I 100, die Wortfolge "oder 4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird" als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Die angefochtene Bestimmung steht in folgendem normativen Zusammenhang:

2.1. Art1 und Art2 Abs1 Z7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684 (im Folgenden: PersFrG), lauten:

"Artikel 1

(1) Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).

(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

(4) Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind."

"Artikel 2

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

1. bis 6. ...

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

(2) ..."

2.2. Art5 EMRK, BGBl. 210/1958, zuletzt geändert durch BGBl. III 30/1998, lautet auszugsweise:

"Artikel 5 - Recht auf Freiheit und Sicherheit

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

a) bis e) ...

f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

(2) bis (5) ..."

2.3. Die §§4, 5, 19, 27, 29, 43, 44 und 45 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I 100, lauten:

"2. Abschnitt

Unzuständigkeit Österreichs

Drittstaatsicherheit

§4. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Fremde in einem Staat, zu dem ein Vertrag über die Bestimmungen der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz oder die Dublin - Verordnung nicht anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).

(2) Schutz im sicheren Drittstaat besteht, wenn einem Fremden in einem Staat, in dem er nicht gemäß §8 Abs1 bedroht ist, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht oder im Wege über andere Staaten gesichert ist (Asylverfahren), er während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt ist und er dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - hat, sofern er in diesem gemäß §8 Abs1 bedroht ist. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.

(3) Die Voraussetzungen des Abs2 sind in einem Staat widerlegbar dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention, der EMRK und des Protokolls Nr. 6, Nr. 11 und Nr. 13 zur Konvention umgesetzt hat.

(4) Trotz Schutz in einem sicheren Drittstaat ist der Antrag auf internationalen Schutz nicht als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine mit der Zurückweisung verbundene Ausweisung zu einer Verletzung von Art8 EMRK führen würde. Die Zurückweisung wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat hat insbesondere zu unterbleiben, wenn

1. der Asylwerber EWR-Bürger ist;

  1. 2. einem Elternteil eines minderjährigen, unverheirateten Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde oder

  1. 3. dem Ehegatten oder einem minderjährigen, unverheirateten Kind des Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.

(5) Kann ein Fremder, dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Abs1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, aus faktischen Gründen, die nicht in seinem Verhalten begründet sind, nicht binnen drei Monaten nach Durchsetzbarkeit des Bescheides zurückgeschoben oder abgeschoben werden, tritt der Bescheid außer Kraft."

"Zuständigkeit eines anderen Staates

§5. (1) Ein nicht gemäß §4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

(2) Gemäß Abs1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs1 Schutz vor Verfolgung findet."

"Befragungen und Einvernahmen

§19. (1) Ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen.

(2) Soweit dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, ist der Asylwerber persönlich von dem zur jeweiligen Entscheidung berufenen Organ des Bundesasylamtes einzuvernehmen. Eine Einvernahme im Zulassungsverfahren kann unterbleiben, wenn das Verfahren zugelassen wird. Ein Asylwerber ist vom Bundesasylamt, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen, nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und - soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird - zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen. §24 Abs3 bleibt unberührt.

(3) Eine Einvernahme kann unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Tonaufzeichnung dokumentiert werden.

(4) Vor jeder Einvernahme ist der Asylwerber ausdrücklich auf die Folgen einer unwahren Aussage hinzuweisen. Im Zulassungsverfahren ist der Asylwerber darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass seinen Angaben verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt.

(5) Ein Asylwerber darf in Begleitung einer Vertrauensperson sowie eines Vertreters zu Einvernahmen vor der Behörde erscheinen; auch wenn ein Rechtsberater anwesend ist, kann der Asylwerber durch eine Vertrauensperson oder einen Vertreter begleitet werden. Minderjährige Asylwerber dürfen nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters einvernommen werden.

(6) Wird ein Asylwerber - aus welchem Grund auch immer - angehalten, ist er der Asylbehörde über deren Ersuchen vorzuführen. Die Anhaltung, insbesondere eine Schubhaft, wird durch die Vorführung nicht unterbrochen."

"Einleitung eines Ausweisungsverfahrens

§27. (1) Ein Ausweisungsverfahren nach diesem Bundesgesetz gilt als eingeleitet, wenn

  1. 1. im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach §29 Abs3 Z4 oder 5 erfolgt und

  1. 2. das Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat einzustellen (§24 Abs2) war und die Entscheidung des Bundesasylamtes in diesem Verfahren mit einer Ausweisung (§10) verbunden war.

(2) Die Behörde hat darüber hinaus ein Ausweisungsverfahren einzuleiten, wenn die bisher vorliegenden Ermittlungen die Annahme rechtfertigen, dass der Antrag auf internationalen Schutz sowohl in Hinblick auf die Gewährung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab- oder zurückzuweisen sein wird und wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der beschleunigten Durchführung eines Verfahrens besteht. Die Einleitung des Ausweisungsverfahrens ist mit Aktenvermerk zu dokumentieren.

(3) Ein besonderes öffentliches Interesse an einer beschleunigten Durchführung des Verfahrens besteht insbesondere bei einem Fremden,

  1. 1. der wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist und vorsätzlich begangen wurde, rechtskräftig verurteilt worden ist;

  1. 2. gegen den wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz fällt und nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft erhoben worden ist oder

  1. 3. der bei der Begehung eines Verbrechens (§17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.

(4) Ein gemäß Abs1 Z1 eingeleitetes Ausweisungsverfahren ist einzustellen, wenn das Verfahren zugelassen wird. Ein gemäß Abs1 Z2 eingeleitetes Ausweisungsverfahren ist einzustellen, wenn die bisher vorliegenden Ermittlungen die Annahme rechtfertigen, dass der Antrag auf internationalen Schutz weder im Hinblick auf die Gewährung des Status eines Asylberechtigten noch des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab- oder zurückzuweisen sein wird oder wenn der Asylwerber aus eigenem dem unabhängigen Bundesasylsenat seinen Aufenthaltsort bekannt gibt und nicht auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde sich wieder dem Verfahren entziehen.

(5) Ein gemäß Abs2 von der Behörde eingeleitetes Ausweisungsverfahren ist einzustellen, wenn die Voraussetzungen für die Einleitung nicht mehr vorliegen.

