VfGH B1074/91,B140/93

VfGHB1074/91,B140/93B1074/91,B140/931.7.1993

Anlaßfallwirkung der teilweisen Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 11.11.83, V/966/84, über die Änderung des Bebauungsplanes mit E v 01.07.93, V33/93 ua.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. Juli 1991, R/1-V-9132, die Beschwerdeführerin ist durch den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Dezember 1992, R/1-V-91032/02, wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, den zu B1074/91 beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit 16.500 S bestimmten Kosten des Verfahrens, der zu B140/93 beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens, jeweils binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Mödling vom 3. Oktober 1990 wurde der I Ges.m.b.H. unter Berufung auf §92 NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200 idgF, die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage und von Pkw-Abstellplätzen in einem Tiefgeschoß auf dem (neugebildeten) Grundstück Nr. 956/2 in EZ 446, KG Mödling (im folgenden als Baugrundstück bezeichnet), erteilt. Der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung der Anrainer Univ.-Prof. DDr. R L und Mag. E L, deren rechtzeitig erhobene Einwendungen von der Behörde erster Instanz teilweise abgewiesen, teilweise als unzulässig zurückgewiesen worden waren, gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde Mödling mit Bescheid vom 25. Februar 1991 keine Folge.

Die Niederösterreichische Landesregierung gab mit Bescheid vom 24. Juli 1991 der Vorstellung der Genannten gegen den Bescheid des Gemeinderates Folge, hob diesen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat.

In der Begründung des Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung kommt, obgleich der angefochtene Bescheid des Gemeinderates lediglich wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde, ua. die - den Spruch tragende - Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde zum Ausdruck, daß in dem maßgeblichen Bebauungsplan (auch) für das Baugrundstück die Bauklasse III festgelegt und infolgedessen (nur) eine näher umschriebene (Höchst-)Höhe von Gebäuden zulässig ist.

b)Gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung richtet sich die zu B1074/91 protokollierte, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde von Univ.-Prof. DDr. R L und Mag. E L, mit der (ausschließlich) die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

c) Die Niederösterreichische Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Stadtgemeinde Mödling ist in einer Äußerung dafür eingetreten, die Beschwerde abzuweisen, falls sie nicht zurückgewiesen werden sollte.

Die Beschwerdeführer haben auf die Gegenschrift der belangten Behörde repliziert.

2.a) Der Gemeinderat holte in dem nach Aufhebung seines Bescheides fortgesetzten Verfahren eine Stellungnahme des Stadtbauamtes Mödling und ein Gutachten einer Amtssachverständigen ein. Die Bauwerberin legte geänderte Pläne, darunter einen Lageplan, sowie eine Stellungnahme eines Ziviltechnikers zur Frage der Bebauungsdichte vor. Mag. E L erhob schriftlich Einwendungen gegen das (geänderte) Bauvorhaben.

Der Gemeinderat gab sodann mit (Ersatz-)Bescheid vom 9. Juni 1992 der Berufung wiederum keine Folge und erteilte die baubehördliche Bewilligung für das (nach seiner Auffassung nur geringfügig geänderte) Bauvorhaben.

Die Niederösterreichische Landesregierung gab mit Bescheid vom 29. Dezember 1992 der gegen den (Ersatz-)Bescheid des Gemeinderates (allein) von Mag. E L erhobenen Vorstellung Folge, hob diesen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat.

In der Begründung des Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung kommt ua. ebenfalls die Rechtsauffassung zum Ausdruck, daß in dem maßgeblichen Bebauungsplan (auch) für das Baugrundstück die Bauklasse III festgelegt, folglich (nur) eine näher umschriebene (Höchst-)Höhe von Gebäuden zulässig ist; des weiteren aber auch die Rechtsauffassung, daß in diesem Bebauungsplan (auch) für das Baugrundstück eine bestimmte Bebauungsdichte festgelegt ist. Beide Rechtsauffassungen tragen den Spruch des Vorstellungsbescheides.

b) Gegen diesen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung richtet sich die zu B140/93 protokollierte, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde von Mag. E L, mit der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm sowie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

c) Die Niederösterreichische Landesregierung hat unter Vorlage der Akten eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Bauwerberin ist in einer Äußerung für die Abweisung der Beschwerde eingetreten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfahren über die beiden Beschwerden in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden.

III. 1. Bei der Beratung über die - zulässigen (s. dazu die Begründung des Erkenntnisses vom heutigen Tag V33-36/93) - Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof ua. Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 11. November 1983, V/966/84, über die Änderung des Bebauungsplanes der Stadtgemeinde Mödling, soweit sie sich auf das Baugrundstück bezieht, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher gemäß Art139 Abs1 B-VG ua. ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung eingeleitet. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, V33-36/93, hat der Verfassungsgerichtshof ua. diese Verordnung, soweit sie sich auf ein in diesem Erkenntnis näher umschriebenes, das Baugrundstück einschließendes Gebiet bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Die belangte Behörde hat bei der Erlassung der beiden angefochtenen Bescheide Bestimmungen einer gesetzwidrigen Verordnung angewendet. Es ist nach Lage der Fälle offenkundig, daß die Anwendung dieser Verordnungsbestimmungen für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war.

Die Beschwerdeführer zu B1074/91 wurden somit durch den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. Juli 1991, die zu B140/93 beschwerdeführende Partei wurde überdies durch den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Dezember 1992 wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.

Die angefochtenen Bescheide waren darum aufzuheben.

Die belangte Behörde wird bei der neuerlichen Entscheidung über die Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Mödling vom 25. Februar 1991 zu berücksichtigen haben, daß dieser Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, daß vielmehr an seine Stelle der (Ersatz-)Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeine Mödling vom 9. Juni 1992 getreten ist. Dieser (Ersatz-)Bescheid gehört nach der durch das vorliegende Erkenntnis vorgenommenen Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde vom 29. Dezember 1992, mit dem er in Stattgebung der gegen ihn gerichteten Vorstellung aufgehoben worden war, wieder dem Rechtsbestand an und es wird die belangte Behörde auch über die Vorstellung gegen diesen (Ersatz-)Bescheid neuerlich abzusprechen haben.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.750 S bzw. von 2.500 S enthalten.

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