VfGH G147/06 ua

VfGHG147/06 ua15.6.2007

Kein Verstoß der Regelung in der StVO 1960 über das automatische Geschwindigkeitsmesssystem Section Control gegen das Grundrecht auf Datenschutz; verfassungskonforme Anwendung entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinsichtlich der Verwendung bzw Pflicht zur Löschung der erhobenen Daten ausschließlich zum Zweck der Feststellung von Geschwindigkeitsüberschreitungen; Überwachung nur auf bestimmten, besonders gefährlichen Strecken; Festlegung und Anordnung der Wegstrecke durch Gesetz oder Verordnung sowie Ankündigung der Datenerhebung auch im Hinblick auf den Rechtsschutz erforderlich

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
DSG 2000 §1 Abs2, §4 Z1, §6 Abs1, §7 Abs1, §27 Abs1
KFG 1967 §134 Abs3b
StVO 1960 §94 Z2, §100 Abs5b
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
DSG 2000 §1 Abs2, §4 Z1, §6 Abs1, §7 Abs1, §27 Abs1
KFG 1967 §134 Abs3b
StVO 1960 §94 Z2, §100 Abs5b

 

Spruch:

I. §100 Abs5b StVO 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung des ArtIV des BG BGBl. I Nr. 80/2002 wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Im Übrigen wird das von Amts wegen eingeleitete Verfahren eingestellt.

II. Die Anträge des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B833/05 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (im Folgenden: UVS Wien) vom 23. Mai 2005 anhängig, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. März 2005 keine Folge gegeben wurde. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß §99 Abs3 lita iVm §52 lita Z10a Straßenverkehrsordnung 1960 (im Folgenden: StVO 1960) eine Verwaltungsstrafe verhängt, weil er auf der Donauuferautobahn (A 22) im Kaisermühlentunnel (km 1,4 bis km 3,7) in Richtung Stockerau mit einem Kraftfahrzeug die durch Verbotszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten habe. Seine durchschnittliche Geschwindigkeit habe auf der gemessenen Wegstrecke 92 km/h betragen, wobei die Überschreitung mit dem automatischen Geschwindigkeitsmesssystem (Section Control) festgestellt worden sei.

1.2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §100 Abs5b StVO 1960 sowie des §134 Abs3b 1. Satz Kraftfahrgesetz 1967 (im Folgenden: KFG 1967) entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluss vom 26. Juni 2006 von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmungen eingeleitet. Das Verfahren ist zu G147,148/06 protokolliert.

2.1. Beim UVS Wien sind außerdem mehrere Berufungsverfahren gegen Straferkenntnisse der Bundespolizeidirektion Wien anhängig, mit denen über die Berufungswerber gemäß §99 Abs3 lita iVm §52 lita Z10a StVO 1960 Verwaltungsstrafen verhängt wurden, weil sie auf der Donauuferautobahn (A 22) im Kaisermühlentunnel (km 1,4 bis km 3,7) mit einem Kraftfahrzeug die durch Verbotszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten haben.

2.2. Aus Anlass dieser Verfahren stellte der UVS Wien gemäß Art129a Abs3 iVm Art89 Abs2 und Art140 Abs1 B-VG die zu G166/06, G167/06 und G168/06 protokollierten Anträge, §100 Abs5b StVO 1960, BGBl. 159, in der Fassung des ArtIV des BG BGBl. I 80/2002 als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat die genannten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§§187, 404 ZPO iVm §35 VfGG).

III. Zur Rechtslage:

1. §100 Abs5b StVO 1960, BGBl. 159, in der Fassung des ArtIV des BG BGBl. I 80/2002 steht unter der Überschrift "Besondere Vorschriften für das Strafverfahren" und lautet (der in Prüfung gezogene Teil ist hervorgehoben):

"(5b) Werden zur Feststellung einer Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit automatische Geschwindigkeitsmesssysteme verwendet, mit denen die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeuges auf einer bestimmten Wegstrecke gemessen werden kann, gilt die Messstrecke als Ort der Begehung der Übertretung. Wurden dabei auf der Messstrecke im Messzeitraum mehrere Geschwindigkeitsübertretungen begangen, so gelten diese als eine Übertretung. Erstreckt sich die Messstrecke auf den Sprengel mehrerer Behörden, so ist die Behörde zuständig, in deren Sprengel das Ende der Messstrecke fällt."

2. Abs3b des unter der Überschrift "Strafbestimmungen" stehenden §134 KFG 1967, BGBl. 267, in der Fassung des ArtI des BG BGBl. I 80/2002 lautet (der in Prüfung gezogene Teil ist hervorgehoben):

"(3b) Zur Feststellung einer Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit können auch automatische Geschwindigkeitsmesssysteme verwendet werden, mit denen die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeuges auf einer bestimmten Wegstrecke gemessen werden kann. Dabei gilt die Messstrecke als Ort der Begehung der Übertretung. Wurden dabei auf der Messstrecke im Messzeitraum mehrere Geschwindigkeitsübertretungen begangen, so gelten diese als eine Übertretung. Erstreckt sich die Messstrecke auf den Sprengel mehrerer Behörden, so ist die Behörde zuständig, in deren Sprengel das Ende der Messstrecke fällt."

3. Das Datenschutzgesetz 2000, BGBl. I 165/1999, zuletzt geändert durch BG BGBl. I 13/2005 (im Folgenden: DSG 2000) lautet auszugsweise:

"Artikel 1

(Verfassungsbestimmung)

Grundrecht auf Datenschutz

§1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art8 Abs2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) Jedermann hat, soweit ihn betreffende personenbezogene Daten zur automationsunterstützten Verarbeitung oder zur Verarbeitung in manuell, dh. ohne Automationsunterstützung geführten Dateien bestimmt sind, nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen

1. das Recht auf Auskunft darüber, wer welche Daten über ihn verarbeitet, woher die Daten stammen, und wozu sie verwendet werden, insbesondere auch, an wen sie übermittelt werden;

2. das Recht auf Richtigstellung unrichtiger Daten und das Recht auf Löschung unzulässigerweise verarbeiteter Daten.

(4) Beschränkungen der Rechte nach Abs3 sind nur unter den in Abs2 genannten Voraussetzungen zulässig.

(5) ...

...