(6) Die Einstellung eines Ausweisungsverfahrens steht einer späteren Wiedereinleitung nicht entgegen.

(7) Die Einleitung und die Einstellung eines Ausweisungsverfahrens ist der zuständigen Fremdenpolizeibehörde mitzuteilen.

(8) Ein Verfahren, bei dem ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden ist, ist schnellstmöglich, längstens jedoch binnen je drei Monaten nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens oder nach Ergreifung einer Berufung, der aufschiebende Wirkung zukommt, zu entscheiden."

"Verfahren in der Erstaufnahmestelle

§29. (1) Zulassungsverfahren sind mit Einbringen von Anträgen auf internationalen Schutz zu beginnen und in einer Erstaufnahmestelle des Bundesasylamtes zu führen, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. §17 Abs3 und 6 gilt. Unverzüglich nach Einbringung des Antrages ist dem Asylwerber eine Orientierungsinformation und eine Erstinformation über das Asylverfahren in einer ihm verständlichen Sprache zu geben.

(2) Nach Einbringung des Antrags auf internationalen Schutz hat binnen 48 - längstens jedoch nach 72 - Stunden eine Befragung des Asylwerbers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§19 Abs1) zu erfolgen, soweit eine solche Befragung im ausreichenden Umfang nicht bereits im Rahmen der Vorführung erfolgt ist. Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage hemmen die Frist gemäß Satz 1.

(3) Nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen hat die Behörde je nach Stand des Ermittlungsverfahrens

  1. 1. dem Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte (§51) auszufolgen;

  1. 2. seinem Antrag auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten stattzugeben (§3);

  1. 3. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung

    (§63 Abs2 AVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinem Antrag auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§8 Abs1) stattzugeben und bezüglich des Status des Asylberechtigten abzuweisen;

  1. 4. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung

    (§63 Abs2 AVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§4, 5 und §68 Abs1 AVG) oder

  1. 5. dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung

    (§63 Abs2 AVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen.

(4) Bei Mitteilungen nach Abs3 Z3 bis 5 hat die Behörde den Asylwerber zu einem Rechtsberater zu verweisen. Dem Asylwerber ist eine Aktenabschrift auszuhändigen und eine 24 Stunden nicht zu unterschreitende Frist zur Vorbereitung einzuräumen. Der Asylwerber und der Rechtsberater sind unter einem zu einer Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs nach Verstreichen dieser Frist zu laden. In dieser Frist hat eine Rechtsberatung (§§64, 65) zu erfolgen; dem Rechtsberater ist unverzüglich eine Aktenabschrift, soweit diese nicht von der Akteneinsicht ausgenommen ist (§17 Abs3 AVG), zugänglich zu machen (§57 Abs1 Z3). Die Rechtsberatung hat, wenn der Asylwerber in der Erstaufnahmestelle versorgt wird, in dieser stattzufinden. Wird der Asylwerber angehalten, kann die Rechtsberatung auch in den Hafträumen erfolgen.

(5) Bei der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs hat der Rechtsberater anwesend zu sein. Zu Beginn dieser Einvernahme ist dem Asylwerber das bisherige Beweisergebnis vorzuhalten. Der Asylwerber hat die Möglichkeit, weitere Tatsachen und Beweismittel anzuführen oder vorzulegen."

"5. Hauptstück

Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

Stellen des Antrages auf internationalen Schutz bei einer

Sicherheitsbehörde oder bei Organen des öffentlichen

Sicherheitsdienstes

§43. (1) Stellt ein Fremder, der zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist, einen Antrag auf internationalen Schutz bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, ist er aufzufordern, diesen Antrag binnen vierzehn Tagen in einer Erstaufnahmestelle einzubringen. Dem Bundesasylamt ist die Stellung des Antrags mittels einer schriftlichen Meldung zur Kenntnis zu bringen.

(2) Stellt ein Fremder, der nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist, einen Antrag auf internationalen Schutz bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, ist er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Sicherung der Ausweisung der Erstaufnahmestelle vorzuführen. Ebenso ist ein Fremder, der gemäß Abs1 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und vor Einbringung und Gegenstandslosigkeit (§25 Abs1) des Antrags auf internationalen Schutz aber nach Ablauf seines Aufenthaltsrechtes betreten wird, der Erstaufnahmestelle vorzuführen."

"Befragung, Durchsuchung und erkennungsdienstliche Behandlung

§44. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben einen Fremden,

1. der der Erstaufnahmestelle vorzuführen ist;

  1. 2. dessen Vorführung nach §45 Abs1 und 2 unterbleibt oder

  1. 3. der einen Antrag auf internationalen Schutz einbringt und in diesem Verfahren noch keiner Befragung unterzogen worden ist,

einer ersten Befragung (§19 Abs1) zu unterziehen.

(2) Die Kleidung und mitgeführten Behältnisse eines Fremden,

1. der der Erstaufnahmestelle vorzuführen ist;

  1. 2. dessen Vorführung nach §45 Abs1 und 2 unterbleibt oder

  1. 3. der einen Antrag auf internationalen Schutz einbringt,

sind zu durchsuchen, soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Fremde Gegenstände und Dokumente, die Aufschluss über seine Identität, seine Staatsangehörigkeit, seinen Reiseweg oder seine Fluchtgründe geben können, mit sich führt und diese auch nicht auf Aufforderung vorlegt.

(3) Darüber hinaus sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, die Kleidung und mitgeführten Behältnisse eines Asylwerbers zu durchsuchen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen in Verbindung mit einer Einvernahme anzunehmen ist, dass der Asylwerber Dokumente und Gegenstände mit sich führt, zu deren Herausgabe er gemäß §15 Abs1 Z5 verpflichtet ist und diese auch über Aufforderung nicht freiwillig heraus gibt.

(4) Bei einer Durchsuchung oder freiwilligen Herausgabe nach Abs2 oder 3 sind alle Dokumente und Gegenstände, die Aufschluss über die Identität, die Staatsangehörigkeit, den Reiseweg oder die Fluchtgründe des Fremden geben können, sicherzustellen. Die Sicherstellung ist dem Asylwerber schriftlich zu bestätigen. Die sichergestellten Dokumente und Gegenstände sind der Erstaufnahmestelle gleichzeitig mit der Vorführung des Fremden zu |bergeben. Unterbleibt die Vorführung (§45 Abs1 und 2), so sind sichergestellte Dokumente und Gegenstände dem Bundesasylamt so schnell wie möglich zu übermitteln.

