VfGH B1407/02 ua

VfGHB1407/02 ua8.10.2003

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit jeweils € 2.337,50 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerinnen zu B1407/02 und zu B1655/02 sind türkische Staatsangehörige, beantragten am 19. Juni 2001 bzw. am 11. Oktober 2001 die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft mit ihren Ehemännern, die beide seit 1997 in Österreich leben und über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfügen.

Mit Schreiben vom Jänner sowie April 2002 teilte die Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan dem Ehemann bzw. dem ausgewiesenen Vertreter mit, dass die für das Bundesland Kärnten für das Jahr 2001 bzw. 2002 festgesetzte Höchstzahl an quotenpflichtigen Niederlassungsbewilligungen bereits erreicht worden bzw. noch keine Quotenzuteilung erfolgt sei und aus diesem Grund eine positive Erledigung ihrer Anträge derzeit nicht möglich sei. Ihre Anträge werden nicht abgewiesen, sondern die Entscheidung darüber verschoben. Mit Schriftsätzen vom 3. Juni 2002 und vom 12. Juni 2002 beantragten die Beschwerdeführerinnen den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des §73 Abs2 AVG, da seit der Antragstellung bereits mehr als sechs Monate verstrichen seien und die Behörde noch keine Entscheidung getroffen habe.

Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 2002 und 30. September 2002 gemäß §73 Abs1 und 2 AVG iVm §22 Fremdengesetz 1997, BGBl. I 75 (im Folgenden: FrG), zurückgewiesen, da die Zeiten der geschlossenen Quote auf die Frist des §73 AVG nicht anzurechnen seien und die Behörde erster Instanz in diesen Zeiträumen keine Entscheidungspflicht getroffen habe. Daraus ergäbe sich zeitweise eine Hemmung der in §73 AVG normierten Frist und der Devolutionsantrag erweise sich daher als zu früh gestellt, weil die Behörde erster Instanz noch keine sechs Monate zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag zur Verfügung gehabt habe.

2. Gegen diese letztinstanzlichen Bescheide richten sich die vorliegenden im Kern gleichlautenden Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG, in welchen die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht und die Prüfung des §18 Abs1 Z3 sowie des §22 FrG, ferner des §3 Abs2 Z3 Niederlassungsverordnung 2002 und die Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 13. November 1997, LGBl. 113/1997, angeregt und die Bescheidaufhebung begehrt wird.

3. Der Bundesminister für Inneres hat als belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt, im Verfahren zu B1655/02 eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerden begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof beschloss aus Anlass der vorliegenden Beschwerden gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §18 Abs1 Z3 FrG und des §22 FrG in der Stammfassung einzuleiten und stellte in seinem am 8. Oktober 2003 verkündeten Erkenntnis G119,120/03 die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen fest.

III. Die belangte Behörde hat schon alleine dadurch, dass sie die Bescheide auf §22 FrG in der Stammfassung gestützt hat, eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerinnen nachteilig war. Die belangte Behörde wird nun in der Sache nach der ab 1. Jänner 2003 geltenden Rechtlage zu entscheiden haben.

Die Beschwerdeführerinnen wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Eingabegebühr in der Höhe von jeweils € 180,--, Umsatzsteuer in der Höhe von jeweils € 327,-- und Barauslagen in der Höhe von jeweils € 195,50 enthalten.

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