Artikel 2

1. Abschnitt

Allgemeines

Definitionen

§4. Im Sinne der folgenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. 'Daten' ('personenbezogene Daten'): Angaben über Betroffene (Z3), deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist; 'nur indirekt personenbezogen' sind Daten für einen Auftraggeber (Z4), Dienstleister (Z5) oder Empfänger einer Übermittlung (Z12) dann, wenn der Personenbezug der Daten derart ist, daß dieser Auftraggeber, Dienstleister oder Übermittlungsempfänger die Identität des Betroffenen mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht bestimmen kann;

2. 'sensible Daten' ('besonders schutzwürdige Daten'): Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben;

3. 'Betroffener': jede vom Auftraggeber (Z4) verschiedene natürliche oder juristische Person oder Personengemeinschaft, deren Daten verwendet (Z8) werden;

4. 'Auftraggeber': natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen die Entscheidung getroffen haben, Daten für einen bestimmten Zweck zu verarbeiten (Z9), und zwar unabhängig davon, ob sie die Verarbeitung selbst durchführen oder hiezu einen anderen heranziehen. Als Auftraggeber gelten die genannten Personen, Personengemeinschaften und Einrichtungen auch dann, wenn sie einem anderen Daten zur Herstellung eines von ihnen aufgetragenen Werkes überlassen und der Auftragnehmer die Entscheidung trifft, diese Daten zu verarbeiten. Wurde jedoch dem Auftragnehmer anläßlich der Auftragserteilung die Verarbeitung der überlassenen Daten ausdrücklich untersagt oder hat der Auftragnehmer die Entscheidung über die Art und Weise der Verwendung, insbesondere die Vornahme einer Verarbeitung der überlassenen Daten, auf Grund von Rechtsvorschriften, Standesregeln oder Verhaltensregeln gemäß §6 Abs4 eigenverantwortlich zu treffen, so gilt der mit der Herstellung des Werkes Betraute als datenschutzrechtlicher Auftraggeber;

5. 'Dienstleister': natürliche oder juristische Personen, Personengemeinschaften oder Organe einer Gebietskörperschaft beziehungsweise die Geschäftsapparate solcher Organe, wenn sie Daten, die ihnen zur Herstellung eines aufgetragenen Werkes überlassen wurden, verwenden (Z8);

6. 'Datei': strukturierte Sammlung von Daten, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich sind;

7. 'Datenanwendung' (früher: 'Datenverarbeitung'): die Summe der in ihrem Ablauf logisch verbundenen Verwendungsschritte (Z8), die zur Erreichung eines inhaltlich bestimmten Ergebnisses (des Zweckes der Datenanwendung) geordnet sind und zur Gänze oder auch nur teilweise automationsunterstützt, also maschinell und programmgesteuert, erfolgen (automationsunterstützte Datenanwendung);

8. 'Verwenden von Daten': jede Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung, also sowohl das Verarbeiten (Z9) als auch das Übermitteln (Z12) von Daten;

9. 'Verarbeiten von Daten': das Ermitteln, Erfassen, Speichern, Aufbewahren, Ordnen, Vergleichen, Verändern, Verknüpfen, Vervielfältigen, Abfragen, Ausgeben, Benützen, Überlassen (Z11), Sperren, Löschen, Vernichten oder jede andere Art der Handhabung von Daten einer Datenanwendung durch den Auftraggeber oder Dienstleister mit Ausnahme des Übermittelns (Z12) von Daten;

10. 'Ermitteln von Daten': das Erheben von Daten in der Absicht, sie in einer Datenanwendung zu verwenden;

11. 'Überlassen von Daten': die Weitergabe von Daten vom Auftraggeber an einen Dienstleister;

12. 'Übermitteln von Daten': die Weitergabe von Daten einer Datenanwendung an andere Empfänger als den Betroffenen, den Auftraggeber oder einen Dienstleister, insbesondere auch das Veröffentlichen solcher Daten; darüber hinaus auch die Verwendung von Daten für ein anderes Aufgabengebiet des Auftraggebers;

13. 'Informationsverbundsystem': die gemeinsame Verarbeitung von Daten in einer Datenanwendung durch mehrere Auftraggeber und die gemeinsame Benützung der Daten in der Art, daß jeder Auftraggeber auch auf jene Daten im System Zugriff hat, die von den anderen Auftraggebern dem System zur Verfügung gestellt wurden;

14. 'Zustimmung': die gültige, insbesondere ohne Zwang abgegebene Willenserklärung des Betroffenen, daß er in Kenntnis der Sachlage für den konkreten Fall in die Verwendung seiner Daten einwilligt;

15. 'Niederlassung': jede durch feste Einrichtungen an einem bestimmten Ort räumlich und funktional abgegrenzte Organisationseinheit mit oder ohne Rechtspersönlichkeit, die am Ort ihrer Einrichtung auch tatsächlich Tätigkeiten ausübt.

...

2. Abschnitt

Verwendung von Daten

Grundsätze

§6. (1) Daten dürfen nur

1. nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verwendet werden;

2. für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke ermittelt und nicht in einer mit diesen Zwecken unvereinbaren Weise weiterverwendet werden; die Weiterverwendung für wissenschaftliche oder statistische Zwecke ist nach Maßgabe der §§46 und 47 zulässig;

3. soweit sie für den Zweck der Datenanwendung wesentlich sind, verwendet werden und über diesen Zweck nicht hinausgehen;

4. so verwendet werden, daß sie im Hinblick auf den Verwendungszweck im Ergebnis sachlich richtig und, wenn nötig, auf den neuesten Stand gebracht sind;

5. solange in personenbezogener Form aufbewahrt werden, als dies für die Erreichung der Zwecke, für die sie ermittelt wurden, erforderlich ist; eine längere Aufbewahrungsdauer kann sich aus besonderen gesetzlichen, insbesondere archivrechtlichen Vorschriften ergeben.

(2) Der Auftraggeber trägt bei jeder seiner Datenanwendungen die Verantwortung für die Einhaltung der in Abs1 genannten Grundsätze; dies gilt auch dann, wenn er für die Datenanwendung Dienstleister heranzieht.

(3) - (4) ...

Zulässigkeit der Verwendung von Daten

§7. (1) Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

(2) Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn

1. sie aus einer gemäß Abs1 zulässigen Datenanwendung stammen und

2. der Empfänger dem Übermittelnden seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis - soweit diese nicht außer Zweifel steht - im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat und

3. durch Zweck und Inhalt der Übermittlung die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen nicht verletzt werden.

(3) Die Zulässigkeit einer Datenverwendung setzt voraus, daß die dadurch verursachten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen und daß die Grundsätze des §6 eingehalten werden.

Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht-sensibler

Daten

§8. (1) Gemäß §1 Abs1 bestehende schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht oder

2. der Betroffene der Verwendung seiner Daten zugestimmt hat, wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist und die Unzulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten bewirkt, oder

3. lebenswichtige Interessen des Betroffenen die Verwendung erfordern oder

4. überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten die Verwendung erfordern.