(5) Ein Fremder, der das 14. Lebensjahr vollendet hat und

1. der der Erstaufnahmestelle vorzuführen ist;

  1. 2. dessen Vorführung nach §45 Abs1 und 2 unterbleibt oder

  1. 3. der einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht hat,

ist erkennungsdienstlich zu behandeln, soweit dies nicht bereits erfolgt ist.

(6) Die Befugnisse der Abs2 bis 5 stehen auch hiezu ermächtigten Organen des Bundesasylamtes (§58 Abs7) zu. Für diese Organe gilt die Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden - RLV, BGBl. Nr. 266/1993."

"Durchführung der Vorführung

§45. (1) Vor Durchführung der Vorführung ist diese dem Bundesasylamt anzukündigen. Dieses kann verfügen, dass die Vorführung zu unterbleiben hat, wenn

  1. 1. der betreffende Asylwerber in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft angehalten wird oder

  1. 2. auf Grund besonderer, nicht vorhersehbarer Umstände die Versorgung in der Erstaufnahmestelle nicht möglich ist.

(2) Die Vorführung hat des weiteren zu unterbleiben, wenn auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden wegen Unzuständigkeit Österreichs (§§4 f) zurückzuweisen sein wird und der Fremde der Fremdenpolizeibehörde vorgeführt wird.

(3) Spätestens zeitgleich mit der Vorführung (§43 Abs2) haben die vorführenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstaufnahmestelle das Protokoll der Befragung sowie einen Bericht, aus dem sich Zeit, Ort und Umstände der Antragstellung sowie Angaben über Hinweise auf die Staatsangehörigkeit und den Reiseweg, insbesondere den Ort des Grenzübertritts, ergeben, zu übermitteln.

(4) Unterbleibt die Vorführung (Abs1 und 2), so ist das Protokoll der Befragung und der Bericht nach Abs3 dem Bundesasylamt so schnell wie möglich zu übermitteln."

2.4. Die §§39 und 76 FPG lauten (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Festnahme

§39. (1) bis (2) ...

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber und Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor die Behörde festzunehmen, wenn

  1. 1. gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§10 AsylG 2005) erlassen wurde;

  1. 2. gegen diesen nach §27 AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

  1. 3. gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§53 oder 54), oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§60) verhängt worden ist oder

  1. 4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(4) In den Fällen der Abs1 Z1, Abs2 Z2 und Abs3 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(5) Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen des Abs1 bis zu 24 Stunden und in den Fällen der Abs2 und 3 bis zu 48 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur in Schubhaft möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

(6)..."

"8. Abschnitt

Schubhaft und gelinderes Mittel

Schubhaft

§76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

(2) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. 1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§10 AsylG 2005) erlassen wurde;

  1. 2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

  1. 3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§60) verhängt worden ist oder

  1. 4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß §57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß §57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(4) Hat der Fremde einen Zustellungsbevollmächtigten, so gilt die Zustellung des Schubhaftbescheides auch in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem eine Ausfertigung dem Fremden tatsächlich zugekommen ist. Die Zustellung einer weiteren Ausfertigung an den Zustellungsbevollmächtigten ist in diesen Fällen unverzüglich zu veranlassen.

(5) Wird ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrecht erhalten werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs2 vor, gilt die Schubhaft als nach Abs2 verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs2 ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

(7) Die Anordnung der Schubhaft kann mit Beschwerde gemäß §82 angefochten werden."

3.1. Dem (zu G14/07 protokollierten) Antrag des Verwaltungsgerichtshofes liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid vom 30. März 2006 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Gmünd über D., einen russischen Staatsangehörigen, die Schubhaft an. Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 18. April 2006 wurde die von D. erhobene Schubhaftbeschwerde abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer (nach illegalem Grenzübertritt) am 29. März 2006 einen Asylantrag gestellt habe; er verfüge über ein tschechisches Visum und einen Reisepass der Russischen Föderation. Durch das Visum, den in seinem Reisepass angebrachten Grenzkontrollstempel und den "EURODAC-Treffer" (Antrag des Beschwerdeführers am 11. November 2004 in Polen) ergebe sich ein "Dublinbezug" zur Tschechischen Republik und zu Polen. Aus diesem Grund erscheine die Heranziehung des §76 Abs2 Z4 FPG im Bescheid der Erstbehörde schlüssig und zutreffend. Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer nach Verhängung der Schubhaft vom Bundesasylamt eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß §51 AsylG 2005 ausgestellt worden sei, ändere am Ergebnis nichts, da diese lediglich dem Nachweis der Identität für das Asylverfahren und der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Bundesgebiet diene. Durch die Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte erfolge gemäß §28 Abs1 AsylG 2005 nur die Zulassung zum Verfahren, die einer späteren zurückweisenden Entscheidung gemäß §28 Abs1 letzter Satz AsylG 2005 ausdrücklich nicht entgegenstehe. Die Anwendung gelinderer Mittel iSd §77 FPG scheide aus.

3.2. Dem (zu G40/07 protokollierten) Antrag des UVS liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2006 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag gemäß §76 Abs2 Z4 FPG über I., einen Staatsangehörigen von Bangladesch, die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung an. Begründend wurde im Schubhaftbescheid ausgeführt, dass I. am 30. November 2006 im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle festgenommen worden sei, weil er sich weder ausweisen konnte noch im Besitz eines gültigen Reisedokuments oder Aufenthaltstitels war. In weiterer Folge habe I. einen Asylantrag gestellt, obwohl er am 22. November 2006 bereits in der Slowakei einen Asylantrag eingebracht hätte. Es sei davon auszugehen, dass sein Asylantrag mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen wird. Gegen die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft wurde beim UVS Beschwerde gemäß §82 FPG erhoben.

Mit Bescheid des antragstellenden UVS vom 30. März 2007, Z UVS 25.20-2/2007-7, wurde die von I. erhobene Schubhaftbeschwerde abgewiesen und festgestellt, dass "die Anordnung der Schubhaft ... bzw die Anhaltung des Beschwerdeführers bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senates rechtmäßig war und ... die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (protokolliert zu B784/07).

