VfGH B23/77,B47/77,B48/77,B181/77

VfGHB23/77,B47/77,B48/77,B181/77B23/77,B47/77,B48/77,B181/77B23/77,B47/77,B48/77,B181/77B23/77,B47/77,B48/77,B181/7723.10.1980

UStG 1972, keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Anwendung der §§6 Z10 und 11 Abs12

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
UStG 1972 §6 Z10
UStG 1972 §11 Abs12
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
UStG 1972 §6 Z10
UStG 1972 §11 Abs12

 

Spruch:

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Der Beschwerdeführer S. B. betreibt eine Tabaktrafik. Er ist Bezieher der Blindenbeihilfe und beschäftigt keine Arbeitnehmer. In der Umsatzsteuererklärung 1975 hat er für alle Umsätze Steuerfreiheit gemäß §6 Z10 Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. 223 (künftig: UStG) in Anspruch genommen. Da er für Lieferungen von Tabakwaren an Wiederverkäufer Rechnungen ausgestellt hatte, in denen er Umsatzsteuer auswies, um den Abnehmern den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, erklärte er diese Umsatzsteuerbeträge in der Umsatzsteuererklärung 1975 als Hinzurechnungsbeträge gemäß §11 Abs12 UStG, begehrte aber gleichzeitig die Steuerfreiheit auch dieser Umsätze als Vollblinder.

Mit Bescheid vom 14. September 1976 des Finanzamtes Freistadt, wurden sämtliche Umsätze des Beschwerdeführers gemäß §6 Z10 UStG antragsgemäß steuerfrei belassen, jedoch ein Hinzurechnungsbetrag gemäß §11 Abs12 UStG laut Erklärung mit S 1.730,- festgesetzt, sodaß sich eine Zahllast in dieser Höhe ergab.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für OÖ - Berufungssenat I vom 7. April 1977, Z 2/11/1-BK-Hm-1977, abgewiesen.

b) Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, zu B181/77 protokollierte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer, gestützt auf Art144 B-VG, die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

2. a) Auch der Beschwerdeführer A. L. ist Inhaber einer Tabaktrafik und hat sich in den Umsatzsteuererklärungen auf die Befreiung von der USt gemäß §6 Z2 UStG berufen. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Stmk. vom 29. November 1976, Z B 340-2/76, und vom 16. Dezember 1976, Z B 353-2/76 und B 341-2/76, wurden die Berufungen des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Finanzamtes Liezen vom 25. August 1976 betreffend die Festsetzung der USt-Vorauszahlungen für die Monate Jänner bis Mai 1976, vom 21. September 1976 betreffend die Festsetzung der USt-Vorauszahlungen für die Monate Juni, Juli und August 1976, vom 8. November 1976 betreffend Festsetzung der USt-Vorauszahlungen für den Monat September 1976 und vom 27. August 1976 und vom 30. August 1976 betreffend USt 1973, 1974 und 1975 abgewiesen. Auch den Verfahren dieses Beschwerdeführers liegt zu Grunde, daß er gemäß §11 Abs12 UStG zur Zahlung von USt in Anspruch genommen wird, weil er in Rechnungen an Wiederverkäufer die Umsatzsteuer ausgeworfen hat.

b) Gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Stmk. vom 29. November 1976, Z B 340-2/76, und vom 16. Dezember 1976, Z B 353-2/76 und B 341-2/76, wenden sich die auf Art144 B-VG gestützten, zu B23/77 und B47, 48/77 beim VfGH protokollierten Beschwerden, in denen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, des "Gewerbeausübungsrechtes", "des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, wonach die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf (Art18 B-VG)" und ein "Verstoß der staatlichen Verwaltung gegen die Verpflichtungen, die die Republik Österreich anläßlich des Arrangements mit der EWG übernommen hat" geltend gemacht und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, allenfalls die Abtretung der Beschwerden an den VwGH beantragt werden.

3. Die belangten Behörden haben in den jeweiligen Beschwerdeverfahren Gegenschriften erstattet und die Abweisung der Beschwerden begehrt.

4. Der VfGH hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

II. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerdefälle hat der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des §6 Z10, des ersten Satzes des §11 Abs12 und der Worte "die Lieferungen und" in §12 Abs3 Z1 UStG von Amts wegen geprüft. Mit Erk. vom 23. Oktober 1980, G37/79, hat er ausgesprochen, daß die genannten Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

III. Der VfGH hat über die Beschwerden erwogen:

A. Zum Beschwerdeverfahren S. B.:

Daß der Beschwerdeführer die (unechte) Befreiung von der Umsatzsteuer gemäß §6 Z10 UStG begehrt hat, ist unbestritten.

Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung verletzt worden zu sein. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit angewendeter Normen aus dem Blickwinkel des Gleichheitsgebotes wurden von ihm nur hinsichtlich derjenigen Bestimmungen des UStG geltend gemacht, hinsichtlich welcher der VfGH mit Erk. vom 23. Oktober 1980 G37/79 ausgesprochen hat, daß sie nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Daß die Behörde das Gesetz gleichheitswidrig angewendet hätte, wurde vom Beschwerdeführer bei der Verhandlung über seine Beschwerde wohl behauptet, jedoch nicht näher begründet. Ein, das Gleichheitsgebot verletzender Vollzug ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen.

