VfGH B2188/97 ua

VfGHB2188/97 ua28.6.2000

Anlaßfallwirkung der Aufhebung zweier Grünlandwidmungen im örtlichen Raumordnungsprogramm der Marktgemeinde Eichgraben vom 21.06.94 mit E v 21.06.00, V23/00 ua.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 18.000,- (B2188/97) und S 20.500,- (B1152/99) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft zu B2188/97 ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2151 KG Eichgraben. Sie hat diese Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 18. November 1993 erworben. Zum damaligen Zeitpunkt war das genannte Grundstück im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Eichgraben als "Bauland-Wohngebiet" gewidmet. Mit Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom 21. Juni 1994 wurde die Widmungs- und Nutzungsart auf dieser Liegenschaft von "Bauland-Wohngebiet" in die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Forstwirtschaft" abgeändert.

1.2. Nachdem ein Individualantrag (V174/95) der Eigentümerin auf Aufhebung des Flächenwidmungsplanes auf dem Grundstück Nr. 2151 zurückgewiesen worden war, wurde ein Antrag auf Bauplatzerklärung gestellt. Diesen Antrag hat der Bürgermeister der Marktgemeinde Eichgraben mit Bescheid vom 7. November 1996 abgewiesen. Eine dagegen erhobene Berufung an den Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben wurde mit Bescheid vom 24. April 1997 abgewiesen. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid hat die Niederösterreichische Landesregierung als Vorstellungsbehörde der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben keine Folge gegeben und die Entscheidung damit begründet, dass ein Grundstück, welches als Grünland ausgewiesen sei, nicht zum Bauplatz erklärt werden könne.

1.3. Gegen diesen Vorstellungsbescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Sie behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG). Das Grundstück sei bei der Umwidmung herausgegriffen worden, es sei ringsum von als Bauland-Wohngebiet gewidmeten Grundstücken umgeben, sodass durch die Umwidmung geradezu ein inselartiger Zustand des Grundstückes geschaffen worden sei. Die Auswahl des Grundstückes für die Umwidmung sei auch deshalb rechtswidrig, da von der Marktgemeinde Eichgraben die Abwägung der öffentlichen Interessen an der Umwidmung mit den Interessen der Grundeigentümerin fehlerhaft vorgenommen worden sei. In diesem Sinne stütze sich der angefochtene Bescheid auf eine gesetzwidrige Verordnung.

1.4. Die Niederösterreichische Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Antrag stellt, die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Sie bringt vor, dass sich aufgrund der Erläuterungen zum örtlichen Raumordnungsprogramm der Marktgemeinde Eichgraben ergebe, dass die Umwidmung in Grünland gerechtfertigt sei. Das Grundstück sei bewaldet und für einen Bau geologisch nicht unbedenklich. Im Gegensatz zu den angrenzenden Grundstücken liege für das Grundstück Nr. 2151 keine gültige unbefristete Rodungsbewilligung vor und sei eine solche seitens der Forstbehörde für das Grundstück auch nicht in Aussicht gestellt.

1.5. Die Marktgemeinde Eichgraben legte die Akten betreffend das Zustandekommen der in Prüfung gezogenen Verordnung nur unvollständig vor und verzichtete außerdem auf eine Äußerung.

1.6. Die beschwerdeführende Gesellschaft erstattete eine Replik und entgegnet der belangten Behörde, dass eine Rodungsbewilligung nur deshalb nicht erteilt worden sei, weil dies aufgrund der nunmehr vorliegenden Grünlandwidmung aussichtslos geworden sei. Die Begründung für die Rückwidmung in Grünland, dass keine Rodungsbewilligung vorläge, und der Hinweis auf den angeblich "geologisch nicht unbedenklichen" Bereich seien nahezu grotesk.

2.1. Der Beschwerdeführer zu B1152/99 ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 745 und 746 KG Eichgraben. Diese Grundstücke waren ursprünglich so wie das Nachbargrundstück Nr. 744 als "Bauland-Wohngebiet-Aufschließungszone 9" gewidmet. Mit dem Raumordnungsprogramm 1994 wurden diese drei Grundstücke in "Bauland-Wohngebiet + Grünland-Grüngürtel" umgewidmet. Am 24. April 1997 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die Grundstücke Nr. 745 und 746 zum Bauplatz zu erklären. Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister der Marktgemeinde Eichgraben abgewiesen. Eine Berufung an den Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben wurde mit Bescheid vom 9. Dezember 1998 abgewiesen. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates keine Folge gegeben, da die Grundstücke Nr. 745 und 746 zur Gänze im Widmungsbereich "Grünland-Grüngürtel" lägen.

2.2. Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Einerseits habe der Gemeinderat bei der Erlassung des Raumordnungsprogrammes 1994 die Abgrenzung zwischen den Widmungsbereichen Bauland-Wohngebiet und Grünland-Grüngürtel nicht klar genug festgelegt und somit gegen §19 Abs2 Z2 Satz 2 NÖ ROG 1976 verstoßen. Andererseits sei dem sich aus §14 Abs2 Z18 Satz 2 NÖ ROG 1976 ergebenden Gebot, nämlich Baulücken zu schließen, nicht entsprochen worden. Schließlich sei die Rückwidmung unsachlich, da sie auf einer fehlerhaften Auswahl beruhe und Grundstücke in gleicher Lage (im Hinblick auf die im Bauland belassenen Nachbargrundstücke) unterschiedlich behandle.

2.3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie bringt vor, dass die Grundstücke einen dichten Baum- und Strauchbestand aufweisen. Dieser Bestand solle nach Ansicht des dem Widmungsverfahren beigezogenen naturschutzfachlichen Sachverständigen wegen seiner landschaftsprägenden Wirkungen jedenfalls gesichert bleiben. Die Widmung sei somit auf Grund der ökologischen Bedeutung des Grüngürtels im Sinn des heute geltenden §19 Abs2 Z2 des NÖ ROG 1976 erfolgt.

2.4. Die Marktgemeinde Eichgraben legte einen Schriftsatz vor, in dem sie ausführt, dass alle Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes bereits im Verfahren B2188/97 vorgelegt worden seien.

II. 1. Die Beschwerden sind zulässig und die belangte Behörde hat die in Rede stehende Verordnung bei Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendet. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Beurteilung der vorliegenden Fälle das Raumordnungsprogramm 1994 der Marktgemeinde Eichgraben anzuwenden.

Aus Anlass der gegenständlichen Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 4. März 2000 ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Marktgemeinde Eichgraben vom 21. Juni 1994, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm 1994 erlassen wurde, eingeleitet.

Mit Erkenntnis vom 21. Juni 2000, V23, 24/00, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Verordnung, soweit damit für das Grundstück Nr. 2151 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Forstwirtschaft" und für die Grundstücke Nr. 745 und 746 die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Grüngürtel" festgelegt wird, aufgehoben.

2. Die angefochtenen Bescheide stützten sich auf die gesetzwidrige Verordnung. Es ist nach der Lage der Fälle nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsposition der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985). Die Bescheide waren daher schon aus diesem Grund aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von jeweils

S 3.000,- und die Eingabegebühr von S 2.500,- (B1152/99) enthalten. Darüber hinaus gehende Kostenansprüche wurden nicht gestellt.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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