4. Zur Präjudizialität der angefochtenen Wortfolge führen die Antragsteller im Wesentlichen aus, dass sie im Zuge der Behandlung der bei ihnen erhobenen Beschwerden §76 Abs2 Z4 FPG anzuwenden hätten.

5.1. Der Verwaltungsgerichtshof hegt folgende Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Wortfolge in §76 Abs2 FPG (Hervorhebungen im Original):

"Gemäß Art2 Abs1 Z7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit - PersFrG, BGBl. Nr. 684/1988, darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern. Gemäß Art5 Abs1 litf EMRK ist die Festnahme oder Haft eines Menschen zulässig, 'um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen, oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist'. Beide Bestimmungen bilden die (verfassungsrechtliche) Grundlage für freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Fremdenpolizei (vgl. Kopetzki in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art2 PersFrG Rz 75) und damit für die Schubhaft.

Die Absicht des Gesetzgebers, die der in §76 Abs2 Z4 FPG normierten Möglichkeit der Schubhaft zu Grunde liegt, ergibt sich aus den Erläuterungen zum insoweit inhaltsgleichen §39 Abs3 Z4 FPG (952 BlgNR 22. GP 92):

'Abs3 Z4 stellt auf jene Fälle ab, wo schon vor Einschaltung der Asylbehörden aber nach Stellung eines Asylantrags offensichtlich ist, dass es zur Ausweisung des Asylwerbers kommen wird, weil sein Antrag auf Asyl zurückzuweisen ist. Dies wird vor allem und regelmäßig bei Eurodac-Treffern der Fall sein; hier besteht den Erfahrungen der Praxis nach einerseits eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Zurückweisung des Asylantrags und andererseits eine sehr hohe Geneigtheit der betroffenen Asylwerber, sich dem Verfahren zu entziehen.'

Hingegen finden sich in den Erläuterungen zu §76 FPG (952 BlgNR 22. GP 103 f) keine Hinweise für die Voraussetzungen des §76 Abs2 Z4.

Der Wortlaut des §76 Abs2 Z4 FPG stellt im Einklang mit den wiedergegebenen Materialien darauf ab, dass die Schubhaft bereits verhängt werden kann, wenn von der Fremdenpolizeibehörde (bloß) 'anzunehmen' ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs von den Asylbehörden zurückgewiesen werden wird; die in Rede stehende Bestimmung erlaubt sohin zum ehestmöglichen Zeitpunkt - nämlich unmittelbar nach Stellung des Asylantrags durch den Fremden (vgl. §17 Abs1 AsylG 2005) und vor Einleitung des für derartige Fremde spezifisch vorgesehenen asylrechtlichen Ausweisungsverfahrens (§27 leg. cit.) - dessen Inschubhaftnahme. Dadurch will es der Gesetzgeber den Fremdenpolizeibehörden ermöglichen, auf Basis einer ersten Einschätzung die Konsequenz eines späteren Asylverfahrensergebnisses (Zurückweisung des Asylantrags nach §5 AsylG 2005 und Ausweisung gemäß §10 Abs1 Z1 leg. cit. und die darauf gegründete Abschiebung) durch die Anordnung der Schubhaft zu sichern (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis des VfGH vom 24. Juni 2006, B362/06).

Für die Zulässigkeit des Freiheitsentzuges durch Schubhaft genügt nach dem Wortlaut des Art2 Abs1 Z7 PersFrG zwar (bereits) die Ausweisungs- oder Auslieferungsabsicht. In diesem Punkt scheint das PersFrG weniger streng formuliert als Art5 Abs1 litf EMRK, der ein 'schwebendes Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren' fordert. Diese Divergenz wäre jedoch - unter Bedachtnahme darauf, dass Art5 Abs1 litf EMRK nicht die Anhängigkeit eines förmlichen Ausweisungs- bzw. Auslieferungsverfahrens verlangt - dann als aufgelöst anzusehen, wenn mit Kopetzki (a.a.O., Rz. 79) und Wiederin (ZUV 1996/1, 13) gefordert wird, dass von einer staatlichen 'Absicht' im Sinn des Art2 Abs1 Z7 PersFrG erst die Rede sein könne, wenn diese von der zuständigen Behörde bereits in irgendeinem positiven Akt artikuliert worden ist.

Nun liegt aber - wie dargestellt - gerade der Bestimmung des §76 Abs2 Z4 FPG zu Grunde, dass (anders als im Fall der Z2) eine Artikulation der zuständigen Behörde, nämlich der Asylbehörde, (noch) nicht vorliegt. Nach der Z4 obliegt es der Fremdenpolizeibehörde, eine Prognose anzustellen, dass die zuständige Asylbehörde den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zurückweisen werde. Diesfalls kann von einem 'schwebenden Ausweisungsverfahren' vor der für die Erlassung der Ausweisung nach §10 AsylG 2005 zuständigen Asylbehörde keine Rede sein, zumal der Fall, dass die zuständige Asylbehörde ihre Absicht kundgetan hat, den Asylantrag zurückzuweisen und mit einer Ausweisung vorzugehen, schon von §76 Abs2 Z2 FPG erfasst ist und daher der hier in Anfechtung gezogene Tatbestand nicht auf eine derartige Konstellation reduziert werden kann. Somit verstößt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, der die oben dargestellte Auffassung von Kopetzki und Wiederin teilt, die Bestimmung des §76 Abs2 Z4 FPG gegen Art2 Abs1 Z7 PersFrG und gegen Art5 Abs1 litf EMRK."

5.2. Der UVS teilt die vom Verwaltungsgerichtshof geäußerten Bedenken, wonach §76 Abs2 Z4 FPG gegen Art2 Abs1 Z7 PersFrG und Art5 Abs1 litf EMRK verstoße, weil mit der Prognose iSd §76 Abs2 Z4 FPG durch die Fremdenpolizeibehörde noch keine Artikulation der zuständigen Asylbehörde vorliege; die in Rede stehende Prognoseentscheidung begründe demnach kein - von Art5 Abs1 litf EMRK gefordertes - schwebendes Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren.

