Normen
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
"Verordnungen des Bürgermeisters der Marktgemeinde Schönberg am Kamp aus dem Jahre 1985, mit denen das durch das Straßenverkehrszeichen nach §52 Z1 StVO kundgemachte Fahrverbot (in beiden Richtungen) beim Haus Badgasse 15 in Schönberg am Kamp durch die Zusatztafeln nach §54 Abs1 StVO Ausgenommen Anrainer und Zufahrt zur Sauna gestattet eingeschränkt wird"
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
"Verordnungen des Bürgermeisters der Marktgemeinde Schönberg am Kamp aus dem Jahre 1985, mit denen das durch das Straßenverkehrszeichen nach §52 Z1 StVO kundgemachte Fahrverbot (in beiden Richtungen) beim Haus Badgasse 15 in Schönberg am Kamp durch die Zusatztafeln nach §54 Abs1 StVO Ausgenommen Anrainer und Zufahrt zur Sauna gestattet eingeschränkt wird"
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Das Kreisgericht Krems als Berufungsgericht stellt den Antrag auf Aufhebung der "Verordnungen des Bürgermeisters der Marktgemeinde Schönberg am Kamp aus dem Jahre 1985, mit denen das durch das Straßenverkehrszeichen nach §52 Z1 StVO kundgemachte 'Fahrverbot (in beiden Richtungen)' beim Haus Badgasse 15 in Schönberg am Kamp durch die Zusatztafeln nach §54 Abs1 StVO 'Ausgenommen Anrainer' und 'Zufahrt zur Sauna gestattet' eingeschränkt wird."
1. Das antragstellende Gericht legt zunächst dar, daß bei ihm die Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Langenlois anhängig ist, bei dem folgender Sachverhalt zur Beurteilung steht:
"Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer des
Grundstückes ... Werksbach der KatGem Schönberg. Über dieses
Grundstück führt von der öffentlichen Wegparzelle ... Ortsstraße
derselben KatGem eine Brücke zum Zweck der Zufahrt zu den südlich
des Werksbaches zwischen diesem und dem Kampfluß gelegenen
Grundstücken. Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der in
diesem Bereich gelegenen Grundstücke ... und ... je KatGem
Schönberg, weiters des Grundstückes ... derselben KatGem. Das an
das Grundstück ... angrenzende Grundstück ... der KatGem
Schönberg steht im Eigentum der Marktgemeinde Schönberg am Kamp.
Auf dem Grundstück ... führen die Beklagten einen Saunabetrieb.
Eine Zufahrt zu den Parzellen der Beklagten und damit zur Sauna ist mit zweispurigen Fahrzeugen nur über die Brücke der Kläger möglich.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehren die Kläger zuletzt
das Urteil, die Beklagten seien als Eigentümer der Grundstücke
... und ... der KatGem Schönberg sowie hinsichtlich der Parzelle
... KatGem Schönberg verpflichtet, es zu unterlassen, das
Grundstück ... KatGem Schönberg der Kläger mit PKW zum Zweck der
Zufahrt zu der auf der Parzelle ... KatGem Schönberg errichteten
Sauna zu befahren, sowie die Beklagten seien verpflichtet, Gästen
ihrer auf der Parzelle ... KatGem Schönberg errichteten Sauna
jegliches Befahren des Grundstückes ... KatGem Schönberg mit PKW
zum Zweck des Saunabesuches zu untersagen.
Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage und wendeten ein, daß ihnen als Eigentümer herrschender Grundstücke die Dienstbarkeit des Fahrtrechtes über die Brücke, die das Werksbachgrundstück der Kläger überspannt, zustehe. Auf dem Grundstück ... KatGem Schönberg hätten die Saunagäste ihre Fahrzeuge seit Errichtung der Sauna abgestellt. Zudem habe die Gemeinde Schönberg am Kamp im Jahr 1985 eine beim Beginn der Brücke befindliche Fahrverbotstafel mit der Zusatztafel 'Ausgenommen Saunagäste' versehen, sodaß sie, die Beklagten, und ihre Gäste durch die Behörde berechtigt seien, über die Brücke auf das Grundstück der Beklagten zuzufahren."