(2) Bei der Verwendung von zulässigerweise veröffentlichten Daten oder von nur indirekt personenbezogenen Daten gelten schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen als nicht verletzt. Das Recht, gegen die Verwendung solcher Daten gemäß §28 Widerspruch zu erheben, bleibt unberührt.

(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde des Abs1 Z4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten

1. für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder

2. durch Auftraggeber des öffentlichen Bereichs in Erfüllung der Verpflichtung zur Amtshilfe geschieht oder

3. zur Wahrung lebenswichtiger Interessen eines Dritten erforderlich ist oder

4. zur Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung zwischen Auftraggeber und Betroffenem erforderlich ist oder

5. - 7. ...

(4) Die Verwendung von Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere auch über den Verdacht der Begehung von Straftaten, sowie über strafrechtliche Verurteilungen oder vorbeugende Maßnahmen verstößt - unbeschadet der Bestimmungen des Abs2 - nur dann nicht gegen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen, wenn

1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung solcher Daten besteht oder

2. die Verwendung derartiger Daten für Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrnehmung einer ihnen gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder

3. sich sonst die Zulässigkeit der Verwendung dieser Daten aus gesetzlichen Sorgfaltspflichten oder sonstigen, die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers ergibt und die Art und Weise, in der die Datenanwendung vorgenommen wird, die Wahrung der Interessen der Betroffenen nach diesem Bundesgesetz gewährleistet.

...

Recht auf Richtigstellung oder Löschung

§27. (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar

1. aus eigenem, sobald ihm die Unrichtigkeit von Daten oder die Unzulässigkeit ihrer Verarbeitung bekannt geworden ist, oder

2. auf begründeten Antrag des Betroffenen.

Der Pflicht zur Richtigstellung nach Z1 unterliegen nur solche Daten, deren Richtigkeit für den Zweck der Datenanwendung von Bedeutung ist. Die Unvollständigkeit verwendeter Daten bewirkt nur dann einen Berichtigungsanspruch, wenn sich aus der Unvollständigkeit im Hinblick auf den Zweck der Datenanwendung die Unrichtigkeit der Gesamtinformation ergibt. Sobald Daten für den Zweck der Datenanwendung nicht mehr benötigt werden, gelten sie als unzulässig verarbeitete Daten und sind zu löschen, es sei denn, daß ihre Archivierung rechtlich zulässig ist und daß der Zugang zu diesen Daten besonders geschützt ist. Die Weiterverwendung von Daten für einen anderen Zweck ist nur zulässig, wenn eine Übermittlung der Daten für diesen Zweck zulässig ist; die Zulässigkeit der Weiterverwendung für wissenschaftliche oder statistische Zwecke ergibt sich aus den §§46 und 47.

(2) - (9) ..."

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwogen:

A. Zu den Prozessvoraussetzungen:

1.1. In dem von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren legte der Verfassungsgerichtshof seine Überlegungen hinsichtlich der Zulässigkeit wie folgt dar:

"1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides §100 Abs5b 1. Satz StVO 1960 angewendet hat, und dass daher auch er diese Gesetzesstelle bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerde anzuwenden hätte.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müssen die Grenzen der Aufhebung so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass anderseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden; dies trifft sowohl auf von Amts wegen als auch auf auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (VfSlg. 8155/1977, 12.465/1990, 13.140/1992, 13.964/1994). Der Verfassungsgerichtshof ist daher vorläufig der Auffassung, dass §100 Abs5b StVO 1960 aufgrund des untrennbaren Zusammenhanges in seiner Gesamtheit in Prüfung zu ziehen ist.

Der Verfassungsgerichtshof geht somit davon aus, dass das Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des §100 Abs5b StVO 1960 insoweit zulässig zu sein scheint.

1.2. §100 Abs5b 1. Satz StVO 1960 stellt auf die Verwendung eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems zur Feststellung der Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit auf einer bestimmten Wegstrecke ab. Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, dass die Ermächtigung, 'die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeuges auf einer bestimmten Wegstrecke' mit einem automatischen Geschwindigkeitsmesssystem zu messen, nur in §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 enthalten ist. Nach der vorläufigen Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes besteht daher ein notwendiger Zusammenhang zwischen den beiden Bestimmungen, sodass das Gesetzesprüfungsverfahren auch hinsichtlich des §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 zulässig sein dürfte."

1.2. Die Bundesregierung führt in ihrer Äußerung in Bezug auf die Zulässigkeit des von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens aus:

"3.1. Der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes, dass die im Anlassfall belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides §100 Abs5b 1. Satz StVO 1960 angewendet hat und diese Gesetzesstelle daher im Sinne der ... Judikatur präjudiziell ist, tritt die Bundesregierung nicht entgegen.

Nach Auffassung der Bundesregierung wurden gegen diese Bestimmung, die (bloß) die für das Strafverfahren maßgebliche Frage des Tatorts regelt, jedoch keine Bedenken geäußert; s. dazu noch unten.

3.2. §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 - der von der belangten Behörde weder angewendet wurde noch angewendet werden musste - wird vom Verfassungsgerichtshof als in einem 'notwendigen Zusammenhang' mit §100 Abs5b 1. Satz StVO 1960 stehend angesehen. Nach Meinung der Bundesregierung handelt es sich dabei aber um einen bloßen Sachzusammenhang. Zur Beurteilung des Tatorts im Sinne des §100 Abs5b

1. Satz StVO 1960 ist §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 nicht (mit) anzuwenden; der normative Gehalt der erstgenannten Bestimmung ergibt sich aus dieser alleine.

Die beiden Bestimmungen bilden sohin keine normative Einheit (vgl. dazu Spielbüchler, '... anzuwenden hätte, ...' - Über den Gegenstand von Normenprüfungsverfahren, FS Adamovich [2002] 743). Im Falle einer Aufhebung des §100 Abs5b StVO 1960 käme §134 Abs3b

1. Satz KFG 1967 ein eindeutiger, durch die Aufhebung nicht veränderter Inhalt zu. Die beiden Bestimmungen stehen daher nicht in einem im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes 'untrennbaren' Zusammenhang (vgl. z.B. VfSlg. 12.843/1991).

Dieses Ergebnis wird auch durch Folgendes bestärkt: Die Sätze 2 bis 4 des §134 Abs3b KFG 1967 sind mit dem zur Gänze in Prüfung gezogenen §100 Abs5b StVO 1960 inhaltlich und weitgehend auch wörtlich identisch, wurden jedoch nicht mit in Prüfung gezogen. Ist es aber möglich, den ersten Satz des §134 Abs3b KFG 1967 von dessen Sätzen 2 bis 4 zu trennen, so kann auch ein untrennbarer Zusammenhang zu den (mit diesen Sätzen 2 bis 4) gleich lautenden Regelungen des §100 Abs5b StVO 1960 nicht vorliegen.