6. Die Bundesregierung hat zum Antrag des Verwaltungsgerichtshofes eine Äußerung erstattet, in der sie den vorgebrachten Bedenken entgegentritt und beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird und für den Fall der Aufhebung gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von 12 Monaten bestimmen.

Wörtlich führt die Bundesregierung u.a. Folgendes aus (Hervorhebungen im Original):

"Einer der wichtigsten praktischen Anwendungsfälle auf Basis der angefochtenen Bestimmung ist das Vorliegen eines so genannten 'Eurodac-Treffers' als Ergebnis der erkennungsdienstlichen Behandlung des Fremden durch die Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe des Art4 der Eurodac-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von 'Eurodac' für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens, ABl. Nr. L 316 vom 15.12.2000 S. 1) (siehe dazu Riel/Schrefler-König/Szymanski/Wollner, FPG §76 Anm 25). Ergibt sich im Zuge des Eurodac-Vergleichs ein konkreter Hinweis auf die Zuständigkeit eines anderen Dublin-Mitgliedstaates, so kann die Fremdenpolizeibehörde davon ausgehen, dass der Antrag auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird, und, sofern dies im konkreten Einzelfall erforderlich und verhältnismäßig ist, Schubhaft nach §76 Abs2 Z4 FPG zur Sicherung der Ausweisung im Hinblick auf die unmittelbar zu erwartende Zurückweisungsentscheidung durch die Asylbehörde und der damit verbundenen Ausweisung anordnen (vgl. Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, Fremdenrecht (2006) §76 FPG, Z4).

Das Auffinden eines Fahrscheins (zB Zug- oder Busticket) im Rahmen einer Durchsuchung des Asylantragstellers (§44 Abs2 und 3 AsylG 2005) stellt nach Anhang II Verzeichnis A der Dublin II-Durchführungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. Nr. L 222 vom 5.9.2003 S. 3) ausdrücklich ein Beweismittel zur Feststellung des für die Führung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaates dar. Daher ist im Hinblick auf §§4 oder 5 AsylG 2005 bei Auffinden eines derartigen Beweismittels durch ein Sicherheitsorgan in Ausübung dieser Befugnis nach dem AsylG 2005 die Annahme gerechtfertigt, dass Österreich für die Durchführung des Asylverfahrens unzuständig ist.

Diese Regelung über die Verhängung der Schubhaft soll darüber hinaus sicherstellen, dass in Österreich sog. 'Dublin Out'-Verfahren (Überstellung des betroffenen Fremden an den zuständigen Dublin-Staat nach dessen Zustimmung) nach der Dublin II-Verordnung so rasch wie möglich effektuiert werden können. Es ist gerade auch im Interesse des betroffenen Fremden, dass das Verfahren zur Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz so zügig und effektiv wie möglich vom jeweils zuständigen Dublin-Staat durchgeführt werden kann (siehe 4. Erwägungsgrund zur Dublin II-Verordnung).

Generelle Voraussetzung für das Vorliegen einer verhältnismäßigen und damit rechtmäßigen Anhaltung in Schubhaft ist jedenfalls eine konkrete und einzelfallbezogene Prüfung der Notwendigkeit der Anhaltung (siehe die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 2006, B362/06, und vom 27. Februar 2007, B223/06).

Die Erforderlichkeit der Schubhaft ist meist im Hinblick auf einen Verfahrensentzug des Fremden durch 'Untertauchen' gegeben. Die Erfahrungen der vorangegangenen Jahre, in denen gerade in solchen Fallkonstellationen mangels einer gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Anordnung der Schubhaft die betroffenen Fremden 'untergetaucht' waren und sich dem Verfahren entzogen hatten, haben den Gesetzgeber dazu veranlasst, im Zuge der Erlassung des Fremdenrechtspakets 2005 eine entsprechende Bestimmung im FPG vorzusehen.

...

2. Der Haftzweck des Art5 Abs1 litf EMRK fordert nach hA ein 'schwebendes Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren' (siehe Kopetzki, Art2 PersFrG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht, Rz 79 (2001), mwN). Zusammengefasst liegt ein 'Verfahren' einem materiellen und autonomen Verständnis folgend bereits bei einem dem Freiheitsentzug vorgelagerten und auf die Außerlandesschaffung abzielenden behördlichen Aktes (zB Festnahmeersuchen) vor, dem ein Entschluss eines zur Ausweisung kompetenten Organs zugrunde liegt (Wiederin, Migranten und Grundrechte, 29).

Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorliegen eines 'schwebenden Ausweisungsverfahrens' im Sinne des Art5 Abs1 litf EMRK ist zunächst darauf hinzuweisen, dass unbeachtlich dieser Formulierung in der deutschen Übersetzung die jeweils authentische englische und französische Fassung des Art5 Abs1 litf EMRK deutlich voneinander abweichen (Kopetzki, aa0, Rz 79, FN 231). Während in der englischen Fassung von '(...) against whom action is being taken with a view to deportation or extradition' die Rede ist, spricht die französische Fassung von '(...) contre laquelle une procedure d'expulsion ou d'extradition est en cours'.

Aus der bisherigen Rechtsprechung des EGMR (zB Urteil des EGMR vom 15. November 1996 im Fall Chahal gegen das Vereinigte Königreich, Appl No 22414/93, vom 9. Oktober 2003, Fall Slivenko gegen Lettland, Appl No 48321/99) lässt sich die Frage nicht eindeutig beantworten, ab welchem Zeitpunkt von einem 'schwebenden Ausweisungsverfahren' ausgegangen werden kann. Während die englische Sprachfassung in Richtung einer konkreten 'Absicht' tendiert, eine Ausweisungshandlung vorzunehmen (arg. 'action is being taken with a view to'), lässt die französische Formulierung durchaus den strengeren Schluss zu, dass ein diesbezügliches 'Verfahren' bereits formal eingeleitet und damit 'im Laufen' ist (arg. 'une procedure ... est en cours').

