Normen
B-VG Art137 / Anlaßfall
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
FAG 1979 §8
B-VG Art137 / Anlaßfall
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
FAG 1979 §8
Spruch:
Das Klagebegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Die Stadtgemeinde Krems besorgt als Stadt mit eigenem Statut (§1 Abs1 Kremser Stadtrecht 1977, Nö. LGBl. 1010-3) neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch jene der Bezirksverwaltung (Art116 Abs3 letzter Satz B-VG und §1 Abs2 Kremser Stadtrecht 1977).
In Krems ist eine Bundespolizeibehörde nicht errichtet (s. V der Bundesregierung BGBl. 690/1976). Die Organe der Stadtgemeinde Krems besorgen - wie sich aus §15 Abs2 BehÜG, StGBl. 94/1945, ergibt - auch die im §3 der V BGBl. 74/1946 angeführten, nach Art10 Abs1 Z7 B-VG dem Bund obliegenden Aufgaben auf dem Gebiete des öffentlichen Sicherheitswesens sowie ferner die Angelegenheiten des Kraftfahrwesens (Art10 Abs1 Z9 B-VG).
Die Stadtgemeinde Krems erhält vom Bund neben den Zuwendungen aus dem Finanzausgleich keine gesonderten Geldleistungen für diese Tätigkeiten.
b) Die Stadtgemeinde Krems hat im Jahre 1981 zur hg. Z A3/81 gemäß Art137 B-VG Klage gegen den Bund erhoben und darin von diesem den Ersatz von Aufwendungen, die der Gemeinde in der Zeit vom 1. Jänner 1948 bis 30. Juni 1981 aus der Besorgung von Verwaltungsaufgaben aus dem Bereich der Bundesvollziehung erwachsen sind, in bestimmter Höhe begehrt. Nach der allgemeinen Regel des §2 F-VG 1948 treffe die Kostentragungspflicht für die Besorgung dieser Aufgaben den Bund.
Der VfGH hat mit Erk. vom 28. September 1982, A3/81 (= VfSlg. 9507/1982) das Klagebegehren abgewiesen. Die in Rede stehenden Angelegenheiten seien von der Stadtgemeinde Krems im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen; die administrative Bewältigung dieser Angelegenheiten gehöre daher zu "ihren Aufgaben" iS des §2 F-VG 1948. Daraus folge, daß der dadurch entstandene Personal- und Amtssachaufwand - und nur in diesem Umfang sei in der (damaligen) Klage Kostenersatz begehrt worden - der Gemeinde Krems vom Bund nur dann zu ersetzen wäre, wenn die zuständige Gesetzgebung anderes bestimmt hätte; dies sei jedoch nicht der Fall.
Der VfGH hat in diesem Erk. betont, es sei (aus Anlaß der damals vorliegenden Klage) nicht zu prüfen gewesen, ob im Gesetz - etwa im Finanzausgleichsgesetz (FAG) 1979 oder in dessen Vorgängern - dem Verfassungsauftrag des §4 F-VG 1948 in Ansehung der Statutarstädte ohne Bundespolizeibehörden Rechnung getragen wurde, weil der VfGH bei Entscheidung über die allein auf §2 F-VG 1948 gestützte Klage diese Gesetze nicht anzuwenden gehabt habe.
c) Nun erhebt die Stadtgemeinde Krems neuerlich Klage gemäß Art137 B-VG gegen den Bund und begehrt - diesmal gestützt auf §4 F-VG - die Fällung des folgenden Urteils:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei aus den gemeinschaftlichen Bundesabgaben Mittel in der Höhe von S 40,364.840,- für den ihr auf Grund des §15 (2) Behördenüberleitungsgesetz, BGBl. Nr. 94/1945, zur Besorgung aufgetragenen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, und zwar die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei, Vereins- und Versammlungsrecht, Fremdenpolizei und Meldewesen, Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen, Schießwesen sowie das in Ziff. 9 angeführte Kraftfahrwesen und das auf diese Verwaltungsmaterien bezughabende Verwaltungsstrafverfahren entstandenen Personalaufwand von S 33,821.335,- und Sachaufwand von S 6,543.505,- zu gewähren."