3.3. Die Bedenken des Gerichtshofes richten sich gegen die gesetzliche Ermächtigung zur Einrichtung automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme. Diese sieht er, wie in Punkt III.1.2. und III.2.1. des Prüfungsbeschlusses ausdrücklich festgehalten wird, nur in §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967.

Gegen §100 Abs5b StVO 1960, der - für den Fall der Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens - den Ort der Begehung der Übertretung festlegt, hat der Verfassungsgerichtshof keine eigenen Bedenken geäußert. Nach Meinung der Bundesregierung können sich die gegen §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 im Zusammenhang mit dem System der 'Section Control' geäußerten Bedenken schon deshalb nicht auch auf §100 Abs5b StVO 1960 beziehen, weil diese Bestimmung nicht die (Datenermittlung zur) Geschwindigkeitsüberwachung und Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung mittels automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme betrifft, sondern die - erst in einem zweiten Schritt erfolgende - Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens in dem Fall, dass mithilfe eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems eine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt wurde.

3.4. Nach Auffassung der Bundesregierung ist das Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des §100 Abs5b StVO 1960 somit als unzulässig anzusehen, weil gegen diese Bestimmung keine Bedenken geäußert wurden. Hinsichtlich des §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 ist das Verfahren ebenfalls unzulässig, weil diese Bestimmung nicht präjudiziell ist und auch ein untrennbarer Zusammenhang mit §100 Abs5b StVO 1960 nicht besteht. Nach Meinung der Bundesregierung ist das Gesetzesprüfungsverfahren daher einzustellen."

1.3.1. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, dass der Verfassungsgerichtshof §100 Abs5b 1. Satz StVO 1960 bei der Beurteilung der den Anlass der amtswegigen Gesetzesprüfung bildenden Beschwerde anzuwenden habe. Der Einwand der Bundesregierung, dass gegen diese in Prüfung gezogene Bestimmung keine Bedenken vorgebracht wurden, ist insofern unzutreffend, als §100 Abs5b 1. Satz StVO 1960 die Rechtsgrundlage für die Ermittlung von personenbezogenen Daten mit Hilfe eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems darstellt. Die vom Gerichthof im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken treffen daher auch auf diese Bestimmung zu.

Wie bereits im Prüfungsbeschluss dargelegt, müssen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Grenzen der Aufhebung so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass anderseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden; dies trifft sowohl auf von Amts wegen als auch auf auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (VfSlg. 8155/1977, 12.465/1990, 13.140/1992, 13.964/1994).

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des §100 Abs5b StVO 1960 in seiner Gesamtheit zulässig.

1.3.2. In Bezug auf §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 ist hingegen der Auffassung der Bundesregierung zuzustimmen, wonach das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren nicht zulässig ist, weil die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich des untrennbaren Zusammenhanges mit §100 Abs5b StVO 1960 nicht zutrifft.

§134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 steht mit §100 Abs5b StVO 1960 in keinem derartigen Zusammenhang, dass es im Falle des Zutreffens der aufgeworfenen Bedenken erforderlich wäre, die Bestimmung, auf die sich der Bescheid nicht unmittelbar gründet, mit aufzuheben. Hinsichtlich des §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 war daher das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen.

2.1. Zur Zulässigkeit des zu G166/06 protokollierten Antrages (die übrigen sind gleichlautend) führt der UVS Wien Folgendes aus:

"Bei der Entscheidung über die vorliegende, gegen das eingangs genannte Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien gerichtete Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat auch die Bestimmung des §100 Abs5b StVO anzuwenden.

...

Die erstinstanzliche Behörde hat das Straferkenntnis im Spruch und in ihrer Begründung darauf gestützt, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung mittels automatischem Geschwindigkeitsmesssystem (Section Control), welches im konkreten Fall zur Feststellung der Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit auf einer bestimmten Wegstrecke eingesetzt wurde, festgestellt wurde. Die Berufungswerberin wurde aufgrund dessen wegen einer Überschreitung der höchst zulässigen Geschwindigkeit im Bereich der Tatörtlichkeit bestraft und hat dagegen Berufung erhoben. Angesichts dessen ist die Bestimmung des §100 Abs5b StVO auch für die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien präjudiziell."

2.2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung der Anträge des UVS Wien als unzulässig beantragt.

2.3. Es ist offenkundig, dass auch der UVS Wien bei der Entscheidung über die bei ihm anhängigen Fälle, die Anlass zur Antragstellung der zu G166-168/06 protokollierten Verfahren sind, §100 Abs5b StVO 1960 anzuwenden hat. Angesichts dessen, dass zwischen den §100 Abs5b StVO 1960 und §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 der vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss vorläufig angenommene untrennbare Zusammenhang nicht vorliegt, ist im Verfahren nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anträge des UVS zweifeln ließe. §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 wurde vom UVS nicht angefochten. Die zu G166-168/06 protokollierten Verfahren erweisen sich somit als zulässig.

B. In der Sache:

1.1. Folgende Bedenken haben den Verfassungsgerichthof zur Einleitung des amtswegigen Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst:

"2.1. Im Hinblick auf den Zusammenhang der beiden in Prüfung gezogenen Bestimmungen geht der Verfassungsgerichthof vorläufig davon aus, dass §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 die Ermächtigung enthält, automatische Geschwindigkeitsmesssysteme, mit denen die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeuges auf einer bestimmten Wegstrecke gemessen werden kann, zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu verwenden. Diese Bestimmung scheint somit die Datenermittlung und -verwendung mithilfe eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems vorzusehen.

§100 Abs5b StVO 1960 dürfte demgegenüber das Bestehen automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme voraussetzen und sieht für den Fall, dass derartige Messsysteme verwendet werden und die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit festgestellt wird, vor, dass die gesamte Messstrecke als Tatort gilt.

Der Gerichtshof nimmt an, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen die Rechtsgrundlagen für die Erfassung von personenbezogenen Daten iSd. §4 Z1 DSG 2000 - im vorliegenden Fall in Form von Kfz-Kennzeichen - mittels eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems sind. Das Gesetz scheint es zu ermöglichen, dass jedes Kraftfahrzeug, das die Messpunkte passiert, unabhängig davon, ob die festgesetzte Höchstgeschwindigkeit überschritten wurde, derart gespeichert werden kann, dass der Halter und - wegen der Bestimmung über die Lenkerauskunft (§103 Abs2 KFG 1967) - der Lenker des jeweiligen Kraftfahrzeuges festgestellt werden können.