3.1. Die in jedem Einzelfall der Schubhaftanordnung vorausgehende Prognose im Hinblick auf eine (bloße) Formalentscheidung wegen Unzuständigkeit Österreichs zur Durchführung des Asylverfahrens steht in engstem rechtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der zu erwartenden Anordnung eines Ausweisungsverfahrens als Folge einer Zurückweisungsentscheidung auf Grund des Asylgesetzes 2005 (§§4 oder 5 iVm §10 AsylG 2005). Daher liegt es auf Grund dieser konkreten Prognose als Folge einer unmittelbar zu erwartenden negativen Formalentscheidung der Asylbehörde auch im öffentlichen Interesse, die künftige Ausweisung des betroffenen Fremden durch Anordnung der Schubhaft zu sichern (Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, §76 FPG, Z7; VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138). Ob die Ausweisung letztlich tatsächlich erfolgt oder nicht oder ob die Ausweisung selbst rechtmäßig war, ist für die Anwendung des Art5 Abs1 litf EMRK unbeachtlich (Kopetzki, aa0, Rz 80).

3.2. Im Fall der geprüften Gesetzesbestimmung erscheint die Annahme des Vorliegens eines schwebenden Ausweisungsverfahrens im Sinne des Art5 Abs1 litf EMRK vertretbar, dies vor dem Hintergrund des zwischen dem AsylG 2005 und dem FPG abgestimmten Regelungssystems mit sehr detailliert normierten formalisierten Verfahrensschritten im innerbehördlichen Verkehr zwischen dem Bundesasylamt, dem Sicherheitsorgan und der zuständigen Fremdenpolizeibehörde:

§43 Abs2 AsylG 2005 spricht davon, dass im Falle einer Antragstellung auf internationalen Schutz durch einen illegal in Österreich aufhältigen Fremden bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (etwa im Zuge eines Aufgriffs an der Grenze) dieser 'zur Sicherung der Ausweisung der Erstaufnahmestelle vorzuführen' ist. Nach §45 Abs2 AsylG 2005 hat die Vorführung vor die Erstaufnahmestelle des Bundesasylamtes (EASt) jedoch zu unterbleiben, wenn bereits auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden wegen Unzuständigkeit Österreichs nach §§4 oder 5 AsylG 2005 (Dublin-Bezug bzw. Drittstaatssicherheit) zurückzuweisen sein wird. In diesem Fall ist der Fremde der zuständigen Fremdenpolizeibehörde vorzuführen, die über den betreffenden Fremden nach §76 Abs2 Z4 FPG Schubhaft zur Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung verhängen kann, wenn dies notwendig ist um das Verfahren zu sichern. Zum Zwecke der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde ist das Sicherheitsorgan nach §39 Abs3 Z4 FPG zur Festnahme des Fremden ermächtigt. Diese Festnahmebestimmung stellt die zeitlich vorgelagerte und inhaltlich idente Korrespondenznorm zum angefochtenen Schubhafttatbestand nach §76 Abs2 Z4 FPG dar und dient dem effektiven Vollzug der Dublin II-Verordnung (vgl. Riel/Schrefler-König/Szymanski/Wollner, FPG, §39 Anm 12). Das Sicherheitsorgan hat die Fremdenpolizeibehörde ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen (§39 Abs5 FPG).

Nach §45 Abs3 AsylG 2005 haben die vorführenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes spätestens zeitgleich mit der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde der EASt das Befragungsprotokoll sowie einen umfassenden Bericht betreffend Zeit, Ort und Umstände der Antragstellung sowie Angaben über Hinweise auf die Staatsangehörigkeit und den Reiseweg, insbesondere den Ort des Grenzübertritts, zu übermitteln.

Aus alldem ist der Schluss zulässig, dass ab dem Zeitpunkt, in dem das Sicherheitsorgan die zuständige Fremdenpolizeibehörde über die aus den Gründen des §39 Abs3 Z4 FPG erfolgte Festnahme informiert hat (siehe §39 Abs5 FPG) von einem 'schwebenden Ausweisungsverfahren' ausgegangen werden kann, zumal die Fremdenpolizeibehörde auf Grundlage der Erstbefragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung (zB Eurodac-Behandlung) durch das Sicherheitsorgan (§44 iVm. §19 Abs1 AsylG 2005) zum Zweck der Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung im Zusammenhang mit einem laufenden Dublin-Konsultationsverfahren Schubhaft verhängen kann. Unterbleibt die Verhängung der Schubhaft, wäre der Fremde zur Sicherung der Ausweisung wiederum dem Bundesasylamt vorzuführen (§46 AsylG 2005).

3.3. Dem Vorbringen des VwGH, eine erforderliche 'Artikulation' der Ausweisungsabsicht der zuständigen Behörde (hier: der Asylbehörde) liege nicht vor, ist entgegenzuhalten, dass die Durchführung der Erstbefragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung immer durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes ausdrücklich auf Grundlage der Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (siehe §§19 und 44 AsylG 2005) erfolgen und die Ausübung dieser Befugnisse durch ein Sicherheitsorgan auf Grund und im Rahmen des Asylgesetztes 2005 jedenfalls in funktionaler Hinsicht dem Bundesasylamt zuzurechnen ist (siehe Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, §44 AsylG 2005, Z4). Die Verhängung der Schubhaft zur Sicherstellung der Ausweisung in den zuständigen Dublin-Staat obliegt jedoch ausschließlich der zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§76 FPG).

...

Zusammenfassend scheinen daher nach Ansicht der Bundesregierung die ... monierten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zuzutreffen."

7. Der das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof betreibende Beschwerdeführer hat eine Gegenäußerung erstattet, in der er den Argumenten der Bundesregierung entgegentritt und seine Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung darlegt.

8. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat eine Stellungnahme zur Äußerung der Bundesregierung erstattet.

9. Die Bundesregierung hat zum Antrag des UVS eine Äußerung erstattet, in der sie zunächst die Zulässigkeit des Antrags - mangels Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung sprechenden Bedenken - bestreitet und dazu im Wesentlichen Folgendes ausführt:

"Die Darlegungen des antragstellenden UVS beschränken sich darauf, dass er die gegen die angefochtene Wortfolge in §76 Abs2 Z4 geäußerten Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes teilt, er auf die Ausführungen und Zitate im Gesetzesprüfungsantrag des Verwaltungsgerichtshofes verweist und er sich diesen vollinhaltlich anschließt. Diese Ausführungen erscheinen jedoch als keine dem §62 Abs1 VfGG entsprechende Darlegung, zumal ein Verweis auf einen zuvor beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Prüfungsantrag unbeachtet bleiben muss (VfSlg. 13.809/1994 mwN). Auch das Vorbringen, die angefochtene Wortfolge verstoße gegen Art2 Abs1 Z7 PersFrG und gegen Art5 Abs1 litf EMRK erscheint zu unpräzise und zu pauschal, um dem Erfordernis des §62 Abs1 VfGG zu entsprechen."