Das Erstgericht habe das Klagebegehren abgewiesen. Gehe man von den unbedenklichen Feststellungen des Erstgerichtes aus und beurteile man den Sachverhalt ausschließlich nach dem Recht der Dienstbarkeiten, dann sei die Eigentumsfreiheitsklage im Sinne des §523 zweiter Fall ABGB berechtigt. Da die beteiligten Grundeigentümer 1967 das Befahren der Brücke und des sich daran im Süden anschließenden Weges lediglich für landwirtschaftliche Fahrzeuge vereinbart hätten, stelle das Befahren mit PKW zum Zwecke des Erreichens der inzwischen errichteten Sauna durch die Beklagten und ihre Gäste eine gemäß §484 ABGB unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar. Als entscheidend erweise sich somit der von den Beklagten aus dem öffentlichen Recht erhobenen Einwand,
". . . der vom Gericht als Vorfrage zu prüfen ist und bei dessen Bejahung das Klagebegehren abgewiesen werden muß (Petrasch in Rummel, ABGB §523 Rdz 2; SZ 51/100). Es ist davon auszugehen, daß die Regelungen des bürgerlichen Rechts (hier das Recht der Dienstbarkeiten) und des öffentlichen Rechtes (hier das Straßenverkehrsrecht) zu harmonisieren sind. Unter der Voraussetzung, daß die den Zusatztafeln 'Ausgenommen Anrainer' und 'Zufahrt zur Sauna gestattet' zugrundeliegenden Verordnungen gesetzmäßig zustandegekommen sind, wäre das aus dem Eigentum an der Brücke über den Werksbach Grundstück ... erwachsende Recht der Kläger, unbefugte Eingriffe in ihr Eigentumsrecht zu untersagen, durch das öffentliche Recht eingeschränkt."
Der Bürgermeister von Schönberg habe die Zusatztafeln "Ausgenommen Anrainer" und "Zufahrt zur Sauna gestattet", in Abänderung des von der Bezirkshauptmannschaft 1982 angebrachten Fahrverbotes mit dem Zusatz "Ausgenommen Lieferfahrzeuge" angebracht; er sei zur Erlassung dieser Einschränkung aber nicht zuständig.
2. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Schönberg rechtfertigt sein Vorgehen mit dem Hinweis auf ein schon vor der
V des Fahrverbotes durch die Bezirkshauptmannschaft (vermutlich seit 1967) an anderer Stelle kundgemacht gewesenes Fahrverbot "Ausgenommen Anrainer". Seiner Meinung nach sei die Änderung auch von der V der Bezirkshauptmannschaft gedeckt.
Die Bezirkshauptmannschaft Krems berichtet, aus den bis 1962 durchgesehenen Unterlagen sei für die Zeit vor 1982 kein Fahrverbot für den in Rede stehenden Bereich auffindbar. Eine mündliche Verhandlung über einen Änderungsantrag der Marktgemeinde Schönberg habe nun ergeben,
". . . daß es sich bei der Zufahrt zur Sauna um einen in
der Natur vorhandenen befahrbaren Weg handle, bei welchem
keinerlei Hinweise auf einen Privatrechtsbesitz vorhanden wären.
Dieser Weg stelle sich als Straße mit öffentlichem Verkehr im
Sinne des §1 Abs1 StVO 1960 dar und werde lediglich für die
Zufahrt zu angrenzenden Grundstücken bzw. noch als
Zufahrtsmöglichkeit für die Sauna verwendet. Daher umfasse der
tatsächliche Benützerkreis des Weges den Kreis, der auf den
Zusatztafeln beschrieben worden sei. Da aber keine anderen
Verkehrsteilnehmer vorhanden wären, die von der Benützung des
Weges ausgeschlossen werden sollten, wäre das Verkehrszeichen
nicht erforderlich und könnte die V . . . ersatzlos aufgehoben
werden".
Die Behörde habe dies auch mit sofortiger Wirkung getan; am 24. November 1986 sei das Verkehrszeichen entfernt worden.
Die Niederösterreichische Landesregierung bezweifelt die Präjudizialität der angegriffenen V für das antragstellende Gericht. Öffentlich-rechtliche Vorfrage wäre allenfalls das Bestehen eines Gemeingebrauches; dafür seien die in §2 des nö. Landesstraßengesetzes genannten Voraussetzungen maßgeblich; das Aufstellen von Verkehrszeichen reiche dazu nicht aus. Man müsse Wegerecht von der Straßenpolizei unterscheiden. Der Eigentümer habe es in der Hand, den öffentlichen Verkehr (zivilrechtlich) einzuschränken oder zu verbieten und damit der straßenpolizeilichen Maßnahme den Boden zu entziehen. Mit einer Feststellung der Gesetzwidrigkeit der V des Bürgermeisters wäre für die Entscheidung des Kreisgerichtes nichts gewonnen.