2.2.1. Gemäß §1 Abs1 DSG 2000 hat jedermann Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat. Ein schutzwürdiges Interesse ist von vornherein bei allgemeiner Verfügbarkeit der Daten oder deren mangelnder Rückführbarkeit auf den Betroffenen ausgeschlossen.

Beschränkungen dieses Grundrechts sind dem Gesetzesvorbehalt des §1 Abs2 DSG 2000 zufolge nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur aufgrund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen notwendig sind. Ein Eingriff in die Ausübung des nach §1 Abs1 DSG 2000 gewährleisteten Rechts ist ua. nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist, wobei das Gesetz die Eingriffsmöglichkeiten abschließend und umfassend zu umschreiben hat.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss eine Ermächtigungsnorm iSd. §1 Abs2 DSG 2000 ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar, bezeichnen, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung bzw. die Verwendung der Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben zulässig ist (vgl. VfSlg. 16.369/2001). Der jeweilige Gesetzgeber muss somit iSd. §1 Abs2 DSG 2000 eine materienspezifische Regelung in dem Sinn vorsehen, dass die Fälle zulässiger Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz konkretisiert und begrenzt werden. Die im DSG 2000 enthaltenen einfachgesetzlichen Ausführungsvorschriften bezüglich der allgemeinen Grundsätze für die Verwendung von Daten (vgl. den 2. Abschnitt des DSG 2000) reichen nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes für die Beschränkung des Grundrechts auf Datenschutz iSd. §1 Abs2 DSG 2000 nicht aus.

2.2.2. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) geht davon aus, dass ein Gesetz, das einen Eingriff in die durch Art8 EMRK gewährleisteten Rechte gesetzlich vorsieht, mit ausreichender Genauigkeit die Umstände festlegen muss, unter denen ein solcher Eingriff zulässig ist. Insbesondere müssen mit hinreichender Klarheit das Ausmaß und die Art des behördlichen Ermessens aus der gesetzlichen Regelung erkennbar sein (vgl. zB EGMR 25.3.1998, Kopp gg. die Schweiz, ÖJZ 1999, 115; EGMR 16.2.2000, Amann gg. die Schweiz, ÖJZ 2001, 71; EGMR 4.5.2000, Rotaru gg. Rumänien, ÖJZ 2001, 74).

2.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag vorerst nicht zu erkennen, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen zulässige Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz normieren.

Der Gerichtshof bezweifelt vor allem, dass eine gesetzliche Regelung existiert, aus der sich ergibt, in welchen konkreten Situationen und unter welchen Verwendungsbeschränkungen (auszugehen ist von einer möglichst eng gehaltenen Verwendung) Daten mithilfe eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems ermittelt werden dürfen. Dem Gesetz scheint ein Hinweis zu fehlen, wer die Datenerhebung anzuordnen hat, auf wessen Anordnungen die Daten verwendet und insbesondere für welche Zwecke sowie für welchen Zeitraum sie gespeichert werden dürfen. Schließlich ist für den Gerichtshof vorerst nicht ersichtlich, welchen Löschungsverpflichtungen die auf diese Weise ermittelten Daten unterliegen.

Darüber hinaus scheint sich weder aus der Ermächtigungsnorm des §134 Abs3b 1. Satz KFG 1967 noch aus §100 Abs5b StVO 1960 eine Konkretisierung des Begriffes 'bestimmte[n] Wegstrecke' zu ergeben. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber darauf abgestellt hat, auf 'bestimmten Wegstrecken' die Feststellung der Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit mittels automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme zu ermöglichen und eine totale Überwachung sämtlicher Wegstrecken nicht ohne weiteres zulässig wäre. Der Verfassungsgerichtshof hegt jedoch das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen weder festlegen, ob die jeweilige Wegstrecke, auf der ein automatisches Geschwindigkeitsmesssystem zur Überwachung der Einhaltung von Geschwindigkeitsbeschränkungen eingesetzt wird, bestimmten Kriterien entsprechen muss, noch - wenn dies der Fall sein sollte - welchen konkreten Anforderungen diese Wegstrecke genügen muss.

Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen scheinen es nach der vorläufigen Auffassung des Gerichtshofes zu ermöglichen bzw. vorauszusetzen, dass die Daten sämtlicher Verkehrsteilnehmer, die die jeweilige Wegstrecke befahren - unabhängig von der Begehung einer Verwaltungsübertretung - ermittelt werden. Der Gesetzgeber dürfte allerdings nicht geregelt haben, was mit den mit Hilfe eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems ermittelten Daten geschieht.

Da die in Prüfung gezogenen Bestimmungen diesbezüglich keine näheren Regelungen enthalten, ist vorläufig davon auszugehen, dass sie den verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen iSd. §1 Abs2 DSG 2000 insoweit nicht genügen."

1.2. Der UVS Wien verweist in der Begründung seiner zu G166-168/06 protokollierten Anträge auf die vom Verfassungsgerichtshof im von Amts wegen eingeleiteten Verfahren geäußerten Bedenken.

1.3. Den vom Gerichtshof geäußerten Bedenken hält die Bundesregierung - nach einer Kurzbeschreibung des derzeit in Verwendung stehenden automatischen Geschwindigkeitsmesssystems (Section Control) - Folgendes entgegen:

"... Anwendbarkeit des DSG 2000

Nach Auffassung der Bundesregierung sind zur Beurteilung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit des oben geschilderten Systems auch die einfachgesetzlichen Bestimmungen des DSG 2000 heranzuziehen. Auch die Verwendungsbeschränkungen und die Regelungen über die Speicherung und Löschung der ermittelten Daten ergeben sich aus dem DSG 2000.

Für die Bundesregierung ist nicht ersichtlich, weshalb die Bestimmungen des 2. Abschnittes des DSG 2000 - sofern sie nicht in verfassungswidriger Weise ausgelegt werden - keine zulässigen Beschränkungen des Grundrechts nach §1 Abs2 DSG 2000 darstellen sollen: So hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 12.166/1989 §7 Abs2 DSG [1978] (der §8 Abs3 Z1 DSG 2000 entspricht) als mit dem Grundrecht nach §1 Abs2 DSG [1978] iVm Art8 Abs2 EMRK vereinbar erachtet. Nach Auffassung der Bundesregierung kann im Hinblick auf das DSG 2000 nichts anderes gelten.

