Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
EStG §47
EStG §67 Abs11 Z1
EStG §68 Abs5
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
EStG §47
EStG §67 Abs11 Z1
EStG §68 Abs5
Spruch:
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. §67 Abs1 EinkommensteuerG 1972 sieht bei Bemessung der Lohnsteuer für neben dem laufenden Arbeitslohn gebührende "sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zB 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen)" eine günstigere Behandlung vor. Nach Abs11 ist diese Begünstigung in gewissen Fällen auch bei Veranlagung zur Einkommensteuer anzuwenden, nämlich - so die Stammfassung - bei der Veranlagung von:
"1. Arbeitnehmern, die im Inland bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes oder auf Grund von Staatsverträgen nicht zur Vornahme des Steuerabzuges vom Arbeitslohn verhalten werden können, sowie von
2. Arbeitnehmern, die im Inland in der Nähe der Grenze ansässig sind, im Ausland in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben (Grenzgänger)".
§68 Abs1 begünstigt bei der Lohnsteuer bestimmte Zulagen und Zuschläge. Abs5 sieht Gleiches bei der Veranlagung der in §67 Abs11 genannten Personen vor, sofern aufgrund eines Vertrages über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen überprüft werden kann, daß die Voraussetzungen vorliegen.
Mit Erk. vom 18. Dezember 1980, VfSlg. 9003/1980, hat der Gerichtshof in §67 Abs11 die Worte
"nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes oder auf Grund von Staatsverträgen"
als verfassungswidrig aufgehoben, ohne über das Inkrafttreten der Aufhebung etwas auszusagen. Die Aufhebung wurde am 13. Feber 1981 kundgemacht (BGBl. 73/1981).
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen und am 19. Dezember 1980 in Beschwerde gezogenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. wurde der bf. Air-Hostess des Luftverkehrsunternehmens SAS (Hauptniederlassung in Kopenhagen) - einer schwedischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Wien - für das Jahr 1978 Einkommensteuer ohne die beantragte Begünstigung der §§67 und 68 EStG vorgeschrieben (B647/80). Sie sei (zu Z1) nicht im Inland, sondern an Bord der Flugzeuge der SAS beschäftigt gewesen und der Arbeitgeber könne bloß deshalb nicht zur Vornahme des Steuerabzuges vom Arbeitslohn verhalten werden, weil er seinen Sitz in Dänemark habe, sie sei aber (zu Z2) auch nicht in der Nähe der Grenze ansässig, habe den Arbeitsort nicht in Grenznähe und begebe sich nicht täglich vom Wohn- zum Arbeitsort, sondern bleibe in Ausübung ihres Dienstes regelmäßig mehrere Tage von Wien fern.
Ähnliche Bescheide ergingen für 1979 (B564/81) und 1980 (B366/82).
In den gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und die Rechtsverletzung durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt. Die §§67 Abs11 und 68 Abs5 EStG seien gleichheitswidrig. Die Differenzierung zwischen den Fällen des Lohnsteuerabzuges und der Veranlagung sei unsachlich und die Begünstigung dürfe auch nicht davon abhängen, ob der Arbeitgeber zum Lohnsteuerabzug verhalten werden kann und ob es sich um Grenzgänger handelt, wo Wohn- und Arbeitsort seien und ob der Weg zum Arbeitsort täglich zurückgelegt werde. Im übrigen habe die Bf. keine feste Arbeitsstätte, sodaß iS des §30 Abs2 ASVG ohnedies der Wohnsitz als Beschäftigungsort gelten müsse, und wirtschaftlich gesehen sei sie durchaus "Grenzgängerin".
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Art140 Abs7 B-VG bestimmt im zweiten Satz, daß ein vom VfGH aufgehobenes Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände (mit Ausnahme des Anlaßfalles) weiterhin anzuwenden ist, sofern der VfGH nicht in seinem aufhebenden Erk. anderes ausspricht. Einen solchen Ausspruch enthält das Erk. VfSlg. 9003/1980 nicht. Daher sind die aufgehobenen Worte in §67 Abs11 Z1 EStG auf die Sachverhalte anzuwenden, die vor dem 14. Feber 1981 (dem Tag nach der Kundmachung) liegen. Das ist in bezug auf die Veranlagungsjahre 1978 bis 1980 der Fall. Daß die Anwendung der Begünstigung der §§67 und 68 auf Veranlagungsfälle nur dann möglich ist, wenn der Arbeitgeber nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes oder aufgrund von Staatsverträgen nicht zur Vornahme des Steuerabzuges vom Arbeitslohn verhalten werden kann, ist folglich für die Beschwerdeverfahren verfassungsrechtlich unangreifbar geworden.