Ebensowenig hat das Verfahren ergeben, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde somit abzuweisen.

B. Zu den Beschwerdefällen A. L.:

1. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften könnte die von diesem Beschwerdeführer behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrheit des Eigentums nur dann vorliegen, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte. Dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall.

Soweit die belangte Behörde die Beschwerde jedoch schon deshalb für unbegründet erachtet, weil der Beschwerdeführer einen Antrag auf Steuerbefreiung gar nicht gestellt habe, ist sie im Irrtum. Der Beschwerdeführer hat nämlich schon dadurch, daß er in den Steuererklärungen auf §6 Z10 UStG verwiesen hat, sowie durch die Nichtinanspruchnahme eines Vorsteuerabzuges unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er die Steuerbefreiung gewährt haben möchte. In der Folge hatte die Behörde die Vorschrift über die (unechte) Steuerbefreiung auch anzuwenden.

Die belangte Behörde beruft sich in den angefochtenen Bescheiden weiters auf das den Beschwerdeführer betreffende Erk. des VwGH vom 18. Feber 1976, Z 67/75 (VwSlg. 4949 F/1975). Der VwGH habe in diesem Erk. ausgeführt, daß auch eine den Vorschriften des §11 Abs6 UStG entsprechende Kleinbetragsrechnung eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis darstelle. Zu dem Einwand, daß ein gesonderter Ausweis des geschuldeten Steuerbetrages nur dann vorliege, wenn der Steuerbetrag daß es mit der Wortfassung des §11 Abs12 durchaus vereinbar sei, unter einem gesondert ausgewiesenen Steuerbetrag auch einen Betrag zu verstehen, der durch Angabe seiner Berechnungsfaktoren Bruttoentgelt und Steuersatz ausgedrückt werde. Zum Einwand einer zweimaligen Umsatzbesteuerung habe der VwGH erwidert, daß die gegenständliche Besteuerung sich ausschließlich als Folge der gesetzwidrigen Vorgangsweise des Beschwerdeführers bei der Ausstellung der Rechnung darstelle.

Der Beschwerdeführer hält dieser Begründung der belangten Behörde und damit der Ansicht des VwGH entgegen, daß es unzulässig sei, eine Bestimmung teleologisch zu interpretieren, wenn eine grammatikalische Auslegung möglich sei. Aufgabe des VwGH sei nicht, die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen, es sei vielmehr Sache des Gesetzgebers selbst, seine Absicht verbal zum Ausdruck zu bringen. Wenn der VwGH ausgeführt habe, daß die Verknüpfung zwischen dem gesonderten Steuerausweis und dem Recht auf Vorsteuerabzug der Kleinbetragsrechnungen in gleicher Weise bestehen, wie bei Rechnungen, deren Gesamtbetrag S 1.000,- übersteige und hieraus ableite, daß es dem Sinn des §11 Abs12 UStG widerspreche, diese Fälle verschieden zu behandeln, so würde, da eine grammatikalische Auslegung dies ausschließe, eine unzulässige teleologische Interpretation vorgenommen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer mit diesen Ausführungen eine denkunmögliche Gesetzesanwendung tatsächlich behauptet. Der VfGH hält die Rechtsansicht des VwGH jedenfalls für denkmöglich. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Auslegung des VwGH wendet, bekämpft er in Wahrheit die Richtigkeit des angefochtenen Bescheides. Diese ist vom VfGH jedoch nicht zu prüfen.

2. Auch die Berufung des Beschwerdeführers auf Art18 B-VG ist verfehlt, da, wie der VfGH in ständiger Rechtsprechung seit VfSlg. 1324/1930 ausgesprochen hat, Art18 B-VG kein subjektives Recht auf gesetzmäßige Führung der Verwaltung gewährleistet (VfSlg. 7895/1976). Der Beschwerdeführer kann daher durch den angefochtenen Bescheid in einem solchen Recht nicht verletzt worden sein.

3. Was schließlich den Vorwurf des Beschwerdeführers betrifft, das Vorgehen der belangten Behörde verstoße gegen Verpflichtungen, die die Republik Österreich "anläßlich des Arrangements mit der EWG" übernommen habe, genügt es, darauf zu verweisen, daß das Abkommen vom 22. Juli 1972, BGBl. 466 zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft keine im Verfassungsrang stehenden Bestimmungen enthält, an denen das UStG zu messen wäre.

4. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, daß er durch die angefochtenen Bescheide im "Gewerbeausübungsrecht" behindert werde, versteht der VfGH als den Vorwurf einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf freie Erwerbsausübung. Auch dieses Recht könnte, ausgehend von der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsnormen nur im Falle einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung verletzt worden sein (VfSlg. 7440/1974). Daß solches nicht der Fall ist, wurde bereits dargelegt.

5. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe sind somit zur Gänze unbegründet. Eine Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist im Verfahren ebenfalls nicht hervorgekommen. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist, waren die Beschwerden abzuweisen.

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