... Zu den geäußerten Bedenken

1. Zur Frage des datenschutzrechtlichen Auftraggebers (wer ordnet die Datenerhebung an?)

'Auftraggeber' der Section Control im Sinne des §4 Z4 DSG 2000 ist die für die Verkehrspolizei zuständige Behörde: Gemäß §94b Abs1 lita StVO 1960 gehört zur Verkehrspolizei unter anderem die Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften. Die Zuständigkeit ergibt sich aus den §§94 ff StVO 1960; die Verkehrspolizei auf Autobahnen obliegt gemäß §94a Abs1 leg.cit. der Landesregierung.

Die im Anlassverfahren relevante Section Control-Anlage im Kaisermühlentunnel im Verlauf der A 22 Donauuferautobahn fällt in die Zuständigkeit der Wiener Landesregierung. Diese hat in ihrer Eigenschaft als datenschutzrechtlicher Auftraggeber auch eine Meldung dieser Datenanwendung bei der Datenschutzkommission (Datenverarbeitungsregister) vorgenommen.

2. Zur datenschutzrechtlichen Qualifikation der ermittelten Daten

Wie sich aus der Beschreibung des Systems 'Section Control' ergibt, dient dieses der Ermittlung der Zeitspanne, innerhalb derer ein bestimmtes Fahrzeug die Fahrstrecke zwischen Einfahrts- und Ausfahrtserfassungsquerschnitt durchfährt. Das Fahrzeug wird dabei durch Kennzeichen und Kraftfahrzeugkategorie identifiziert. Nur in dem Fall, dass eine Geschwindigkeitsübertretung festgestellt wurde, werden vom System Datensätze angelegt und (zwischen-)gespeichert, die hinsichtlich ihres Inhalts und Informationsgehalts einem herkömmlichen Radarfoto entsprechen.

Die im System erfassten und in digitaler, verschlüsselter Form zwischengespeicherten Daten weisen keinen direkten Personenbezug auf: Bei dem am Erfassungsquerschnitt erstellten digitalen Bild handelt es sich um eine Heckaufnahme, sodass die Person nicht erkennbar ist. Durch Kennzeichen und Kraftfahrzeugkategorie allein ist ein direkter Personenbezug nicht herstellbar. Eine Rückführbarkeit dieser Angaben auf Betroffene (Zulassungsbesitzer oder Lenker) ist innerhalb des Systems nicht gegeben und kann mangels Zugriffsmöglichkeit von außen auch nicht hergestellt werden.

Erst durch eine Zusammenführung der Übertretungsdatensätze mit einem Verzeichnis der Zulassungsbesitzer entstehen Daten, die einer konkreten Person zuordenbar sind. Diese Zusammenführung kann nicht durch den Auftraggeber der Section Control erfolgen, sondern ausschließlich durch die Verwaltungsstrafbehörde nach Abrufen der 'Übertretungsdatensätze'.

Da die Identität der Betroffenen vom datenschutzrechtlichen Auftraggeber also nicht bestimmt werden kann, sind die im System 'Section Control' erfassten und gespeicherten Daten indirekt personenbezogene Daten iSd §4 Z1 DSG 2000.

Die Verknüpfung der Daten mit den Inhalten der Zulassungsdatenbank durch die Verwaltungsstrafbehörde - wodurch ein direkter Personenbezug hergestellt wird - ist nicht mehr Teil des Systems 'Section Control', sondern erfolgt in einem davon getrennt zu beurteilenden zweiten Schritt. Diese Tätigkeit der Verwaltungsstrafbehörde unterscheidet sich qualitativ nicht von der Verwendung von Radarfotos für Zwecke des Verwaltungsstrafverfahrens und ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

3. Zur Zulässigkeit der Datenermittlung

Gemäß §7 Abs1 DSG 2000 dürfen Daten nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

Die gesetzliche Zuständigkeit zur Datenermittlung ergibt sich, wie oben ausgeführt, aus §94a Abs1 iVm §94b Abs1 lita StVO 1960. Die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen sind gemäß §8 Abs2 DSG 2000 nicht verletzt, da im System 'Section Control' nur indirekt personenbezogene Daten verwendet werden.

4. Zu den Verwendungsbeschränkungen

Gemäß §6 Abs1 Z2 und Z3 DSG 2000 dürfen die Daten ausschließlich für jenen Zweck verwendet (s. §4 Z8 leg.cit.) werden, für den sie ermittelt wurden und nur soweit sie für diesen Zweck wesentlich sind und nicht darüber hinausgehen. Eine Verwendung der Daten für einen anderen als den ursprünglichen Zweck ist grundsätzlich nicht zulässig: Eine solche Verwendung für andere Zwecke gilt datenschutzrechtlich als Übermittlung (§4 Z12 leg.cit.) und ist daher nur unter den dafür geltenden Voraussetzungen (insb. nach den §§7 bis 9 leg.cit.) zulässig.

5. Zur Dauer der zulässigen Speicherung und zur Löschung

Gemäß §6 Abs1 Z5 DSG 2000 dürfen Daten nur solange in personenbezogener Form aufbewahrt werden, als dies für die Erreichung der Zwecke, für die sie ermittelt wurden, erforderlich ist. Sobald Daten für den Zweck der Datenanwendung nicht mehr benötigt werden, gelten sie gemäß §27 Abs1 (vierter Satz) DSG 2000 als unzulässig verarbeitete Daten und sind zu löschen.

Ergibt die Geschwindigkeitsmessung also, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten wurde, so werden die Daten nicht weiter benötigt und sind daher umgehend zu löschen. Dem wird vom System der 'Section Control' entsprochen: Die zwischengespeicherten Daten werden gelöscht, sobald festgestellt wurde, dass keine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorliegt. Darüber hinaus werden die Daten auch gelöscht, wenn ein Zeitfenster von acht Minuten überschritten ist, ohne dass eine Übertretung erkannt wurde.

6. Zum Begriff der 'bestimmten Wegstrecke'

6.1. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen den Begriff der 'bestimmten Wegstrecke' nicht aus dem Blickwinkel des Art18 B-VG, sondern aus jenem des Grundrechts auf Datenschutz ergeben. Im Hinblick darauf, dass das System der Section Control aus datenschutzrechtlicher Sicht unbedenklich ist, gehen nach Meinung der Bundesregierung auch die datenschutzrechtlichen Bedenken ob des Begriffs der 'bestimmten Wegstrecke' ins Leere.