In der Sache verweist die Bundesregierung auf die im Verfahren zu G14/07 erstattete Äußerung und beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag des UVS zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird und für den Fall der Aufhebung gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von 12 Monaten bestimmen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

A) Zur Zulässigkeit:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht bzw. den antragstellenden UVS an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung des Gerichtes bzw. des UVS in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes bzw. des antragstellenden UVS im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg.10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Im Verfahren sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofes sprechen, dass er die angefochtene Wortfolge in §76 Abs2 FPG bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Beschwerde anzuwenden hat. Da auch sonst keine Prozesshindernisse bestehen, ist der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zulässig.

Der Verfassungsgerichtshof erachtet es hingegen als denkunmöglich, dass der antragstellende UVS die angefochtene Wortfolge anzuwenden hat, da er die - dem Antrag zugrunde liegende - Schubhaftbeschwerde bereits mit Bescheid vom 30. März 2007 abgewiesen und gleichzeitig festgestellt hat, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (s. dazu oben Pkt. I.3.2.). Die Bestimmung des §76 Abs2 Z4 FPG ist vom antragstellenden UVS - mangels Vorliegens eines Anlassfalles - sohin nicht (mehr) anzuwenden.

Der Antrag des UVS war daher zurückzuweisen.

2. Bei diesem Ergebnis kann es dahinstehen, ob die im Antrag des UVS enthaltenen Verweisungen auf den Inhalt des zu G14/07 protokollierten Antrags eine gesetzmäßige Darlegung der Bedenken iSd §62 Abs1 VfGG darstellt (vgl. dazu etwa VfSlg. 13.086/1992 mwH).

B) In der Sache:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

1.2. Der Verwaltungsgerichtshof geht zunächst davon aus, dass sich die Absicht, eine Ausweisung oder Auslieferung zu verfügen (Art2 Abs1 Z7 PersFrG), bzw. die Betroffenheit von einem schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren

(Art5 Abs1 litf EMRK) insbesondere dadurch manifestieren, dass die auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gerichtete Absicht von der zuständigen Behörde in einem positiven Akt artikuliert werden muss.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes liegt jedoch im Falle des §76 Abs2 Z4 FPG eine "Artikulation der zuständigen Behörde" - nämlich der Asylbehörde - (noch) nicht vor: Es obliege der Fremdenpolizeibehörde ausschließlich auf Basis der von ihr angestellten Prognose, dass die Asylbehörde den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zurückweisen wird, die Schubhaft zu verhängen. Von einem "schwebenden Ausweisungsverfahren" iSd Art5 Abs1 litf EMRK könne zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede sein, zumal der Fall, dass die Asylbehörde dem Fremden (gemäß §29 Abs3 Z4 AsylG 2005) ihre Absicht mitteilt, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und eine Ausweisung zu erlassen, schon von §76 Abs2 Z2 FPG erfasst sei; die angefochtene Wortfolge könne daher nicht auf eine derartige Konstellation reduziert werden.

Demnach stehe die Bestimmung des §76 Abs2 Z4 FPG im Widerspruch zu Art2 Abs1 Z7 PersFrG und Art5 Abs1 litf EMRK.

2. Damit ist der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis nicht im Recht:

2.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausführt, hat die Fremdenpolizeibehörde gemäß §76 Abs2 Z4 FPG aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung des Asylwerbers, also zum frühest möglichen Zeitpunkt, eine Prognose über die zu erwartende Entscheidung der zuständigen Asylbehörde anzustellen, welche - abgesehen von der stets im Einzelfall zu prüfenden Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft - die grundlegende Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß §10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung bildet.

Der Wortlaut des §76 Abs2 Z4 FPG stellt demnach weder ausdrücklich auf das Vorliegen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme noch auf die formelle Einleitung eines diesbezüglichen Verfahrens ab.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof ist allerdings der Auffassung, dass §76 Abs2 Z4 FPG im Lichte jener Bestimmungen zu verstehen ist, die den asylrechtlichen Verfahrensablauf regeln und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, den zuständigen Fremdenpolizeibehörden und der Asylbehörde jeweils unterschiedliche Aufgabenbereiche zuordnen:

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind gemäß §39 Abs3 Z4 FPG ermächtigt, Asylwerber und Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde festzunehmen, "wenn auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird". Die Fremdenpolizeibehörde ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen (§39 Abs5 FPG). Dieser - zunächst durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes anzustellenden - Prognose sind jene Ermittlungsergebnisse zugrunde zu legen, die sich beispielsweise aus Auskunftsverlangen, Identitätsfeststellung, Durchsuchen von Personen und dem Sicherstellen von Beweismitteln ergeben (vgl. dazu §§33 ff. FPG).

Ein Fremder, der nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist und einen Antrag auf internationalen Schutz bei einer Sicherheitsbehörde oder bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes stellt, ist gemäß §43 Abs2 AsylG 2005 zur Sicherung der Ausweisung der Erstaufnahmestelle vorzuführen. Die §§19, 44 und 45 AsylG 2005 regeln die Einvernahmen, Befragung, Durchsuchung und erkennungsdienstliche Behandlung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie die Durchführung der Vorführung. Die Vorführung vor das Bundesasylamt hat jedoch gemäß §45 Abs2 AsylG 2005 zu unterbleiben, "wenn auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden wegen Unzuständigkeit Österreichs (§§4 f.) zurückzuweisen sein wird und der Fremde der Fremdenpolizeibehörde vorgeführt wird".

2.3. Die Erläuterungen zu §76 FPG geben lediglich einen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die Verhängung der Schubhaft sowohl über Fremde gemäß §76 Abs1 FPG als auch über Asylwerber gemäß §76 Abs2 FPG davon ausgegangen ist, dass die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft stets nur unter der maßgeblichen Voraussetzung zulässig sind, dass sie sich im Hinblick auf den jeweiligen Sicherungszweck als notwendig erweisen.