In der Klagserzählung wird - sinngemäß zusammengefaßt - vorgebracht:
Die Stadt Krems leite ihren Rechtsanspruch auf Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für die in Rede stehende Tätigkeit aus §4 F-VG 1948 ab. Nach dieser Verfassungsbestimmung sei bei der Regelung des jeweiligen Finanzausgleiches so vorzugehen, daß dieser in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung erfolgt. §8 Abs3 dritter Satz FAG 1979 verletze nun diesen Verfassungsauftrag in Ansehung der Statutarstädte ohne Bundespolizeibehörden (Krems an der Donau und Waidhofen an der Ybbs), indem das FAG für diese Städte die Mittel aus dem Finanzausgleich (Ertragsanteile) genauso ermittle wie jene für Statutarstädte mit Bundespolizeibehörden, die einen wesentlich geringeren Anteil an den Lasten der öffentlichen Verwaltung zu tragen hätten. Die Stadt Krems habe für die Besorgung dieser Polizeiverwaltungsaufgaben (die die Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden nicht belasteten) für die Zeit vom 1. Jänner 1948 bis einschließlich 31. Dezember 1981 an Personalaufwand einen Betrag von 33821335 S und an Sachaufwand einen Betrag von 6543505 S, insgesamt 40364840 S aufwenden müssen.
Die klagende Partei regt der Sache nach an, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §8 Abs3 dritter Satz FAG 1979 einzuleiten.
2. Der Bund, vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, hat eine Gegenschrift erstattet, in der er die Zulässigkeit der Klage nicht in Abrede stellt, jedoch das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestreitet.
Der Bund als beklagte Partei beantragt, die von der Stadtgemeinde Krems erhobene Klage als unbegründet abzuweisen.
II. Der VfGH hat mit Beschl. vom 1. März 1985, Z A5/83-10, gemäß Art140 Abs1 von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit
des §4 Finanzausgleichsgesetz 1948, BGBl. 46/1948,
des §4 Finanzausgleichsgesetz 1950, BGBl. 36/1950, in der Stammfassung und idF der Finanzausgleichsnov. 1952, BGBl. 18/1952,
des §4 Finanzausgleichsgesetz 1953, BGBl. 225/1952, in der Stammfassung sowie des §4 und des §13 Abs4 dieses Gesetzes idF der Finanzausgleichsnov. 1955, BGBl. 9/1955,
des §4 und des §13 Abs4 Finanzausgleichsgesetz 1956, BGBl. 153/1955,
des §4 und des §13 Abs4 und 5 Finanzausgleichsgesetz 1959, BGBl. 97/1959, in der Stammfassung und idF der Finanzausgleichsnov. 1964, BGBl. 263/1963,
des §9 sowie der §§17 und 18 Finanzausgleichsgesetz 1967, BGBl. 2/1967,
des §8 sowie der §§17 und 18 Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl. 445/1972, sowie
des §8 sowie der §§20 und 21 Finanzausgleichsgesetz 1979, BGBl. 673/1978,
eingeleitet.
Mit Erk. vom 16. Oktober 1985, G44/85 ua. Z sprach der VfGH aus, daß diese in Prüfung gezogenen finanzausgleichsgesetzlichen Vorschriften verfassungswidrig waren.
III. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Klage ist - wie im soeben zitierten, im Gesetzesprüfungsverfahren ergangenen Erk. dargetan wird - zulässig.
2. a) Wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt, wirkt der Ausspruch des VfGH, ein Gesetz (hier: ua. §8 FAG 1979 und dessen Vorgängerbestimmungen) sei verfassungswidrig gewesen, auf den Anlaßfall zurück. Es ist darum so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des der Klage zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
b) Der einzige Rechtsgrund des geltend gemachten Klagsanspruches waren die für die Zeit vom 1. Jänner 1948 bis 30. Juni 1981 geltenden finanzausgleichsgesetzlichen Vorschriften über die gemeinschaftlichen Bundesabgaben, an denen den Gemeinden ein bestimmter Anteil zuerkannt wurde, also §8 FAG 1979 und dessen ab 1. Jänner 1948 geltende Vorgängerbestimmungen. Diese Bestimmungen wurden mit dem unter II. zitierten hg. Erk. als verfassungswidrig festgestellt.
Damit wurde der Rechtsgrund des Klagsanspruches beseitigt. Die Klage war sohin als unbegründet abzuweisen.
3. Da die Schriftsätze der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die dem VfGH vorgelegten Akten erkennen lassen, daß durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist, wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Fortsetzung der mündlichen Verhandlung entschieden.
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