6.2. Allgemein ist zu diesem Begriff Folgendes festzuhalten:

Der Gesetzgeber hatte bei der Formulierung 'bestimmte Wegstrecke' keine bestimmten Kriterien, denen diese Wegstrecke genügen muss, im Auge, weil eine solche Einengung nicht sinnvoll wäre. Dies wird durch einen Vergleich mit Radarmessungen deutlich:

Auch die Errichtung stationärer Radarmessstellen ist nicht an bestimmte Kriterien der überwachten Straßenstelle gebunden. Da grundsätzlich die Einhaltung der straßenpolizeilichen Bestimmungen überall zu überwachen ist, wäre es sinnlos, den Einsatz bestimmter Hilfsmittel jeweils nur an durch abstrakte Kriterien umschriebenen Orten zu erlauben. Der Grund für die Wortwahl des Gesetzgebers liegt vielmehr darin, dass es zur Ermittlung einer Durchschnittsgeschwindigkeit erforderlich ist, eine Wegstrecke - 'bestimmt' durch ein Messgerät am Eingang und ein Messgerät am Ausgang dieser Messstrecke - festzulegen.

'Bestimmte Wegstrecke' bedeutet damit eine strecken-/längen- bzw. entfernungsmäßig durch Anfangs- und Endpunkt festgelegte Wegstrecke. Ohne eine solcherart 'bestimmte' Wegstrecke ist eine Berechnung der Durchschnittsgeschwindigkeit nicht möglich.

Die Behörde, die eine Geschwindigkeitsüberwachung mittels Section Control anordnet, legt zugleich auch die konkrete Messstrecke fest. In der Praxis wird sie dabei aufgrund der Kosten, die die Errichtung solcher automatischen Geschwindigkeitsmesssysteme verursacht, besonders gefahrenträchtige Streckenabschnitte wie Tunnelanlagen, Baustellen und gefahrenreiche Freilandstrecken auswählen."

2. Die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss aufgeworfenen und vom UVS geteilten Bedenken treffen im Ergebnis nicht zu, wird die gesetzliche Ermächtigung zur abschnittsbezogenen Geschwindigkeitskontrolle (§100 Abs5b StVO 1960) im Einklang mit der grundrechtlichen Gewährleistung des Schutzes personenbezogener Daten gemäß §1 Abs1 DSG 2000 und im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt des §1 Abs2 DSG 2000 verfassungskonform verstanden.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss die Auffassung vertreten, dass §100 Abs5b StVO 1960 die Rechtsgrundlage für die Erfassung von personenbezogenen Daten iSd §4 Z1 DSG 2000 - im vorliegenden Fall in Form von Kfz-Kennzeichen - mittels eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems ist.

Nach Auffassung des Gerichtshofes kann es dahingestellt bleiben, ob ein Teil der mittels des automatischen Geschwindigkeitsmesssystems ermittelten Daten indirekt personenenbezogene Daten sind, weil es jedenfalls auch personenbezogene Daten gibt, die ermittelt werden.

2.2.1. Unter Hinweis auf seine Vorjudikatur (VfSlg. 16.369/2001) hat der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss bekräftigt, dass die Ermittlung und Verwendung personenbezogener Daten durch Eingriffe einer staatlichen Behörde wegen des Gesetzesvorbehalts des §1 Abs2 DSG 2000 nur auf Grund von Gesetzen zulässig ist, die aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen notwendig sind und ausreichend präzise, also für jedermann vorhersehbar regeln müssen, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung bzw. die Verwendung personenbezogener Daten für die Wahrnehmung konkreter Verwaltungsaufgaben zulässig ist.

Für die als Rechtsgrundlage der automatischen Geschwindigkeitsmessung in Prüfung gezogene Vorschrift des §100 Abs5b StVO 1960 wurde vom Gerichtshof allerdings vorläufig die Auffassung vertreten, dass damit keine, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nach §1 Abs2 DSG 2000 genügende Eingriffsermächtigung vorliege.

2.2.2. Nicht zuletzt auf Grund der mündlichen Verhandlung geht der Gerichtshof nunmehr davon aus, dass sich die näheren Grenzen der rechtlichen Ermächtigung zur Ermittlung und Verwendung (sowie die Verpflichtung zur Löschung) von mittels eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems gewonnenen Daten aus den Regelungen der StVO 1960 betreffend Zuständigkeit und Aufgaben der Straßenpolizeibehörden, sowie aus den im 2. Abschnitt des DSG 2000 enthaltenen allgemeinen Grundsätzen über die Verwendung von Daten ergeben. Im Gegensatz zu der noch im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung, wonach diese allgemeinen Grundsätze "für die Beschränkung des Grundrechts auf Datenschutz iSd §1 Abs2 DSG 2000 nicht aus[reichen]", zeigt die Zusammenschau der, straßenpolizeiliche Zuständigkeiten und Aufgaben regelnden Bestimmungen der StVO 1960 im Verein mit den allgemeinen Grundsätzen über die Verwendung von Daten gemäß Art2 DSG 2000 eine im Auslegungswege ermittelbare, hinreichend präzise Regelung; dies freilich nur unter der Voraussetzung, dass die sich daraus ergebenden Grenzen der Datenerhebung und -verwendung §1 Abs2 letzter Satz DSG 2000 zufolge nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - also verfassungskonform - bestimmt werden, sodass "der Eingriff in das Grundrecht nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen" wird.

2.2.3. Das in §100 Abs5b StVO 1960 vorgesehene automatische Geschwindigkeitsmesssystem dient der "Feststellung einer Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit" dadurch, dass die "durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeuges auf einer bestimmten Wegstrecke gemessen" wird. Diese Feststellung der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit durch Messung der durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeuges auf einer - behördlich festgelegten und dadurch im Vorhinein genau - bestimmten Fahrstrecke erfolgt zum Zweck der "Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften". Sie ist damit eine Maßnahme der Verkehrspolizei iSd §94b Abs1 lita StVO 1960, für deren Handhabung gemäß §94a Abs1 StVO 1960 auf Autobahnen die Landesregierung zuständig ist, "sofern sich nicht eine andere Zuständigkeit ergibt". Eine derartige, besondere Zuständigkeit bildet die Kompetenz des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie gemäß §94 Z2 StVO 1960 "für die Erlassung von Verordnungen, die Autobahnen betreffen" (vgl. auch §94e StVO 1960).

Die zum Zweck der Überwachung der straßenpolizeilichen Vorschriften über die Höchstgeschwindigkeit in Handhabung der Verkehrspolizei begründete Befugnis zum Einsatz automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme genügt den durch §6 Abs1 Z2 DSG 2000 vorgesehenen Anforderungen, wonach die erhobenen Daten nur "für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke" eingesetzt werden dürfen. Aus §6 Abs1 Z5 DSG 2000 ergibt sich weiters, dass die zum Zweck der straßenpolizeilichen Feststellung einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit erhobenen Daten nur "solange in personenbezogener Form aufbewahrt werden [dürfen], als dies für die Erreichung" des geschilderten Zwecks, für den "sie ermittelt wurden, erforderlich ist".