Über Aufforderung des VfGH, näher darzulegen, welche über allfällige tatsächliche hinausgehenden rechtlichen Wirkungen die bekämpfte Maßnahme entfaltet haben soll, die das Unterlassungsbegehren des Eigentümers berühren könnten, hat das antragstellende Gericht neuerlich nur ausgeführt, das aus dem Eigentumsrecht der Kläger an der Brücke über den Werksbach erfließende Recht, unbefugten Eingriff in ihr Eigentumsrecht zu untersagen, sei im Falle der Gesetzmäßigkeit der V durch das öffentliche Recht eingeschränkt. Es hat aber zu der von der Landesregierung aufgeworfenen Frage des Gemeingebrauches näher Stellung genommen:
"Gemeingebrauch an der Brücke, die das im Eigentum der Kläger stehende Grundstück ... Werksbach der KatGem Schönberg überspannt, würde deren Verfügungsbefugnis insofern einschränken, als die Brücke hinsichtlich ihrer Nutzung öffentlich wäre (vgl Spielbüchler in Rummel, ABGB §287 Rdz 4). Gemeingebrauch würde hier bedeuten, daß es sich im Sinn des §1 Abs1 StVO um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt, also um eine solche, die von jedermann unter gleichen Bedingungen benützt werden kann. Träfe dies zu, würde der Schutz des Gemeingebrauches der zuständigen Verwaltungsbehörde obliegen (Spielbüchler aaO Rdz 6; E. 38 ff zu §287 ABGB in MGA32), was das Gericht jedoch nicht hindert, die Frage des Gemeingebrauches als Vorfrage zu beurteilen, insbesondere auch bei der Eigentumsfreiheitsklage (Spielbüchler aaO mit Judikaturhinweisen). Käme das Gericht zu dem Ergebnis, daß es sich hier um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt, also eine solche, an der Gemeingebrauch besteht, dann wäre die Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnungen, die Gegenstand der Anfechtung beim VfGH sind, für das Gericht nicht präjudiziell.
Die Beklagten haben aber in erster Instanz nicht eingewendet, daß an der gegenständlichen Straße bzw der in deren Zuge befindlichen Brücke Gemeingebrauch besteht oder daß es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinn des §1 Abs1 StVO handelt. Sie haben vielmehr nur eingewendet, daß die Saunagäste seit Errichtung der Sauna über die Wegparzelle ... und
über die Brücke über dem Grundstück ... fahren. Auch das Erstgericht hat in dem angefochtenen Urteil nur festgestellt, daß nach Inbetriebnahme der Sauna anfangs wenige, dann immer mehr Saunagäste den Zufahrtsweg kannten und ihn auch benützten. Daraus folgt, daß der Verkehr auf die Besucher eines bestimmten Objektes beschränkt ist, was eine derartig konkrete Einschränkung des tatsächlichen Benützerkreises darstellt, daß die Frage, ob die Straße von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden könne, zu verneinen ist. Die auf den Materialien (22 Blg NR 9.GP) fußende Rechtssprechung (ZVR 1963/111, 1969/331, 1970/187), wonach es nach der Benützung der Straße beurteilt wird, ob es eine Straße mit öffentlichem Verkehr ist, erscheint daher in diesem Fall, in dem die Benützung auf einen bestimmten Personenkreis eingeschränkt ist, nicht relevant."
II. Der Antrag ist unzulässig.
1. Nach Art139 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde unter anderem auf Antrag eines Gerichtes. Von einem Gericht kann der Antrag nur dann gestellt werden, wenn die V vom Gericht in einer anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden oder wenn die Gesetzwidrigkeit der V eine Vorfrage für die Entscheidung der bei diesem Gericht anhängigen Rechtssache ist (§57 Abs2 VerfGG).
Der VfGH erkennt in ständiger Rechtsprechung, daß er sich nicht für berechtigt hält, bei der Prüfung der Frage, ob die Vorschrift, deren Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit behauptet wird, für die Entscheidung des Gerichtes präjudiziell ist, das Gericht an eine bestimmte Auslegung zu binden und damit auf diese Art der gerichtlichen Entscheidung indirekt vorzugreifen. Ein Mangel der Präjudizialität liegt daher nur dann vor, wenn die zur Prüfung beantragte Bestimmung ganz offenbar und schon begrifflich überhaupt nicht als eine Voraussetzung des gerichtlichen Erkenntnisses in Betracht kommen kann (vgl. VfSlg. 6278/1970 und die dort genannte Vorjudikatur, ferner VfSlg. 7999/1977, 8136/1977, 8318/1978, 8871/1980, 9284/1981, 9811/1983, 9911/1983, 10296/1984, 10357/1985, 10640/1985 und G86/86 vom 3. Oktober 1986).