Den Beschwerden ist aber einzuräumen, daß die Beschäftigung im Inland eine Voraussetzung ist, die durch das Erk. VfSlg. 9003 nicht immunisiert wurde. Der VfGH hat freilich in der Begründung dieses Erk. nach Bezugnahme auf VfSlg. 6336/1970 (zu §67 Abs10 EStG 1967, dem Vorläufer des §67 Abs11 EStG 1972) ausdrücklich festgehalten, daß die sachliche Rechtfertigung der Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Dienstverhältnissen im Einleitungsbeschluß nicht bezweifelt worden ist.
Auch die vorliegenden Beschwerdefälle geben zu solchen Zweifeln keinen Anlaß. Geht man davon aus, daß eine Arbeit dann im Inland ausgeübt wird, wenn der Steuerpflichtige im Inland persönlich tätig geworden ist (§98 Z2 Satz 2 iVm. Z4 Satz 2 EStG), so wird durch §67 Abs11 Z1 EStG bloß die inländische Arbeit auch dann begünstigt, wenn der Arbeitgeber zur Vornahme des Lohnsteuerabzuges vom Arbeitslohn nicht verhalten werden kann. Eine solche Regelung wird schon durch das Anliegen gerechtfertigt, im Inland geleistete Arbeit ohne Rücksicht auf die Verfügbarkeit des Arbeitgebers steuerlich gleich zu behandeln. Im übrigen hängt nämlich die Möglichkeit des Lohnsteuerabzuges davon ab, daß im Inland eine Betriebsstätte vorhanden ist (§47), wobei Betriebsstätte für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn der Betrieb oder Teil des Betriebes des Arbeitgebers ist, in dem die Berechnung des Arbeitslohnes und der Lohnsteuer vorgenommen wird und die Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer aufbewahrt werden (§81). Auch diesem Erfordernis kann unter dem Gesichtspunkt der praktischen Durchführung und Überprüfbarkeit die Sachlichkeit offenkundig nicht abgesprochen werden.
2. Was die Grenzgänger anlangt, bewirkt §67 Abs11 Z2 EStG eine Ausdehnung der Begünstigung auf Arbeiten im Ausland, die zufolge des inländischen Wohnortes und der Nähe des Arbeitsortes an der Inlandsbeziehung des Arbeitnehmers praktisch kaum etwas ändern. Den Beschwerden ist zuzugeben, daß die in Betracht kommenden Entfernungen in Wechselwirkung mit der Reichweit der Verkehrsmittel gesehen werden könnten. Aber das Erfordernis räumlicher Nähe nimmt - wie die bel. Beh. treffend aufzeigt - auf den Umstand Bedacht, daß das Angebot von Arbeitsplätzen unter sonst gleichen Voraussetzungen in Grenznähe nur dann vergleichbar ist, wenn der grenznahe Bereich des Auslandes mit berücksichtigt wird. Typischerweise sind eben Bewohner grenznaher Gebiete in gewissem Umfang auf Arbeitsplätze jenseits der Grenze angewiesen. Auch diese Rücksichtnahme ist offenkundig nicht unsachlich. Der VfGH hat daher unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine (weiteren) Bedenken.
Wenn die Behörde dem Gesetz unterstellt hat, daß eine Dienstleistung bei einem ausländischen Luftfahrtsunternehmen, die ständig zu einer regelmäßig mehrtägigen Abwesenheit vom österreichischen Wohnort führt, weder eine solche im Inland noch die eines Grenzgängers ist, hat sie dem Gesetz daher auch offenkundig keinen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.
Ist aber §67 Abs11 EStG und seine Auslegung verfassungsrechtlich unbedenklich, so fallen auch die zu §68 Abs5 - eine bloße Verweisung auf §67 Abs11 für eine gleichartige Frage - vorgebrachten Bedenken in sich zusammen (vgl. auch VfSlg. 8835/1980).
Die Bf. ist also weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht noch durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in sonstigen Rechten verletzt worden. Auch andere vom VfGH wahrzunehmende Rechtsverletzungen sind nicht hervorgekommen.
Die Beschwerden können daher ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden (§19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)