2.3.1. Da das DSG 2000 von einer strengen Zweckbindung der Ermittlung und Verwendung von Daten ausgeht, dürfen auch durch automatische Geschwindigkeitsmesssysteme erhobene Daten ausschließlich zur Feststellung der Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit ermittelt und verwendet werden (vgl. auch §7 Abs1 DSG 2000). Konsequenz dieser Zweckgebundenheit ist ferner die (durch §27 Abs1 Z1 DSG 2000 ausdrücklich) dem Auftraggeber bereits bei der Gestaltung des Systems zur Pflicht gemachte Vorsorge dafür, dass Daten, deren Aufbewahrung sich als unzulässig herausstellt, unverzüglich gelöscht werden. Dieser Löschungsverpflichtung unterliegen all jene Daten, aus denen eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht abgelesen werden kann.

2.3.2. Das im Prüfungsbeschluss aufgeworfene Problem der rechtlichen Regelung und Begrenzung des Zeitraums, für den die im Zuge einer automatischen Geschwindigkeitsmessung gewonnenen Daten gespeichert werden dürfen, lässt sich mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§1 Abs2 letzter Satz DSG 2000) iVm der bereits genannten Vorschrift des §6 Abs1 Z5 erster Halbsatz DSG 2000 zureichend beantworten: Wenn Daten solange in personenbezogener Form aufbewahrt werden dürfen, als dies für die Erreichung der Zwecke, für die sie ermittelt wurden, erforderlich ist, ist die Behörde ermächtigt, die zur straßenpolizeilichen Feststellung der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit und zu deren Nachweis sowie zur Durchführung der damit zusammenhängenden Verfahren benötigten Daten entsprechend der Dauer dieser Aufgabenstellung zu speichern.

2.4. Zur Frage, auf welcher Wegstrecke das Geschwindigkeitsmesssystem eingerichtet werden darf, geht der Verfassungsgerichtshof nunmehr - entgegen seiner Annahme im Prüfungsbeschluss - davon aus, dass die Formulierung "bestimmte Wegstrecke" in §100 Abs5b StVO 1960 verfassungskonform ausgelegt werden kann:

So gestattet §100 Abs5b StVO 1960 keinesfalls eine durchgehende Überwachung sämtlicher Wegstrecken im Bundesgebiet. Entsprechend der aus §1 Abs2 iVm §1 Abs1 DSG 2000 hervorleuchtenden Verpflichtung, rechtliche Ermächtigungen zur Ermittlung von personenbezogenen Daten (somit auch für die Festlegung "bestimmter Wegstrecken") möglichst präzise anzuordnen, darf die automatische Geschwindigkeitsmessung aber auch nicht auf beliebigen Straßenstrecken angeordnet werden (vgl. dazu das unter 2.2.1. beschriebene verfassungsrechtliche Gebot präziser rechtlicher Ermächtigungen für Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz).

Falsch ist es daher, wenn die Bundesregierung die Auffassung vertritt, dass der Gesetzgeber "bei der Formulierung 'bestimmte Wegstrecke' keine bestimmten Kriterien, denen diese Wegstrecke genügen muss, im Auge [hatte], weil eine solche Einengung nicht sinnvoll wäre". Schon der gleichzeitige Hinweis der Bundesregierung, dass für automatische Geschwindigkeitsmesssysteme die Behörde "besonders gefahrenträchtige Streckenabschnitte, wie Tunnelanlagen, Baustellen und gefahrenreiche Freilandstrecken auswählen" solle, zeigt die implizite rechtliche Determinierung der behördlichen Bestimmung der Wegstrecke. Grundlage für die Anordnung des Geschwindigkeitsmesssystems auf einer "bestimmten Wegstrecke" ist sohin die aktenmäßig gehörig belegte Feststellung, dass es auf der dadurch überwachten Strecke besonders notwendig ist, die Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit straßenpolizeilich zu überwachen, um damit einer besonderen Gefahrensituation zu begegnen.

Darüber hinaus erfordert es das Grundrecht auf Datenschutz, wie oben dargestellt, dass die Datenerhebung in einer für die davon Betroffenen, hier die betroffenen Kraftfahrzeuglenker, vorhersehbaren Art und Weise sowie in einer allenfalls anfechtbaren und gehörig überprüfbaren Form erfolgt. Sollen die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die automatische Geschwindigkeitsüberwachung erfüllt werden, so muss die Festlegung und Anordnung der Wegstrecke also rechtsförmig und - da für alle Verkehrsteilnehmer geltend - durch generelle Anordnung erfolgen. Mag auch der Gesetzgeber zur Frage der Rechtsform der Anordnung einer automatischen Geschwindigkeitsmessung auf bestimmten Wegstrecken schweigen, so ergibt sich angesichts der grundrechtlichen Anforderungen an die Rechtsnatur generell angeordneter behördlicher Datenerfassungen, dass deren Umfang in räumlicher (und möglicherweise auch zeitlicher) Hinsicht entweder vom Gesetzgeber selbst oder auf Grund seiner Ermächtigung durch entsprechend gesetzlich determinierte (Art18 Abs2 B-VG) Verordnung von der dafür zuständigen (vgl. oben 2.2.3. und §94 Z2 StVO 1960) Behörde "anzuordnen" ist.

Auch der im Hinblick auf das betroffene Grundrecht (vgl. §1 Abs2 DSG 2000) notwendige Rechtsschutz ist nur gewährleistet, wenn die Anordnung der Datenerhebung durch automatische Geschwindigkeitsmesssysteme für bestimmte Strecken durch Verordnung erfolgt. Ob die automatische Geschwindigkeitsmessung auf einer "bestimmten Wegstrecke" notwendig und daher datenschutzrechtlich zulässig ist, kann im Einzelfall anhand der verkehrspolizeilichen Vorschriften nur geprüft werden, wenn die jeweilige Wegstrecke durch Verordnung bestimmt und diese gehörig kundgemacht wird; darüber hinaus ist es entsprechend der datenschutzrechtlich gebotenen Vorhersehbarkeit erforderlich, die Datenerhebungen auch an Ort und Stelle entsprechend anzukündigen.

3. Da die Bestimmung des §100 Abs5b StVO 1960 somit insgesamt einer verfassungskonformen Anwendung zugänglich ist, war sie nicht als verfassungswidrig aufzuheben; die Anträge des UVS Wien waren abzuweisen.

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