2. Die vom antragstellenden Gericht bekämpfte V kann ganz offenbar schon begrifflich überhaupt nicht als eine Voraussetzung seiner Entscheidung in Betracht kommen.
a) Die durch ein Verkehrszeichen "Fahrverbot (in beiden Richtungen)" nach §52 Z1 StVO angezeigte straßenpolizeiliche Maßnahme verbietet das Fahren in beiden Fahrtrichtungen kraft öffentlichen Rechts; Zusatztafeln im Sinne des §54 Abs1 StVO können das Verkehrszeichen nur erläutern oder dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben machen. In solchen Zusatztafeln enthaltene Ausnahmen setzen das öffentlich-rechtliche Verbot für den ausgenommenen Benützerkreis außerkraft; was sie allenfalls "gestatten", das ist öffentlich-rechtlich entgegen dem zunächst allgemein formulierten Verbot nicht verboten. Sind daher durch solche Zusatztafeln "Anrainer ausgenommen" und ist die "Zufahrt zur Sauna gestattet", so ist die Rechtslage in Ansehung der Anrainer und der zur Sauna zufahrenden Benützer so, als wäre das öffentlich-rechtliche Fahrverbot von vornherein nicht verordnet worden. Solche Zusatztafeln können die Rechte des Eigentümers gegenüber Dritten ebensowenig beschränken wie eine vollständige Aufhebung des Fahrverbotes. Sie können seine Stellung als Eigentümer daher schon begrifflich nicht berühren (Ob umgekehrt das Fahrverbot - soweit es reicht - dem Eigentümer verwehrt, eine wirksame Erlaubnis zu erteilen, ist hier nicht zu erörtern, weil nicht das Fahrverbot, sondern die Ausnahmen bekämpft werden).
b) Der VfGH hat noch erwogen, ob die Erlassung einer Verkehrsbeschränkung vielleicht eine Indizwirkung für eine Rechtslage entfaltet, die auf den beim antragstellenden Gericht anhängigen Rechtsstreit von Einfluß sein könnte. Aber die Verhängung von Verkehrsbeschränkungen indiziert auch den Gemeingebrauch nicht. Denn Voraussetzung für die Möglichkeit der Anbringung eines Verkehrszeichens im Sinne der StVO ist nicht der Bestand einer Straße mit den rechtlichen Eigenschaften einer öffentlichen Straße (im Sinne des Straßenverwaltungsrechtes), sondern die bloße Tatsache eines öffentlichen Verkehrs, mit anderen Worten, daß eine Straße tatsächlich von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann (§1 Abs1 StVO; vgl. Rdz 4 zu §287 in Rummel, ABGB). Die verordnete Verkehrsbeschränkung könnte also höchstens anzeigen, daß die Behörde von der Tatsache allgemeiner Benützung ausgegangen ist, nicht aber, daß aufgrund von Gemeingebrauch ein Recht dazu unterstellt wurde. Der Gerichtshof kann folglich offen lassen, ob die Indizwirkung einer behördlichen Maßnahme deren Präjudizialität im Sinne des B-VG überhaupt begründen könnte. Im übrigen legt das Gericht in der Ergänzung seines Antrages ausdrücklich dar, daß es das Vorliegen von Gemeingebrauch mangels einer entsprechenden Einwendung der Beklagten gar nicht zu untersuchen hat.
Die nicht näher begründete Prämisse des Gerichtes, das Untersagungsrecht des Klägers sei "durch das öffentliche Recht eingeschränkt", ist also offenkundig unrichtig. Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Annahme, die bekämpften Zusatztafeln würde eine in das Eigentumsrecht der Kläger eingreifende Erlaubnis erteilen. Da sie nur das öffentlich-rechtliche Verbot einschränken, berühren sie das Untersagungsrecht des Eigentümers nicht, und das Gericht hat den bei ihm anhängigen Rechtsstreit ohne Bezugnahme auf die angegriffene V zu lösen.
Deshalb ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
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