VfGH B3894/95

VfGHB3894/9526.6.1996

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Erlassung des letzten Teilaktes des Bescheides durch die zu diesem Zeitpunkt aufgrund Fristablauf im verwaltungsgerichtlichen Säumnisbeschwerdeverfahren nicht mehr zuständige Besondere Habilitationskommission

Normen

B-VG Art83 Abs2
VwGG §36 Abs2
UOG §37 Abs2
B-VG Art83 Abs2
VwGG §36 Abs2
UOG §37 Abs2

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst) ist schuldig, dem Beschwerdeführer, zu Handen seiner Rechtsvertreter, die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Der Beschwerdeführer bemüht sich seit dem Jahre 1992 bei der Wirtschaftsuniversität Wien um die Verleihung der Lehrbefugnis für das Fach Betriebswirtschaftslehre. Die Vorgeschichte ist den Erkenntnissen VfGH 27.9.1995 G1248/95 und 27.9.1995 B316/94 zu entnehmen.

b) Da die gemäß §37 Abs2 UOG eingerichtete "Besondere Habilitationskommission für Herrn DDr. B H K " (im folgenden kurz: Kommission) nicht fristgerecht entschieden hatte, brachte der Beschwerdeführer am 7. Juli 1994 eine an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Säumnisbeschwerde ein. Dieser setzte gemäß §36 Abs2 VwGG der Kommission eine Frist zur Erlassung des Bescheides. Mit Verfügung vom 6. April 1995, Zl. 94/12/0178-9, verlängerte er über Ersuchen der Kommission diese Frist bis zum Ablauf des 31. Oktober 1995.

c) Die Kommission ließ den Beschwerdeführer mit dem mit 31. Oktober 1995 datierten Bescheid zum dritten Abschnitt des Habilitationsverfahrens nicht zu und wies sein Habilitationsansuchen ab (§37 Abs2 i.V.m. §36 Abs3 UOG).

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen (§15 Abs9, §26 Abs5, §34 Abs4, §37 Abs1 und 2 und §65 Abs2 UOG) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

Der Beschwerdeführer behauptet u.a., daß ihm der mit 31. Oktober 1995 datierte Bescheid erst am 5. November 1995 zugekommen sei. Da die vom Verwaltungsgerichtshof gesetzte Nachfrist (s.o. I.1.b) damals bereits abgelaufen gewesen sei, sei die Kommission zur Erlassung des Bescheides nicht mehr zuständig gewesen.

3. Die Kommission legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Eine Gegenschrift erstattete sie nicht.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat durch den Referenten ein Beweisverfahren zur Klärung der Frage durchgeführt, wann dem Beschwerdeführer der angefochtene Bescheid gültig zugestellt wurde.

Er hat hiezu am 24. Juni 1996 den Beschwerdeführer und auch den Vorsitzenden der Besonderen Habilitationskommission jeweils als Partei einvernommen.

Aufgrund der glaubwürdigen und einander nicht widersprechenden Aussagen, ferner der vom Beschwerdeführer zum Nachweis seiner Ortsabwesenheit vorgelegten Unterlagen sowie des von der Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes stellt der Verfassungsgerichtshof folgenden Sachverhalt fest: Organe der Behörde i.S. des §2 Zustellgesetz steckten das Kuvert mit einer Ausfertigung des Bescheides am 31. Oktober 1995 in einen (offenen), an der Türe zur Wohnung des Beschwerdeführers angebrachten Briefkasten. Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend; vielmehr war er - wie sich allerdings erst in der Folge herausstellte - verreist und kehrte erst am 5. November 1995 in seine Wohnung zurück. Dabei fand er das erwähnte Kuvert vor.

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter u.a. dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr nicht zukommende Kompetenz in Anspruch nimmt (s. z.B. VfSlg. 12584/1990, 12710/1991, 12825/1991, 13144/1992, 13381/1993).

Dies trifft hier zu:

Nach Ablauf einer vom Verwaltungsgerichtshof im Zuge eines Säumnisbeschwerdeverfahrens gesetzten Frist ist die Behörde zur Erlassung des Bescheides nicht mehr zuständig (vgl. VfSlg. 8683/1979, S 273, sowie 9684/1983 und die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Da ein Bescheid nicht bereits mit Abschluß der inneren Willensbildung, sondern erst mit mündlicher Verkündung oder rechtswirksamer Zustellung erlassen ist (vgl. z.B. VfSlg. 8638/1979, 9428/1982, 11059/1986, 13111/1992), war zu klären, wann im vorliegenden Fall die rechtswirksame Zustellung erfolgt ist. Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Hinterlassung des in Rede stehenden Schriftstückes verreist, also von der Abgabestelle (von seiner Wohnung) abwesend, sodaß er vom Zustellvorgang nicht Kenntnis erlangen konnte. Die Zustellung wurde daher erst mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle (5. November 1995) folgenden Tag wirksam (vgl. §16 Abs5 ZustellG), somit erst nach Ablauf der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist (31. Oktober 1995).

Da folglich die Kommission zum Zeitpunkt des letzten Teilaktes der Bescheiderlassung zu einer solchen nicht mehr zuständig war, hat sie den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.

In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

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