Wörtlich wird u.a. Folgendes ausgeführt (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 103):

"In dieser Bestimmung werden jene Fälle zusammengefasst, in denen die Verhängung der Schubhaft zulässig ist. Hiebei geht es um den Gesichtspunkt der Sicherung der erforderlichen Maßnahmen. So wie bisher ist die Verhängung der Schubhaft nur mit Bescheid zulässig. In diesem Bescheid hat die Sicherheitsbehörde darzulegen, inwiefern die Haft notwendig ist, um den Sicherungszweck zu erreichen."

2.4. Zusammenfassend ist also zunächst festzuhalten, dass §76 Abs2 Z4 FPG die Fremdenpolizeibehörde ermächtigt, die Schubhaft anzuordnen, wenn sie die begründete Auffassung vertritt, dass die Anhaltung des Asylwerbers während des asylrechtlichen Verfahrens, das - ihrer Prognose entsprechend - mit großer Wahrscheinlichkeit in der Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung mündet, zur Sicherung der mit dieser Entscheidung gemäß §10 Abs1 Z1 AsylG 2005 zu verbindenden Ausweisung erforderlich ist.

3.1. Gemäß Art2 Abs1 Z7 PersFrG darf einem Menschen die persönliche Freiheit entzogen werden, "wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern"; Art5 Abs1 litf EMRK stellt darauf ab, dass der Fremde "von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist".

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 13.300/1992 mit dem normativen Gehalt und dem Verhältnis von Art2 Abs1 Z7 PersFrG und Art5 Abs1 litf EMRK beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die in Rede stehenden Bestimmungen inhaltlich deckungsgleich sind.

Wörtlich führte er dazu Folgendes aus:

"2.a) Durch Verfügungen gemäß dem - mit Ablauf des 31. Mai 1992 außer Kraft getretenen (s.o. I.2.) - §6 AsylG 1968 wurde dem Betroffenen die persönliche Freiheit iS des (am 1. Jänner 1991 in Kraft getretenen) Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG), BGBl. 684, und iS des Art5 EMRK entzogen. Die Verpflichtung, sich in der Überprüfungsstation des Flüchtlingslagers Traiskirchen aufzuhalten, war nämlich intentional primär auf eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit des Betroffenen gerichtet (vgl. hiezu zB VfSlg. 8327/1978, 8815/1980, 9983/1984, 10.420/1985, 11.656/1988, 12.056/1989).

b) Zu klären ist somit, ob die in §6 AsylG 1968 vorgesehene freiheitsentziehende Maßnahme durch einen der in Art2 Abs1 PersFrG und Art5 Abs1 EMRK angeführten Gründe gerechtfertigt werden kann.

aa) Gemäß Art2 Abs1 Z7 PersFrG sowie gemäß dem dieser Verfassungsnorm inhaltlich gleichen Art5 Abs1 litf EMRK darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, 'wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern'. Der Ausdruck 'Ausweisung' in Art2 Abs1 Z7 PersFrG umfaßt vom Wortsinn her alle fremdenpolizeilichen Maßnahmen, die darauf abzielen, daß der Fremde das Land verlasse (vgl. Art5 Abs1 litf EMRK, Art3 Abs1, Art4 des 4. ZPEMRK, Art1 des 7. ZPEMRK; s. auch VfGH 12.3.1992, G346/91 ua. Zlen., S 13)."

Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzugehen.

4.1. Anders als der Verwaltungsgerichtshof ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass der verfassungsrechtliche Begriff der Ausweisung iSd Art2 Abs1 Z7 PersFrG und Art5 Abs1 litf EMRK von einer materiellen Betrachtungsweise ausgeht und nicht mit dem im formellen Ausweisungsverfahren (wie es der einfache Gesetzgeber im AsylG 2005 und im FPG geregelt hat) verwendeten Begriff gleichzusetzen ist. Denn wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 13.300/1992 dargetan hat, umfasst der Ausdruck "Ausweisung" in den zitierten Verfassungsbestimmungen "vom Wortsinn her alle fremdenpolizeilichen Maßnahmen, die darauf abzielen, daß der Fremde das Land verlasse".

Im Fall des §76 Abs2 Z4 FPG nimmt die zuständige Fremdenpolizeibehörde auf Basis der vorliegenden Ermittlungsergebnisse eine Einschätzung dahingehend vor, ob die Asylbehörde - insbesondere aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden gleichartigen Informationen - eine Entscheidung gemäß §5 AsylG 2005 treffen wird, mit der gemäß §10 Abs1 Z1 AsylG 2005 eine Ausweisung zu verbinden wäre. Dass die Fremdenpolizeibehörden dabei von umfangreichen Erfahrungen ausgehen können, ist wohl nicht zu bestreiten.

Die - mit der Entscheidung der Asylbehörde über die Frage, welcher Staat zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, systematisch und zeitlich in engem Zusammenhang stehende - Prognoseentscheidung der Fremdenpolizeibehörde ist mit Blick auf die unmittelbar bevorstehende Ausweisung bzw. Verfahrenseinleitung (§29 Abs3 Z4 iVm §27 Abs1 Z1 AsylG 2005) von einer derartigen "rechtlichen Verdichtung" geprägt, dass dieser Verfahrensschritt durchaus vom verfassungsrechtlichen Begriff "schwebendes Ausweisungsverfahren" umfasst ist.

4.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist es von Verfassungs wegen auch nicht erforderlich, dass diejenige Behörde, die letztlich für die Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zuständig ist, (selbst) einen nach außen erkennbaren Willensakt - wie etwa im Falle der Verfahrensanordnung gemäß §29 Abs3 Z4 und 5 iVm §27 Abs1 Z1 AsylG 2005 - artikuliert. Um dem Erfordernis eines "schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahrens" zu entsprechen, genügt es demnach, dass die für die Verhängung der Schubhaft zuständige Fremdenpolizeibehörde - auf Basis eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und im Lichte der daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen - mit guten Gründen davon ausgehen kann, dass die Asylbehörde einen Bescheid gemäß §5 AsylG 2005 erlassen wird.

Der Verfassungsgerichtshof vermag sohin die vom Verwaltungsgerichtshof geäußerten Bedenken nicht zu teilen.

5. Der Antrag war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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